Martin Opitz
Buch von der Deutschen Poeterey
Martin Opitz

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Das VII. Capitel.

Von den reimen / jhren wörtern vnd arten der getichte.

EIn reim ist eine vber einstimmung des lautes der syllaben vnd wörter zue ende zweyer oder mehrer verse / welche wir nach der art die wir vns fürgeschrieben haben zusammen setzen. Damit aber die syllben vnd worte in die reimen recht gebracht werden / sind nachfolgende lehren in acht zue nemen.

Erstlich / weil offte ein Buchstabe eines doppelten lautes ist / soll man sehen / das er in schliessung der reimen nicht vermenget werde. Zum exempel: Das e in dem worte ehren wird wie ein griechisch ε, in dem worte nehren wie ein η außgesprochen: kan ich also mit diesen zweyen keinen reim schliessen. Item / wenn ich des Herren von Pybrac Epigramma wolte geben:

Adore assis, comme le Grec ordonne,
    Dieu en courant ne veut estre honoré,
    D'vn ferme coeur il veut estre adoré,
    Mais ce coeur là il faut qu'il nous le donne.
Zum beten setze dich / wie jener Grieche lehret /
    Denn GOtt wil auff der flucht nicht angeruffen sein:
    Er heischet vnd begehrt ein starckes hertz' allein;
    Das hat man aber nicht / wann er es nicht bescheret.

Hier / weil das e im lehret wie ein ε, das im bescheret wie η gelesen wird / kan ich vor bescheret das wort verehret setzen. So schicken sich auch nicht zusammen entgegen vnd pflegen; verkehren vnd hören; weil das ö von vnns als ein ε, vnnd die mitlere sylbe im verkehren wie mit einem η gelesen wirdt. So kan ich auch ist vnd bist wegen des vngleichen lautes gegen einander nicht stellen.

Das e / wann es vor einem andern selblautenden Buchstaben zue ende des wortes vorher gehet / es sey in wasserley versen es wolte / wird nicht geschrieben vnd außgesprochen / sondern an seine statt ein solches zeichen ' darfür gesetzt. Zum exempel wil ich nachfolgendes Sonnet setzen / weil diese außenlaßung zue sechs malen darinnen wiederholet wird:

Ich muß bekennen nur / wol tausendt wündtschen mir /
    Vnd tausendt noch dar zue / ich möchte die doch meiden
    Die mein' ergetzung ist / mein trost / mein weh vnd leiden
    Doch macht mein starckes hertz' / vnd jhre grosse ziehr /

An welcher ich sie selbst dir / Venus setze für /
    Das ich / so lang' ein Hirsch wird lieben püsch' vnd Heiden /
    So lange sich dein Sohn mit threnen wird beweiden /
    Wil ohne wancken stehn / vnd halten vber jhr.

Kein menschlich weib hat nicht solch gehn / solch stehn / solch lachen /
    Solch reden / solche tracht / solch schlaffen vnnd solch wachen:
    Kein Waldt / kein heller fluß / kein hoher Berg / kein Grundt

Beherbrigt eine Nymf' an welcher solche gaben /
    Zue schawen mögen sein; die so schön haar kan haben /
    Solch' augen als ein stern / so einen roten mund.

Hiervon werden außgeschlossen / wie auch Ernst Schwabe in seinem Büchlein erinnert / die eigenen namen / als: Helene / Euphrosine; darnach alle einsylbigen wörter / als: Schnee / See / wie / die / &c.

Zue ende der reimen / wann ein Vocalis den folgenden verß anhebet / kan man das e stehen lassen oder weg thun. Stehen bleibt es:

                wie rufft er vor dem ende
Vns seinen Kindern zue

Weg gethan aber wird es:

Ihr hölen voller moß / jhr auffgeritzten stein'
Ihr felder / &c.

Wann auff das e ein Consonans oder mitlautender Buchstabe folget / soll es nicht aussen gelassen werden: ob schon niemandt bißher nicht gewesen ist / der in diesem nicht verstossen. Ich kan nicht recht sagen:

Die wäll der starcken Stadt vnnd auch jhr tieffe Graben;

Weil es die Wälle vnd jhre Graben sein soll. Auch nicht wie Melißus:

Rot rößlein wolt' ich brechen /

für / Rote rößlein.

Gleichfals nicht:

Nemt an mein schlechte reime /

für: Meine.

Es soll auch das e zueweilen nicht auß der mitten der wörter gezogen werden; weil durch die zuesammenziehung der sylben die verse wiederwertig vnd vnangeneme zue lesen sein. Als / wann ich schriebe:

Mein Lieb / wann du mich drücktst an deinen lieblichen Mundt,
So thets meinm hertzen vol vnd würde frisch vnd gsundt.

Welchem die reime nicht besser als so von statten gehen / mag es künlich bleiben lassen: Denn er nur die vnschuldigen wörter / den Leser vnd sich selbst darzue martert vnnd quelet. Wiewol es nicht so gemeinet ist / das man das e niemals aussenlassen möge: Weil es in Cancelleyen (welche die rechten lehrerinn der reinen sprache sind) vnd sonsten vblich auch im außreden nicht verhinderlich ist. Vnnd kan ich wol sagen / vom für von dem / zum für zue dem / vnd dergleichen. So ist es auch mit den verbis. Als:

Die Erde trinckt für sich / die Bäwme trincken erden /
Vom Meere pflegt die lufft auch zue getruncken werden /
Die Sonne trinckt das Meer / der Monde trinckt die Sonnen;
Wolt dann / jhr freunde / mir das trincken nicht vergonnen?

Hier / ob gleich die wörter trincket / pfleget / wollet inn eine sylbe gezogen sind / geschieht jhnen doch keine gewalt. Hiesige verß aber sindt in Griechischen bey dem Anacreon:

‘Η γη̃ μέλαινα πίνει
Πίνει δὲ δένδρε' αυτὴν
Πίνει θαλάσσα δ' αύρας,
‘Ο δ' ὴλιος θάλασσαν,
Τὸν δ' ὴλιον σελήνη.
Τὶ μοι μάχεσθ' εται̃ροι,
Κ' αυτω̃ θέλοντι πίνειν;

Welche oden ich sonst auch in ein distichon gebracht; weil ich zue den lateinischen Anacreonten weder lust noch glück habe.

Terra bibit, terram plantæ, auras æquor, amici,
Æquor Sol, Solem Luna; nec ipse bibam?

Stehet das h zue anfange eines wortes / so kan das e wol geduldet werden; als:

Vnd was hilfft es das mein spiel
Alle die es hören loben /
Du hergegen / o mein licht /
Die ich lobe / hörst es nicht?

Oder auch aussen bleiben; als:

Was kan die künstlich' hand?

Ferner soll auch das e denen wörtern zue welchen es nicht gehöret vnangehencket bleiben; als in casu nominatiuo:

Der Venus Sohne. Item wie Melißus sagt:
Ein wolerfahrner helde.

Vnd:

Dir scheint der Morgensterne;

Weil es Sohn / Held / Stern heisset.

Vber diß / die letzte sylbe in den männlichen / vnd letzten zwo in den weiblichen reimen (wie wir sie bald abtheilen werden) sollen nicht an allen Buchstaben gleiche sein; als / in einem weiblichen reime:

Wir sollen frembdlingen gar billich ehr' erzeigen /
Vnd so viel möglich ist / ein willig hertze zeigen.

Es ist falsch; weil die letzten zwo sylben gantz eins sind: kan aber so recht gemacht werden:

Wir sollen frembdlingen gar billich ehr' erzeigen /
Vnd / wann es müglich ist / die Sonn' auch selbst zueneigen.

Wiewol es die Frantzosen so genaw nicht nemen. Dann in nachfolgender Echo / welche vom tantze redet / alle verß gleiche fallen:

Qui requiert fort & mesure & cadance? Dance.
Qui faict souuent aux nopces residence? Dance.
Qui faict encor filles en abondance? Dance.
Qui faict sauter fols par outrecuidance? Dance.
Qui est le grand ennemy de prudence? Dance.
Qui met aux frons cornes pour euidence? Dance.
Qui faict les biens tomber en decadence? Dance.

Gleichfals begehet man einen fehler / wann in dem rythmo foeminino die letzte sylbe des einen verses ein t / des andern ein d hat; weil t harte vnd d gelinde außgesprochen wird. Als im 23. Psalme:

Auff einer grünen Awen er mich weidet /
Zum schönen frischen wasser er mich leitet.

So auch / wann das eine u ein selblautender / das andere ein doppeltlautender Buchstabe ist / vnd fast wie ein i außgesprochen wird. Als im 42. Psalme:

Bey jhm wird heil gefunden /
Jsrael er von sünden.

Dann in dem worte sünden ist das u ein diphthongus.

Vnd letzlich wird der reim auch falsch / wann in dem einen verse das letzte wort einen doppelten consonantem; vnnd das in dem andern einen einfachen hat; als: wann der eine verß sich auff das wort harren; der andere auff das wort verwahren / oder der eine auff rasen / der andere auff gleicher massen endete. Denn es eine andere gelegenheit mit der Frantzösischen sprache hatt / da zwar zweene consonantes geschrieben / aber gemeiniglich nur einer außgesprochen wird.

Das wir nun weiter fortfahren / so ist erstlich ein jeglicher verß / wie sie die Frantzosen auch abtheilen / (denn der Italiener zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) entweder ein foemininus, welcher zue ende abschiessig ist / vnd den accent in der letzten sylben ohne eine hat / Als:

Er hat rund vmb sich her das wasser außgespreitet /
Den köstlichen pallast des Himmels zue bereitet;

Oder masculinus, das ist / männlicher verß / da der thon auff der letzten sylben in die höhe steiget; als:

Den donner / reiff vnd schnee / der wolcken blawes zelt /
Ost / Norden / Sud vnd West in seinen dienst bestelt.

Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein iambicus oder trochaicus; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd lateiner eine gewisse grösse der sylben können in acht nemen; sondern das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen / welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt soll werden. Ein Iambus ist dieser:

Erhalt vns Herr bey deinem wort.

Der folgende ein Trochéus:

Mitten wir im leben sind.

Dann in dem ersten verse die erste sylbe niedrig / die andere hoch / die dritte niedrig / die vierde hoch / vnd so fortan / in dem anderen verse die erste sylbe hoch / die andere niedrig / dir dritte hoch / &c. außgesprochen werden. Wiewol nun meines wissens noch niemand / ich auch vor der zeit selber nicht / dieses genawe in acht genommen / scheinet es doch so hoch von nöthen zue sein / als hoch von nöthen ist / das die Lateiner nach den quantitatibus oder grössen der sylben jhre verse richten vnd reguliren. Denn es gar einen übelen klang hat:

Venus die hat Juno nicht vermocht zue obsiegen;

weil Venus vnd Juno Jambische / vermocht ein Trochéisch wort sein soll: obsiegen aber / weil die erste sylbe hoch / die andern zwo niedrig sein / hat eben den thon welchen bey den lateinern der dactylus hat / der sich zueweilen (denn er gleichwol auch kan geduldet werden / wenn er mit vnterscheide gesatzt wird) in vnsere sprache / wann man dem gesetze der reimen keine gewalt thun wil / so wenig zwingen leßt / als castitas, pulchritudo vnd dergleichen in die lateinischen hexametros vnnd pentametros zue bringen sind. Wiewol die Frantzosen vnd andere / in den eigentlichen namen sonderlich / die accente so genawe nicht in acht nemen wie ich dann auch auff art es Ronsardts in einer Ode geschrieben:

Bin ich mehr als Anacreon /
Als Stesichór vnd Simonídes /
Als Antimáchus vnd Bion /
Als Phílet oder Bacchylídes?

Doch / wie ich dieses nur lust halben gethan / so bin ich der gedancken / man solle den lateinischen accenten so viel möglich nachkommen.


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