Martin Opitz
Buch von der Deutschen Poeterey
Martin Opitz

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Quatrains oder quatrini, wie auß dem namen zue sehen / sind vierverßichte getichte oder epigrammata; derer hat der Herr von Pybrac hundert vnd sechs vnd zwantzig im Frantzösischen geschrieben; von welchen ich nur dieses setzen wil:

    En bonne part ce qu'on dit tu dois prendre,
Et l'imparfaict du prochain supporter
Couurir sa faute, et ne la rapporter:
Prompt à louër, et tardif à reprendre.

    Was man dir sagt solt du zum besten wenden /
Vnd wie du kanst des nechsten seine schuldt
Beseite thun / vnd tragen mit gedult:
Zum liben schnell' / vnd langsam sein zum schenden.

Hier reimen sich der erste vnd letzte verß so weiblich sind zuesammen / vnd die mittleren zwey männlichen deßgleichen zuesammen. Wiewol man auch einen umb den andern schrencken mag / oder lauter männliche oder weibliche setzen. Als:

An meine Venus.
    Du sagst / es sey der Spiegel voller list /
Vnd zeige dich dir schöner als du bist:
Komm / wolt du sehn das er nicht lügen kan /
Vnd schawe dich mit meinen augen an.

Welche epigramma im lateinischen bey dem Grudio, sonsten einem bösen Poeten / wiewol er eines guten Poetens bruder ist / gefunden wird.

Die andern verse mag ein jeder mit sieben / acht / fünff / sechs / auch vier und drey sylben / vnd entweder die männlichen oder die weiblichen lenger machen nach seinem gefallen.

Die reimen der ersten strophe sind auch zue schrencken auff vielerley art / die folgenden strophen aber mussen wegen der Music / die sich zue diesen generibus carminum am besten schicken / auff die erste sehen. Ein exempel einer Troscheischen Ode oder Liedes ist in dem fünfften Capitel zue finden. Wil ich derhalben einen Jambischen Gesang hieher schreiben.

O d e.
                  Derselbe welcher diese nacht
    Erst hat sein leben hingebracht /
    Ist eben auch wie die gestorben
    Die lengst zueuor verbliechen sein /
    Vnd derer leichnam vnd gebein
    Vor vielen Jharen sind vertorben.

Der Mensch stirbt zeitlich oder spat /
    So baldt er nur gesegnet hat
    So wird er in den Sandt versencket /
    Vnd legt sich zue der langen rhue.
    Wenn Ohr vnd Auge schon ist zue /
    Wer ist der an die Welt gedencket?

Die Seele doch allein vnd bloß /
    Fleugt wann sie wird des Cörpers loß /
    Zum Himmel / da sie her gerhüret.
    Was diesen schnöden leib betrifft /
    Wird nichts an jhm als stanck vnd gifft /
    Wie schön' er vormals war / gespüret.

Es ist in jhm kein geist mehr nicht /
    Das fleisch felt weg / die haut verbricht /
    Ein jeglich haar das muß verstieben;
    Vnd / was ich achte mehr zue sein /
    Die jenige kömpt keinem ein /
    Die er für allem pflag zue lieben.

Der todt begehrt nichts vmb vnd an:
    Drumb / weil ich jetzt noch wündtschen kan /
    So wil ich mir nur einig wehlen
    Gesunden leib vnd rechten sinn:
    Hernachmals / wann ich kalt schon bin /
    Da wil ich Gott den rest befehlen.

Homerus / Sappho / Pindarus /
    Anacreon / Hesiodus /
    Vnd andere sind ohne sorgen /
    Man red' jetzt auff sie was man wil:
    So / sagt man nun gleich von mir viel /
    Wer weiß geschieht es vber morgen.

Wo dient das wündtschen aber zue /
    Als das ein Mensch ohn alle rhue
    Sich tag vnd nacht nur selbst verzehret?
    Wer wündtschet kränckt sich jeder zeit /
    Wer todt ist / ist ohn alles leidt.
    O wol dem / der nichts mehr begehret.

Zue zeiten werden aber beydes Jambische vnd Trocheische verse durch einander gemenget. Auch kan man Alexandrinische oder gemeine vor vnd vnter die kleinen setzen. Als:

Ihr schwartzen augen / jhr / vnd du / auch schwartzes Haar /
Der frischen Flavia / die vor mein hertze war /
    Auff die ich pflag zue richten /
        Mehr als ein weiser soll /
    Mein schreiben / thun vnd tichten /
        Gehabt euch jetzundt wol.

Nicht gerne sprech' ich so / ruff' auch zue zeugen an
Dich / Venus / vnnd dein kindt / das ich gewiß hieran
    Die minste schuldt nicht trage:
        Ja alles kummers voll
    Mich stündlich kränck' vnd plage
        Das ich sie lassen soll / &c.

Die Saphischen gesänge belangendt / bin ich des Ronsardts meinung / das sie / in vnseren sprachen sonderlich / nimmermehr können angeneme sein / wann sie nicht mit lebendigen stimmen vnd in musicalische instrumente eingesungen werden / welche das leben vnd die Seele der Poeterey sind. Dann ohne zweiffel / wann Sappho hat diese verse gantz verzucket / mit vneingeflochtenen fliegenden haaren vnnd lieblichem anblicke der verbuhlten augen / in jhre Cither / oder was es gewesen ist / gesungen / hat sie jhnen mehr anmutigkeit gegeben / als alle trompeten vnd paucken den mannhafftigen vnnd kühnen versen / die jhr Landtsmann Alcéus / als er ein Kriegesoberster gewesen / ertichtet hat. Zum exempel gleichwol wil ich zwey Strophen des Ronsardts herschreiben: Dann ich dergleichen nie vor mich genommen.

Belle dont les yeux doucement m'ont tué,
Par vn doux regard qu'au coeur ils m'ont rué,
Et m'ont en vn roc insensible mué
                En mon poil grison:
Que i'estois heureux en ma ieune saison
Auant qu'auoir beu l'amoureuse poison
Bien loin de souspirs, de pleurs et de prison
                Libre ie vivoy, &c.

Eine ander solche Ode hebet er also an:

Mon âge et mon sang ne sont plus en vigeur:
Les ardents pensers ne m'eschauffent le coeur,
Plus mon chef grison ne se veut enfermer
                Sous le ioug d'aimer, &c.

In den Pindarischen Oden / im fall es jemanden sich daran zue machen geliebet / ist die στροφὴ frey / vnd mag ich so viel verse vnd reimen darzue nemen als ich wil / sie auch nach meinem gefallen eintheilen vnd schrencken: αντιστροφὴ aber muß auff die στροφήν sehen / vnd keine andere ordnung der reimen machen: επωδός ist wieder vngebunden. Wan wir dann mehr strophen tichten wolten / mussen wir den ersten in allem nachfolgen: wiewol die Gelehrten; vnd denen Pindarus bekandt ist / es ohne diß wissen / vnd die andern die es aus jhm nicht wissen / werden es auß diesem berichte schwerlich wissen lernen. Ich vor meine person / bin newlich vorwitzig gewesen / vnd habe mich vnterwinden dürffen auff Bernhardt Wilhelm Nüßlers / meines gelehrtesten freundes / vnd statlichen Poetens / es sey in vnserer oder lateinischer sprache / hochzeit eine dergleichen Oden vnd eine andere auff absterben eines vornemen vom adel zue schreiben; mit welchen ich / ob sie schon auff der eile weg gemacht sindt / dieses Capitel beschlissen wil.


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