Martin Opitz
Buch von der Deutschen Poeterey
Martin Opitz

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Auff die außlesung der worte / sagen wir nun billich auch von jhrer zuesammensetzung; wie wir nemlich die buchstaben / syllaben vnd wörter aneinander fügen sollen.

Weil ein buchstabe einen andern klang von sich giebet als der andere / soll man sehen / das man diese zum offteren gebrauche / die sich zue der sache welche wir für vns haben am besten schicken. Als wie Virgilius von dem berge Etna redet / brauchet er alles harte vnd gleichsam knallende buchstaben:

Vidimus vndantem ruptis fornacibus Aetnam
Flammarumque globos, liquefactaque voluere saxa
                      wie Etna / wenn er strewet
Die flammen in die lufft / vnd siedend' hartz außspeyet /
Vnd durch den holen schlund bald schwartze wolcken bläßt /
Bald gantze klüfften stein' vnd kugeln fliegen lest

Heinsius saget:

Gelyck als Etna schiet vyt haere diepe kolcken
Een grondeloose zee van vlammen in de wolcken

So / weil das L vnd R fließende buchstaben sein kan ich mir sie in beschreibung der bäche vnd wäßer wol nütze machen / als:

Der klare brunnen quilt mitt lieblichem gerausche &c.

Wie nun bißweilen eine solche zuesammenstoßung der buchstaben recht vnd guet ist; soll man sie doch sonsten mitt einander so wißen zue vermengen / das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde. Eben dieses ist es auch / wann eine syllabe oder wort zue offte wiederholet wird; als: Die die dir diese dinge sagen.

Item / Es siehet nicht wol auß / wenn ein Verß in lauter eynsylbigen wörtern bestehet. Deßen exempel Ronsard giebet:

Ie vy le ciel si beau, si pur et net.

Wiewol wir deutschen / wegen der menge der einsylbigen wörter die wir haben / es zuezeiten kaum vermeiden können.

Hergegen sollen die verß / sonderlich die Masculini (wie wir sie im folgenden Capitel nennen werden) sich nicht mit viel sylbigen wörtern enden.

Ich wil euch williglich mit vnterthänigkeit
Zue dienste sein / Hertzlieb / bey der gelegenheit.

Dann die verß gar zue grob vnd harte dadurch gemacht werden.

Das ansehen vnd die dignitet der Poetischen rede anlangt / bestehet dieselbe in den tropis vnnd schematibus, wenn wir nemblich ein wort von seiner eigentlichen bedeutung auff eine andere ziehen. Dieser figuren abtheilung / eigenschafft vnd zuegehör allhier zue beschreiben / achte ich darumb vnvonnöthen / weil wir im deutschen hiervon mehr nicht als was die Lateiner zue mercken haben / vnd also genungsamen vnterricht hiervon neben den exempeln aus Scaligers vnnd anderer gelehrten leute büchern nemen können. Dessen wil ich nur erinnern / das für allen dingen nötig sey / höchste mögligkeit zue versuchen / wie man die epitheta; an denen bißher bey vns grosser mangel gewesen / sonderlich von den Griechen vnd Lateinischen abstehlen / vnd vns zue nutze machen möge: Dann sie den Poetischen sachen einen solchen glantz geben / das Stesichorus für den anmutigsten Poeten ist gehalten worden / weil er desselbigen zum füglichsten sich gebraucht hat.

Sie mussen aber so gemacht werden / das sie entweder die dinge von denen wir reden von andern vnterscheiden; als da der Poet spricht: nigra hirundo, die schwartze Schwalbe / oder sie vermehren / als: frigida bello Dextera, eine handt die im kriege nicht viel außrichtet.

Sie mussen auch warhafftig sein/ vnd etwas nicht anders beschreiben als es ist. Zum exempel: florida Hybla; weil viel Blumen darauff wachsen sollten: Parnassia laurus, æstuosa Calabria, vnd dergleichen. Strabo rhümet den Homerus / das er die eigenschafft eines / etwedern dinges sehr genaw in acht genommen / vnd jhm vnfehlber sein gehöriges epitheton allzeit gegeben habe. Die Poeten / denen mehr freyheit als den Oratoren eingeräumet ist / können auch wol den schnee weiß / vnnd den wein feuchte nennen: wie Aristoteles im dritten buche der Rhetoric / vnnd Quintilianus im sechsten Capitel des achten buches saget. Wiewol Virgilius nicht ohne vrsache setzet:

cæduntque securibus humida vina;

Denn in dem er spricht / das man in den Mitternächtischen Ländern den gefrorenen Wein / der doch von natur sonst sehr naß ist / mit äxten zuehawen muß / macht er das man desto mehr der vngewöhnlichen kälte nachdenckt.

Letzlich haben wir in vnserer sprache dieses auch zue mercken / das wir nicht vier oder fünff epitheta zu einem worte setzen / wie die Italiener thun / die wol sagen dürffen:

Alma, bella, angelica, et fortunata donna;

Du schönes / weisses / englisches / glückhafftes / edles bildt;

Denn solches bloß zue außfüllung des verses dient.

Dieses sey nun von der allgemeinen zuegehör der Poetischen rede: weil aber die dinge von denen wir schreiben vnterschieden sind / als gehöret sich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd von den andern vnterschiedener Character oder merckzeichen der worte. Denn wie ein anderer habit einem könige / ein anderer einer priuatperson gebühret / vnd ein Kriegesman so / ein Bawer anders / ein Kauffmann wieder anders hergehen soll: so muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weise reden; sondern zue niedrigen sachen schlechte / zue hohen ansehliche, zue mittelmässigen auch mässige vnd weder zue grosse noch zue gemeine worte brauchen.

In den niedrigen Poetischen sachen werden schlechte vnnd gemeine leute eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengesprechen. Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd schlechte reden an / die jhnen gemässe sein: So Tityrus bey dem Poeten / wenn er seines Gottes erwehnet / redet er nicht von seinem plitze vnd donner / sondern

Ille meas, sagt er / errare boues, vt cernis, & ipsum
Ludere quæ vellem calamo permisit agresti.
Du siehst / er leßt mein Vieh herumb gehn ohne ziehl /
Vnd mich auff meiner flöt' auch spielen was ich wil.

Wie Theocritus sonsten inn dem paß wol jederman vberlegen / so weiß ich doch nicht wie sein Aites mir sonderlich behaget: inmassen ich denn auch halte / das Heinsius gleichfals grossen gefallen daran treget / der dieses Idyllion Lateinisch vnnd Hollendisch gegeben. Weil ich jhm aber im deutschen nachgefolget / vnd den niedrigen Character / von dem wir jetzo reden / nicht besser vorzuestellen weiß / wil ich meine übersetzung hierneben fügen.

Theocriti Aites.
Bist du gekommen dann / nach dem ich nun gewacht
Nach dir / mein liebstes Kind / den dritten tag vnnd Nacht?
Du bist gekommen / ja. doch wer nicht kan noch mag
Sein lieb sehn wann er wil / wird alt auff einen tag.
So viel der Früling wird dem Winter vorgesetzt /
Vor wilden pflaumen vns ein Apffel auch ergetzt /
Das Schaff mit dicker woll' ein Lamb beschämen kan /
Die Jungfraw süsser ist als die den dritten Man
Bereit hat fort geschickt; so viel als besser springt
Ein rehbock als ein Kalb / vnd wann sie lieblich singt
Die leichte Nachtigall den Vogeln abgewint /
So ist dein beysein mir das liebste das man findt.
Ich habe mich gesetzt bey diesen Buchbawm hin /
Gleich wie ein Wandersman thut im fürüber ziehn /
In dem die Sonne sticht. ach / das die liebe doch
Vns wolte beyderseits auch fügen an jhr ioch /
An jhr gewündtschtes Joch / vnd das die nach vns sein
Von vns mit stettem rhum erzehlten vberein:
Es ist ein liebes par gewesen vor der zeit /
Das eine freyte selbst / das ander ward gefreyt:
Sie liebten beyde gleich. ward nicht das volck ergetzt
Wie liebe wiederumb mit liebe ward ersetzt!
Ach Jupiter / vnd jhr / jhr Götter / gebt mir zue /
Wann ich nach langer zeit schon lieg' in meiner rhue /
Das ich erfahren mag / das dem der mich jtzt liebt
Vnd meiner trewen gunst ein jeder zeugniß giebt;
Doch mehr das junge volck. nun diß muß nur ergehn /
Ihr Götter / wie jhr wolt. es pflegt bey euch zue stehn
Doch lob' ich dich zwar hoch / so hoff' ich dennoch nicht
Das jrrgend jemand ist der etwas anders spricht.
Dann ob dein grimm mir schon offt' etwas vbels thut
So machst du es hernach doch doppelt wieder gut.
O volck von Megara / jhr schiffer weit bekandt /
Ich wündsche das jhr wol bewohnt das reiche landt
Vnd vfer bey Athen / weil jhr so höchlich liebt
Dioclem der sich auch im lieben sehr geübt:
Weil allzeit vmb sein grab sehr viel liebhaber stehn /
Die lernen einig nur mit küssen umb recht gehn /
Vnd streiten gleich darumb / vnd wer dann Mundt an mundt
Am aller besten legt / dem wird der krantz vergunt /
Den er nach hause dann zue seiner Mutter bringt.
Ach / ach / wie glücklich ist dem es so wol gelingt
Das er mag richter sein. wie offte rufft er wol
Das Ganymedes jhm den Mund so machen sol
Als einen Stein durch den der goldschmiedt vrtheil spricht
Ob auch gewiß das Goldt recht gut sey oder nicht.

Hergegen in wichtigen sachen / da von Göttern / Helden / Königen / Fürsten / Städten vnd dergleichen gehandelt wird / muß man ansehliche / volle vnd hefftige reden vorbringen / vnd ein ding nicht nur bloß nennen / sondern mit prächtigen hohen worten vmbschreiben. Virgilius sagt nicht: die oder luce sequenti; sondern:

                vbi primos crastinus ortus
Extulerit Titan, radiisque retexerit orbem.
Wann Titan morgen wird sein helles liecht auffstecken /
Vnd durch der stralen glantz die grosse welt entdecken.

Die mittlere oder gleiche art zue reden ist / welche zwar mit jhrer ziehr vber die niedrige steiget / vnd dennoch zue der hohen an pracht vnd grossen worten noch nicht gelanget. In dieser gestalt hat Catullus seine Argonautica geschrieben; welche wegen jhrer vnvergleichlichen schönheit allen der Poesie liebhabern bekandt sein / oder ja sein sollen. Bießhieher auch dieses: nun ist noch vbrig das wir von den reimen vnd vnterschiedenen art der getichte reden.


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