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Religiöse Fragmente

 

Noch ist keine Religion

Noch ist keine Religion. Man muß eine Bildungsloge echter Religion erst stiften. Glaubt ihr, daß es Religion gebe? Religion muß gemacht und hervorgebracht werden durch die Vereinigung mehrerer Menschen.

 

Theosophie

Gott

Gott ist die Liebe. Die Liebe ist das höchste Reale – der Urgrund.

Theorie der Liebe ist die höchste Wissenschaft, die Naturwissenschaft oder Wissenschaftsnatur.

Die Erkenntnis, die Betrachtung und Experimentation (moralische Historie) Gottes ist der echte Lebensquell.

Gott ist ein gemischter Begriff. Er ist aus der Vereinigung aller Gemütsvermögen usw. mittels einer moralischen Offenbarung, eines moralischen Zentrierwunders entstanden.

Von Gott nur recht einfach, menschlich und romantisch gesprochen.

Ein wahrhaft gottesfürchtiges Gemüt sieht überall Gottes Finger und in steter Aufmerksamkeit auf seine Winke und Fügungen.

Manche Leute hängen wohl darum so an der Natur, weil sie als verzogne Kinder sich vor dem Vater fürchten und zu der Mutter ihre Zuflucht nehmen.

Wer Gott einmal suchen will, der findet ihn überall.

Vernunft, Gemüt, Ernst und Wissenschaft sind von der Sache Gottes unabtrennlich.

Unter Menschen muß man Gott suchen. In den menschlichen Begebenheiten, in menschlichen Gedanken und Empfindungen offenbart sich der Geist des Himmels am hellsten.

(Religionslehre ist davon ganz abgesondert. Sie kann nur religiösen Menschen verständlich und religiös nutzbar sein.)

Teufel

Sollte der Teufel, als Vater der Lüge, selbst nur ein notwendiges Gespenst sein? Trug und Illusion steht allein der Wahrheit, Tugend und Religion entgegen.

Dem freien Willen steht die Grille, die sklavische Willkür, der Aberglauben, die Laune, die Verkehrtheit, die durch lauter Zufälligkeiten bestimmte Willkür gegenüber: daraus geht die Täuschung hervor.

Für Gott gibt's gar keinen Teufel – aber für uns ist er ein leider sehr wirksames Hirngespinst.

Der Mittler

Nichts ist zur wahren Religiosität unentbehrlicher als ein Mittelglied, das uns mit der Gottheit verbindet. Unmittelbar kann der Mensch schlechterdings nicht mit derselben in Verhältnis stehn. In der Wahl dieses Mittelglieds muß der Mensch durchaus frei sein. Der mindeste Zwang hierin schadet seiner Religion. Die Wahl ist charakteristisch, und es werden mithin die gebildeten Menschen ziemlich gleiche Mittelglieder wählen, dahingegen der Ungebildete gewöhnlich durch Zufall hier bestimmt werden wird. Da aber so wenig Menschen einer freien Wahl überhaupt fähig sind, so werden manche Mittelglieder allgemeiner werden; sei es durch Zufall, durch Assoziation oder ihre besondre Schicklichkeit dazu. Auf diese Art entstehn Landesreligionen. Je selbständiger der Mensch wird, desto mehr vermindert sich die Quantität des Mittelglieds, die Qualität verfeinert sich, und seine Verhältnisse zu demselben werden mannigfaltiger und gebildeter: Fetische, Gestirne, Tiere, Helden, Götzen, Götter, ein Gottmensch. Man sieht bald, wie relativ diese Wahlen sind, und wird unvermerkt auf die Idee getrieben, daß das Wesen der Religion wohl nicht von der Beschaffenheit des Mittlers abhänge, sondern lediglich in der Ansicht desselben, in den Verhältnissen zu ihm bestehe.

Es ist ein Götzendienst im weitern Sinn, wenn ich diesen Mittler in der Tat für Gott selbst ansehe. Es ist Irreligion, wenn ich gar keinen Mittler annehme; und insofern ist Aberglaube oder Götzendienst und Unglaube oder Theismus, den man auch altern Judaism nennen kann, beides Irreligion. Hingegen ist Atheism nur Negation aller Religion überhaupt und hat also gar nichts mit der Religion zu schaffen. Wahre Religion ist, die jenen Mittler als Mittler annimmt, ihn gleichsam für das Organ der Gottheit hält, für ihre sinnliche Erscheinung. In dieser Hinsicht erhielten die Juden zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft eine echt religiöse Tendenz, eine religiöse Hoffnung, einen Glauben an eine künftige Religion, der sie auf eine wunderbare Weise von Grund aus umwandelte und sie in der merkwürdigsten Beständigkeit bis auf unsre Zeiten erhielt. Die wahre Religion scheint aber bei einer näheren Betrachtung abermals antinomisch geteilt in Pantheismus und Monotheismus. Ich bediene mich hier einer Lizenz, indem ich Pantheism nicht im gewöhnlichen Sinn nehme, sondern darunter die Idee verstehe, daß alles Organ der Gottheit, Mittler sein könne, indem ich es dazu erhebe: so wie Monotheism im Gegenteil den Glauben bezeichnet, daß es nur ein solches Organ in der Welt für uns gebe, das allein der Idee eines Mittlers angemessen sei, und wodurch Gott allein sich vernehmen lasse, welches ich also zu wählen durch mich selbst genötigt werde: denn ohnedem würde der Monotheism nicht wahre Religion sein.

So unverträglich auch beide zu sein scheinen, so läßt sich doch ihre Vereinigung bewerkstelligen, wenn man den monotheistischen Mittler zum Mittler der Mittelwelt des Pantheism macht und diese gleichsam durch ihn zentriert, so daß beide einander, jedoch auf verschiedene Weise, notwendig machen.

Das Gebet oder der religiöse Gedanke besteht also aus einer dreifach aufsteigenden, unteilbaren Abstraktion oder Setzung. Jeder Gegenstand kann dem Religiösen ein Tempel im Sinn der Auguren sein. Der Geist dieses Tempels ist der allgegenwärtige Hohepriester, der monotheistische Mittler, welcher allein im unmittelbaren Verhältnisse mit der Gottheit steht.

 

Religionslehre

Religion ist Synthesis von Gefühl und Gedanke oder Wissen. Religionslehre ist also eine Synthesis der Poetik und Philosophik. Hier entstehn echte Dogmata, echte Erfahrungssätze, das heißt, aus Vernunftsätzen, Philosophemen und Glaubenssätzen, Poemen wahrhaft zusammengesetzte, nicht gegenseitig beschränkte, sondern vielmehr gegenseitig bestärkte und erweiterte Sätze.

Was bei den Philosophen die Vernunft ist, das bei den Poeten im engern Sinn der Glaube. Freier Gebrauch des Glaubens. Staatsreligion.

Gegen Kants Streit der Fakultäten ist sehr viel zu erinnern.

Die Religion begreift das ganze Gebiet des sogenannten Übersinnlichen und Überirdischen in sich. Sie ist teils theoretisch, teils praktisch.

Über den Ausdruck: Glaubenslehren.

Religionslehre ist wissenschaftliche Poesie. Poesie ist unter den Empfindungen, was Philosophie in Beziehung auf Gedanken ist.

Alle absolute Empfindung ist religiös. (Religion des Schönen. Künstlerreligion.) (Schluß hieraus.)

Ist ein wahrer Unterschied zwischen Weltlichem und Geistlichem? Oder ist gerade diese Polarität unsrer Theologie noch alttestamentlich? Judaism ist dem Christentum schnurstracks entgegen und liegt, wie dieses, allen Theologien gewissermaßen zum Grunde.

(Moralisiert, der echte Geist Gottes, der Moralist ist der Johannes.)

Religion kann man nicht anders verkündigen wie Liebe und Patriotism. Wenn man jemand verliebt machen wollte, wie finge man das wohl an?

Durch Religion werden die Menschen erst recht eins.

Wer keinen Sinn für Religion hätte – müßte doch an ihrer Stelle etwas haben, was für ihn das wäre, was andern die Religion ist, und daraus mögen wohl viel Streite entstehn; da beide Gegenstände und Sinne Ähnlichkeit haben müssen und jeder dieselben Worte für das seinige braucht und doch beide ganz verschieden sind – so muß daraus manche Konfusion entspringen.

Die Lehre von der Gnade und die Lehre vom freien Willen widersprechen sich gar nicht, wenn sie recht verstanden werden; beides gehört zu einem Ganzen, und oft nezessitieren sie sich.

 

Religionsgeschichte

»Der zu frühzeitige und unmäßige Gebrauch der Religion«...

(Philosophie der Menschheit.) Der zu frühzeitige und unmäßige Gebrauch der Religion ist dem Wachstum und Gedeihn der Menschheit äußerst nachteilig, – wie Branntwein usw. der physischen Ausbildung. (Vid. Morgenland usw. Der Proselytism ist schon eine Verbesserung – hier wird doch Religion schon eine Beförderung der Tätigkeit.)

Glieder der Gottheit

In den meisten Religionssystemen werden wir als Glieder der Gottheit betrachtet, die, wenn sie nicht den Impulsionen des Ganzen gehorchen, wenn sie auch nicht absichtlich gegen die Gesetze des Ganzen agieren, sondern nur ihren eignen Gang gehn und nicht Glieder sein wollen, von der Gottheit ärztlich behandelt und entweder schmerzhaft geheilt oder gar abgeschnitten werden.

Fetischdienst

Jedes Willkürliche, Zufällige, Individuelle kann unser Weltorgan werden. Ein Gesicht, ein Stern, eine Gegend, ein alter Baum usw. kann Epoche in unserm Innern machen. Dies ist der große Realism des Fetischdienstes.

Sonnendienst

Licht ist Symbol der echten Besonnenheit. Also ist Licht der Analogie nach Aktion der Selbstrührung der Materie. Der Tag ist also das Bewußtsein des Wandelsterns, und während die Sonne, wie ein Gott, in ewiger Selbsttätigkeit die Mitte beseelt, tut ein Planet nach dem andern auf längere oder kürzere Zeit das eine Auge zu und erquickt im kühlen Schlaf sich zu neuem Leben und Anschauen. Also auch hier Religion – denn ist das Leben der Planeten etwas anders als Sonnendienst? Auch hier kommst du uns also entgegen, uralte kindliche Religion der Parsen, und wir finden in dir die Religion des Weltalls.

Griechische Mythologie

Sonderbar genug ist es, daß die griechische Mythologie so unabhängig von der Religion war. Es scheint, daß die Kunstbildung in Griechenland vor der Religion und ein unendlich erhabner Idealism der Religion den Griechen Instinkt war. Die Religion war wesentlich Gegenstand der menschlichen Kunst. Die Kunst schien göttlich oder die Religion künstlich und menschlich. Der Kunstsinn war der Religions-Erzeugungssinn. Die Gottheit offenbarte sich durch die Kunst.

Die Religion des unbekannten Gottes zu Athen. Bei den Alten war die Religion schon gewissermaßen das, was sie uns werden soll – praktische Poesie.

Sonderbar, daß in so vielen Religionen die Götter Liebhaber des Häßlichen zu sein scheinen.

 

Die Bibel

Wer hat die Bibel für geschlossen erklärt? Sollte die Bibel nicht noch im Wachsen begriffen sein?

Der biblische Vortrag ist unendlich bunt; Geschichte, Poesie, alles durcheinander.

Sehr vieles in der Schrift ist lokal und temporell, vid. das Alte Testament. – In den Evangelien liegen die Grundzüge künftiger und höherer Evangelien. Begriff der Liebe zu Gott und Christus.

Altes und Neues Testament

Grundverschiedenheit des Alten und Neuen Testaments. Warum Palästina und die Juden zur Gründung der christlichen Religion erwählt wurden. Wie die Juden zugrunde darüber gingen, so die Franzosen bei der jetzigen Revolution. (Medizinische Ansicht der französischen Revolution. Wie mußten sie kuriert werden – Ihr Heilungsplan – Wie werden wir indirekte durch sie kuriert?)

Asthenie der Chinesen. – Einmischung der Tataren. Medizinische Behandlung der Geschichte der Menschheit.

Der Heilige Geist ist mehr als die Bibel

Der Heilige Geist ist mehr als die Bibel. Er soll unser Lehrer des Christentums sein – nicht toter, irdischer, zweideutiger Buchstabe.

 

Das Christentum

Übergang der heidnischen Religion in die katholische.

Über die Versöhnung – ihre Notwendigkeit – Glauben und Sphäre der christlichen Religion.

Es gibt keine Religion, die nicht Christentum wäre.

(Erhöht die Religion, wie der Galvanism, alle natürliche Funktionen? Durch Enthaltsamkeit komprimierte Religion.)

Das Christentum ist durchaus historische Religion, die aber in die natürliche der Moral und die künstliche der Poesie oder die Mythologie übergeht.

Kein Umstand in der Religionsgeschichte ist merkwürdiger als die neue Idee im entstandnen Christentum: einer Menschheit und einer allgemeinen Religion; damit entstand der Proselytism. Auch höchst sonderbar ist die Versprengung der orientalischen Juden ins Abendland und die Verbreitung der neuen Religion unter ein Volk von zivilisierten Welt überwindern – das sie den besiegten und rohen Nationen mitteilte.

Die christliche Liebe

Wo der Gegenstand die Eifersucht seiner Natur nach ausschließt, so ist es die christliche Religion, die christliche Liebe.

Mythologie des Christentums

Über die mögliche Mythologie (freies Fabeltum) des Christentums und seine Verwandlungen auf Erden. Gott als Arzt, als Geistlicher, als Frau, Freund usw.

Alles Gute in der Welt ist unmittelbare Wirksamkeit Gottes. In jedem Menschen kann mir Gott erscheinen. Am Christentum hat man Ewigkeiten zu studieren. Es wird einem immer höher und mannigfacher und herrlicher.

Negativität des Christentums

Die Meinung von der Negativität des Christentums ist vortrefflich. Das Christentum wird dadurch zum Rang der Grundlage der projektierenden Kraft eines neuen Weltgebäudes und Menschentums gehoben, einer echten Feste, eines lebendigen, moralischen Raums.

Damit schließt sich dies vortrefflich an meine Ideen von der bisherigen Verkennung von Raum und Zeit an, deren Persönlichkeit und Urkraft mir unbeschreiblich einleuchtend geworden ist. Die Tätigkeit des Raums und der Zeit ist die Schöpfungskraft, und ihre Verhältnisse sind die Angel der Welt.

Absolute Abstraktion, Annihilation des Jetzigen, Apotheose der Zukunft, dieser eigentlichen, bessern Welt: dies ist der Kern der Geheiße des Christentums, und hiermit schließt es sich an die Religion der Antiquare, die Göttlichkeit der Antike, die Herstellung des Altertums als der zweite Hauptflügel an; beide halten das Universum als den Körper des Engels in ewigem Schweben, in ewigem Genuß von Raum und Zeit.

Die Vernichtung der Sünde

Die Vernichtung der Sünde, dieser alten Last der Menschheit, und alles Glaubens an Buße und Sühnung ist durch die Offenbarung des Christentums eigentlich bewirkt worden.

Geheiße des Christentums

Die christliche Religion ist auch dadurch vorzüglich merkwürdig, daß sie so entschieden den bloßen guten Willen im Menschen und seine eigentliche Natur ohne alle Ausbildung in Anspruch nimmt und darauf Wert legt. Sie steht in Opposition mit Wissenschaft und Kunst und eigentlichem Genuß.

Vom gemeinen Manne geht sie aus. Sie beseelt die große Majorität der Beschränkten auf Erden. Sie ist das Licht, was in der Dunkelheit zu glänzen anfängt.

Sie ist der Keim alles Demokratismus, die höchste Tatsache der Popularität.

Ihr unpoetisches Äußre, ihre Ähnlichkeit mit einem modernen häuslichen Gemälde scheint ihr nur geliehen zu sein.

Sie ist tragisch und doch unendlich mild; ein echtes Schauspiel, Vermischung des Lust- und Trauerspiels.

Die griechische Mythologie scheint für die gebildeteren Menschen zu sein – und also in gänzlicher Opposition mit dem Christentum. Der Pantheism ist ein drittes Ende.

 

Die katholische Religion

Christentum und römische Monarchie

Sonderbares Zusammentreffen der Gründung des Christentums und der römischen Monarchie.

Tragödische Gestalt des ersten Christentums.

Entstehung des Rittergeistes in den Kreuzzügen. In den Kreuzzügen ist Europa sichtbar. Neue Ansicht der Kreuzzüge. Andrer Gesichtspunkt für die Geschichte, die Gibbon behandelt hat – die Scheidung der alten und neuen Welt, des Alten und Neuen Testaments, den Sieg des Übersinnlichen, die Verwandlung des Himmels, die römische Republik als Weltopfer.

Behandlung der Geschichte als Evangelium.

Mönche als Geschichtschreiber. Zeitpunkt der Entdeckung von Amerika.

Experimentalreligionslehre.

Angewandte christliche Religion

Mechanischer Gottesdienst. Die katholische Religion ist weit sichtbarer, verwebter und familiärer als die protestantische. Außer den Kirchtürmen und der geistlichen Kleidung, die doch schon sehr temporisiert, sieht man nichts davon.

Die katholische Religion ist gewissermaßen schon angewandte christliche Religion. Auch die Fichtesche Philosophie ist vielleicht nichts als angewandter Christianism.

Geistliche Staaten

Sicherheit vor sich selbst und den unsichtbaren Mächten war die Basis der bisherigen geistlichen Staaten.

 

Protestantism

Luthertum

Es gibt eine Reihe idealischer Begebenheiten, die der Wirklichkeit parallel läuft. Selten fallen sie zusammen. Menschen und Zufälle modifizieren gewöhnlich die idealische Begebenheit, so daß sie unvollkommen erscheint und ihre Folgen gleichfalls unvollkommen sind. So bei der Reformation. Statt des Protestantism kam das Luthertum hervor.

Die Geistlichen und Herrnhuter

Die Geistlichen und Herrnhuter haben doch das Vorzügliche und Bemerkenswerte, daß sie Idealisten von Profession sind und Religion ex professo treiben, sie zu ihrem Hauptgeschäft machen und eigentlich auf dieser Welt in und für eine andre leben.

Sonderbare, entgegengesetzte, religiöse Gefühlstheorien der Pietisten und Herrnhuter: ihre Beziehung auf Mechanik, Elektrizität und Chymie (zermalmend, zerschmelzend, Durchbruch).

Alterweibergeist

Die Herrnhuter haben den Kindergeist einführen wollen? Aber ist es auch der echte? Oder nicht vielmehr Kindermuttergeist – Alterweibergeist? Wenn Christi sagt, werdet wie die Kinder, – so meint er indeterminierte Kinder – nicht verzogene, verweichlichte, süßliche – moderne Kinder.

 

Spinoza

»Spinoza ist ein gotttrunkener Mensch«

Spinoza ist ein gotttrunkener Mensch.

Der Spinozism ist eine Übersättigung mit Gottheit. Unglauben ein Mangel an göttlichem Organ und an Gottheit. Es gibt also direkte und indirekte Atheisten. Je besonnener und echt poetischer der Mensch ist, desto gestalteter und historischer wird seine Religion sein.

Spinoza und andre haben mit sonderbarem Instinkt alles in der Theologie gesucht – die Theologie zum Sitz der Intelligenz gemacht. Spinozas Idee von einem kategorischen, imperativen, schönen oder vollkommnen Wissen, einem an sich befriedigenden Wissen, einem alles übrige Wissen annihilierenden und den Wissenstrieb angenehm auf hebenden Wissen – kurz, einem wolllüstigen Wissen, welche Idee allem Mystizism zum Grunde liegt, ist höchst interessant. (Euthanasie.)

Ist nicht die Moral, insofern sie auf Bekämpfung der sinnlichen Neigung beruht, selbst wollüstig, echter Eudämonismus? Wollust ist ein gefälliger, veredelter Schmerz. Aller Krieg ist wollüstig. (Transzendente Wollust der Schwärmer usw.)

 

Gottesdienst

Unser ganzes Leben ist Gottesdienst.

Gottesdienstliche Versammlungen

In gottesdienstlichen Versammlungen sollte jeder aufstehen und aus dem Schatze seiner Erfahrungen göttliche Geschichten den andern mitteilen. Diese religiöse Aufmerksamkeit auf die Sonnenblicke der andern Welt ist ein Haupterfordernis des religiösen Menschen. Wie man alles zum Gegenstande eines Epigramms oder eines Einfalls machen kann, so kann man auch alles in einem Spruch, in ein Religiöses Epigramm, in Gottes Wort verwandeln.

Kirchen

Klosterkirchen wie die unsrigen schicken sich nur für eine Ecclesia pressa – nicht für die Ecclesia triumphatrix. Der echt gotische Tempel ist wahrhaft religiös. (Griechische Tempel.)

Der protestantische Gottesdienst

Der protestantische Gottesdienst ist fortlaufende Apotheose der Bibel – Evangelium, daß es eine Bibel gebe.

Es ist unmöglich, daß ein Mensch in wiederkehrenden bestimmten Stunden echte Religionsvorträge halten kann, daher der Vorzug der Quäkersitte, daß jeder aufsteht und spricht, wenn er begeistert ist.

Es gibt mehrere Arten von Vorträgen; manche sind poetisch, manche dogmatisch oder besser szientifisch, andere herzlich, manche bloß konservativ, manche wahrhafte Inspirationen.

Der Vortrag der protestantischen Prediger soll eigentlich musikalisch sein, und zwar eine Variation, doch kann er auch nur Auslegung oder konservativ sein.

Das Gebet und der Segen sind die eigentlich religiösen Akta unsers Gottesdienstes, der sonst musikalisch und szientifisch oder theologisch ist.

Beten

Über den Begriff des Betens. Beten ist in der Religion, was Denken in der Philosophie ist. Beten ist Religion machen – Predigten sollten eigentliche Gebete sein. Der religiöse Sinn betet, wie das Denkorgan denkt. Religion geht auf Religion. Sie hat eine eigne religiöse Welt, ein eignes religiöses Element.

 

Die Predigt

Predigten müssen Assoziationen göttlicher Inspirationen, himmlischer Anschauungen sein.

»Eine Predigt kann nur und muß genialisch sein«

Predigt ist Bruchstück der Bibel, des heiligen Buchs, des kanonischen Teils der Bibel.

Heiliger Gebrauch des religiösen Sinns wie des moralischen. Produktiver religiöser Sinn, produktiver moralischer Sinn. Fichtens produktive Einbildungskraft ist nichts als durch Vernunft, durch Idee und Willen erregter Sinn.

Jede Predigt soll Religion erwecken, Religions-Wahrheiten vortragen: Sie ist das Höchste, was ein Mensch liefern kann. Predigten enthalten Betrachtungen Gottes und Experimente Gottes. Jede Predigt ist eine Inspirationswirkung, eine Predigt kann nur und muß genialisch sein.

Wie vermeidet man bei Darstellung des Vollkommnen die Langeweile? Die Betrachtung Gottes scheint als eine religiöse Untersuchung zu monoton; man erinnre sich an die vollkommnen Charaktere in Schauspielen, an die Trockenheit eines echten, reinen, philosophischen oder mathematischen Systems usw. So ist selbst die Betrachtung Jesu ermüdend. Die Predigt muß phantheistisch sein; angewandte individuelle Religion, individualisierte Theologie enthalten.

»Predigten sollen eigentlich Legenden heißen«

Predigten sollen eigentlich Legenden heißen, denn der eigentliche Stoff der Predigten ist der Legendenstoff.

»Der Prediger muß zuerst Enthusiasmus zu erregen suchen«

Der Prediger muß zuerst Enthusiasmus zu erregen suchen, denn dies ist das Element der Religion. Jedes Wort muß klar, heiß und herzlich sein. Er muß suchen, seine Gemeine in der Welt zu isolieren, ihr Esprit de corps zu geben – sie über die Welt und die höheren Stände aufklären und erheben, ihren Beruf lieb und ihr Leben angenehm machen und sie mit edlem Selbstgefühl erfüllen.


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