Anton von Perfall
Truggeister
Anton von Perfall

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9.

Das verhängnisvolle Ereignis im Keller des Stefanellyschen Hauses, welches an jenem Festabend die Tanzenden so erschreckt hatte, war nur der Vorläufer der großen Katastrophe gewesen, dessen Opfer eine Woche später die Straßen M . . .s teils klagend, teils drohend durchirrten. Der Zusammenbruch vollzog sich mit blitzartiger Schnelligkeit und riß alles mit nieder, was in seinem Bereich lag.

Schon die Nachricht von dem Diebstahl in dem Gewölbe Stefanellys während des vielbesprochenen Festes wurde mit sonderbarem Schweigen aufgenommen; man glaubte nicht recht daran und ahnte Schlimmeres. Die weitere Kunde von der Verhaftung des Diebes in der Person eines Schlossers aus der Vorstadt hob wieder die Gemüter.

Da, Mittag war es, zuckte der Strahl, der gefürchtete, und er schlug furchtbar ein: Stefanelly war verhaftet samt seinem Agenten Margold und dessen Frau, der bekannten Loni. Die Bank war vom Gericht geschlossen und Schutzleute wehrten die tobende Menge von den verschlossenen Türen ab. Rasch wurde bekannt, daß der in der Frühe verhaftete Schlossermeister als völlig unschuldig wieder entlassen worden war, und von diesem Augenblick an wußte man auch, warum der Stefanelly verhaftet worden war – er selbst war der Dieb!

Die Nacht brach an, was würde der nächste Tag bringen?

Was er bringen mußte: den Zusammensturz der Stefanellyschen Gründungen, eine wahnsinnige Panik auf der Börse mit all ihren schrecklichen Folgen, Jammer, Tränen, Haß, Erbitterung – bei den Vernünftigen aber reuevolle Einsicht, bittere heilsame Erkenntnis des Abgrundes, an dem alles gewandelt und von dem nun die derbe rücksichtslose Faust des Schicksals die Betörten zurückgerissen hatte.

Das gerichtliche Verfahren gegen Stefanelly, welches von den Behörden möglichst beschleunigt wurde, begann mit der Anklage wegen des Kassendiebstahles, während die schwierigen und verwickelten Erhebungen über die schwindelhaften und betrügerischen Gründungen ihren Fortgang nahmen. Es mußten dabei unerhörte Dinge zutage kommen; jeder wußte, daß sich ein in den krassesten Farben gemaltes abschreckendes Bild der Zeit entrollen werde, daß in diesem Prozeß die ganze entartete Gesellschaft auf der Anklagebank saß.

Jeden Tag erhöhten neue Gerüchte die gespannte Erwartung. Der Rat Stürmling, der in der letzten Zeit offenkundig zum Agenten Stefanellys geworden war, verschwand spurlos – es hieß, er habe sich erschossen. Minister Graf Derwitz erhielt plötzlich seinen Abschied.

Der Name des Aufsichtsrates Brennberg, gegen welchen ebenfalls Anklage erhoben wurde, war in aller Mund. Er sollte den Stein ins Rollen gebracht, den unschuldigen Schlossermeister durch seine offene Aussage befreit haben.

Endlich brach der Tag des Gerichtes an, des lang erwarteten, von vielen gefürchteten Gerichtes.

Alle Arbeit ruhte, stumm, wie in sich selbst verkrochen lag M . . .. da, von Gewissensschauern geschüttelt. Nur um das Gerichtsgebäude wogte eine stürmisch bewegte Volksmasse.

»Räuber! Spitzbuben! Gebt den Raub heraus!« tönte es wild durcheinander und geballte Fäuste erhoben sich drohend gegen die Fenster des Gerichtssaales.

Diesen füllte eine dichtgedrängte Menge aus allen Ständen, Männer und Frauen, Betrogene mit verweinten Augen, begierig, jede Masche des Netzes zu sehen, in dem sie sich gefangen hatten. Neugierige, die nur die Sucht nach Aufregung und Nervenkitzel hergetrieben hatte.

Alles starrte auf die noch unbesetzten grünen Tische mit den bereitliegenden Aktenbündeln, aus denen endlich der Sieg der Wahrheit und des Rechts über die Lüge und das Unrecht sich entwickeln sollte.

Eine schwüle lautlose Stille herrschte. Ein jeder fühlte an sich selbst das Messer des Arztes, das ihn befreien sollte von jahrelangen Gebresten.

Die Angeklagten betraten den Saal. Zuerst Stefanelly, ein höhnisches Lächeln um die bleichen Lippen, von dumpfem Brausen empfangen, das sich lawinenartig fortpflanzte bis auf die Straße. Dann eine gebeugte Gestalt, der Aufsichtsrat Brennberg; weiter ein junger Mann in auffallender Kleidung, mit scheuem Blick und kränklichem Aussehen, Hans Margold, der Agent. Zuletzt, kokett gekleidet, einen frechen Blick über den ganzen Saal werfend, die gefeierte Loni, die Königin all der üppigen Feste des Hauses Stefanelly, die verkörperte geschminkte Lüge, die ausgesprochene Vertreterin der morschen zerfressenen Zeit.

Ein Gemurmel des Unwillens empfing sie.

Da nahm das Richterkollegium Platz am erhöhten Tische, in der Mitte des Saales, zur Seite die Geschworenen; die Wichtigkeit des Augenblicks, das Gefühl, Gericht zu sitzen über ihre Zeit – und damit vielleicht auch über sich selbst – lastete sichtlich auf ihnen.

Die Anklage des Staatsanwaltes hallte durch den schwülen Raum, vernichtende Worte von krankhaftem Taumel, der alles ergriffen, von verbrecherischer Genußsucht, vom Hohn auf jedes Recht, von gleißnerischen Ehrbegriffen. »Die Achtung vor dem Eigentum ist erstickt, die Liebe zur Arbeit verschwunden aus den Herzen, die Literatur, das Theater atmen Schwelgerei und Sittenlosigkeit, der Preis der Tugend findet keine Sänger mehr; die rohe Kunst, sich zu bereichern ohne Arbeit, ohne Fleiß, ohne Ausdauer, ohne Genie, ist die einzig gepflegte, sie ist die moderne Pest der Staaten. Die heute hier als Angeklagte stehen, sind nur die sichtbaren Vertreter der allgemeinen Fäulnis, nicht über sie allein halten wir heute Gericht, nicht sie allein klage ich an, sondern die ganze Gesellschaft, die nach denselben Grundsätzen, in denselben Trieben gehandelt und gelebt hat seit Jahren. Sie alle stehen heute vor dem Richterstuhl, und das Urteil, das heute hier gesprochen wird, gilt für sie alle; möge es die Donnerstimme der Gerechtigkeit sein, die unsere Zeitgenossen in ihrem Innersten aufwühlt und sie zur Erkenntnis bringt, wohin dieser Weg führen wird, oder vielmehr schon geführt hat – zur völligen Verderbnis, zur Selbstvernichtung.« –

Wie Keulenschläge fielen diese Worte; die Köpfe der Menge beugten sich darunter, die Gewissen erwachten – der Abgrund gähnte, den ein verführerischer Nebel bisher verdeckt hatte.

Die Zeugenaussagen gegen Stefanelly waren erdrückend, ein häßlicher Knäuel von Lüge, Betrug, Fälschung, gewissenlosem Wagnis entwirrte sich. Wie Schuppen fiel es von den Augen aller der Geblendeten.

Dann erzählte der Aufsichtsrat Brennberg in schlichten Worten seinen Weg von dem einsamen Schönau bis in diesen Gerichtssaal, den er willenlos gegangen sei unter der zwingenden Macht Stefanellys; er schilderte, wie ihn nach einem arbeitsvollen einsamen Leben allmählich in seinen alten Tagen die entnervende Luft der Großstadt förmlich vergiftet und zugrunde gerichtet habe, schilderte die qualvollen Nächte, in denen er mit sich gerungen habe und doch unterlegen sei, schilderte alles das in Worten, die mächtig zu seinen Hörern sprachen.

Ja, diese giftdurchtränkte Luft hatten sie alle eingeatmet, die Menge hier auf den Bänken und draußen auf der Straße, die Geschworenen, die Richter – alle – alle!

»Ich habe ernten wollen, ohne zu säen, ich, ein Mann, der dreißig Jahre die Scholle seiner Ahnen bebaut hatte, der aus dem Gleichnis der Natur erkennen mußte, daß dies nicht möglich sei, daß es mit rechten Dingen dabei nicht zugehen könne. Keine Strafe wird mir zu schwer sein, um zu sühnen, was ich getan habe.«

So schloß der alte Baron seine Rede.

Ein jäher Sturm brach los im Zuhörerraum, Schluchzen, Weinen, beifällige Zurufe. Wie eine Erlösung aus unheimlichem Bann klangen die Worte, wie die Verheißung einer besseren Zukunft. Der Präsident selbst fühlte die Heiligkeit dieser Erregung und ließ sie austoben.

Bertas schwer belastende Aussage gegen Loni wurde vernommen, der vorgebliche Diebstahl unter den Füßen der sorglos tanzenden Gäste im Prunksaal Stefanellys: wieder ein furchtbar erschütterndes, bedeutungsvolles Bild.

Zwei Gärtnerstöchter von der Landstraße, zwei Nachbarskinder, standen sich da gegenüber, die auch der Zeitgeist hineingetrieben hatte in die Stadt aus ihren friedlichen Häuschen und ihrem friedlichen Tun. Die eine hatte sein Hauch längst durch und durch vergiftet, die andere hatte ihm siegreich widerstanden, war gesund geblieben an Geist und Leib. Alles blickte erquickt auf das blühende Weib, das unbeirrt, seines eigenen Vorteils nicht achtend, für die Wahrheit und die Unschuld eingetreten war und der Schlange des Trugs auf den Kopf trat. Es war, als ob ein freundliches, hoffnungsvolles Licht von ihr ausginge in dem düstern, schwülen Raum.

Die Verteidigung hatte einen schweren Stand. Das Urteil lag in der Luft, auf jeder Lippe, es war unabänderlich. Sie konnte sich nur auf einzelne Milderungsgründe beschränken, jeder Versuch, psychologische Spitzfindigkeiten anzubringen, wurde, trotz aller Mahnung des Präsidenten zur Ruhe, im Publikum mit Hohn aufgenommen.

Das Gewissen des Volkes war erwacht und saß selbst mit zu Gericht.

Stefanelly wurde als der Hauptschuldige unter gebührender Würdigung seines ganzen, auf Lug und Trug gerichteten Gebarens, namentlich der nichtswürdigen Abwälzung des Verdachts auf einen völlig Schuldlosen, wegen gemeinen Diebstahls von Kassengeldern zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und aller Ehren verlustig erklärt; Loni und Hans erhielten wegen Teilnahme an diesem verbrecherischen Treiben eine dreijährige Gefängnisstrafe; Brennberg wurde zwar eines in Gemeinschaft mit Stefanelly begangenen Kassendiebstahls für schuldig befunden, jedoch unter Berücksichtigung der mehrfachen ihm zur Seite stehenden Milderungsgründe, namentlich auf Grund der Annahme, daß er die veruntreuten Gelder aus seinem allerdings nun gleichfalls verlorenen Vermögen zu ersetzen beabsichtigte, nur mit sechsmonatigem Gefängnis bestraft.

Mit lauten Zurufen wurde dieser letzte Satz des Urteils begrüßt.

Dem Baron drangen diese Kundgebungen tief ins Herz und ein Tränenstrom brach ihm aus den Augen.

Er fühlte es, hier erhob der Geist seine Stimme, der sich immer wieder Bahn bricht, der Geist der Gerechtigkeit und der Wahrheitsliebe, der Sieger über die verhaßten Truggeister. – Erst als die schmale Tür, die zu den Haftlokalen führte, sich hinter den Verurteilten geschlossen hatte, leerte sich der Saal lautlos, ohne Gedränge.

Auch die Menge vor dem Gebäude verzog sich wider Erwarten ruhig, das Urteil lastete auf jeder Brust. Der Staatsanwalt hatte wahr gesprochen: sie alle hatten heute vor dem Richterstuhle gestanden.

* * *

Nach sechs Monaten hielt gegen Abend ein Wagen vor der Stadtvogtei, in welcher Christian seine Strafzeit verbüßt hatte. Ein Kommissar meldete eben dem Freiherrn den Ablauf derselben mit dem Hinzufügen, zwei Herren und eine Dame erwarteten ihn.

Es war für Christian eine harte Zeit gewesen voll bitterer Selbstvorwürfe, Angst für die Zukunft und Kummer für seine Kinder, aber auch eine Zeit ernster Einkehr in sich selbst, völliger innerer Heilung.

Eine erschütternde Nachricht war für ihn die Kunde von der Geburt eines Enkels, eines Stammhalters gewesen. Früher hatte er sich dieses süße Glück gar nicht zu träumen gewagt, jetzt ward es ihm zuteil, während er im Gefängnis saß, und er durfte sich nicht einmal darüber freuen. Der Name Brennberg war ja durch ihn befleckt, entehrt, dem Elende preisgegeben, und was er einst ersehnt hatte, erschien ihm jetzt wie ein Fluch. Dann aber kamen wieder Stunden, wo er den Knaben wonnetrunken in seinen Armen sah, auf seinen Knieen schaukelte auf der Terrasse von Schönau, den künftigen Erbherrn – und furchtbar war dann das Erwachen, wenn die Kerkermauern, welche die erhitzte Phantasie gesprengt hatte, sich wieder schlossen vor dem beseligenden Bild.

Jetzt, wo sich dem Gefangenen die Türe zur Freiheit öffnete, traten wieder dunkle Schatten vor seine Seele. Welchem Leben ging er entgegen? Einem Leben der Schande, der Not vielleicht. Warum hatte ihn der Tod nicht erlöst, ihn, der jetzt nur eine Last war für seinen durch ihn ruinierten Sohn? Der Herr von Brennberg auf Schönau trat aus der Stadtvogtei an das Licht des Tages und starb nicht vor Scham! Und doch kamen sie, ihn abzuholen, Theodor und Berta! Sie haßten ihn also nicht, sie hatten ihm gewiß alles vergeben und er durfte sein Enkelkind in die Arme schließen! –

Aber der Kommissar hatte doch von zwei Herren gesprochen! Wer konnte nur dieser zweite sein? Freund oder Feind? Lauerte vielleicht ein neues Unglück auf der Schwelle.

Christian schwindelte es fast, als er die Treppe hinunterstieg. –

Da streckte ihm auf halbem Weg ein Mann beide Arme entgegen.

»Margold! Du!« rief der Freiherr aufjauchzend. »Das ist ein gutes Zeichen, jetzt hoffe ich wieder!«

Und die beiden Männer umarmten sich schluchzend, dann gingen sie hinab, wo Theodor und Berta ihrer harrten.

Schweigend stieg man in den Wagen. Die Bewegung war in allen zu groß für Worte, nur die Tränen sprachen, die zitternden sich pressenden Hände.

»Wohin denn?« fragte der alte Herr von Brennberg, als der Wagen sich in Bewegung setzte. Er wußte, die Brennburg war längst verkauft.

»Nach Hause,« sagte Margold.

»Nach Hause!« wiederholte Christian herb.

Der Wagen fuhr durch die Stadt, über die bereits ein schwüler Augustabend sich herabsenkte. Das toste und brauste wie vor einem halben Jahre, als wäre nichts geschehen; über die Opfer der Katastrophe spann das rastlose Leben schon längst eine neue bunte Decke.

Jetzt ging's durch eine Vorstadt: da grinsten vorwurfsvoll die leeren Fensterhöhlen unvollendeter Häuser. Die Spinne hatte ihre Fangarme zu weit ausgestreckt, der Lebenssaft fehlte ihr, sie mußten verdorren.

Der alte Baron empfand eine geheime Schadenfreude über das verstümmelte Ungeheuer und vergaß darüber ganz, zu fragen, wohin denn eigentlich die Fahrt gehe.

Jetzt hörten die Häuser auf, wogende Felder breiteten sich in der einbrechenden Dunkelheit aus.

»Ja, wohin führt ihr mich denn? Doch zu dir, Margold, in dein Haus.«

»Ich habe kein Haus mehr,« erwiderte Margold lachend.

»Und ihr wohnt nicht mehr in M . . .

»Nein, aber in der Nähe, Vater,« sagte Theodor.

»In der Nähe? Ihr verbergt mir etwas, ein neues Unglück! Wo ist euer Kind, mein Enkelsohn?«

Eine jähe Angst vor etwas Ungewissem hatte den erregten Mann gepackt.

»In einigen Minuten bist du bei ihm,« war die Antwort.

Der Wagen fuhr jetzt eine Pappelallee entlang. Brennberg erblickte die langen Schatten im matten Mondlicht. Ein Zittern befiel ihn, er lehnte sich weit hinaus.

»Schönau!« schrie er, Schönau! Was wollt ihr in Schönau?«

In diesem Augenblick hielt auch der Wagen. Der Freiherr riß den Schlag auf, sprang hinaus und erblickte die blendweiße Front des Schlößchens vor sich, dessen Fenster alle hell erleuchtet waren.

Er stieß einen gurgelnden Schrei aus und fiel auf die Kniee nieder.

»Schönau! Heiliger Gott! Schönau!«

Margold und Theodor hoben ihn auf.

»Unser Schönau!« flüsterte Theodor.

Christian breitete die Arme aus wie vor einer himmlischen Erscheinung und sah fragend auf Margold.

»Ja, Herr, unser Schönau, das Heiratsgut der Bertl. Ich sagt' es ja, es hat auf uns gewartet, fast geschenkt haben sie mir den ›alten Kasten‹, wie ihn die Aktionäre nannten. Den alten, lieben Kasten – und da – da kommt auch der künftige Herr von Schönau, Sie zu begrüßen.«

Bertl war es, die sich schnell in das Schloß gestohlen hatte und jetzt mit ihrem Kinde auf dem Arm heraustrat vor den Großvater.

»Unser Sohn,« stammelte die selige Mutter.

Christian schloß den Kleinen trunken von all dem unerwarteten Glück in die Arme.

Im Norden zog ein roter wallender Dunst empor über die Bäume des Parkes, Christian blickte feindselig darauf, dann aber nahm er den Kleinen fester in die Arme und betrat mit ihm das Haus seiner Väter.


Als Bergmann an jenem Nachmittage zurückkam aus dem Gefängnis und sein Weib ihn mit Tränen der Freude empfing, da wehrte er ihrer Zärtlichkeit und nahm sie mit sich in die Kammer.

»Du glaubtest an meine Schuld, nicht wahr, Therese?« sagte er.

Scham und Schmerz ließen sie lange nicht antworten.

»Mußte ich nicht, da du, der sonst so hitzige Mann, dich widerspruchslos, ohne ein Wort der Rechtfertigung, mit fortnehmen ließest? Warum hast du das getan?«

»Weil ich wirklich mich schuldig fühlte, Therese, deshalb tat ich's. In jener furchtbaren Nacht faßte ich in meiner Gier nach dem Golde den festen Entschluß, bei Stefanelly einzubrechen; ich war eben mit dem Plane fertig, da kamen sie, mich zu holen. Das packte mich, ich glaubte die Stimme der rettenden Vorsehung zu vernehmen, das entsetzliche Fieber wich, der halbe Tag im Gefängnis hat mich ganz davon geheilt. Jetzt bringe mir das Kind, ich hatte keines bisher – und dann zur Arbeit, damit das Fieber nicht wiederkommt.«

Seit der Zeit sprühen wieder lustig die Feuer in der Werkstatt, der Meister selber steht vom Morgen bis zum Abend am Amboß. Die Sparkasseneinlagen Thereses wuchsen von da an zwar langsamer, aber stetig, und heute ist Bergmann schon längst Eigentümer des ehemaligen Margoldschen Hauses.

Theodor ist ein gelehriger Schüler des alten Margold geworden. Aus der Armee infolge der Verhältnisse verabschiedet, von der Gesellschaft, deren Gunst ihm einst alles schien, mit scheelen Augen betrachtet, trieb ihn zuerst Trotz und bittere Verachtung aus dieser Welt des Scheines, da öffnete sich ihm der einst so verachtete, geringgeschätzte Schönauer Boden und zeigte seine verborgenen, nie geahnten Schätze. Theodor erkannte, worin die volle Heilung liege, der einzige Trost, die letzte Ehre – in der Hebung dieses Schatzes, den er einem Phantom geopfert hatte. – Und er hob ihn mit starker Faust, treulich unterstützt von seinem Weibe, von Berta. Duftiger, üppiger Segen breitete sich unter ihren emsigen Händen. Die weithin berühmten Brennbergschen Gärten versehen halb M . . . mit ihren reichen Erträgnissen.

Blicken jetzt des Abends der alte Baron und Margold im Kreise ihrer Lieben in den roten wallenden Schein, der ihnen einst so drohend aufzusteigen schien über dem Wald wie der Atem eines alles verheerenden Dämons, so denken sie zurück an ihren einstigen Wahn und erklären dem horchenden Enkel, was es sei, der Atem rastloser Arbeit, ehrlichen Schaffens und Strebens, kühnen Vorwärtsschreitens, der Atem des wahren, ewigen Zeitgeistes, der sich immer wieder siegreich erhebt über die Geister des Truges und der Lüge.

 


 


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