Balder Olden
Kilimandscharo
Balder Olden

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Bibi Angstschweiß

Die ganze Abteilung: Marsch!« juchheite Fritzchen. Ein Negerbub setzte sich in Trab, bubenrund das lustige Gesicht, in Khakihosen und einen roten Fez gekleidet, am ganzen Leibe drall, schwarzglänzend, so lustig, daß ein Laufschritt von zwanzig Meilen wie ein Vergnügen vor ihm lag. Dann kam auf seinem Maultier Fritzchen, von hinten anzusehen wie eine Fledermaus. Ein Riesenfilzhut wehte wie mit Fittichen um seine Schultern. Hoben sich beim Trab die breiten Ränder, dann flatterten darunter rote Ohrlappen, Windfängen gleich, die weithin kündeten, daß Fritzchen selig war. Er hockte mit schwerem Gesäß und vorgestrecktem Ranzen auf dem alten Maulbock, eine Elefantenbüchse vom Kaliber der Arkebusen quer vor sich im Sattel, weiter gerüstet mit einem Säbel, mit zwei Revolvern, rostroten Sporen vom Durchmesser einer amerikanischen Taschenuhr. Kreuz und quer über die Brust lagen ihm breite Patronengurte, gespickt voll mit leeren Hülsen, darunter kaum ein Dutzend richtiger Geschosse. An jedem Gürtel lagen breite, schwarze Flecken von Herzblut, das 68 irgendein junger Mensch in der kahlen Wildnis draußen vergossen hatte, aus dem Hinterhalt hinüber geblasen. Vielleicht war das Blut aus einem gleichgültigen Herzen herausgeschüttet, vielleicht im halben Traum von zarten Dingen.

Auch der Schlapphut, den Fritzchen trug, hatte seine Geschichte. War ein paarmal durchschossen, innen und außen mit Blut befleckt. Selbst das Maultier hatte Blut gegeben, war erst kürzlich vom Tierarzt entlassen worden. Die Elefantenbüchse, die Patronengürtel, der Hut, Sporen, Säbel, Patronen, Hemd, Hosen, Maultier – alles, was Fritzchen mit sich führte, war einmal, blutüberspritzt, in Staub und Schweiß Beute gewesen. Wahrscheinlich nicht gerade Fritzchens Beute. Mindestens ließ sich das nicht mit Sicherheit behaupten, obwohl er Veteran aus vielen Treffen war. Er hatte sich all' die Trophäen zusammengebettelt und gestohlen, um, wie mit Skalps geschmückt, blutrünstig, ein Zeuge wildesten Kriegsgetümmels, im Hinterlande einzuziehen. Denn er war »nach hinten« kommandiert zu den Küchen, Bäckern, Blumengärten, den Wein- und Bierflaschen, Frauen, Betten und endlich zum Kommando, dem er einen Bericht zu bringen hatte. Danach sollte er requirieren – alles, was zu greifen war und viel zu gut für den Hunger der Etappenleute. In diesem Auftrage steckte der Sinn seiner Fahrt. Denn anerkannt war sein Talent, Genießbares aufzuspüren, Büchsen wegrollen, Kisten wandern, Zelte, Waffen, Fässer und Säcke verschwinden zu lassen. Dabei zeigte er sogar Geschmack, traf Auswahl! Das ehrenvollste Kommando, Krieg gegen 69 das Hinterland, hatte Hüssen nicht dem verdienten Herrn im Graubart, sondern dem kriegsfreiwilligen Buben zugewendet.

Fritzchen hatte es im Kadettenhaus bis zur Tertia und auf drei Pressen zu Rotweingelagen, Importen und einem Monokel gebracht. Im letzten Institut, das er mit seines Vaters Geld bereicherte, sogar zu einem ehrenhaften Zweikampf mit dem Direktor. Diesen letzten Abschnitt seines Wandels im Lande der Weißen schilderte er gern.

»Plautz, fegt er mir eine. ›Sie haben kein Recht, mich zu schlagen!‹ Schon hab' ich die zweite sitzen. Bautz, kriegt er selber eine, daß er an sein Pult fliegt. Was tut er? Schreibt ins Buch: Hartlieb erhielt wegen Ungebühr eine körperliche Züchtigung. ›So,‹ sag' ich, ›und Sie haben wohl keine gekriegt?‹ – Dann war's mit dem Leutnant aus – schickt mich der alte Herr zur Besserung nach Afrika! Hätt' ich dem grauen Knecht zweie zurückgeputzt, dann wär' ich ins Paradies gekommen!«

Daß Fritzchen dann und wann Gotthold Beeniken seine Raubrittersporen in die Seite bohrte – der Maulbock hieß nach jenem Jüngling im Rauschebart, der Hüssen im Kompagnielager empfangen –, hätte das Tempo der Safari nicht beschleunigt. Der Negerbub Bakari aber, eine klassische Fritzchenausgabe in Dunkel, ging auf strotzenden Waden Trab und trug über seiner Schulter eine saftige Rübe. Halb der Rübe, halb seinem Beispiel folgte Gotthold Beenike, schleppte im Zotteltrab Fritzchen, der mit flatternden Hutkrempen und Ohren, wie ein Sack voll Schlamm im Sattel klebte. Die Augen 70 hatte er geschlossen, eine giftgasige Pfeife im Maul, den Bauch übervoll und in seinem Schädel einen einzigen Gedanken: Wie mach' ich aus dieser Dienstreise ein Fest?

Fritzchen ritt auf ausgetretenem Pfad durch offene Steppe. Schlohgelb lag das Gras, kurz vor der kleinen Regenzeit, am Boden, in den Stachel-Akazien am Wege sang jeder Lufthauch eine wohlklingende Jammerstrophe. Als gäbe es nur Leid, nur Erdenweh zwischen den weißen Gipfeln des Kilimandscharo und des Meru, die rechts und links ein weites Tal flankierten, urmächtig, mit schneeigen Gipfelfeldern, so weinte der Steppenwind auf zersprungenen Schalen der Akazienfrüchte, die ihm als Aeolsharfe dienen mußten. Fritzchens Bubenherz aber juchheite und tobte Lust über dieses Klagelied, über das Elend der Schlachten in seinem Rücken, über alles hienieden, was krank und gebrochen war. Achtzehn Jahre war er alt und Afrikaner!

Auf zwei Wegen ließ sich in diesen Tagen Lust gewinnen, mit schwerer Mühe waren seine trappelfüßigen Gedanken allmählich dahinter gekommen: er konnte mit schwarzen Weibern schlafen und erwachsene Weiße ärgern! An den Weibern entschädigte er sich für die Karenz von vielen Wochen, an den Weißen für die Zucht vieljähriger Schülerqual. Denn Fritzchen war ein früher Tod prophezeit, und obwohl er den Begriff »Sterben« nicht fassen konnte, ahnte er dunkel, daß es die letzten Tage auszunützen galt.

Ein Windhauch fuhr durch die Steppe, krümmte das gelbe Gras, sang etwas von Tod in die 71 Aeolsharfen hinein. »Fallen tut man doch!« empfand Fritzchen. Er konnte eine feindliche Stellung unsichtbar anschleichen, die Knöpfe am Kittel des Wachtpostens zählen, das Pferd des feindlichen Kommandeurs aus dem Rudel heraus von der Koppel stehlen, die Whiskyflasche von seinem Zelttisch. Aber im Gefecht vergaß er die Wirklichkeit. Wenn eine Kugel durch seinen Tropenhut zischte, wenn ein Schuß nicht traf, der ihm gegolten, wenn eine Kriegslist gelang, dann deckte er sich nicht mehr, zeigte sich hohngriefend dem Feind, empfand das Ganze als Spaß und Spiel, jubelnd aus vollem Hals. »Nach jedem Gefecht müßtest du das Eiserne und Fünfundzwanzig hinten drauf haben,« hatte ihm einmal Rieke, die vorsichtig-tapfer war, erklärt. Der holsteinische Patriarch hatte nachdenklich ergänzt: »Vor jedem Gefecht Fünfundzwanzig und danach das Eiserne! Auf die Art bliebe vielleicht unser Fritzchen lebendig.«

»Fallen tust du – –« mauzte wehleidig der Steppenwind »Tu–hi–i–i« durch dürre Bäume. »Pfui Deibel,« machte es in Fritzchen. Er brüllte dem schwarzen Buben »halt!« zu. Eine Welle Blut, ein Strom siedender Pubertät war bei dem Gedanken an Tod in sein Hirn geschossen.

»Bakari, mein Freund!« schmeichelte er und klemmte pfiffig-intim ein Auge zu, ließ das andere blinzeln. »Wo gibt's Bibis ganz nah von hier? Verstehst du mich – ich brauch' rasch, ganz rasch, eh' wir zum Bwana Siebenschlaf kommen, ein ganz junges Weib!« – Bakari war erschöpft trotz seiner Blasbalg-Lungen und Ballon-Waden. Er ließ sich 72 auf die khaki-umspannten Keulen nieder, schnaufte aus. Dann äugte er die Steppe ab, nahm Richtung nach ein paar kegelspitzen Hügeln und den weißsilbrigen Wellblechdächern einer Pflanzung, die fernher in der Sonne funkelten. Er brauchte lange zur Ueberlegung, und Fritzchen, der sich von Gotthold Beenike trennte – absitzen konnte man diese Prozedur kaum nennen –, hatte es mit der Antwort so eilig, daß seine Hände zitterten. Nachdem die Idee »Weib« einmal in sein Bewußtsein gefallen war, schien ihm jede Minute im dornigen Jungfernkranz ruchlose Vergeudung.

»Rauch!« kommandierte er und steckte dem Schweißtriefenden seine Pfeife ins glibbrige Maul.

»Iß!« sagte er, griff in die Hosentasche und warf ihm ein heißgerittenes Butterbrot zu.

Der Schwarze kaute, rauchte und sagte nichts. Fritzchen zog die Peitsche aus Nilpferdhaut, ließ sie durch die Luft sausen.

»Willst du Buschneger wohl die Zähne auseinanderbringen?«

»Liebst du Massai-Bibis?« fragte der.

»Die stinken nach Rinderfett.«

»Aber sie sind schön!«

»Ist kein Tschaggadorf in der Nähe?«

»Das Tschaggadorf ist weit – weit.« Das Wort »weit« sang Bakari in höchstem Flüsterton, um grenzenlose Entfernung zu markieren. »Außerdem sind die Tschagga ebenso schmutzig.« »Schmutzig« betonte er tief und zäh, als trete er durch Schlamm.

»Also los doch, zu den Massai!« hetzte Fritzchen. »Wo liegt der Kraal?« 73

»Da, da, da –« machte Bakaris heller Zeigefinger, während seine Linke den Rest der Brotschnitte einstopfte. Sein Tonfall ließ genau erkennen, daß der Kraal kaum vier Kilometer fern lag.

»Aber es geht beim Bwana Arbeitsschweiß vorbei! Und die Bibi Arbeitsschweiß ist scharf, hm, scharf wie Pfeffer.«

In diesem Augenblick arbeitete Fritzchens Brägen mit der Exaktheit eines Feldherrnhirns. Bwana und Bibi Arbeitsschweiß lagen ihm gerade recht am Wege – in Staub mit den Weißen! Er erklomm seinen Gotthold Beenike so rasch wie nie im Leben zuvor, puffte ihm die Zackenräder ins Fell und schrie Bakari zu: »Haia, Haia!« Freude und Hoffnung machten ihm die Stimme heiser.

»Das gibt eine Gaudi! Denen besorg' ich's! Denen tränk' ich's ein!« jubelte es in Fritzchens borstiger Seele. »Und dann zu den Massai-Bibi!« –

Hätte der Gefreite Friedrich Hartlieb Zeit gehabt, sein eigenstes Wesen zu durchdenken – wozu er bei diesem Ritt und in dieser Inkarnation die Zeit nicht finden sollte –, dann hätte er vielleicht mit Schrecken erkannt, daß er kein Weißer war, freilich auch kein Schwarzer, sondern ein Einzelner, das Herz voll Afrika und voll von Haß gegen Staat, Europa und Gesellschaft. Zwischen den Weißen, für die er ein Taugenichts, und den Schwarzen, für die er »Bwana«, ein Europäer, Befehlender war, hatte er sich ein spezifisches Verhältnis zur Gesellschaft gebildet.

Von der Wiege bis zur dritten, letzten, ergebnislosen Absolvierung der Tertia lag Europa hinter 74 ihm in schulgrauen Schwaden aus Elend und Nebel. Mit einer phantastisch hohen Summe aus Leiden: Nachsitzen und Sitzenbleiben, schmutziger Angst von Schulstunde zu Stunde, vor der Schule und vor dem Nachhausegehen, vor Ferien-Anfang und Ferien-Ende, Ohrfeigen in ungezählten Mengen, Rohrstockhieben über's Gesäß, deren Zahl sich nicht nachrechnen ließ – die weißen Haare seiner Mutter, die Furchen im Gesicht seines Vaters nur im Nachtrag gerechnet –, hatte er sich Afrika, sein Afrika ehrlich erworben.

Dies Land der Neger war es, das seine Seele gesucht hatte! In den Mund hinein wuchsen einem Bananen und Antilopen-Filets. An jedem Wege lagen Zebra-Decken, Gnu-Schweife, Giraffen-Felle, gegen die Patronen, Schnaps und Tabak sich tauschen ließen. Man war zu Hause, wo man seine Flinte knallen ließ. Soweit der Knall reichte, war man Herr. Gefahren gab es, die sich kinderleicht bestanden, Ruhm und Gold brachten. Löwen beschlich man, zielte aufs Blatt! – es war wie Hasenhatz, so einen feigen Löwen zu töten. Oder im Urwald – die Elefanten, Rhinos – die Schloßkirche in Berlin war kein bequemeres Ziel! Jeder Schuß brachte Gold in Haufen, jede Pirsch war ein Sonntagsfest. Man ging frühmorgens vor Dämmergrauen mit seinen Kanaken los, ein Stück quer durch die Steppe, dann in den Urwald, auf vorgezeichneter Bahn. Wo es recht frisch und würzig nach Kuhstall roch, war Elefantenfährte, je heftiger der Gestank, um so näher das Lager. Dann fand sich ein Hinterhalt, ein Ansitz, aus dem der wütigste Bulle 75 einen so leicht nicht herausbrachte. Und so ein Koloß von Beest tat sich gehorsam nieder, gab Elfenbein und Fett in Massen her, wenn man nur rechtzeitig den Finger krumm machte.

Ein Land, heiliger . . .! ein Land, in dem man jedes Weib besaß, nach dem man »happ« machte. Ein Laut, ein Wink – »hier kommst du her! Ich soll wohl noch ›bitte‹ sagen?« – Da hatte man's, lag's auf dem Rücken, auf federnden Polstern, weiche Arme gebreitet, sehnige Beine gereckt, strotzend die Brüste, eine Angst nur im Auge: tu ich's dem Bwana nach Gefallen? Bin ich dem Bwana ein kleines, kleines Vergnügen?

Wie lang war's her, daß man selbst, über die Bank gestreckt, ungebrannte Asche auf den Hintern bezogen hatte? Ha, hier deckte Mann und Weib sich längelang auf die Erde, wenn man den Kiboko hob. Ließ sich das Leder polieren, zuckte nicht, nahm Tabak, Geld oder Hiebe, wie's einem in seiner Laune zu geben beliebte, tief ergeben. Ein Mannsbild, dem man so Unwillen ausgedrückt hatte, frischweg, wie er aus den Schwaden eines verregneten Morgens kroch, verbeugte sich tief nach empfangener Züchtigung und sprach: »Dank, großer Herr!« Ein Weib aber, Tränengekuller noch im Gesicht, an den frischen Striemen hinstreichend:

»Dein Stock schmeckt süß wie Honig, großer Herr!«

So war's, so hätt' es sein können!

Wer war in diesem Paradies die Schlange? Wer machte einen, der wagemutig und großherzig geboren, zum edelsten Herrscher bestimmt war, roh, verschmitzt, klein? Die Weißen! 76

Den Neger ließen sie nicht sein Leben im Busche verdösen, die Hände ruhn und den Fleiß seiner Weiber segnen, ließen mit nichten zu, daß Sonne und Sterne ein Eiland des Friedens und der satten Faulheit beschienen. Arbeiten, Steuer zahlen, Plantagen anlegen, Lesen lernen . . . Was ging's den Schwarzen an, daß irgendein Knallprotz in Europa auf Pneumatiks auteln, eine Elfenbeinkrücke am Stock tragen, Billardbälle stupsen wollte? Daß alte Schlumpen ihren Kaffee nicht aus der Röhre brachten, sich graue Jauche, zehnfach verdünnt, ins klapprige Gekröse pumpten? Daß die Weißen Säcke aus Sisal mit allerhand Dreck füllen, ihre Stullen mit Kokosfett schmieren wollten – was ging den Schwarzen Europa an! Und doch mußten sie, Kerl um Kerl, soweit ihr Land der »Kultur« verfiel, schuften und schwitzen für die oben im Eskimoreich, in dem kein Mensch seines Lebens froh wurde.

Er aber, Friedrich Hartlieb – nein, »Bwana Weiber-mag« hieß er hier –, er war an Händen und Füßen gebunden durch dies Europa, hier auch, hier wie drüben. Ihm mißgönnte es, mißgönnten die Weißen die Lust am Leben schlechtweg, die Luft und die Sonne, das Freisein und das Herrsein. Sausen und Rauchen, Jagen und Reiten sollte »Erholung« sein – »gern gegönnte Erholung« für einen, der sechs Tage lang mühselig zugeguckt hatte, wie die Kühe Gras fressen und die Kaffeepflänzchen wie Kirschen treiben. Elefantenschießen hieß »wildern«, alles Jagen fast hieß wildern – für Riesensummen konnte man einen Jagdschein lösen, der keine zwanzig Schuß im Jahre erlaubte. Ein kleiner 77 Harem – ach, daran war nicht zu denken! Die schwarze Polizei hätten sie einem in den Nacken gehetzt, Stunde um Stunde sollte man seine Pflicht tun, Pflicht, Pflicht – hier in Gottes pflichtfrei geschaffenem Afrika! Nur aus Geldgier und Pedanterie wurde dies Phantasiereich freier Lust zum Garten ärmlichster Qual gemacht, der biblische Fluch vom Schweiße des Angesichtes, in dem der Mensch sein Brot knacken soll, an den Haaren in ein Eden hineingezerrt, in des Menschen Eden, in Bwana Weiber-mags urpersönlichstes, allereigenstes, unveräußerliches Eden!

So hatte Fritzchen räsonniert, nachdem er ein paar Wochen lang die eisgeklärte, warm durchsonnte Aequatorluft am Hang des Kilimandscharo geatmet. Dann hatte er rebelliert, war ausgebrochen aus Zwang und Pflicht in den Busch hinein. Aber der Weiße war Herr, auch hier. Der Weiße, der Bärtige, der Salbadernde, der phrasendreschende Pflichtkuli mit den staatlich approbierten Grundsätzen. Seine Diener und Freunde hatte der ihm mit Drohungen abspenstig gemacht, ihm Patronen, Tabak und Whisky gesperrt, ihn mit Ausweisung, Abtransport bedroht, bis er heruntergerissen, ausgehungert, besiegt seinen Dienst als Pflanzungsassistent wieder angetreten.

Jetzt war Krieg geworden, den machte er mit. Die Engländer hatten ihm nichts getan, aber es war schön und erregend, auf ihrer Spur durch die Steppe zu ziehen, ihre Lagerfeuer zu umschleichen, ihre Pferde zu stehlen, Bahnen zu sprengen, kostbare Vorräte zu erbeuten. Sie waren besseres Wild als 78 Löwe und Elefant, es war fast ein hübscher Zug an ihnen, daß sie schießen konnten und zurückschossen, wenn man angriff – es war reizvoll, Jäger und Wild in einem zu sein. Und ohne die langen Pausen von Aktion zu Aktion wäre ihm der Krieg eine wirklich lustige Zeit gewesen.

Danach aber, wenn die dumme Prophezeiung nicht in Erfüllung ging, mußte ein Land ohne Europa gefunden werden! Am Kongo oder am Rufiji oder drin im Portugiesischen, irgendwo mußte sich ein Stück Erde finden, auf dem man allein war: zehnmal zehn Meilen im Umkreis kein Pflichtgefühlpächter, kein Imperative triefender Vollbart, kein Ehrfurcht usurpierendes Blaßgesicht! Dort lieber an Malaria krepiert, von Krokodilen gefrühstückt – als Pflanzungsleiter oder Gouverneur oder Millionär irgendwo sonst, irgendwo!

Das war Fritzchens augenblickliches Verhältnis zur Schöpfung.

Bwana Arbeitsschweiß stand im Garten und hackte Unkraut, indes Bibi Arbeitsschweiß längelang bäuchlings im Gemüsebeet lag. Farblos und wenig anmutig, hätte man die Beiden für Vogelscheuchen halten können, so sparsam bewegten sie die fleischlosen Arme, angstvoll, in dieser Tropenglut ihre Kraft unnütz zu verpuffen – wäre Bibi Arbeitsschweiß nicht an Lunge und Stimmband ein Athlet gewesen.

Den Nacken voll Schweiß, die Hände voll Erde, fast versandet den Schlund, konnte sie noch kreischen und mahnen.

»Hensel, grab' nicht so tief! Die ganze Schamba 79 höhlst du einem aus. Wenn der Regen kommt, schwimmt sie weg, wie voriges Jahr die Kokospalmen! Barmherziger Gott, Hensel, wie bin ich mit dir gestraft! Die Kühe – sollen die Kühe sich selber melken? Das Kalb verhungert, wir haben kein Schmant aufs Brot, dein Kind geht ein! – Hensel, du mußt den Hasani hinter die Löffel schlagen! Seit drei Tagen bitt' ich dich drum! Gestern hat er die Thusnelda nicht trocken gelegt, heut hat er mir ein freches Maul gemacht! Hensel!«

»Daß er uns auch noch wegläuft!« brummte Bwana Hensel-Arbeitsschweiß, der auch ohne Befehle seiner Frau von früh bis spät die Hände gerührt hätte. Kein Schwarzer blieb bei ihm – er war zu fleißig, seine Bibi zu scharf. Seine Arbeiter mußten schaffen und Ermahnungen hinnehmen wie er – das hielt keiner aus. Allein die Stimme einer weißen befehlenden Frau jagt den stärksten Schwarzen in Angst. Nun gar eine Stimme, die durch Haus und Pflanzung, Stall und Garten fast ohne Unterbrechung schrillt! Dazu das Beispiel eines Weißen, der kein Europäer sein konnte, – denn er schwang Spaten und Schaufel wie ein Schwarzer, die Sonne biß ihn nicht, er hatte keinen Kiboko, war nie betrunken, – und dessen Arme niemals müde wurden!

Lieber war man Lastträger an der Front als Arbeiter in solchem Betriebe! So kam Hensels Gesindebestand über einen kümmerlichen Haus-Boy, einen Halbwüchsigen, selten hinaus. Aber dennoch wuchs langsam, Halm um Halm, sein Wohlstand, dehnte sich das Anwesen, das er ohne andere 80 Mittel als seinen und seiner Gattin Fleiß begründet hatte.

Lorenz und Luise Hensel waren unter den Weißen Afrikas Empörer. Seit dies Land mit Europas Kultur überzogen wurde, galt es als Gesetz, daß der Weiße unter seinem Himmelsstrich nur Organisator, Anführer und Arbeitsführer sein, bedient werden, mit seinen Kräften geizen müßte. Zum Schuften waren die Schwarzen da, die es nicht einmal ahnen durften, daß drüben in Europa weiße Menschen Holz schlugen, Aecker furchten, Straßen reinigten. Wo wäre sonst der Respekt dieser farbigen Kanaille geblieben! Hensels aber verstanden das nicht – in ihren sonst offenen Köpfen war etwas defekt, das Spezifische des Europäer-Hirns verkümmert. Man hatte an Worten nicht gespart, – als alles vergebens Mühe blieb, hatte man die Eingeborenen einfach verstehen lassen, daß diese Weißen europäische Buschleute seien, gebleichte Nigger etwa oder eine ähnliche ethnographische Spielart. Die Regierung hatte sich geweigert, gegen besseres Wissen beinahe, Herrn und Frau Hensel wegen rassefeindlicher Arbeitswut des Landes zu verweisen. Man mußte sie gewähren lassen.

Anders reagierte Fritzchen auf den Anblick dieser abgearbeiteten Gestalten. Er sah sie fast mit Lust als die letztmögliche Steigerung des Pflichtbegriffs, mit dem die Vollbärte sein Eden infiziert hatten. Hier wurde die Drohung Europa grotesk und widerlegte sich selbst! . . .

Als Fritzchen auf der Henselschen Pflanzung eintritt, sah er ritterlich und ernst aus wie jener 81 berühmte Knabe, den der Krieg plötzlich zum Manne gemacht hat. Mit großer Geste legte er die Hand an seinen Tropenhelm: »Jambo, Bwana Arbeitsschweiß! Guten Tag, gnädige Frau!«

Er wurde begrüßt, ins Wohnzimmer geführt, bewirtet. In Afrika, selbst bei Hensels, ruhte jede Arbeit, wenn ein Gast sich zeigte. Und Fritzchen kam von der Front!

Während er in sich hinein proviantierte, was Hensels für ein paar Tage zum eigenen Unterhalt bestimmt hatten, mußte er erzählen. Mit düsterem Ernst wies er auf Beutestücke und Blutflecke seiner Ausrüstung, betonte leicht, daß er mehr wüßte, als er erzählen dürfte, daß aber bedeutende Schläge sich vorbereiteten.

»Hensel, die Kühe!« mahnte Frau Arbeitsschweiß mit einem Blick, der ihren Gatten verscheuchte.

»Jetzt sagen Sie mal alles!« bat die magere Frau und mühte sich, für den feuchtohrigen Jüngling gewinnend auszusehen. »Ich kann schweigen, das weiß jeder Mensch!« Sie goß ihm das Glas voll, belud seinen Teller, schnitt ihm Brot. – »Also, zu doch! Man muß doch schließlich wissen . . .«

Vor dem Fenster, in blauer Ferne, ragten ein paar Berge: der Longido, den Deutschland, der Erok, den England besetzt hatte. Beide mit schroffen Wänden und zackigen Kronen, ein paar natürliche Festungen, mitten in der kahlen Steppe aufgerichtet und wie zu Grenzposten geschaffen.

»Dort am Erok wird's heiß hergeh'n!« machte Fritzchen, einen Finger am Mund, um zu zeigen, daß er ein Geheimnis preisgab. 82

»Barmherziger! Will der tolle Mullah dort angreifen?«

»Nächtlicher Sturm!«

»Das ist aber doch! – Nein! – Aber – da reden wir auch noch mit!« – Luise Hensel verstand nie, daß Gesetz und Geschichte ohne ihren Rat gemacht wurden. Dunkel empfand sie, daß eine nüchtern-emsige und beredte Frau wie sie überall mitzusprechen hätte, wo über die Zukunft von Menschen entschieden wurde.

»Die steilen Wände hinauf, in die Bajonette hinein! Ja, wo will er denn die Menschen hernehmen? Für den schmutzigen Felsklotz da draußen, auf dem keine Kuh satt wird, ehrliche Männer abschlachten lassen!« schrillte sie voll Empörung: denn ihr fehlte jeglicher Sinn für den Rhythmus der begeisterten Jahre, an denen sie notgedrungen teilnahm. Damit war Fritzchens Stichwort gegeben.

»Die letzten Reserven werden eingezogen, gnädige Frau! Wer nur kriechen kann, muß mit!«

Bibi Arbeitsschweiß richtete sich auf wie eine Heroine, kantig, verarbeitet, busenlos und voll Würde.

»Mein Mann hat Plattfüße!« sagte sie stolz.

»Tjah . . . Wenn das diesmal hilft . . .!«

Da war es der armen Frau, als müßte sie mit Zähnen und Nägeln in diese verblendete Welt hineinschlagen. Sie tobte ins Nebenzimmer, warf Schränke und Kommoden auf und zu, riß sich die Arbeitskleider vom Leib, striegelte ihr Haar: kam nach fünf Minuten mit einem Hut voll roter Kirschen, in einer roten Bluse, eine blaue Winter-Mantille darüber, einen gelben Schirm im Arm, 83 wieder zum Vorschein. In dieser Pracht von der Wende des Jahrhunderts, dem Sonntagsanzug, den sie als braves, junges Dienstmädchen getragen, fühlte sie sich gerüstet.

»Zum Bwana Obristi geh' ich! Aber stantepe! Ach – denen will ich's . . .!«

Fritzchen hatte sich wieder gegürtet und gewaffnet. Bis in die Knochen fühlte er sich beglückt.

»Ich weiß nicht, ob der Bwana Obristi Zeit haben wird, gnädige Frau . . .!«

»Für mich? Ich mach', daß er Zeit hat . . .!«

Und während der Gast Herrn Hensel suchen ging, um sich zu verabschieden, stürmte die aufgeputzte Frau in den glühenden Mittag hinaus, auf steifen Beinen, das gelbe Seidendach über roten Kirschen, voll Grimm das arme Herz. Zum Bwana Obristi! Dem Bwana Obristi die Wahrheit sagen! Eine gute Wegstunde weit durch Glut und Steppe . . .

Bwana Obristi war ein uralter Siedler, der vor Jahrzehnten als Titularoberst aus der Armee geschieden und nach Afrika gezogen war, weil die Aerzte gegen seine Gicht Tropensonne verschrieben hatten. Er war so gut und so alt, saß ganz still auf einer Veranda, las gebundene Jahrgänge einer illustrierten Zeitschrift aus der Zeit des alten Kaisers. Seine Pflanzung war kleiner als ein europäischer Kleinbauernhof – es wuchsen nur Artischocken, ein paar europäische Obstbäume und Blumen darin.

Die paar Beete und das bunte, kühle Häuschen hielt eine betagte Frau mit ein paar Boys instand, ließ die Gartenwege putzen, zweimal im Jahre die 84 Mauern weißen, den Holzzaun, der das kleine Anwesen umschloß, bunt anstreichen.

Die beiden Alten hatten nur einen Ehrgeiz: daß jeder Durchreisende bei ihnen einkehrte, ein Glas Wein, eine Mahlzeit, eine Tasse Kaffee bekam, die er bedingungslos loben mußte. Aber von einem solchen Besuch zum nächsten konnten in friedlichen Zeiten Wochen vergehen, denn der Blumengarten lag an keiner Verkehrsstraße. Er lag dem Empfinden seiner Bewohner nach überhaupt nicht im wilden Afrika, sondern etwa in einem Villenvorort von Wiesbaden oder Freiburg, nur aus Gründen der Gesundheit in des Erdballs wärmste Sonne gerückt. Jedenfalls gab es im tiefen Busch kaum ein Wesen, dem die Tatsache des Krieges so schwach nur ins Bewußtsein gedrungen war, wie dem schlohweißen Pensionär und seiner ganz verblaßten, ganz eingehutzelten Frau Gemahlin. So vornehm, so blauäugig, so sterbetäglich wie jetzt blickten sie seit vielen Jahren schon in die Welt.

Frau Hensel wußte das alles, hatte schon so viele Tassen Kaffee bei Obristis getrunken, so oft zur Pein der guten alten Baronin von ihren Fingern das Klebrige einer Fruchttorte oder eines Honigbrötchens nachgeschleckt. Sie wußte, daß der Baron längst kein Major mehr war und nie ein Oberst gewesen. Heut war das alles egal!

Im Geschwindschritt, schweißnaß, blaß vor Entschlossenheit, erreichte sie das buntgestrichene Holztor, stand still, stand beinahe stramm, klappte den Schirm zusammen, schulterte ihn.

Der Blumengarten war voll Licht und Farbe, es 85 schimmerten Wege- und Beet-Einfassungen aus rötlicher Erde, Blüten und Schmetterlinge schienen einander zu umhalsen. Inmitten das Steinhaus: leuchtend weiß, rot gedeckt, von Spalierobst bis zu den Fenstern umrankt. Eine Freitreppe führte zur Terrasse, die, mächtig gedeckt, wie eine breite, schwarze Höhle in all' den wogenden Farben lag. Man spürte von außen, wie kühl, wie friedvoll es da drinnen war, wo in Langstühlen aus Holz und Strohgeflecht die beiden Alten nebeneinander druselten. Man hörte den Baron schnarchen, so völlig still war's um das kleine Haus.

Bibi Arbeitsschweiß wäre in ihrer vorsündflutlichen Sonntagspracht auf dieser Veranda willkommen gewesen. Die Alten hätten sich den Schlaf aus den Augen gewischt, einen Boy im weißen Kanzu um gekühltes Wasser mit Fruchtsaft geschickt, schwarzen Kaffee bestellt . . . Aber der Baron war Oberst gewesen, führte den Titel noch! Und Bibi Arbeitsschweiß mußte sich zur Weltlage äußern!

Mitten hinein in den Sommerfrieden dröhnte plötzlich ihre Stimme. Wie ein Tier, wie ein brünstiger Maultierhengst trompetete sie, entlud sich's ihrer Seele: Krieg! Ob denn alle die Hirnschale voll Mist hätten? Sollte die Welt denn zertrampelt werden? Wozu waren die Kongo-Akte da? Dann etwas Schreckliches: wenn die Kongo-Akte nicht wären, hätt' ich meinen Mann nie nach Afrika gelassen! Wie wär' denn das mit den geheiligten Verträgen? Irgendeiner braucht Orden und Beförderung – flugs gelten sie nicht mehr?

Sie schrie so wild, daß die alten Leute mit der 86 Vorstellung aufwachten: die Schutztruppe ist überrannt, Feind vor der Tür, Untergang nah! Aus ihren Liegestühlen fuhren sie empor, wandten sich die faltigen Gesichter zu, das breitflächige, schlaffe des Männleins und das zusammengeschrumpfte, aristokratisch-dünnhäutige der kleinen Greisin. Himmelblaue Augen, vier ganz gleichfarbige, von denen anderthalb blind waren, starrten ineinander.

»Mein Gott, Margo, was – was –?«

»Hansjörg, ich glaub', die Hensel!«

»Weiß der Himmel, die Hensel!«

Sie wackelten an die Brüstung, wackelten mit den Köpfen:

»Aber beste Hensel, wollen Sie nicht 'reinkommen?«

Draußen gellte es fort in Gift und Geifer:

»Laßt doch den Engländern den Erok! So ein Dreckhaufen, auf dem keine Kuh satt wird! Der Gescheite gibt nach! Aber jetzt hat nur noch der Dumme das Wort!«

Sie macht's nicht mit, sie, die Hensel! Und wenn alle kusch machen und alle das Maul halten, – das wollte sie noch seh'n, ob sie das Maul hält! Oh nein, sie hält's nicht, extra soll man's ihr totschlagen, wenn sie im Grabe liegt, und so weit war man noch nicht. Und wenn der Kommandeur zum Kaffee kommt, soll's ihm der Bwana Obristi nur sagen, wie sie denkt, sie, die Hensel! Dienstmädchen ist sie gewesen, wenn auch ein besseres – mehr Stütze –, aber dumm machen läßt sie sich nicht! Und eh' der tolle Mullah die ganze Kolonie in den Tod hetzt, hat sie auch noch mitzureden! 87

»Aber kommen Sie doch nur rein, Bibi Arbeitsschweiß!«

Ja, den Namen führt sie mit Recht! Und ihr Mann auch! Und die Frucht ihrer Arbeit läßt sie sich nicht wie Quark aus den Händen reißen! Das wollte sie erst noch sehn!

Hierauf machte die Hensel linksum, ging ungeschützten Hauptes – weil sie den gelbseidnen Schirm doch immer noch geschultert hielt – zehn Schritt durch die Sonne, auf Knien, die jetzt federten, zwei todbange Alte im Rücken.

In einer kahlen Akazie erspähte sie eine grüne Baumschlange von der bösen, giftigen Sorte. Mein Gott, Gefahr für die alten Leutchen! . . . Sie stieß mit dem Schirm nach dem Beest, warf mit Steinen, brachte die Schlange vom Baum, zertrat ihr den Kopf.

Dann noch einmal kehrt, Schirmspitze und Hakennase gegen die Veranda gezückt:

»Und das sag' ich Ihnen: mein Mann hat Plattfüße!«

»Das wissen wir doch,« erinnerte der Baron.

»Der bleibt zuhaus, der geht nicht mit. Plattfüße genügt doch wohl, sollte man glauben.«

Armes Fritzchen! So ungefähr konnte er sich ja ausmalen, was hier vor sich ging. Aber wie schön, hätte er's sehen und hören können – der arme Junge! – wie jetzt, ungelabt, ungeruht, aber dennoch getröstet, Bibi Arbeitsschweiß, die Pfefferscharfe, ihrer Kaffee- und Gemüsepflanzung wieder zustrebte.

Immerhin, er litt inzwischen keine Entbehrung. Lag im Massai-Kraal, von Mauern aus 88 gestampftem Kuhmist umschlossen, in einer Hütte, die aus Kuhmist geknetet, in der Sonne gedörrt war, auf einem Lager aus ungegerbten, krachsteifen Fellen. Im Nachbarhause war Bakari ebenso wohlig einquartiert, Fritzchen aber hielt die Frau eines Würdenträgers im Arm, schmalhüftig, gazellenbeinig, die mit Rindsfett gesalbt, mit Messingringen geschmückt war, Schmuck in der Nase, Bleigewichte und Garnrollen in den Ohren trug, die aus dem Hals nach Milch und Ochsenblut roch und nur einen Gedanken hatte: gefall' ich dem hohen Herrn? Hab' ich genug erlernt, ihm Freude zu machen?

Vor der Hütte lehnte frei und klobig Fritzchens Mordgewehr. Wenn der Gatte seiner Erwählten jetzt nach Hause kam, den Speer im Arm, nackt, mit Raubtierschritten – dann sah er das Gewehr und wußte gleich: deine Hütte herbergt einen Gast, deiner Hütte ist Ehre widerfahren! Er wird sich – und wenn er von der Löwenjagd, wenn er zum Zerbrechen müde vom Späherdienst kam – als Posten vor sein eigenes Haus stellen, an den Speer gelehnt, ein Bein hochgezogen, ein Fell über den Schultern, sonst strahlend nackt. Würde Posten stehen bis zur Nacht und bis zum Morgen, die fanatisch-schönen Augen drohend dorthin gerichtet, wo irgendeine Gefahr herzucken möchte. Und würde wissen, je länger es dauerte, um so fester: meinem Gast ist's wohl in meiner Hütte! 89

 


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