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II. Periode.

Von der Erwerbung des Schlosses Luxemburg durch Siegfried, bis an die Erhebung der Grafschaft Luxemburg zu einem Herzogthum. Von 963-1354.

 

A) Von Siegfried bis zum Erlöschen der männlichen Linie unserer ersten Grafen, bis 1136.

Siegfried (963-998).

Die Nothwendigkeit, ihre Besitzungen gegen die Anfälle der Normänner zu vertheidigen, bewog die Adeligen, feste Burgen auf Berge und Felsen zu erbauen, um von da aus ihre Lande zu übersehen. Aus eben diesem Grunde hatte Siegfried, Sohn Rikuins, Grafen der Ardennen, aus der Familie Karl des Großen, von der Abtei St. Maximin die Trümmer des alten Römerschlosses, das sich auf dem Bocke erhob, erworben. Er erbaute und befestigte es von Neuem, und seine erste Sorge war, vor dem Thore der Burg eine Kapelle zu Ehren der heil. Jungfrau Maria zu errichten, um so dieselbe unter ihren Schutz zu stellen.

Siegfried, ein überaus gottesfürchtiger Herr, ist als der eigentliche Gründer der Stadt Luxemburg anzusehen; denn er baute das Schloß besser auf, ließ die nächsten Waldungen ausrotten, und zog von allen Seiten Anbauer herbei, so daß in kurzer Zeit sich unter dem Schutze der Burg die Vorstädte Grund und Pfaffenthal erhoben. Bald wurden auch um die Burg Wohnungen gebaut, und so der Grund zu der Oberstadt gelegt. In der Folge (980) wurde Siegfried in einen unglücklichen Krieg mit den Franken verwickelt, welche ungeachtet bestimmter Verträge, auf Lothringen Ansprüche machten, und in dasselbe einfielen. Siegfried eilte seinem Neffen, dem Herzoge von Lothringen, zu Hülfe, und wurde mit demselben bei einem Ausfalle zu Verdun gefangen genommen, aber nach einem bald darauf erfolgenden Frieden wieder freigegeben. Von dieser Zeit an scheint er sich nicht mehr um das Ausland gekümmert zu haben: wir wissen vielmehr, daß er besorgt war, Kapellen und Klöster zu stiften, dieselben durch Stiftungen zu unterstützen, so wie die mannigfaltigen Streitigkeiten zu schlichten, welche zwischen verschiedenen Klöstern oder auch im Innern derselben entstehen konnten. Diese seine Bemühungen wurden auch von Allen anerkannt, so daß Siegfried von den Abteien von Echternach und St. Maximin zu Trier als Schirmherr angenommen wurde. – Er starb am 15. August 998, und wurde, seinem Wunsche gemäß, in der letzten dieser Abteien neben seiner Gemahlin bestattet.

Er hinterließ fünf Söhne:

Heinrich, der nach seines Schwagers, des Herzogs von Baiern, Erhebung zum deutschen Kaiser, Herzog von Baiern wurde; Adelbero, Probst zu St. Paulin bei Trier; Theodorich, Bischof in Metz; Gilbert oder Giselbert, welcher die Besitzungen seines Vaters im Moselgau erbte; Friedrich, der seinem Vater in der Grafschaft Luxemburg folgte. Er hinterließ auch eine Tochter, Kunigunde, welche mit dem Herzoge Heinrich von Baiern vermählt war, und mit ihm den deutschen Kaiserthron bestieg. Dieser wurde fälschlich wegen Untreue angeklagt, und mußte, um ihre Unschuld zu beweisen, die Feuerprobe bestehen. In dem Mittelalter nämlich hegte man die Meinung, daß der allwissende und gerechte Gott in jenen Fällen, wo kein menschlicher Beweis möglich war, eher ein Wunder geschehen lassen, als die Bestrafung eines Unschuldigen zugeben würde; daher hatte man die Einrichtung, daß die Angeklagten sich gefahrvollen Handlungen unterziehen mußten, bei denen es nach menschlichen Ansichten unmöglich war, daß sie ohne einen außerordentlichen göttlichen Beistand unverletzt davon kommen konnten. Solche Handlungen nannte man Ordalien oder Gottesurtheile, und es gab deren mehrere Arten. Was die oben angeführte Feuerprobe betrifft, so finden wir in der Geschichte jener Zeiten, daß die Kaiserin Kunigunde über glühende Pflugschaaren hinwegschritt, und dabei glühende Eisenstangen in den Händen hielt, ohne daß man, nach Verlauf von drei Tagen, auch nicht die mindeste Spur von Verletzung hätte sehen können. So war nun ihre Unschuld vor aller Welt bewiesen, und wegen dieses Wunders, so wie auch wegen ihres heiligen Wandels wurde sie im Jahre 1200 vom Papste Innocenz III heiliggesprochen.

Auf Siegfried folgte dessen Sohn

Friedrich (998-1039).

Unter seiner Regierung brach zwischen den Fürsten des Luxemburger Hauses und dem Kaiser ein Krieg aus, der veranlaßt wurde durch die Weigerung des Kaisers Heinrich II, die Brüder unsres Grafen, Theodorich und Adelbero, als Bischöfe von Metz und Trier anzuerkennen. Einerseits wollte der Kaiser die Brüder seiner Gemahlin schonen, andererseits aber auch seine Würde als Kaiser behalten, und deßwegen schlug er, nachdem schon lange hin und her gekämpft worden war, den Weg der Güte ein, und berief einen Reichstag nach Coblenz, wo der Streit geschlichtet werden sollte; aber seine Schwäger erschienen nicht, und schickten Abgeordnete dahin, die der Kaiser jedoch nicht empfangen wollte. Ein neuer Reichstag wurde nach Mainz berufen, wo denn auch auf eine abermalige Einladung des Kaisers einige unsrer Fürsten sich einstellten; aber auch diesmal konnte man zu keinem Vergleiche kommen, und die Grafen von Luxemburg überfielen die kaiserlichen Abgeordneten, als diese, nichts Uebles ahnend, ruhig nach Hause zogen. Nach 12jährigem Kampfe erfolgte endlich 1019 der Friede, gemäß welchem Heinrich das Herzogthum Baiern erhielt, Theodorich in das Bisthum Metz wieder eingesetzt wurde, und Adelbero sich mit der Probstei St. Paulin begnügen mußte. Friedrich scheint sich seit der Zeit nach Luxemburg zurückgezogen, und dort ruhig gelebt zu haben; wenigstens schweigt die Geschichte über ihn bis zu seinem Tode, der im Jahre 1039 erfolgte.

Während seiner Regierung war das Luxemburger Land, so wie das ganze deutsche Reich durch eine schreckliche Hungersnoth heimgesucht worden, welche, durch zu häufigen Regen entstanden, während drei Jahren wüthete, und fast unglaubliche Drangsale über unser Land brachte. Nachdem alle Lebensmittel aufgezehrt waren, aß man Kräuter und Wurzeln, und am Ende kam man so weit, Menschenfleisch zu essen. Eine Folge davon war eine verheerende Pest, die noch viele von denen, welche die Hungersnoth verschont, dahinraffte. In diesen Zeiten der Drangsal und des Elends fehlte es auch nicht an Beispielen von erhabener Aufopferung und christlicher Liebe. Die Bischöfe und Aebte verkauften die Kostbarkeiten aus den Klöstern und Kirchen, um dem Elende zu steuern; aber unter allen leuchtete der Bischof Poppo von Trier durch seine wahrhaft heldenmüthige Menschlichkeit und Mildthätigkeit hervor. Eines Tages, als er zur Kirche ritt, wurde er von der Volksmenge umringt, die ihn mit Bitten und Drohungen bestürmte, daß er ihren Hunger stille. »Ich kann eurem Elende nicht mehr helfen«, antwortete er, »ich habe euch alles gegeben, was ich an Geld und Lebensmitteln besaß.« So steige vom Pferde! riefen sie Alle laut durcheinander, und gib es uns zur Nahrung. Geduldig stieg der alte Mann vom Pferde, und sah es in einem Augenblicke von dem heißhungrigen Haufen aufgezehrt. – Friedrich hinterließ vier Söhne: Gilbert, der seinem Vater in der Grafschaft folgte; Friedrich, Herzog von Niederlothringen; Adelbero, Bischof von Metz, und Heinrich nebst mehreren Töchtern: Ogive, Gemahlin des Grafen von Flandern: Judith, die den Grafen Welf heirathete; Giselle, die unverheirathet blieb, und Oda, die sich in ein Kloster zurückzog.

Gilbert oder Giselbert (1039-1057),

welcher schon die Grafschaft Salm besaß und sich bei Lebzeiten seines Vaters als Krieger ausgezeichnet hatte, benutzte die Abreise des Erzbischofs Poppo nach dem heiligen Lande, um in den ersten Jahren seiner Regierung einen Einfall in das Gebiet von Trier zu machen. »Gleich wie ein Wolf gegen die Heerde wüthet«, sagt ein gleichzeitiger Schriftsteller, »wenn er der Abwesenheit des schützenden Hirten gewahr wird«, so drang unser Graf verheerend ins Trierer-Land, und richtete dort die schrecklichsten Verwüstungen an, so daß Poppo, bei seiner Rückkehr, nichts als Klagen und Verwünschungen gegen den Grafen von Luxemburg hörte; durch Vermittelung Adelbero's, Bischofs von Metz, wurde die Versöhnung zwischen dem Beleidigten und dem Beleidiger bewerkstelligt.

Während der Regierung Gilberts erschien in unserm Lande ein fremder Pilger, welcher in Pettingen, in der Gegend von Mersch, eine Klause baute, und dort als Einsiedler ein enthaltsames und heiliges Leben führte. Sein Name war Theobald. Er stammte aus einer angesehenen, altadeligen Familie in der Champagne, aber da die rauschenden Vergnügungen der Welt seinem zur Frömmigkeit geneigten Gemüthe nicht zusagten, verließ er das väterliche Haus, in Begleitung eines seiner Freunde, Namens Walther, und wanderte barfuß bis ist unsere Gegend, in welcher er auch sein auferbauliches Leben beschloß, in Folge dessen er nachher heilig gesprochen wurde. Weil er sich nebst seinen Andachtsübungen vorzüglich mit schweren Handarbeiten und sonstigen seinen Nebenmenschen nützlichen Werken abgab, so ward er in der Folge bei uns als Schutzpatron der sogenannten sieben Handwerker, nämlich: der Tischler, Zimmerleute, Maurer u. s. w. verehrt.

Gilbert starb im Jahre 1057 und hinterließ drei Söhne: Konrad, der ihm als Graf von Luxemburg folgte; Hermann, welcher der Stammherr der Grafen von Salm wurde, und Heinrich, von dem uns die Geschichte nur den Namen aufbewahrt hat.

Konrad I (1057-1086).

Kaum hatte er die Regierung angetreten, als er wiederum die alten Streitigkeiten seiner Vorgänger mit den Erzbischöfen von Trier erregte. Unter irgend einem Vorwande drang Konrad in das trierische Gebiet, und stellte dort schreckliche Verwüstungen an. Aber damit war er noch nicht zufrieden; er benutzte die erste Gelegenheit, die sich ihm darbot, um seinem Haße freies Spiel zu geben. Als der Bischof Eberhard eines Tages seinen Kirchensprengel besuchte, überfiel ihn Konrad in der Gegend von Wasserbillig, und nachdem er sein Gefolge auseinander gejagt, riß er dem Bischofe die priesterliche Kleidung vom Leibe, und schleppte ihn unter mancherlei Mißhandlungen gefangen nach Luxemburg. Wegen dieses Frevels wurde er vom Papste Alexander II mit dem Kirchenbanne belegt, und nur unter dem Versprechen, den Gefangenen frei zu geben, sich mit dem Beleidigten wieder zu versöhnen, und eine Pilgerreise nach dem heiligen Lande zu machen, wieder in den Schooß der Kirche ausgenommen. Nachdem er öffentlich, im Bußkleide, vor dem Erzbischofe Abbitte gethan, trat er die Reise nach dem heiligen Lande an, erreichte auch glücklich das Ziel seiner Wallfahrt, fand aber seinen Tod auf der Rückkehr. Seine Leiche wurde nach Luxemburg gebracht, und in der Münsterabtei, zu welcher er im Jahre 1085 den Grund gelegt, beigesetzt.

Während der Regierung Konrads wurde das Luxemburger Gebiet durch die Grafschaft Longwy, die er von seiner Gemahlin erhielt, vergrößert; in dieselbe Zeit fällt auch die Stiftung der Abtei Orval, welche unter den so zahlreichen Stiftungen dieser Art in unserm Lande die berühmteste war.

Es waren einige Benediktiner-Mönche aus Calabrien durch Lothringen an die Grenzen des Ardennen-Waldes gekommen, und auf ihr Begehren schenkte ihnen Arnold II, Graf von Chiny, das stille, einsame Thal, wo sie sich anzusiedeln wünschten. Dort erhob sich bald nachher jene prachtvolle Abtei, welche so vielfachen Segen über unser Land verbreitete, denn die Mönche errichteten außerdem eine großartige Unterrichtsanstalt für Handwerker und Künstler aller Art, aus welcher so viele geschickte und ausgezeichnete Männer hervorgegangen sind.

Auf Konrad folgte dessen ältester Sohn

Wilhelm (1086-1128).

Er war ein ausgezeichneter Krieger und begleitete den Kaiser Heinrich V auf seinen verschiedenen Zügen sowohl gegen Polen und Ungarn als auch in Italien. Um diese Zeit beginnen die Züge der abendländischen Fürsten, um die Christen im Morgenlande von der Sklaverei, und das heilige Land von dem schmachvollen Joche der Ungläubigen zu befreien; auch mehrere unsrer Großen nahmen an diesen Unternehmungen Theil, welche uns unter dem Namen der Kreuzzüge bekannt sind, weil ein Kreuz das Kennzeichen und die Fahne der christlichen Soldaten war.

Wilhelm nahm zwar selbst nicht an dem Kreuzzuge Theil, aber deßwegen blieb er nicht unthätig; er führte, in Verbindung mit seinem Bruder, dem Bischof von Verdun, glückliche Kriege gegen Metz, und schlug in demselben Jahre den Grafen von Bar in seinem eigenen Lande. Auch mit dem Bischofe Bruno von Trier erneuerte er 1120 die alten Händel, und als er, nach gewohnter Weise, ungeachtet der Vorstellungen des Bischofs, verheerend umherzog, schleuderte dieser einen Bannfluch gegen ihn; bald aber nachher befreite er ihn davon auf seine wiederholten Bitten. Aber schon nach Bruno's Tode wurde Wilhelm in einen Krieg gegen dessen Nachfolger Megimer verwickelt. Unser Graf ließ nämlich zum Schutze seiner unterhalb Trier gelegenen Besitzungen, eine Festung zu Neumagen erbauen; jener wollte aber das verhindern. Da begannen die Verwüstungen wieder von beiden Seiten, und es wäre nicht dabei geblieben, wenn nicht Wilhelm in demselben Jahre gestorben wäre. Seine Leiche wurde in der Münsterabtei beigesetzt, welche er bedeutend vergrößert hatte. – Während seiner Regierung wurde die Stadt Luxemburg merklich verschönert, und von einem frommen Bürger, Namens Hezelon, die erste Pfarrkirche, die alte Nikolauskirche (1120) – bis dahin hatte Luxemburg zur Pfarrei Weimerskirchen gehört – erbaut, die aber in der Folge, im Jahre 1775, wieder niedergerissen wurde.

Im Jahre 1111 hatte Wilhelm den Ehrentitel von Vice-Graf von Verdun erhalten, und war mit den Gegenden Mouzon und Stenay beschenkt worden. Ihm folgte sein einziger Sohn

Konrad II (1128-1136).

Während seiner kurzen Regierung zeichnete er sich durch seine Friedfertigkeit und seine Gerechtigkeitsliebe aus: er vernachläßigte nichts und scheute keine Mühe, um den Frieden auf seinem Gebiete sowohl als bei seinen Nachbarn zu erhalten; er verlegte sich auch mit der größten Sorgfalt auf die Gerechtigkeitspflege, und in Rechtssachen hatte ein jeder ohne Unterschied Zutritt zu seiner Person. Unter seiner Regierung erneuerte Kaiser Lothar III den Mönchen der Abtei Echternach das Recht der freien Schifffahrt auf der Sauer, und auf seine Bitten ließ er an mehreren Stellen das Sauerbett breiter machen (1131). Konrad starb schon im Jahre 1136, und wurde in seiner Familiengruft in der Münsterkirche begraben. Mit ihm erlosch der männliche Stamm unserer Grafen, nachdem er während 173 Jahren seit Siegfried I die Regierung mit Ruhm behauptet hatte, und aus ihm eine Menge von großen Männern hervorgegangen waren, die durch ihre ausgezeichneten Eigenschaften und Tugenden sich die Bewunderung, die Liebe und Anhänglichkeit ihrer Unterthanen, und die Ehrfurcht der Fremden erworben hatten.

 

B. Von dem Erlöschen der männlichen Linie unsrer Grafen, bis zur Erhebung unsrer Fürsten zur Kaiserwürde. Von 1136-1308.

Das Luxemburger Land fiel bei dem Erlöschen der männlichen Linie dem Grafen Heinrich von Namur, dem Sohne Ermesindens, einer Tante Konrads II, und Tochter Konrads I, als dem nächsten Erben anheim. Dieser ist in der Geschichte bekannt unter dem Namen,

Heinrich der Blinde (1136-1196)

und unter allen Luxemburger Grafen der, welcher am längsten, nämlich 60 Jahre hindurch, regierte. Aber diese lange Regierung war nicht immer ein Glück für das Land, denn es wurde während derselben mehrmals der Schauplatz verheerender Kriege. Schon gleich die ersten Jahre seiner Regierung sind mit Krieg bezeichnet. Die Mönche aus der Abtei St. Maximin zu Trier wollten sich der Gerichtsbarkeit des Erzbischofs Albero nicht unterwerfen, und riefen Heinrich, als den Schirmherrn der Abtei, zu Hülfe. Heinrich benutzte diese erwünschte Gelegenheit, um seinen neuen Unterthanen, den Luxemburgern, Beweise seiner Tapferkeit zu geben, zog gegen den Erzbischof, und richtete schreckliche Verwüstungen in der Umgegend von Trier an. Es wurde zwar ein Waffenstillstand geschlossen, als aber der Erzbischof (1141) dessen ungeachtet die Mönche aus der Abtei verjagte, brach der Krieg von neuem wieder aus. Während Heinrich mit Ungestüm ins Trierische einbrach, Pfalz unterhalb Trier und Wittlich in Asche legte, und neue Verheerungen in der ganzen Gegend anrichtete, schickte der Erzbischof zwei Heeresabtheilungen, eine in das Namurer, die andere in das Luxemburger Land, um diese Gegenden mit Schwert und Feuer zu verwüsten. Die Heere begegnen sich bei Bittburg; Heinrichs Truppen, durch Ermüdung und Mangel an Lebensmitteln erschöpft, werden von den bischöflichen Truppen geschlagen, und er muß sich mit großem Verluste nach Luxemburg zurückziehen. Der Bischof wagt es zwar nicht, einen so festen Platz anzugreifen, aber er überfällt Echternach, und bis an 30 feste Schlösser werden während dieses unseligen Krieges zerstört. Kaum aber hatte Heinrich sich wieder erholt, als er in einen neuen Krieg verwickelt ward. Der Graf von Bar hatte sich ungerechterweise der Festung Bouillon bemächtigt, und der Bischof von Lüttich, dem sie gehörte, und der sie ihm wieder entreißen wollte, vertraute Heinrich, als einem tüchtigen Krieger, die Führung seiner Truppen an. Unser Graf täuschte auch seine Erwartung nicht; denn nach einer 40tägigen Belagerung, während welcher Heinrich einen rühmlichen Muth und die größte Unerschrockenheit an den Tag gelegt, mußte Bouillon mit dem Feinde unterhandeln und sich ergeben.

Aber wie es fast immer geht, wenn man den Wolf zur Vertheidigung in seine Gehöfte ruft, so ging es auch hier. Als des Bischofs Nachfolger, Heinrich II, die Kriegskosten nicht bezahlen wollte, ergriff Heinrich die Waffen, und zwar gegen seine früheren Verbündeten, und verwickelte sie in einen langen Krieg. Von beiden Seiten geschahen wieder große Verwüstungen; am Ende jedoch (1155) wurde Heinrich bei Andennes völlig besiegt, und bat um Frieden. Ungeachtet dieses Unfalles vermochte Heinrich nicht ruhig zu bleiben, sondern ergriff schon im folgenden Jahre auf Betreiben der Mönche von St. Maximin die Waffen, um den Bischof Hillin von Trier zu befehden. Jedoch suchten bald beide Partheien einen Vergleich im Frieden, gemäß welchem Heinrich die Stadt Macheren mit der Umgegend erhielt. Er benutzte nun diese Zeit der Ruhe, um sich mit Laurenza, der Tochter des Grafen von Flandern zu vermählen. Da aber der Himmel seine Ehe nicht mit Nachkommen gesegnet hatte, versprach er seinem Schwager, dem Grafen Balduin von Hennegau, ihn zum Erben einzusetzen, und dieser fand bald Gelegenheit, ihm dafür seine Dankbarkeit zu beweisen.

Denn als im Jahre 1171 der Herzog von Limburg ins Luxemburger Land einfiel, Arlon mit Gewalt nahm, und bis an die Thore Luxemburgs vorrückte, eilte er seinem Schwager zu Hülfe, entsetzte Luxemburg, belagerte den Feind in Arlon, und schrieb ihm Friedensbedingnisse vor, gemäß welchen er seine Eroberungen wieder herausgeben, und allen Schaden, den er verursacht, ersetzen mußte. Indeß wurde Balduin für diese Dienstleistungen schlecht belohnt, indem Heinrich nach dem Tode seiner Gemahlin (1172) in zweiter Ehe Agnes von Nassau, Schwester des Grafen von Geldern, heirathete. Er stieß diese zwar kurz nach seiner Vermählung von sich, aber in einer schweren Krankheit, wodurch er das Gesicht verlor, erkannte er Gottes Strafgericht, und sobald er genesen, nahm er seine verstoßene Gemahlin wieder zu sich, und erhielt von ihr eine Tochter, Ermesinde, die schon in ihrem zweiten Jahre an den Grafen von Champagne verlobt wurde.

Da war es nun leicht vorauszusehen, daß die Geburt dieser Erbin arge Verwickelungen und Zwistigkeiten erzeugen müßte. Denn der getäuschte Erbe, Balduin, bestand auf seinen durch die früheren Versprechungen Heinrichs begründeten Ansprüchen, und gerieth deßhalb mit diesem Letztern sowohl als auch mit dessen Schwiegersohne, dem Grafen von Champagne, in Fehde. Zwar besänftigte Heinrich seinen Schwager indem er ihm die Grafschaft Namur abtrat, aber die Streitigkeiten zwischen Balduin und dem Grafen von Champagne wären nicht so leicht beigelegt worden, wenn dieser, des Krieges müde, nicht auf seine Braut Verzicht geleistet hätte.

Ermesinde ward nun an den Grafen Theobald von Bar vermählt, worauf natürlich dieser in einen Krieg mit Balduin, der auf seinen Ansprüchen beharrte, verwickelt ward.

Endlich jedoch wurden beide Partheien des Krieges müde, und man schloß 1199 einen Friedensvertrag zu Dinant, gemäß welchem Theobald, außer den Grafschaften Luxemburg, Durbuy und Laroche, einen Theil von Namur erhielt, den andern aber an den Grafen von Hennegau abtreten mußte. Heinrich war es nicht gestattet worden, die Beilegung des Streites in seiner Familie zu erleben; er war schon 3 Jahre vor dem Friedensschlusse gestorben, und in der Abtei von Floreffe begraben worden.

Wenn man an die vielen Kriege denkt, in welche das Luxemburger Land verwickelt war, so muß man wohl annehmen, daß seine Regierung im Allgemeinen mehr Unglück als Segen über das Land bringen mußte; jedoch verdanken wir ihm Einrichtungen, welche einen wohlthätigen Einfluß auf die Sitten des Volkes hatten. Es handelt sich von den öffentlichen Volksschulen, die er in der Hauptstadt errichtete, und deren Beaufsichtigung ein Vorrecht des Abtes von Münster war; auch war er der erste, der den Luxemburgern einen Anfang von regelmäßiger Gesetzgebung gab, und er ließ es sich angelegen sein, die Hauptstadt um vieles zu vergrößern und zu verschönern.

In dieser Zeit hatte sich ein frommer Mann, bekannt unter dem Namen des heil. Schetzel, in dem Grünwalde angesiedelt, lebte dort unter den größten, freiwilligen Entbehrungen aller Art und führte ein überaus gottesfürchtiges und auferbauliches Leben. Von ihm hat der Schetzelbrunnen seinen Namen.

Ermesinde (1196-1246).

Nach ihres Vaters Tode übernahm Ermesinde die Regierung der Grafschaft Luxemburg. Ihr Gemahl Theobald gerieth in einen neuen Krieg mit dem Herzoge von Lothringen, ungeachtet dieser sein Schwiegersohn war; derselbe wurde geschlagen, gefangen genommen, und zu einem harten Frieden gezwungen (1208). Im folgenden Jahre endigte er durch einen Vergleich einen Zwist, den er mit dem Abte von Stavelot hatte; aber er bewies nicht dieselbe Mäßigung gegen den Erzbischof von Metz; er machte Streifzüge in dessen Länder, die er einer grausamen Verwüstung preis gab. Deßwegen wurde er mit dem Kirchenbanne belegt, und mußte, um sich davon zu lösen, einen Kreuzzug gegen die Albigenser, eine ketzerische Sekte, die sich im südlichen Frankreich gebildet hatte, unternehmen. Von hier an ist das Leben Theobalds von einem dichten Schleier umhüllt, und über sein Ende gibt es verschiedene ganz entgegengesetzte Nachrichten; die wahrscheinlichste ist, daß er in der Schlacht bei Bouvines 1214, die zwischen Philipp August von Frankreich und Johann ohne Land von England geliefert wurde, das Leben verlor.

Ermesinde heirathete in zweiter Ehe Wallram, den Sohn des Herzogs von Limburg, der sich im Kampfe mit den Ungläubigen als ausgezeichneter Krieger bewährt und rühmliche Lorbeers erworben hatte. Diese Vermählung erfüllte die Luxemburger mit desto mehr Freude, als dadurch das Marquisat Arlon wieder an die Grafschaft Luxemburg kam. Vor seiner Verbindung mit Ermesinde mußte Wallram schwören, die Rechte seiner neuen Unterthanen zu ehren und zu schützen, und keinem andern, als einem Luxemburger, das Schloß Arlon anzuvertrauen.

Wallram und Ermesinde, um das Glück ihrer Unterthanen besorgt, lebten in Frieden mit ihren Nachbarn, aber bald wurde diese Ruhe wieder durch einen Krieg zwischen Wallram und dem Grafen von Namur gestört. Vier Jahre hindurch hatten sie das Land verheert, als durch die Vermittelung der Gräfin Johanna von Flandern und Hennegau ein Friede zu Dinant zu Stande kam, als dessen Grundlage der von 1199 angenommen wurde.

Nun war keine Gefahr mehr von Außen zu befürchten, und Ermesinde und Wallram waren nun auch bedacht, die Ruhe im Innern zu sichern. Zu diesem Ende setzten sie unter andern das Amt eines Erbmarschalls ein, welches darin bestand, die Streitigkeiten der Adeligen zu schlichten. Unter ihrer Regierung scheint auch die Würde des Erbbanner-Herrn, der im Kriege das Luxemburger Panier vor dem Heere hertrug, emporgekommen zu sein. Sie wurde dem Herrn von der Fels ertheilt, und ist es wahrscheinlich, daß dieser zuerst als Erbbannerherr in dem Kriege auftrat, der einige Jahre nachher zwischen Wallram und dem Erzbischof Engelbert von Köln entstand. Wie gewöhnlich hatte das arme Landvolk am meisten dabei zu leiden, und noch war an kein nahe bevorstehendes Ende der Feindseligkeiten zu denken, als Engelbert von seinem Neffen, dem Herzoge von Issenburg, wegen vorgeblicher Ungerechtigkeiten ermordet wurde (1225). Wallram fand seinen Tod auf der Heimkehr von einem Reichstag, den der Kaiser nach Kremona berufen hatte (1226). Seine Verbindung mit Ermesinde war dem Lande sehr vortheilhaft gewesen, weil einerseits durch seine Festigkeit und Entschlossenheit den fast beständigen Fehden der Adeligen untereinander ein Ende gemacht, und auch anderseits das Luxemburger Gebiet durch den Anschluß von Arlon und eines Theiles der Herrschaft Diekirch vergrößert worden war. Er hinterließ zwei Söhne: Heinrich II, der nach seiner Mutter Tode die Grafschaft Luxemburg, Laroche und das Marquisat von Arlon; Gerard, welcher die Herrschaften von Durbuy, Roussy und Villance erhielt, und eine Tochter, die mit dem Herzoge von Lothringen vermählt wurde, und 3000 Franken baares Geld als Mitgift erhielt. Ermesinde leitete die Regierung bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes mit Weisheit und Verstand. Sie sorgte zuerst dafür, ihre häuslichen Angelegenheiten ins Reine zu bringen, verheirathete ihre älteste Tochter aus erster Ehe an Wallram den Langen, Herzog von Limburg, und gab ihrem Sohne Heinrich Margaretha von Bar zur Gemahlin. Durch diese Heirath kam die Herrschaft Ligny ans Haus Luxemburg, und Ermesinde vergrößerte noch das Luxemburger Gebiet, indem sie durch einen Vertrag die Stadt Thionville wieder damit vereinigte, und das Schloß Falkenstein ankaufte.

Aber nicht allein das Land, sondern auch die Freiheiten und Rechte ihrer Unterthanen wollte sie vermehren; deßwegen ertheilte sie besonders den Städten Luxemburg und Echternach Freiheitsbriefe, worin muß erwähnt werden, daß die Bürger derselben das wichtige Recht erhielten, jährlich ihre Richter (Friedensgericht) selbst zu wählen. Die Regierung Ermesindens ist noch wichtig durch die große Anzahl von Abteien und Klöster, welche in unserem Lande gegründet wurden; sie selbst stiftete mehrere derselben, und unterstützte die andern, weil sie wohl wußte, daß diese nur zur Wohlfahrt des Landes beitragen konnten. Nach einer 50jährigen Regierung starb sie im Mai 1246, von Allen beweint und betrauert, und wurde in der von ihr gegründeten Abtei von Clairefontaine, nahe bei Arlon, begraben.

Heinrich II (1246-1274)

ist der Gründer des Hauses Luxemburg-Ligny. Unter seiner Regierung wurde der Friede, welcher so lange das Land beglückt hatte, durch neue Feindseligkeiten unterbrochen. Die Bewohner der Grafschaft Namur luden nämlich Heinrich ein, seine Rechte auf dieses Land geltend zu machen, und auf diese Einladung brachte er das Land durch Eroberung wieder an sich. Um aber neuen Streitigkeiten, die in der Zukunft hätten entstehen können vorzubeugen, verheirathete er eine seiner Töchter an den Grafen von Flandern, und gab ihr Namur als Aussteuer. Aber es sollte ihm nicht gegönnt sein, die gewonnene Ruhe lange zu genießen: es entstand bald ein Krieg zwischen Lüttich, Namur und Luxemburg, und zwar wegen eines Kuhraubes! Die Veranlassung dazu war folgende. Man hielt in der Gegend von Andennes nach den Sitten jener Zeit ein Tournier Tourniere waren Kampfspiele, die bei festlichen Gelegenheiten aufgeführt wurden, und in denen ein oder mehrere Ritter gegen einander kämpften. Der Sieger erhielt aus der Hand der Edelsten und Schönsten den Preis, der entweder in einer goldenen Kette oder in einem prächtigen Wehrgehänge u. s. w. bestand. Die Waffen, deren man sich bei solchen Kämpfen bediente, waren solche, die nicht verletzen konnten; später aber arteten die Tourniere in eigentliche Kämpfe aus, wo manche Menschen das Leben verloren, weßwegen auch diese Kampfspiele abgeschafft wurden., zu dem Mitkämpfer und Zuschauer von nah und fern herbeiströmten. Da die ungewöhnliche Menschenmasse eine bedeutende Menge Nahrungsmittel zum Unterhalte bedurfte, schleppte man deren in reichlicher Fülle von allen Seiten herbei. Nun geschah es, daß ein Bauer aus Jallain eine Kuh dahin führte, die er einem Einwohner von Ciney gestohlen hatte. Dieser, der sich auch dort einfand, erkannte sein Eigenthum, und gab den Dieb dem Amtmanne von Condroz an, welcher ihm das Leben zusicherte unter der Bedingung, daß er das gestohlene Gut herausgäbe. Aber er hielt sein Versprechen nicht, und ließ den Dieb hängen. Darüber aufgebracht, daß man einen seiner Unterthanen ohne Weiteres hatte hinrichten lassen, verheerte der Herr von Gonnen die Umgegend; und so begann aus dieser geringfügigen Ursache ein blutiger Krieg, in dem mehrere Städte und Dörfer abgebrannt wurden, und mehr als 15 000 Menschen das Leben verloren. So leichtsinnig setzte man in jenen Zeiten Hab und Leben der Menschen auf's Spiel!

Im Jahre 1267 wurde Heinrich in einen heftigen Kampf mit dem Grafen von Bar verwickelt; in einer Schlacht wurde er gefangen, erhielt aber durch die Vermittelung Ludwig IX von Frankreich seine Freiheit wieder, worauf beide Partheien Frieden schlossen. Heinrich erweiterte das Luxemburger Gebiet durch Ankauf von Marville, Avancy, St.  Veith, Neundorf und Ambleve, und den Theil von Diekirch, den seine Vorgänger noch nicht besessen hatten.

Er war der erste, der das Land durch Seneschallen, Statthalter, regieren ließ, und das Luxemburger Wappen trug, wie man es heute sieht; auch scheint er angefangen zu haben, Münzen zu prägen.

Nachdem Heinrich fast während seiner ganzen Regierung Krieg geführt hatte, und zwar nicht immer wegen ganz wichtiger Ursachen, beschloß er sein Schwert dem Dienste Gottes zu widmen und bereitete sich 1270 zu einem Zuge gegen die Ungläubigen vor. Als er die Angelegenheiten seines Landes geordnet, und sein Testament gemacht hatte, trat er wirklich im folgenden Jahre diesen Zug an, und kehrte nach zwei Jahren glücklich zurück, starb aber bald darauf im J. 1274.

Kurz nachher folgte ihm auch seine Gemahlin Margaretha ins Grab, und beide wurden in der Abtei Clairefontaine begraben. Aus ihrer Ehe blieben mehrere Kinder, wovon der älteste,

Heinrich III (1274-1288)

die Grafschaft Luxemburg erhielt.

Er hatte die Tapferkeit seines Vaters geerbt, aber er war nicht so glücklich wie jener in seinen Unternehmungen, wovon die letzte ihm das Leben kostete. Er hatte zuerst einen Krieg mit dem Bischöfe von Lüttich; anfangs geschlagen, überfiel er später den Bischof auf der Jagd, führte ihn gefangen nach Luxemburg, und gab ihm seine Freiheit nur gegen ein schweres Lösegeld. Ein zweiter Krieg, gegen den Herzog von Brabant, der nach dem Tode Wallrams (1280), des letzten männlichen Sprossen der Limburger Grafen, ihm seine Ansprüche auf dieses Land streitig machte, hatte keinen so günstigen Ausgang. Beide Gegner hatten ihre Bundesgenossen versammelt, und es kam bei Woeringen, einem Schlosse zwischen Köln und Neuß, zu einer entscheidenden Schlacht.

Heinrich, der hier die herrlichsten Proben ritterlicher Tapferkeit gab, sprengte in das dichteste Schlachtgewühl, um mit seinem Gegner einen Zweikampf zu beginnen, und schon hatte er ihn erreicht, als er von einem brabändischen Ritter, der die Gefahr seines Herrn sah, aus dem Sattel gehoben, und todt zur Erde gestürzt würde. Ein Beweis, daß selbst seine Feinde seine Tapferkeit ehrten, fürchteten und bewunderten, sind gewiß die Worte, die der Herzog von Brabant zu jenem Ritter sprach: » Was hast du gethan, Unglücklicher? Du hast den herrlichsten Ritter getödtet, der es verdiente, ewig zu leben!« Der Tod Heinrichs entschied nun den Sieg für die Feinde, und Limburg wurde mit Brabant vereinigt.

Heinrich III hinterließ drei Söhne, Heinrich, Walram und Balduin, wovon der erste ihm in der Grafschaft Luxemburg folgte. Walram fiel bei der Belagerung von Brescia in Italien, und Balduin ward Erzbischof in Trier, welche Würde er zu seinem und seines Hauses Ruhm bekleidete.

Heinrich IV (1288-1314).

Bei seines Vaters Tode war Heinrich noch minderjährig, und so führte seine Mutter Beatrix einstweilen die Geschäfte der Regierung. Aber die Räthe, mit denen sie die Regierung leitete, handelten mit einer allzugroßen Härte, so daß bald in Luxemburg die Unzufriedenheit allgemein wurde: schon im ersten Jahre empörten sich die Bürger gegen Beatrix, und zwangen sie nach Marienthal zu flüchten. Jedoch hingen die Luxemburger mit einer zu großen Anhänglichkeit an ihren Landesherrn, als daß sie nicht gleich ihre That bereut hätten; sie flehten um Gnade und Verzeihung, und erkauften dieselbe mit einer Geldbuße von ihrer erzürnten Gräfin, die nach acht Monaten wieder in ihre Residenz zurückkehrte.

Im Jahre 1292 vermählte sich Heinrich mit der Tochter des Herzogs von Brabant, mußte aber zu Gunsten seines Schwiegervaters auf seine Ansprüche auf Limburg Verzicht leisten, wogegen dieser ihm, unter Bürgschaft der Königin von Frankreich, eine beträchtliche Summe zur Aussteuer seiner Tochter versprach.

Als Heinrich die Volljährigkeit erreicht hatte, trat er an die Spitze der Regierung, und Beatrix zog sich nach Valenciennes zurück, wo sie 1320 starb.

Im Jahre 1294 schloß Heinrich mit Philipp dem Schönen von Frankreich ein Schutz- und Trutzbündniß gegen Eduard IV, König von England, und zeichnete sich in mehreren Schlachten durch seine ritterliche Tapferkeit aufs rühmlichste aus. Er wurde auch in einen Krieg mit den Trierern verwickelt. Diese, für welche die Luxemburger Grafen von jeher ein Schrecken gewesen waren, und mit welchen sie in beständigen Fehden lebten, hatten ein von Heinrich an der Mosel errichtetes Zollhaus niedergerissen. Diese Beleidigung wollte Heinrich nicht ungerächt lassen: er zog gegen Trier, verwüstete die ganze Gegend, konnte aber die Stadt selbst nicht züchtigen, und mußte unverrichteter Dinge wieder nach Luxemburg zurückkehren.

Die Trierer jedoch befürchteten seine Rückkehr, und um neuen Verheerungen vorzubeugen, schlugen sie den Weg der Unterhandlung ein, und erkauften am 2. April 1302 einen Frieden, durch welchen der Grund gelegt wurde zu einer Macht, die unsre Grafen seit dieser Zeit in der Stadt Trier ausübten. Heinrich erhielt nämlich für sich und seine Nachfolger das Bürgerrecht in Trier und das Schirmrecht über die Stadt, und so hatte er nun Gelegenheit, vermittelst dieser Rechte sich in alle innern Angelegenheiten der Trierer einzumischen.

 

C. Von der Erhebung unsrer Grafen zum Kaiserthrone, bis zur Erhebung der Grafschaft Luxemburg zu einem Herzogthume. 1308-1354.

Das Luxemburger Haus erhielt einen außerordentlichen Glanz, als im Jahre 1308, auf den Vorschlag der Erzbischöfe von Mainz und Trier, Peter von Aspelt und Balduin von Luxemburg, Heinrich IV zu Reysan, bei Coblenz, zum deutschen Kaiser gewählt, und 1312 unter dem Namen Heinrich VII gekrönt wurde. Die deutschen Fürsten mögen wohl besonders deswegen dem Vorschläge der beiden Erzbischöfe gemäß gestimmt haben, daß nicht ein durch seine eigenen Kräfte zu mächtiger Fürst über sie herrschen sollte, aber es war dies nicht ihr einziger Beweggrund. Während der Zeit, wo in Deutschland die größten Unordnungen und Unruhen herrschten, hatte Heinrich den Landfrieden stets in seinen Staaten streng gehandhabt, und so erwarteten sie mit Recht von ihm, er werde auch als Kaiser die Angelegenheiten des Reichs mit Kraft und Weisheit in Ordnung bringen, und besonders als Nachbar der Franzosen die Grenzen mannhaft vertheidigen.

Durch diese Wahl wird das Haus Luxemburg zu einem der hervorragendsten in Deutschland, und von nun an gewinnt auch die Geschichte unsres Landes ein größeres Interesse, da sie eng in die von Deutschland eingreift, und Männer aus dem Hause unserer Grafen hervorgehen, welche die Aufmerksamkeit von ganz Europa auf sich ziehen.

Als Kaiser von Deutschland hatte Heinrich VII eine sehr schwere Aufgabe: aber er war ihr auch gewachsen, und entsprach, in so weit es die kurze Dauer seiner Regierung erlaubte, vollends den Erwartungen seiner Unterthanen. Nachdem er Deutschland beruhigt, unternahm er mehrere Züge gegen das aufrührerische Italien, und bewährte sich auf denselben als ein tüchtiger Kriegsmann und erprobter Heerführer. Aber zu früh für das Wohl seiner Staaten steckte der Tod seiner glänzenden Laufbahn ein Ziel, denn er starb schon in seinem 51ten Jahre zu Siena in Italien, am 24. August 1312; seine Ueberreste ruhen in der Domkirche zu Pisa.

Heinrich war von hoher und majestätischer Gestalt, durchdringendem Blicke und einem angenehmen Wesen in seinem Betragen und seiner Unterhaltung, obschon er ein wenig stotterte. Seine Zeitgenossen haben ihn uns sehr vortheilhaft geschildert: diese stellen ihn dar als einen durch seine aufrichtige Frömmigkeit und seinen religiösen Sinn ausgezeichneten Fürsten, jene preisen in ihm den unparteilichen Richter, den Beschützer der Völker, den unversöhnlichen Feind der Räuber und Uebelthäter, dessen Wahlspruch die Worte der heiligen Schrift waren: » Richtet gerecht, ihr Söhne der Menschen, und seid untadelhaften Betragens« (Pf. 57, 2.); andere rühmen seinen Scharfblick, seine Unerschrockenheit im Kampfe und seine unübertroffene Geschicktheit in den Waffenübungen; auch wurde er, wie einst Heinrich I, für den ersten Turnierhelden seiner Zeit gehalten.

Obgleich er auf den ersten Thron der ganzen Christenheit erhoben war, vergaß er doch sein liebes Vaterland nicht, und er hat sich bei den Luxemburgern ein unsterbliches Verdienst erworben durch die Stiftung des Bürgerhospitals zum hl. Johannes in der Vorstadt Grund Dasselbe ist seit dem Jahre 1843 in das geräumigere Kloster zum h. Geist in der Vorstadt Paffenthal verlegt., wo bis heute so manche Unglückliche Nahrung und Verpflegung gefunden haben.

Er hinterließ nur einen Sohn, Johann, später bekannt unter dem Namen Johann der Blinde, der ihm in der Grafschaft Luxemburg folgte, und vier Töchter: Beatrix, Königin von Ungarn; Maria, Gemahlin Philipps des Schönen von Frankreich; Agnes, Gemahlin des Herzogs von Baiern, und Katharina, die an den Herzog Albrecht von Oestreich verheiratet war.

Johann der Blinde (1312-1346).

Mit Recht ist Johann der Blinde der Stolz eines jeden Luxemburgers: er war Sohn und Vater eines Kaisers, und von seinen Töchtern hatte die eine den König von Frankreich, seine Schwester den König von Ungarn zum Gemahl; seine Enkel vereinigten mit der Kaiserkrone vier Königskronen auf ihrem Haupte. Aber wenn er auch durch diese hohe Abkunft und hohen Verwandtschaften dem Luxemburger Haus einen großen Glanz verlieh, so ist er uns noch viel bekannter durch seine ritterlichen Tugenden, deren Andenken die Geschichte der spätesten Nachwelt überliefern wird. Der Ruhm seines Namens erscholl während seines Lebens von den Ufern der Weichsel bis an die Tiber, und nach einem glanz- und thatenvollen Leben starb er den Tod eines Helden.

Wir wollen seine Geschichte etwas umständlicher erzählen.

Er wurde im Jahre 1293 geboren, und schon in seinem 17. Jahre von seinem Vater, dem Kaiser Heinrich VII, zum Herzoge erhoben. Aber er sollte noch viel größere Würden bekleiden: bald darauf, als der Herzog von Kärnthen bei den Böhmen, die ihn zum Könige gewählt hatten, verhaßt geworden war, boten diese unserm Grafen, da er der Gemahl ihrer Prinzessin Elisabeth war, die Krone ihres Landes an, und nachdem er sich mit den Waffen in der Hand sein künftiges Reich erkämpft hatte, wurde er 1311 zu Prag gekrönt.

Sobald er die Regierung antrat, war seine erste Sorge, seinen neuen Unterthanen Ruhe und Sicherheit zu verschaffen, und deßwegen säuberte er Böhmen und Mähren von den Straßenräubern, welche alle Wege unsicher machten, und zerstörte deren Burgen und feste Schlupfwinkel.

Doch bald eröffnete sich seiner unermüdlichen Thätigkeit ein viel größeres Feld. Als sein Vater, der Kaiser Heinrich VII, seine Romfahrt Romfahrt nennt man die Reise der deutschen Kaiser nach Rom, um dort vom Papste oder dessen Legaten gekrönt zu werden, oder auch einen solchen Zug, den sie zur Beilegung der immerwährend in Italien stattfindenden Streitigkeiten unternahmen. antrat, blieb er als Reichsverweser in Deutschland zurück, und als er eben im Begriffe stand, jenem Hülfstruppen nach Italien zuzuführen, vernahm er noch in Schwaben die Trauerbotschaft von dessen Tode. Wie gerne hätte er ihn an den Italienern gerächt, aber es brachen Empörungen in Böhmen aus; er mußte dorthin eilen, und stellte die Ruhe wieder her. Es handelte sich nun darum in Deutschland einen neuen Kaiser zu wählen, und Johann, der viel Ansehen hatte, lenkte die Wahl der meisten Fürsten auf Ludwig von Baiern, seinen persönlichen Freund, und unterstützte diesen gegen seinen Nebenbuhler, den Herzog Friedrich von Oestreich, der in der blutigen Schlacht von Mühldorff geschlagen und gefangen wurde. Nun begab sich Johann nach seiner Grafschaft Luxemburg, wo er am liebsten verweilte; aber einer langen Ruhe konnte er nicht genießen: wegen seiner Tapferkeit und des hohen Ansehens, in welchem er überall stand, wurde er in allen Streitigkeiten als Schiedsrichter zu Hülfe gerufen, und dieser Umstand, mehr als seine Kriegslust, verwickelte ihn in allerlei Fehden und Händel, wodurch unser Land sehr viel litt.

So zog er 1322 gegen den Bischof von Lüttich, und in diesem Kriege wurde der nördliche Theil unsres Landes schrecklich verwüstet. Dann schloß er in Remich mit seinem Oheim, dem Erzbischof von Trier, mit dem Herzoge von Lothringen und dem Grafen Eduard von Bar ein Bündniß gegen Metz, und nach einer Belagerung von zwei Jahren, in welcher sie sich heldenmüthig verteidigten, mußten die Einwohner den Frieden mit schweren Summen erkaufen. Unterdessen waren zu verschiedenen Malen Unruhen in Böhmen ausgebrochen, und Johann sah sich genöthigt, dorthin zu eilen, um den aufrührerischen Adel im Zaum zu halten. Er stellte die Ruhe wieder her, endigte zu seinem Ruhme einen Krieg gegen Oestreich, und zog nun dem deutschen Orden in Preußen, gegen die heidnischen Lithauer zu Hülfe.

Auf diesem Zuge verlor er in jenen sumpfigen Gegenden ein Auge, und in spätem Zeiten brachte ihn ein Quacksalber, der ihn zu heilen versprach, auch um das andere: seit dieser Zeit führte er den Beinamen des Blinden.

Das Glück begünstigte ihn aber nicht bloß auf seinen Kriegsunternehmungen: im Jahre 1335 erhielt Böhmen die Lehnshoheit über Schlesien, und zwei Jahre nachher empfing Johann in Breslau den Huldigungseid aller lehnspflichtigen schlesischen Herzoge.

Bald erhielt er wieder Gelegenheit, in Italien seinen Heldenmuth zu bewähren. Die Stadt Brescia rief ihn dringend zu Hülfe gegen die Welfische Partei, welche sie hart bedrängte. In der Hoffnung, auch hier als Friedenskönig – denn diesen Namen hatte man ihm in Deutschland gegeben – aufzutreten, und endlich die beiden feindlichen Parteien, welche so lange das unglückliche Italien zerrissen, aussöhnen zu können, zog er mit 10,000 Böhmen und 3000 Kärnthnern über die Alpen. Aber er fand Widerstand, und nun eroberte er mit der größten Schnelligkeit Bergamo, Cremona, Mailand und verschiedene andere Städte; Reggio, Modena, Mantua und Verona öffneten freiwillig ihre Thore.

Doch war es ihm nicht gegönnt, sich hier lange aufzuhalten. Der Kaiser, sein ehemaliger Freund und Schützling, ward eifersüchtig auf ihn, und voll Unruhe für seine eigene Macht, besonders da er in einem schlechten Verhältniß zum Papste stand, schloß er nun ein Bündniß gegen ihn mit dem Könige von Ungarn, dem Markgrafen von Meißen, dem Herzog Otto und noch mehrern andern Fürsten. Diese Nachricht zwang Johann, den Oberbefehl über das Heer in Italien seinem ältesten Sohne Wenzel zu überlassen; er eilte nach Deutschland, und hatte in Regensburg eine Zusammenkunft mit dem Kaiser, den er zur Erneuerung des alten Freundschaftsbundes zu bewegen wußte. Bei seiner Annäherung ergriffen der König von Ungarn und Otto von Oestreich, die ihm feindlich gesinnt blieben, die Flucht: Johann kehrte nach Luxemburg zurück, und schloß endlich 1332 einen dauernden Frieden mit Oestreich.

Nun sorgte er dafür, seine Hausmacht zu vergrößern: noch in demselben Jahre kaufte er für 1600 florentinische Goldgülden Bastogne, und 1334 die Herrschaft Mirouart. In diesem Jahre verheirathete er auch seine Tochter Jutta an den ältesten Sohn Philipps VI von Frankreich. Dann zog er mit einem Heere nach Italien, wo sein Sohn Wenzel sich mit Mühe gegen die Italiener hielt, die das verhaßte fremde Joch abzuschütteln suchten. Ungeachtet daß er sie zu verschiedenen Malen schlug, brachen die Unruhen doch wieder aus, so daß er am Ende sich genöthigt sah, seine italienischen Besitzungen aufzugeben. Im Dezember 1334 vermählte sich Johann mit Beatrix, der Tochter des Herzogs Ludwigs I von Bourbon, welche ihm Wenzeslas gab, der nach seines Vaters Tode die Grafschaft Luxemburg erhielt.

Aber Johann schien zu ewigen Kriegen verdammt zu sein, denn in dem folgenden Jahre unternahm er Züge gegen Lithauen, den Herzog Nikolaus von Troppau, den Bischof Rantker von Breslau, der ihn in den Bann that; und als seines zweiten Sohnes Gemahlin, Margaretha, sich mit dem ältesten Sohne des Kaisers, dem Markgrafen von Brandenburg vermählte, wieder gegen Oestreich. In allen diesen Unternehmungen fand Johann an dem Papste Clemens VI einen mächtigen Bundesgenossen; die Feinde wurden geschlagen, der Kaiser Ludwig auf einem Fürstentage der Krone verlustig erklärt, und dieselbe dem ältesten Sohne Johanns, Karl von Luxemburg (sein eigentlicher Name war Wenzeslaw) zuerkannt. Die Krönung fand am Sonntage nach Andreas, durch den Erzbischof von Mainz, in Bonn statt, da die alte Krönungsstadt Aachen dem neuen Kaiser den Eintritt verweigerte.

Während dieser Händel in Deutschland war ein Krieg zwischen England und Frankreich ausgebrochen, und da Johann der Blinde durch vielfache Verbindungen mit dem französischen Königshause verwandt war, eilte er mit seinem Sohne, dem römischen Könige, Karl, Philipp von Frankreich zu Hülfe. Ungeachtet aller Anstrengungen der Franzosen drang der König von England, Eduard III, mit einem Heere von 34,000 Mann bis in die Picardie vor, und stellte dasselbe bei Crecy, einem Dorfe am Ufer des kleinen Flusses Maye, in Schlachtordnung, um den Angriff der Franzosen abzuwarten (1346). Diese rückten, ungeachtet eines anhaltenden Regens, in drei Schlachtlinien gegen den Feind vor, aber eben das gereichte ihnen zum Verderben. Denn ihr Vortrab bestand ganz aus 6000 Armbrustschützen, welche von zwei Italienern, Carlo Grimaldi und Doria, befehligt wurden, und da von der Nässe die Sehnen der Bogen ganz abgespannt waren, konnten sie nichts gegen die englischen Bogenschützen ausrichten, welche sie mit einem Regen von Pfeilen empfingen und ihre Reihen lichteten. Was aber die Verwirrung vermehrte, war der unerwartete und noch unbekannte Donner der Kanonen, welche die Engländer schon damals bei sich führten: die Schützen hielten nicht mehr Stand, und warfen sich in wilder Flucht auf die zweite Schlachtlinie des französischen Heeres, welche auch in die größte Unordnung gebracht wurde. Umsonst suchte der Graf von Alençon dem Kampfe eine andere Wendung zu geben: er selbst verlor das Leben, und sein Heer wurde von dem 15jährigen Prinzen von Wallis (später von seiner schwarzen Rüstung unter dem Namen des schwarzen Prinzen bekannt), der an der Spitze der Gensdarmen Wunder der Tapferkeit that, geschlagen und fast gänzlich aufgerieben.

Auch dem dritten Corps unter dem König Philipp selbst ging es nicht bester: der König erhielt mehrere Wunden, sein Streitroß wurde ihm unter dem Leibe erschossen, und man mußte ihn mit Gewalt vom Kampfplatze abführen.

Schon beim Beginne der Schlacht hatte der blinde König verlangt, mitten in das Gedränge geführt zu werden, wo sein Sohn Karl Wunder der Tapferkeit that; als aber das Schwertgeklirr immer mehr zu ihm herüber tönte, und man ihn bei der unglücklichen Wendung der Dinge ermahnte, sich zurückzuziehen, da scheiterten alle Vorstellungen und Bitten an seiner kriegerischen Seele. »Johann von Luxemburg ist nie vor dem Feinde geflohen«, rief er aus, »ich will lieber mit dem Schwerte in der Hand auf dem Wahlplatze bleiben, als mit Schande leben.« Da nahmen fünfzig Luxemburger Ritter, die seine Leibwache bildeten, den greisen Helden in ihre Mitte, befestigten ihre Pferde mit den Zügeln aneinander, und sprengten unerschrocken in die Reihen der Feinde, wo sie, bis auf den letzten Mann fechtend, alle den Heldentod starben.

Am andern Tage fand man die Leiche des Königs, von denen seiner Gefährten wie von einem Walle umgeben, und die Pferde noch mit den Zügeln aneinander befestigt. Der König Eduard III vergoß Thränen der Rührung bei dem Anblicke dieser heldenmüthigen Aufopferung; er beklagte das Loos des ritterlichen Kriegers, ließ dessen Leiche einbalsamiren, und mit feierlichem Gepränge nach Luxemburg führen. Denn Johann hatte in seinem Testamente den ausdrücklichen Wunsch geäußert, daß, wo er auch immer sterben möchte, seine Gebeine nach seinem geliebten Luxemburger Lande gebracht werden sollten.

Aber, wie im Leben, fand Johann auch im Grabe keine Ruhe; seine Gebeine wurden von einem Grabe in das andere gebracht, bis sie endlich am 26. August 1838, dem 492. Jahrestage der Schlacht von Crecy, eine Ruhestätte zu Kastell nächst Saarburg fanden, wo ihnen der damalige Kronprinz und jetzige König von Preußen ein einfaches Grabmal aus schwarzem Marmor, mit einer lateinischen Inschrift auf der Platte, die seine Lebensgeschichte enthält, hat errichten lassen.

So ruhet der gute König doch nicht unter seinen Luxemburgern, die ihm stets so lieb und theuer waren, und die er bei allen Gelegenheiten begünstigte! Denn außer den besondern Freiheiten, die er mehreren Städten des Landes ertheilte, verschaffte er den Luxemburgern den Zutritt zu den höchsten Ehrenstellen in Böhmen, machte das Bürgerrecht zwischen Luxemburg und Prag gemeinschaftlich, und stiftete die sogenannte Schobermesse (20. Oktober 1340), die noch jährlich zu Luxemburg gefeiert wird. Diese Stiftung war eine große Wohlthat für die Bürger der Stadt, indem während drei Wochen die Stadt ein Freihafen war, in welchem alle fremden Waaren ein- und ausgehen konnten, ohne auch die geringste Abgabe bezahlen zu müssen. Diese Freiheit lockte viele fremde Handelsleute von nah und fern herbei, und dieses konnte der Stadt, und durch sie dem Lande nur sehr ersprießlich sein.

Wir hoffen, daß es doch einmal unserm guten Grafen gegönnt sein wird, eine Ruhestätte unter seinen lieben Luxemburgern zu haben.

Johann hinterließ aus seinen beiden Ehen mehrere Söhne und Töchter. Da sein ältester Sohn Karl IV deutscher Kaiser war, so folgte ihm Wenzeslas, sein Sohn aus zweiter Ehe, in der Grafschaft Luxemburg; der zweite aus der ersten Ehe, Johann Heinrich, war Markgraf von Mähren; die Töchter waren: Margaretha, Gemahlin des Herzogs von Baiern, Bonna, Königin von Frankreich, und die jüngste, weiche mit dem Herzog Otto von Oestreich vermählt ward.

Auf Johann den Blinden folgte als Graf von Luxemburg

Wenzel oder Wenzeslas I (1346-1384).

Da er aber kaum 10 Jahre alt war, so übernahm sein älterer Bruder, der deutsche Kaiser Karl IV, die Leitung der Geschäfte. Da seine Regierung als deutscher Kaiser von besonderer Wichtigkeit ist, so können wir nicht umhin, etwas bei ihr zu verweilen, und seine Lebensgeschichte zu erzählen.

Als siebenjährigen Knaben sandte ihn sein Vater an den Hof seines Schwagers Karl IV von Frankreich. Dieser gewann ihn sehr lieb, und ließ ihn durch den Hofkaplan in den Wissenschaften unterrichten: so lernte Karl zuerst die geistlichen Tagstunden lesen. Dann verlobte ihn der König mit der Tochter seines Oheims Karl, Stifter der Linie Valois Die Linie Valois war eine Nebenlinie der französischen Könige aus dem capetingischen Stamme.. Nach dem Tode seines Wohlthäters blieb Karl noch zwei Jahre an dem französischen Hofe, bei seinem Schwager Philipp IV, mit dem er erzogen worden war. Hier lernte er den Abt Peter, den nachmaligen Papst Clemens VI, kennen, und wurde von der Würde dieses Mannes so ergriffen, daß er sich ihm anschloß, und Unterricht von ihm in der h. Schrift erhielt. In reifern Jahren, da er Markgraf in Mähren war, erneuerte er ihren Freundschaftsbund; damals sagte Peter zu ihm in Avignon: »Du wirst noch römischer Kaiser werden;« »du vorher Papst,« erwiderte ihm Karl mit eben so prophetischem Geiste. Karl schrieb auch seine Lebensgeschichte für seine Söhne Wenzeslas und Sigismund.

Er verstand fünf Sprachen, und schrieb besser lateinische Briefe als sein Kanzler; aber schon im 14. Jahre ward er von seiner wissenschaftlichen Laufbahn abgerufen. König Philipp sandte ihn mit seiner Braut nach Luxemburg; aber auch hier blieb er nicht lange: er mußte nach Italien, um unter seines Vaters Anleitung die Kriegskunst zu erlernen, und schon zu 16 Jahren erhielt er den Oberbefehl. Durch die Hofleute gerieth er einige Zeit in Ausschweifungen, von denen er jedoch durch einen warnenden Traum, den er dem Papste Benedikt XII beichtete, zurückgebracht wurde. Von nun an widmete er sich mit allem Ernste den Geschäften, und nebenbei der Rechtswissenschaft und dem Studium der Geschichte. Er suchte in der Folge die geistliche und die weltliche Gewalt in Italien wieder herzustellen, und verband sich dazu mit dem Papste, den er wieder nach Rom führte, von wo ihn eine feindliche Partei unter den römischen Großen gezwungen hatte, sich zu entfernen, und seinen Hof nach Avignon zu verlegen. Nachdem er die Aufrührer gezüchtigt, und mit ihnen Frieden geschlossen, kehrte er nach Deutschland zurück um auch hier die Angelegenheiten der Regierung zu ordnen. Besonders auf sein Erbland Böhmen wandte er alle seine Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Durch nichts aber glaubte er seinem Königssitze einen größern Glanz verleihen zu können, als durch die Gründung einer hohen Schule, nach dem Muster der von Paris, und so blühte bald in Prag die erste deutsche Universität.

Durch offene Briefe lud er Lehrende und Lernende aus allen Ländern ein, nach Prag zu kommen; jenen verhieß er reichliche Belohnungen, diesen aber besondere Freiheiten und Auszeichnungen. Als beständigen Kanzler der Universität ernannte er den Erzbischof Ernest von Prag, einen der vorzüglichsten Geistlichen und ersten Gelehrten seiner Zeit; zugleich gründete er Bibliotheken und Stiftungen für arme Studirende. Aus allen Gegenden strömten nun wißbegierige Jünglinge nach Prag, so, daß die Universität bald 5000, und bei Karls Tod 7000 Studirende zählte. Er selbst wohnte häufig ihren Uebungen bei, und als er einst durch die Hofleute an die Mahlzeit erinnert wurde, antwortete er; »Diese »gelehrten Unterhaltungen sind meine liebste Mahlzeit.«

Nachdem er so wie ein Vater für das Emporkommen der Wissenschaften gesorgt hatte, gedachte er auch die Verwaltung des Landes zu verbessern, und dem Unfug von Willkühr und Gesetzlosigkeit abzuhelfen. Um seinen Bestrebungen mehr Gewicht und Kraft zu geben, gab er selbst das Beispiel, wie man die Gerechtigkeit pflegen müsse, und saß oft bis Sonnenuntergang vor den Thoren der Burgen und auf den Märkten in den Städten zu Gericht. Auch gab er ein neues Gesetzbuch heraus, in welchem die ersten Kapitel der öffentlichen Religionsübung gewidmet waren. Die katholische Religion sollte die alleinige in Böhmen sein, und alle Ketzer, Heiden und Sarazenen aus dem Lande gejagt werden. Für diese Bestrebungen erhielt er von dem Papste die Erlaubniß, wenigstens in einem Kloster zu Prag den Gottesdienst in der Landessprache, » der edlen, lieben, süßen Sprache,« wie er sie zu nennen pflegte, halten zu dürfen.

Man hat Karl IV oft den Vorwurf gemacht, daß er sich zu viel um sein Erbreich, nicht genug um Deutschland bekümmert habe, und doch hat er sich in dieser letzten Hinsicht große Verdienste bei der Nachwelt erworben. Sein Scharfblick sah gleich ein, daß die Unbestimmtheit der Kaiserwahl bisher immer die Hauptursache der Zerrüttungen des Reiches gewesen war. Um diesem Uebelstande für die Zukunft vorzubeugen, gab er die sogenannte goldene Bulle heraus, ein Reichsgrundgesetz, welches bestimmte, daß nach dem Tode eines Kaisers der Erzbischof von Mainz als Churerzkanzler des deutschen Reiches in drei Monaten die sechs andern Churfürsten, nämlich die Erzbischöfe von Trier und Köln, die Churfürsten von der Pfalz, von Sachsen, von Böhmen und von Brandenburg in Frankfurt zu einer neuen Wahl versammeln sollte, daß Stimmenmehrheit entscheiden, die Krönung zu Aachen geschehen, die Churländer untheilbar sein, und die Churfürsten unter den Reichsständen den ersten Rang einnehmen sollten. Dies Gesetz führt den Namen der goldenen Bulle, von der goldenen Kapsel, in welcher sich das Siegel befand, das an einer seidenen Schnur von dem Pergamente, auf welche diese wichtige Urkunde abgefaßt war, herunterhing.

Wenn Karl im Auslande für einen der ausgezeichnetesten Männer galt, so hat er sich auch Verdienste um das Luxemburger Land erworben; denn außerdem daß er ein Gesetz für dasselbe herausgab, gemäß welchem die Rechte der Bürgerschaft beibehalten, und dieselben gegen die Anmaßungen und Eingriffe des Adels unter den Schutz des Kaisers gesetzt waren, erhob er auch noch im Mai 1354 die Grafschaft Luxemburg zu einem Herzogthum, und die Herzoge von Luxemburg unter die ersten Reichsfürsten, mit welchem Ereignisse eine neue Periode für die Geschichte unseres Landes beginnt. Karl starb zu Prag im Jahre 1378.


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