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Einige ausländische Kameraden über Bakunin.

Emma Goldman (London):

Hundert Worte über Bakunin zu schreiben, das heißt das Weltmeer mit einem Eimer ausschöpfen zu wollen. Bakunins Persönlichkeit und Leben waren so reich, ausgedehnt und allumfassend, daß man nicht weiß, mit welcher Phase desselben man beginnen soll, um dem Andenken dieses wundervollen Mannes gerecht zu werden.

Wie sehr auch seine Theorien zur Klärung meiner eigenen Gedanken beitrugen, übte doch vor allem sein flammender Geist zwingenden Einfluß auf mich. Denn Bakunin war der Vulkan der revolutionären Bewegung, dessen Flammen zu Himmelshöhe emporschossen, den europäischen Horizont beleuchtend und den Weg weisend zu sozialer und politischer Befreiung. Und dieser glühende Geist durchleuchtete viele finstere Stunden meines eigenen Kampfes und half mir, die Ideale, für die Bakunin lebte, arbeitete und starb, hochzuhalten.

Alexander Berkman:

Je mehr ich Bakunin studiere, erfasse ich seine große revolutionäre Klarheit und die Tiefe seines sozialen Verständnisses. Ich glaube, daß er selbst in unseren Reihen nicht hinlänglich gewürdigt wird. Man sieht in ihm gewöhnlich einen großen Revolutionär, einen Rebell von Ausnahmsgröße, dessen Geist von Freiheitsliebe glühte, und der nach Aktion dürstete. Er besaß tatsächlich diese charakteristischen Züge, aber sie erschöpfen sein Wesen keineswegs.

Bakunin stellt die seltene Kombination eines philosophischen Geistes und revolutionärer Intuition vor, die ihm die richtige und gründliche Beurteilung von Lage und Verhältnissen ermöglichte, und die von innigster Zielbewußtheit und unbeugsamem Willen gestützt war. Wenn ich seine Schriften wieder durchlese, besonders seine Reden und Briefe über die Internationale, Mazzini, den Föderalismus usw., erfüllt mich von neuem Verwunderung über die ganz ausnahmsweise Klarheit, mit der er die Gefahr des Staatstums sah, welche Form immer dieses annimmt, und wie prophetisch er sah, daß der einzige Weg der sozialen Revolution der föderalistischen Linien, nicht autoritären, folgende war.

Man kann mit Berechtigung sagen, daß Bakunins ganzes Leben und seine vielfache und intensive Tätigkeit ein großer Kampf des Geistes persönlicher Freiheit innerhalb des sozialen Wohlstandes aller war, ein Kampf gegen die Reaktion des Zentralismus und des Regierens. In diesem Geist, den er so vollständig personifizierte, liegt die Hoffnung der Zukunft. Dieser Geist erfüllt die idealistischen Märtyrer im bolschewistischen Rußland wie früher im Rußland der Romanoffs. Im Licht der neuesten Geschichte, besonders als Lehre der Revolution muß jeder aufrichtige Revolutionär deutlicher als je zuvor die ewige Wahrheit des Geistes von Bakunins Lehre einsehen.

Luigi Bertoni (Genf):

Der lebendigste Teil von Bakunins freiheitlichen Lehren liegt in seiner Auffassung revolutionären Geists und revolutionären Handelns. Was er hierüber sagt, ist nicht nur tief gefühlt, da es einem gebieterischen Bedürfnis seines ganzen Wesens entspricht, sondern die Ereignisse haben es mehrmals als prophetisch erwiesen. Er hat, zum erstenmal vielleicht die »Einheitsfront« behauptet, auf jener einzigen logischen und breiten Grundlage, die sie allein möglich machen kann. Er zeigt auch, wie, von den Aspirationen der Masse selbst ausgehend, durch manchmal dem Anschein nach widersprechende Tätigkeit hindurch, wir arbeiten können. Bakunin lebt also vor allem durch sein bewundernswertes Eindringen in die revolutionäre Wirklichkeit.

Genosse Harry Kelly (New York):

Bakunins Leben selbst ist eine Botschaft für das »denkende Amerika« und für jeden, der irgendwo denkt. Die alten Götter mögen seit seiner Zeit gestorben sein, neue Götter entstanden, die von Millionen angebetet werden. Autorität unter neuer Form, mit anderem Namen nahm den Platz der alten Götter ein, und der Geist und die Kühnheit eines Bakunin werden nötig sein, dieses vielköpfige Ungeheuer zu zerstören. Die Zeit wird seine Gestalt immer größer erscheinen lassen, selbst hier in Amerika, so weit vom Schauplatz seiner Tätigkeit, und sie wird die Einsicht und das Verständnis der immer wachsenden Schar derer erweitern, die seinem Leben und seiner Arbeit Aufmerksamkeit widmen.

W. C. Owen (London):

Als Bakunin in »Gott und der Staat« schrieb, daß nach einem unvermeidlichen Naturgesetz jede Art besonderer Vorrechte ihre Inhaber korrumpiert, sprach er eine unsterbliche Wahrheit aus und faßte den Kern seiner Lehre in einem Satz zusammen. Welches immer der Wert der solange diskutierten verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Systeme sein mag, keines derselben kann durch das einzige wirkliche Kriterium einer vollständigen Erprobung seinen Wert erweisen, solange die besonderen Privilegien nicht zerstört sind, und die einzige Aufgabe des wahren Revolutionärs ist die Zerstörung der Schranken, die zwischen der Menschheit und der Freiheit aufgerichtet sind. Das einmal befreite Leben wird sich selbst regeln, seine Einrichtungen seinen Bedürfnissen anpassend. Vor Eroberung dieser Freiheit dagegen wird nichts wirklich wichtiges vollbracht werden. Wenn die Zukunft der Zivilisation angehören soll, müssen Sondervorrechte, die unzeitgemäß aus einer barbarischen Vergangenheit in unsere Zeit hineinragen, zerstört werden.

Thomas H. Keell (London):

»Gott und der Staat« ist das in England am besten bekannte Buch Bakunins, da es das einzige hier in englischer Uebersetzung veröffentlichte ist. Kein anderes Werk über Religion machte je einen solchen Eindruck auf mich als dieses. Seine Erklärung des notwendigen Zusammenhangs von Kirche und Staat löste eines der Probleme meiner Jugend, nämlich dieses, weshalb die gebildeten Klassen das Christentum befürworten, nachdem die Wissenschaft dessen Grundlage erschüttert hat. Bakunin zeigte die Notwendigkeit der Religion als Grundlage der staatlichen Autorität und als Mittel, die Arbeiter mit einem Leben von Ausbeutung und Elend zu versöhnen. »Gott und der Staat« ist also eine der besten Waffen des Anarchisten im Kampf gegen die Autorität.

Genosse Alexander Schapiro:

Bakunin, – der nie zu organisieren verstand, selbst nicht sich selbst, der das Gleichgewicht verabscheute, der nie auf eines seiner Werke das Wort »Ende« schrieb und dessen Tod in seinem ungeordneten Leben nur einen Zwischenfall bildet – kann nicht anders definiert werden als als Gleichgewicht zwischen Theorie und Praxis, als Bindestrich zwischen dem Ideal und dem wirklichen Leben.

Bakunin ist der erste Organisator der föderalistischen und antistaatlichen Arbeiterbewegung, bevor diese Bewegung noch existierte. Er ist der unbestrittene Inspirator des revolutionären Syndikalismus, wie er sich heute über die Erde hin entwickelt.

Bakunin ist in der revolutionären Bewegung wiedererschienen. Nach der tiefen Enttäuschung der letzten zehn Jahre wenden die Arbeiter ihre Augen von neuem in die Richtung Bakunins, des Kolosses.

Dies ist ein Pfand für Bakunins Sieg.

   

Die russische Genossin M. Isidin (Paris) hebt vor allem hervor, daß Bakunin, oft als reiner Zerstörer und Utopist, dem die Wirklichkeit fremd sei, betrachtet, viel mehr durch seine Erkenntnis der Erfordernisse jeder politischen Situation uns staunen macht. Seine Pläne und Aktion zeigen stets größte Voraussicht. So 1848, als er die Revolution internationalisieren und die Slaven der Reaktion entreißen wollte. So in den Sechzigern, als er die Kräfte der Internationale für eine neue Form des Sozialismus gruppieren wollte, während Marx dem alten Jakobinismus folgte. Dann 1870, als er in den preußischen Siegen die Verstärkung des Militarismus und des zentralistischen Staates und das Heil nur in einer insurrektionellen Bewegung in Frankreich sah; die Commune war diese Bewegung. Endlich in der Internationale, deren föderalistischer Zweig, von Bakunins Ideen durchdrungen, sich theoretisch entschiedener und praktisch regsamer zeigte als der nach dem Haager Kongreß, 1872, zur Fiktion gewordene marxistische Zweig.

Wäre in der jetzigen russischen Revolution Bakunins so wenig dogmatischer, so in der Wirklichkeit lebender und vorausschauender Geist zugegen gewesen, hätte sie wohl einen anderen Weg eingeschlagen.

Aus Raummangel entfällt Genosse C. J. Björklunds (Stockholm) Mitteilung.

Derselbe schildert nach den älteren schwedischen Quellen, die neuerdings durch russisches Material sehr ergänzt sind, Bakunins ersten Aufenthalt in Schweden (März bis Oktober 1863). Er fügt die interessante Angabe hinzu, er habe mit Leuten gesprochen, die sich sehr wohl Bakunins erinnern können; die Erinnerung an ihn sei noch heute lebendig. Möchte doch Björklund diesen Spuren weiter nachgehen und besonders Briefe Bakunins an seine schwedischen Freunde zutage fördern, die bis jetzt ganz fehlen.


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