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Herr von Marseeven vergaß dagegen die Andeutungen, welche Nees über Urica's Vermögen gemacht hatte, keineswegs, denn er wußte recht gut, daß dieser einen schlauen und unbestechlichen Wucherblick über alle Geschäfte des großen Amsterdamer Geldmarktes hatte und that bald die geeigneten Schritte, um zu erfahren, wie weit Urica bei Auflösung ihres Vermögens bereits gegangen sein möge.

Die zuverläßigen Nachrichten, die dem allvermögenden Manne trotz Urica's Vorsicht nicht ausbleiben konnten, übertrafen so weit seine angeregten Besorgnisse, daß er sich voll Schrecken eingestehen mußte, wenn jene Expedition Montrose's mißglückte, oder der junge König nicht, wie es ihm zufiel, seine Verpflichtung, diese Auslagen zu vergütigen, anerkannte, Urica von einer der reichsten Frauen in den Staaten, zu einer fast ärmlichen Lage werde herabgestiegen sein.

Nun war zwischen Montrose und Herrn von Marseeven ein eigenthümliches Verhältniß, was bei hoher, gegenseitiger Achtung sie doch ein wenig von einander hielt und leicht eine Reibung hervorrief, die dem flüchtigen Beobachter unbegreiflich scheinen mußte, da außerdem Beide ihre Verhältnisse weit auseinander hielten, und wo sie sich berührten, bis jetzt immer viel Rücksicht gefunden hatten.

Das Geheimniß lag in ihrem vollkommen verschiedenen Naturell. Herr von Marseeven hatte nicht eine Spur von Genialität und keine Art von Leidenschaftlichkeit beherrschte ihn. Seine Ansichten, seine Handlungen waren das vollkommenste Bild konsequenter Berechnung. Er war ein scharfer Denker, die Erfahrung, wie seine wichtige Stellung hatten ihn zu einem feinen und erprobten Diplomaten gemacht; aber nur was auf diesem ruhigen Wege der Beobachtung sich ergab, existirte als wirklich für ihn. Er war vollkommen Meister auf diesem Gebiet, von den glücklichen Erfolgen belohnt, über die Richtigkeit seiner Prinzipien vollkommen sicher geworden, und erlaubte sich einen ruhigen, aber sehr fühlbaren Haß gegen all' die kühnen Geburten der augenblicklichen Inspiration.

Montrose war hiervon der vollkommenste Gegensatz, denn er war ein Genie und trug die Wahrheit seiner Eingebungen in der Inspiration seines feurigen Herzens. Er überzeugte nicht, er riß hin – man glaubte ihm, ehe seine Gründe den Verstand erreichten, er siegte und hatte fast eben so große Erfolge als Herr von Marseeven erlebt; aber seine Berechnungen waren dabei gering gewesen gegen die Glut des Willens, gegen die Eingebung des Augenblicks, worauf allein das Genie sich verlassen darf. Seine Entwürfe hatten ihn stets selbst zur Ausführung nöthig, denn sie bestimmten wenig mehr als das, was erreicht werden sollte. Wer kam ihm aber gleich an Kühnheit, Ausdauer, unerschöpflicher Erfindungskraft, an Ueberblick, Benutzung der Zeit und Einfluß auf die Begeisterung der Menge.

Wenn zwei so verschiedene Männer im Moment der Ruhe und Berathung sich gegenüber stehen, müssen sich Beide, mit dem besten Willen sich gerecht zu werden, dennoch entschieden Unrecht geben. Die Mittel, die dem Genie die Sicherheit geben, können für den Andern kein Gewicht haben, denn jener kann sie nur im Moment der That beweisen, und die Glut der Ueberzeugung, daß dieser Götterfunke des Genies die Berechnungen des Verstandes überholt, ist demnach ein übersinnlicher Beweis, der überdies kaum als Vertheidigung über die Lippen will, weil er der geheime Cultus des Herzens ist, der profanirt scheint, wenn er nicht verstanden wird, sondern bewiesen werden soll.

Beide müssen so nothwendig gleiches Vertrauen auf ihre Weise haben, aber vor der That wird der Verständige sich im Vortheil befinden, wogegen sich der Andere vergeblich sträuben wird, und wovon er sich gegen seinen Willen beschwert fühlen wird, während erst nach dem Erfolge jenen eine unheimliche Ahnung beschleichen wird, die ihn erinnert, es müsse noch etwas Anderes geben, was über seinen Berechnungen steht.

Vielleicht hatte Herr von Marseeven hiervon in seinem Verhältniß eine klarere Vorstellung, als Montrose, der, abgezogen von seinen Plänen, überhaupt nur ergriff, was damit zusammen laufen wollte, und für alles Andere eine mehr ablehnende, zerstreute Art hatte, die Herr von Marseeven zuweilen reizte, zuweilen mit ironischer Stachelrede begleitete, die ziemlich unbeachtet blieb, das Verhältniß beider Männer aber ohne Sympathien ließ.

Jetzt fühlte aber Herr von Marseeven, er müsse Montrose die Augen öffnen über die Lage, in die er Urica versetzte; denn er war gerecht genug, um überzeugt zu sein, Montrose übersehe in dem Drange seiner schwierigen Lage, die in einer abschweifenden Thätigkeit all' seine Gedanken erforderte, nicht, was er für seine Gemahlin bereitete.

Er wollte nun sein Vertrauen zu gewinnen suchen, er wollte sich ihm als Geschäfts-Gehülfen mehr im Scherz als im Ernst anbieten, und ihn so auf die Gefahren hinleiten, die unausbleiblich mit seinem und Urica's Verfahren verknüpft waren.

Aber das wollte sich lange nicht machen und Montrose, beständig von andern Empfindungen bewegt, fand bald die Annäherungen des guten Oberschulzen etwas belästigend.

Ein vertrauliches Gespräch über den jungen König, welcher in Frankreich eine schlechte Aufnahme gefunden und, wie man behauptete, sich nach Jersey begeben habe, wo man noch immer seine Macht anerkannte, führte endlich die gewünschte Erklärung herbei.

Es war ein Moment der Ermüdung bei Montrose eingetreten, der, wie vorübergehend er auch war, ihn doch mißbilligend, wenn nicht entmuthigt auf die Schritte des übelberathenen jungen Königs blicken ließ. Man wußte, daß sich der Lord von Liberton, ein harter, feindlich gesinnter Mann, den die Staaten von Schottland abgeordnet hatten, um ihn zur Annahme der Bedingungen zu bewegen, daselbst bei ihm war und Marseeven deutete auf Breda hin und hielt es wahrscheinlich, daß der junge König sich dorthin begeben werde, um den Weg der Unterhandlung dem der Waffen vorzuziehen.

So weit waren Montrose's Befürchtungen noch nicht gegangen. Er sprang auf und Todtenblässe überraschte einen Augenblick sein blühendes Gesicht – er stand in einer der heftigen Gemüthsbewegungen vor Marseeven, die vielleicht nur so sanguinische Menschen empfinden können, in einer Gemüthsbewegung, welche das Herz seines kühleren Gefährten ergriff und ihn vielleicht gegen seinen Willen mit einer wärmeren Freundschaft für Montrose erfüllte, als ihr früheres Beisammenleben zu bewirken vermocht hatte.

»Sagt mir,« sprach dieser endlich mit einer vor Aufregung bebenden Stimme – »ob das mehr ist als Gerücht? Täuscht mich nicht – es ist hochwichtig!«

»Montrose,« sagte Marseeven – »faßt euch – ich darf euch die Absicht verbürgen und selbst die Ausführung ist als sicher anzunehmen.«

Montrose schlug in tiefer Erschütterung beide Hände vor die Stirn und blieb so unbeweglich stehen – dann zog er sie weg, aber Marseeven erschrak über die tiefe Furche des Grams, die auf dieser mächtigen Stirn zurückgeblieben war.

»Marseeven! er ist verrathen von den Feiglingen, die ihn umgeben,« rief er – »und die nichts wollen als Besitz nehmen von dem Heerde, von dem man sie wie Buben vertrieben, und den sie nicht Muth fühlen mit der Schärfe des Schwertes sich wieder zu gewinnen, und jetzt als Preis für den Verrath ihres Königs sich ausliefern lassen! O Karl!« rief er, die Hände zum Himmel streckend – »hast du Montrose vergessen – hast du vergessen, daß du gelobt, dich auf seine Waffen zu verlassen und durch diese in dein Königreich einzuziehen?«

»Täuscht euch nicht langer, mein edler Freund!« sagte Marseeven zu ihm tretend – »ihr dürft auf keine Zusicherung des Königs bauen – er wird sie alle vergessen, so wie seine Umgebungen ihn überreden, daß er sie nicht halten darf wegen des Wohls seiner königlichen Person. Eigne Beurtheilung würde ihm nicht fehlen, erhielt ihn sein Leichtsinn und seine Sinnlichkeit nicht in dauerndem Rausch, der jedes Nachdenken zu einer Last macht!«

»Und dennoch,« sagte Montrose mit weichem, zärtlichen Schmerz – »dennoch ist so viel Gutes, Edles in ihm, was angeregt, beschützt und behütet den wahren König machen würde. O! ich kann ihn nie – nie aufgeben! O Marseeven! lernt ihn kennen! Hier,« rief er und riß ein Kästchen hervor, worin mehrere Briefe des Königs lagen – »lest' – lest' diese Briefe – und fragt, ob er das Herz eines Ehrenmannes nicht begeistern darf?«

Als Marseeven mit der Schnelligkeit eines Geschäftsmannes mehrere Briefe durchlesen hatte, schlug er mit einem verdrießlichen Gesicht die Augen zu Montrose auf, welcher indessen in seine Gedanken vertieft, mit großen Schritten das Zimmer durchmaß. –

»Ja,« sagte er dann, die Briefe ihm darreichend – »die Stuarts haben den Zauber des rechten Wortes! Immer trifft es den, an den es sich richtet, als erriethen sie seine ganze Seele – aber damit erreichen sie ihre Zwecke und opfern das Individuum! Erlaubt mir aber, euch auf eure gewagte Stellung als Freund und Verwandter aufmerksam zu machen.«

»Hört erst meinen Entschluß,« rief Montrose – »ehe ihr eure liebevollen Worte an meinen unbeugsamen Sinn verschwendet. Eure Nachrichten beschleunigen mein Unternehmen; ich werde handeln, während Jene sprechen; ich werde zusammenraffen, was ich fertig vorfinde und lieber mit einer kleinen Macht sogleich den ersten Streich führen, als daß ich die größere Organisation meiner Streitkräfte abwarte und dann vielleicht einen dem Könige abgedrungenen Befehl erhalte, dies einzig wirksame und ehrenvolle Mittel zu unterlassen. O, glaubt mir,« fuhr er feurig fort, als Marseeven einreden wollte – »dies ist das einzige Mittel, eines wahren Patrioten würdig – das wird das Herz meines Königs mit der Macht der Wahrheit treffen und wenn die Nachricht ihn erreicht, umgeben von seinen falschen Freunden, höre ich ihn aufjauchzen und rufen: Mein Montrose hat mich verstanden – er weiß, was mir geziemt.«

Diese Ansicht stimmte mit Marseevens Ueberzeugung überein; er war gewiß, daß es kein elenderes Mittel gab, als eine neue Unterhandlung mit den fanatischsten, böswilligsten Sektirern, und das Mittel einer siegenden Armee jedenfalls das rühmlichste und vielleicht einzige Mittel zur Rettung der Krone sei; aber er hielt Montrose's Kräfte dazu völlig unzureichend und den Aufstand und Anschluß der Irländer, den dieser erwartete, für mehr als zweifelhaft.

Hier trat nun der Fall ein, wo Beide ihre Ueberzeugung weder in Uebereinstimmung bringen konnten, noch nachgeben wollten; wo Montrose sich auf sein Genie, Marseeven auf seine richtigen Verstandesberechnungen stützte.

Plötzlich änderte Marseeven den Angriff und sagte: »Und habt ihr auch an eure Gemahlin gedacht?«

»Ach!« rief Montrose begeistert – »sie wird meine beste Stütze sein! Nie hat ein Weib hochherzigere Gesinnungen gehabt, als Urica – sie grade theilt alle meine Ansichten und Pläne – sie ist meine Hoffnung, meine Zuversicht – wenn ich wanken könnte, sie würde mich halten, mich zurückführen!«

»Und wißt ihr auch, was ihr diese Stärke giebt?« sagte Herr von Marseeven. – »Die Liebe zu euch, – eure Nähe, die alle Glut ihres Innern belebt hält! Habt ihr auch daran gedacht, was aus Urica werden muß, wenn ihr unterliegt? Wenn Alles umsonst ist und ihr – denn das werdet ihr – mit dem Unternehmen untergeht?«

»Das werde ich,« sagte Montrose ernst und feierlich – »ich werde mit diesem Unternehmen siegen oder mit ihm untergehen! Und Urica,« er schwieg – »Urica – Urica« rief er mit einem Ausbruch von Schmerz, der Marseeven die Thränen in die Augen trieb – »Urica, du wirst um mich trauern wie keine – aber du wirst nicht die göttliche Stirn erröthend vor meinem Andenken zu senken brauchen!«

Herr von Marseeven fühlte gegen seinen Willen den Einfluß Montrose's. Er überzeugte ihn nicht, und er tadelte ihn daher; aber er konnte der Liebe nicht widerstehen, die der schöne Schwärmer ihm einflößte.

Die Hand auf seinen Arm legend, sagte er mit einem milden Lächeln: »Montrose, wir können nicht erwarten, über gewisse Punkte, die unsere Verschiedenheit grade ausmachen, uns zu vereinigen; aber wir könnten uns ergänzen, und da ich grade nicht in dem Fall bin, euch gebrauchen zu können, so gebraucht mich – ich sehe die Lücke, wo ich einschreiten könnte. Aus den Briefen des Königs sehe ich, daß er um Urica's aufgelöstes Vermögen weiß und Versprechungen der Dankbarkeit macht, die darauf hinweisen, daß er fühlt, dies ihm preisgegebene Vermögen ist ein Opfer, das seiner Sache gebracht wird – und er ist dafür verantwortlich, mit einem Wort: euer Schuldner!«

»Verzeiht,« sagte Montrose unbefangen und natürlich, »ich vergaß, daß ihr auch dies aus den Briefen des Königs heraus lesen mußtet; Urica wünschte nicht, daß davon etwas zu eurer Kenntniß käme.«

»Ich glaube es,« sagte Marseeven ohne Empfindlichkeit – »Sie scheute den kalten nüchternen Freund, den allzu strengen Rechenmeister! Weiset ihn nicht auch zurück, Montrose! euch muß daran liegen, daß im Augenblick, wo ihr euch in das gewagteste kriegerische Unternehmen stürzt – Urica's äußere Lage auf alle Fälle nicht preisgegeben ist. Vertraut mir; es ist, wie mir scheint, bereits Alles geschehen, was ich gern gehindert hätte – ich werde euch also nicht mehr lästig werden durch Herzählung dessen, was ihr damit gethan; aber laßt mich wissen, was ihr für Sicherheit über die ungeheure Schuldforderung Urica's zu besitzen glaubt; laßt sie mich prüfen und euch dann sagen, ob ich sie bei meiner Geschäftskenntniß ausreichend finde. Das mag Urica nicht beunruhigen, und sie braucht es nicht zu erfahren. Seht es als ein lästiges Geschäft an, was ich euch in einem Augenblick abnehme, wo euch die größte Thätigkeit von dieser mühsamen Arbeit abziehen könnte.«

Wie schuldlos sich Montrose fühlte, sah Marseeven an dem offnen Vertrauen, womit er seine Worte aufnahm. Er öffnete sogleich noch einmal das Kästchen, worin die Briefe des Königs lagen, und breitete alle Papiere vor Marseeven aus. Es zeigte sich nun in der That, daß Urica's Vermögen bis auf ihr Schloß im Haag und ihren Juwelenschmuck in Geld verwandelt, theils bereits verausgabt war, theils die Militairkasse Montrose's füllte. Die Rechnungen und Papiere darüber bewiesen mehr Ordnung, als Marseeven erwartet hatte, und er konnte, nachdem ihn Montrose auf seinen Wunsch mit der Durchsicht allein gelassen hatte, wohl erkennen, worauf sich Montrose's Sicherheit stützte, denn die Briefe des Königs autorisirten ihn unter Garantie der Krone und der Person des königlichen Schuldners zu allen Bedingungen, die Gelder zu erheben, welche er zu seiner Expedition nöthig haben werde, und dies mußte für Montrose bei seinem Vertrauen zum Könige und zu dessen Sache ausreichen. Er hatte sich aber damit nicht einmal begnügt, sondern er hatte Urica in vollgültigen Dokumenten die Sicherheit auf sein eben zwar confiscirtes Vermögen gegeben, welches er aber nicht aufhören konnte, als das Seinige anzusehen; ja, selbst für den Fall seines Todes fand Herr von Marseeven ein improvisirtes Testament, welches diese Rückzahlungen an Urica und ihre Erben zum Hauptgegenstand hatte.

Wie rechtlich und edel nun die Gesinnungen Montrose's seien, darüber blieb in ihm kein Zweifel, und er faßte die Sache nun um so lieber thätig an, da er von Montrose jetzt nur Zustimmung zu erwarten hatte. Daß Urica's fürstliches Vermögen für den Augenblick freilich zu einem Phantom verschwunden war, was unsicher in der Luft des Zufalls schwebte, mußte er überwinden; er mußte an nichts denken, als was aus der Sache, wie sie einmal war, sich jetzt noch machen ließ. Nun zeigte sich dem erfahrenen Geschäftsmann, daß alle Intentionen gut waren, aber keine bis zu dem Punkt vollendet, um den kleinsten Rechtsschutz zu gewähren.

Bereits hatten die Staaten den Herrn von Marseeven ernannt, sich als ihr Bevollmächtigter nach Breda zum Könige zu begeben, wenn dieser dort eintreffen werde; und Marseeven entwarf, diese Gelegenheit richtig würdigend, sogleich eine Urkunde, worin dem Könige die Schuldforderungen der Marquise von Montrose, als Darlehen für die Bedürfnisse der Kriegsrüstungen der königlichen Armee, als von demselben geboten und garantirt zugewiesen würden – und er gelobte sich, den jungen, leichtsinnigen Mann, von dem er bedeutend geringer dachte, als Montrose, nicht eher in Ruhe zu lassen, bis er dies Dokument mit Unterschrift, Siegel und Zeugen-Namen zu einem wirklichen Schutzbrief erhoben hätte. Außerdem bat er den wiederkehrenden Montrose sein Testament sowohl, wie die Akte der Anweisungen auf sein Vermögen in die gerichtliche Form bringen zu dürfen. Obwohl nun Montrose mit der Akte an den König nicht ganz zufrieden war, weil es gegen sein großmüthiges Vertrauen zu dem königlichen Worte stritt, fühlte er doch durch die klare Fassung, womit sich Marseeven der anderen von ihm übersehenen Dinge bemächtigt hatte, so viel Vertrauen und Erleichterung, daß er endlich auch in den ersten Schritt willigte, besonders da er nicht leugnen konnte, daß der junge König sich in üblen Händen befände, von deren Einfluß auf den noch nicht befestigten Charakter desselben immer zu fürchten blieb.

Beide kamen jedoch darin überein, daß Urica von ihrem Entschluß keine Kenntniß bekommen sollte, da dies sie an die Möglichkeiten für die Zukunft erinnern mußte, die man ihr um so mehr ersparen wollte, da man bei dem schnellen Entschlusse Montrose's auf eine sehr schmerzliche Aufregung ihrerseits rechnen konnte.

Montrose theilte nämlich, mit erwecktem Vertrauen zu Marseeven, demselben mit, daß es früher Urica's Wille gewesen sei, dem er nicht entgegen getreten, ihn mit der Armee zurück zu begleiten und wie früher jede Zufälligkeit des Krieges mit ihm zu theilen; daß er aber jetzt entschlossen sei, bei der Dringlichkeit einer schnellen Ausführung, wodurch sich Vieles gewagt und unsicher stelle, Urica von diesem Vorsatz abzuhalten, da er sich durch ihre Nähe nicht, wie früher, im Schutz eines ihm wohlbekannten Armeecorps gehoben und erleichtert fühlen werde, sondern die Besorgnisse um sie, den Anforderungen, welche seine Pflicht vielleicht an ihn machen werde, hinderlich werden und seine Kraft lahmen könnten.

Marseeven billigte Montrose's Entschluß, Urica vorläufig zum Zurückbleiben zu bewegen, höchlichst; aber er konnte nicht ohne Theilnahme daraus ersehen, wie gewagt der kühne Mann selbst sein Unternehmen hielt – und er stand nur mit Ueberwindung von dem erneuten Versuch ab, Montrose aufzuhalten, da ihm sein Verstand sagte, dies werde dennoch ganz vergeblich sein.

Er begnügte sich daher mit dem, was zu erringen war, und Montrose kam endlich dahin, ihm das wichtige Kästchen mit dem ganzen Inhalt zu übergeben, mit der dringenden Bitte, die noch auszufertigenden Papiere gleichfalls darin zu verwahren und erst im Fall seines Todes all' diese Dokumente in Urica's Hände zurückzugeben.

»Wie?« rief plötzlich Marseeven – »waren wir nicht allein?«

Gleichgültig blickte Montrose nach dem Punct zurück, der Marseevens Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Es waren die Vorhänge der Thür, welche, einen Moment sich theilend, ein männliches Gesicht gezeigt, das mit einem einzigen Blick das Kästchen überlaufen und sogleich wieder verschwunden war.

»Ach,« sagte Montrose – »Oneale muß eben eingetreten sein! Er war im folgenden Zimmer mit einer Arbeit beauftragt – er wird fertig sein und gekommen, mich aufzusuchen!«

Beide Männer trennten sich schnell, und Beide hatten größeres Interesse für einander fassen lernen, obwohl Marseeven kaum begreifen konnte, wie er so liebevoll und milde sich gegen einen Mann fühlte, der noch viel größere Verschuldungen gegen Urica's zeitlichen Besitz auf sich geladen hatte, als er für möglich gehalten. Montrose dagegen fühlte eine Last von seiner Brust gewälzt und erkannte sehr wohl, welche zuverlässige Stütze Marseeven ihm geworden war.

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