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Die Theiß.

Sommerabend war's. – Ich stand betrachtend
An der Theiß gekrümmten Uferstegen,
Da, wo sich die Túr in sie ergießet,
Wie das Kind der Mutter eilt entgegen.

Ohne Welle, wie ein blanker Spiegel,
Floß die Theiß hinunter ihre Wege,
Daß nur ja der Sonnenstrahl nicht straucheln
In den Falten ihrer Wellen möge.

Rothe Strahlen tanzten gleich den Elfen
Auf der Wasserfläche rings im Kreise,
Und es klang, als klirrten sie beim Tanze
Mit den kleinen Silbersporen leise.

Wo ich stand, da lag bis an die Wiese
Gelber Kies, gleich einem Teppichtuche;
Auf der Wiese lag gemähtes Gras in Reihen,
Wie die Zeilen stehn im offnen Buche.

Dort der hohe Wald in stummer Würde. –
Dunkel war's in ihm. – Doch Abendgluthen
Säumten ihn, als sähe man die Wipfel
Flammend lodern und aus Wunden bluten.

Dicht besetzt von Haselnußgesträuchen
Jenseits dort des Flusses Ufer lagen;
Durch die einz'ge Lichtung, die geblieben,
Sah man fern des Dörfchens Kirchthurm ragen.

An entschwund'ne sel'ge Stunden mahnend,
Schwammen Rosenwölkchen durch die Lüfte,
Und herüber aus der fernsten Ferne
Sah das Marmaroscher Felsgeklüfte.

Alles stumm. – Die feierliche Stille
Manchesmal ein Vogelpfiff nur störte,
Und es klang der fernen Mühle Klappern,
Als ob man ein Bienchen summen hörte ...

Jenseits, mir gerade gegenüber,
Kam 'ne Magd mit einem Krug geschritten;
Füllend ihn, sah sie zu mir herüber,
Und enteilte drauf mit leichten Tritten.

Und so stand ich da wie festgewurzelt,
Regungslos und stumm in mich versunken,
Tiefen Rausches; – von der ew'gen Schönheit
Der Natur war meine Seele trunken.

Mächtige Natur! o welche Sprache
Dürfte wohl den Wettstreit mir Dir wagen?
Groß bist Du fürwahr! In tiefstem Schweigen
Weißt Du das Erhabenste zu sagen – –

Heim zur Herberg' kam ich spät am Abend;
Frisches Obst war da zum Abendmahle,
Lange sprach ich mit den Kameraden
Bei des Reisigfeuers hellem Strahle.

Unter Ander'm sprach ich auch zu ihnen:
»Arme Theiß – ihr müßt sie immer schmähen!
Lasst sie doch; ich hab' auf weiter Erde
Keinen Fluß, der frömmer wär', gesehen.«

Nachts darauf, da schreckte aus dem Schlummer
Plötzlich mich der Feuerglocke Läuten.
»Weh', die Theiß!« so rief's, – ich stürz' ans Fenster,
Und – ein Meer umgab mich allerseiten.

Gleich 'nen Irren, der die Kette sprenget,
Sah die Theiß ich in die Fluren dringen,
Brüllend, tosend ihren Damm durchreißen,
Als ob wollte sie die Welt verschlingen!


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