David Christie Murray
Der Bischof in Not
David Christie Murray

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Zehntes Kapitel

Doktor Durgan kehrte nach Stockestithe zurück, erzählte aber niemand etwas von seinen Erfahrungen. Einen Monat blieb er zu Hause und begab sich dann nach London, um den Vorsitz in der Ausschußsitzung der Missionsgesellschaft im Osten der Stadt zu führen, wovon er gesprochen hatte.

Schon frühzeitig machte er sich auf den Weg, denn er hatte die Absicht, mit Mr. Roß, den er dort zu treffen erwartete, über den Oberst Varndyke zu sprechen, der sicherlich für einen achtbaren Menschen eine sehr wenig wünschenswerte Bekanntschaft war, wenn es nicht gelang, ihn von dem ausgesprochenen Verdacht zu reinigen. Auch Mr. Roß fand sich beizeiten zu der Versammlung ein, da er seinen Bericht als Sekretär vorzubereiten hatte, Doktor Durgan traf ihn in der Sakristei der Kirche, wo die Sitzungen abgehalten wurden. Mr. Roß, so durch und durch schottisch und so durch und durch achtbar, wie nur je, schüttelte Seiner Herrlichkeit die Hand mit einer Mischung von Ehrerbietung und Zuneigung, die unbedingt das Richtige war, und wünschte ihm Glück zu seinem guten Aussehen.

»Mr. Roß,« begann der Bischof, »ich würde Ihnen ganz besonders verbunden sein, wenn Sie mir einige Minuten Ihrer Zeit widmen könnten. Ich habe mich beeilt, hierher zu kommen, um einige Worte im Vertrauen mit Ihnen zu reden, ehe wir an die Geschäfte gehen.«

»Gewiß, Mylord,« antwortete Mr. Roß, »ich stehe Eurer Herrlichkeit ganz zu Diensten.«

»Darf ich Sie also fragen – und ich will gleich zugeben, daß ich wichtige Gründe zu dieser Frage habe –, darf ich also fragen, ob Sie schon seit längerer Zeit mit dem Herrn bekannt sind, den Sie mir vor kurzem als Oberst Varndyke vorgestellt haben?«

»Persönlich,« entgegnete Mr. Roß, der Unrat witterte, aber ganz unbefangen aussah, »habe ich noch nicht lange die Ehre der Bekanntschaft des Herrn Obersten, aber geschäftlich kenne ich ihn schon länger durch meine Agenten in Kalkutta.«

»Ach so!« sprach der Bischof. »Aber sind Sie ganz sicher, Mr. Roß – ich stelle diese Frage nicht ohne Absicht – sind Sie ganz sicher, daß der Herr, den Sie als Oberst Varndyke kennen, ein Recht auf den Namen hat, den er führt?«

Mr. Roß sah bei dieser Frage so unschuldig erstaunt aus, als er selbst es nur wünschen konnte.

»Die Art, wie Eure Herrlichkeit fragen,« sagte er, »scheint einen Zweifel anzudeuten.«

»Ich habe sehr wenig Zweifel, Mr. Roß,« erwiderte der Bischof ernst. »Ich halte es für meine Pflicht als Bürger – nur als Bürger, um nicht von höheren Rücksichten zu sprechen – Ihnen mitzuteilen, daß es vielleicht geraten wäre, genaue Nachforschungen nach dem Charakter des Obersten und seinem Vorleben anzustellen. Wissen Sie vielleicht, wo er sich gegenwärtig aufhält?«

Zufällig hatte Mr. Roß den Oberst an demselben Vormittage getroffen, aber er hielt es nicht für der Mühe wert, das zu erwähnen.

»Als ich zuletzt von ihm hörte,« antwortete er deshalb, »machte er eine kleine Reise auf dem Festland.«

»Vielleicht thue ich ihm ein schweres Unrecht an,« fuhr der Bischof fort, »aber die Sache läßt sich so leicht widerlegen, wenn sie unwahr ist, daß eine Erwähnung meines Verdachtes nichts schaden kann. Es gibt Anklagen, die so ungeheuerlich sind, daß sie ihre Widerlegung schon in sich selbst tragen; andre, die an sich weniger schrecklich sind, können doch schädlicher wirken, weil ihre Widerlegung schwieriger ist. Um ganz offen mit Ihnen zu sein, lieber Mr. Roß, will ich Ihnen sagen, daß man mir mitgeteilt hat, der Mensch, der sich Oberst Varndyke nennt, sei ein ganz gewöhnlicher Abenteurer, und daß er gegenwärtig eine Strafe wegen eines Verbrechens verbüßen würde, wenn es ihm nicht gelungen wäre, aus dem Gefängnis auszubrechen.«

In Mr. Roß' Gesicht wechselten alle möglichen Farben, aber sein Auge blieb an dem des Bischofs haften, und er wußte sehr wohl, daß die Aufregung, die er nicht unterdrücken konnte, für Ueberraschung gehalten werden würde.

»Sehen Sie,« sprach der Bischof weiter, »wenn der Oberst Varndyke ein Mann von Ehre ist, wenn sein Leben keine Nachforschungen zu scheuen hat, so kann diese Andeutung ihm nicht den geringsten Schaden thun. Ist er dagegen das, was zu sein ich ihn im Verdacht habe, so brauche ich Ihnen wohl kaum zu sagen, daß ich einfach meine Pflicht thue, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache.«

»Ganz gewiß, Mylord, ganz gewiß,« versetzte Mr. Roß. Sein geistiges Gleichgewicht war nicht im geringsten gestört, aber seine Nerven ließen ihn im Stiche, denn körperliche Feigheit und geistiger Mut vertragen sich manchmal ganz gut zusammen. Seine ganz ansehnlichen Beine vermochten ihn kaum zu tragen, er wurde abwechselnd kreideweiß und dunkelrot, und sein Atem war fast keuchend.

»Sie wissen vielleicht nicht,« fuhr der Bischof fort, »daß eine ungeheure Fälschung gegen die Bank von England begangen worden ist, und ich habe einen starken Verdacht, daß der Oberst Varndyke seine Hand dabei im Spiele gehabt hat. Wäre mir sein Aufenthalt bekannt, so würde ich keinen Augenblick Anstand nehmen, den Herrn der Aufmerksamkeit der Polizei zu empfehlen.«

Hätte Doktor Durgan ohne vorherige Warnung Mr. Roß einen heftigen Schlag auf die Nase versetzt, er hätte ihn kaum mehr überraschen können, aber diese Ueberraschung erschien ganz natürlich, und der Bischof war eigentlich durch die Wirkung, die seine Worte hervorgebracht hatten, ganz zufriedengestellt. Jedermann hat es gern, wenn der Hauptpunkt seiner Geschichte wirkt, aber Mr. Roß wurde so bleich, und seine Kniee schlotterten so heftig, daß der Erzähler über seinen eigenen Erfolg erschrocken war und sich beeilte, ihm ein Glas Wasser einzuschenken.

»Ein Betrug gegen die Bank von England?« flüsterte Roß mit erstickter Stimme. »Und der Oberst dabei beteiligt? Du lieber Herrgott! Ich bin geradezu entsetzt und weiß nicht, ob ich auf den Füßen stehe oder auf dem Kopfe!«

Hierauf erzählte der Bischof von Stockestithe Mr. Roß von dem ungeheuren Verbrechen, in dessen inneres Getriebe einen Blick zu werfen ihm vergönnt gewesen war, doch wenn man sich die Sache richtig überlegt, so hieß das Eulen nach Athen tragen. Oeffentliches Eigentum war die Geschichte noch nicht, denn die Bank machte die äußersten Anstrengungen, sie geheimzuhalten. Den Wert ihrer eigenen Noten herabzusetzen, kann nie ihre Sache sein. Mr. Roß hörte zu und faßte nach und nach wieder Mut, aber dieser glich etwas dem Mute der Verzweiflung.

»Es ist mir bekannt, Mr. Roß,« begann der Bischof wieder, »daß Sie ein ausgedehntes Geschäft haben, und ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß Sie durch Vorspiegelungen dieses Menschen nicht zu Unvorsichtigkeiten verführt worden sind.«

»Ja, sehen Sie, Mylord,« entgegnete Roß, »wenn mich mein Vertrauen und meine Einfalt zum Narren gemacht haben, so ist es jetzt zu spät, darüber zu klagen, und dann, Mylord, will ich lieber das Opfer, als der Spitzbube sein. Denken Sie doch nur einmal an das Gewissen dieses elenden Menschen! Aber vielleicht hat er gar keins, und das wäre das Schlimmste von allem.«

»Ich fürchte sehr, daß ich Ihnen eine böse Nachricht überbracht habe,« sprach der Bischof.

»Hm, sie ist nicht so gut, als sie hätte sein können,« antwortete Roß, »das ist wahr, allein auf meinen weltlichen Angelegenheiten hat im ganzen der Segen des Himmels geruht. Ich will nicht klagen, denn ich bin nicht zu Grunde gerichtet.«

Jetzt traten zwei andre Mitglieder des Ausschusses ein, und die Unterhaltung mußte aufhören. Doktor Durgan war sehr erbaut über die Art, wie Mr. Roß seinen Verlust trug, und zollte ihr innerlich seinen ganzen Beifall. Es lag auf der Hand, daß dieser schlechte soi-disant, Oberst Mr. Roß hintergangen hatte, und während der Bischof diesen Biedermann beobachtete, wurde die Ueberzeugung immer fester in ihm, daß der Schwindler den würdigen Freund des Bischofs schwer geschädigt habe; denn Mr. Roß, der gewöhnlich, wenn es sich um Zahlen bei der Rechnungsablage handelte, die Klarheit selbst war, legte heute eine solche Verwirrung an den Tag, daß es kaum möglich war, aus seinem Vortrage klug zu werden. Der würdige Herr saß auf seinem Stuhle, hielt ein altmodisches, zu einem Balle zusammengedrehtes seidenes Taschentuch in der Hand und wischte sich während der ersten halben Stunde der Sitzung fortwährend den Schweiß von der Stirn. Später erholte er sich einigermaßen, aber er saß wie auf Nadeln und konnte den Schluß der Versammlung kaum erwarten. Als diese endlich ihr Ende erreicht hatte, raffte er eilig seine Papiere zusammen und entfernte sich mit einem hastigen Abschiedsgruß, ohne auf den Dank für seine Dienste zu warten, den ihm die Gesellschaft bei dieser Gelegenheit auszusprechen pflegte. Sowie er auf der Straße angelangt war, lief er fast, bis ihm eine Droschke begegnete, die er anrief, um eiligst davonzufahren.

Das Wetter war wunderschön, so daß sich der Bischof, der einen Besuch zu machen hatte, verführen ließ, zu Fuß zu gehen. Das Arbeitsfeld der Mission lag zwar im östlichen Teil von London, allein der Ausschuß hielt seine Sitzungen im Westend ab, um es seinen Mitgliedern bequemer zu machen.

Es gibt Tage, wo diese Gegend von London so schön ist, als nur irgend eine Stadt der Welt, und dies war einer von den Tagen. Alle die Kästen, die vor den Fenstern standen, waren voll bunter Blumen, Schlingpflanzen bedeckten die Londoner Mauern, die Straßen, die den Park begrenzen, glichen grünen Lauben, und das ganze Aussehen der Stadt war heiter, frisch und glücklich. Die langen feuchten Streifen, die die Sprengwagen hinter sich ließen, verbreiteten eine angenehme Kühle, die Thüren der glänzenden Wagen spiegelten die Farben des Bildes wieder, und die Vollblutpferde, womit dieselben bespannt waren, glänzten wie Glas. Massen von hübschen Gesichtern belebten die Bürgersteige, und die jungen Männer erfreuten sich dieses Anblicks.

Während der Bischof seines Weges ging, mußte er fortwährend ehrfurchtsvolle Grüße erwidern. Seine Gedanken waren aber noch bei Mr. Roß, und er wunderte sich teilnahmsvoll, um wie viel dieser hochachtbare Mann wohl durch den Oberst Varndyke geschädigt worden sei. Von Mr. Roß durch den Oberst Varndyke zu Mr. Decimus Bailey war nur ein kleiner Gedankensprung, und von Mr. Decimus Bailey war es für den Geist des Bischofs leicht, zu der ihm durch seine Verhaftung in Monte Carlo zugefügten Schmach zu gelangen, und er war wirklich überrascht, wie ärgerlich er noch darüber war. Er dachte an den glatten, feinen Schurken, der so glaubhaft log und der ihm seinen Anzug gestohlen hatte und damit bekleidet umhergegangen war. Seine Empfindungen gingen mit ihm durch, so daß sein Blut einen geräuschvollen Zapfenstreich an der Krempe seines Hutes trommelte und er es für nötig hielt, zu seiner eigenen Beruhigung den Gegenstand aus seinen Gedanken zu verbannen und sich zu sammeln. Mit überlegter Absicht begann er, an etwas andres zu denken, aber ehe er es selbst wußte, stand Mr. Decimus Bailey wieder vor seinem Geiste, und dann fing der Bischof wieder an, mit ungewöhnlicher Schnelligkeit zu gehen. Wie, wenn es der Vorsehung gefiele, ihn mit diesem so vornehm aussehenden Schurken zusammenzuführen! Seine behandschuhte Hand umfaßte den Griff seines schön zusammengerollten Regenschirms fester, und er marschierte, als ob er das Haupt der streitbaren Kirche sei und eine Sturmkolonne führe.

Plötzlich aber blieb er wie angewurzelt stehen, denn auf der andern Seite der Straße sah er gerade den Mann, mit dem sich alle seine Gedanken beschäftigten.

Unser Freund James, der ausgezeichnet gekleidet war und eine Orchidee im Knopfloch trug, war im Begriff, in eine Droschke zu steigen. Der Bischof stürzte vor, um über die Straße zu eilen, allein er war genötigt, einem eleganten Wagen auszuweichen, der um die Straßenecke zu seiner Linken bog und auch ein zweiter Versuch wurde in derselben Weise verhindert. Er sah, wie der Droschkenkutscher, der eine große rote Nase hatte und auffallende orangefarbige Handschuhe trug, sich auf seinem Bock zurechtsetzte, die Zügel ordnete, die Peitsche aus der Hülse zog und davonfuhr. Aber zum Glück war eine leere Droschke ganz in der Nähe. Diese rief der Bischof an, sprang auf den Tritt und gab dem Kutscher seine Anweisungen.

»Folgen Sie dem Kutscher mit dem weißen Hut! Sehen Sie ihn?«

»Jawohl, Mylord,« erwiderte der Kutscher. »Steigen Sie nur ein.«

Der Bischof setzte sich und schloß die Thür. Einige Minuten lang versperrte ihm eine Reihe aufeinanderfolgender Wagen die Aussicht, und der als Leitstern dienende weiße Hut war für ihn verschwunden. Dann bog seine Droschke um eine Ecke, und der weiße Hut kam wieder in Sicht, aber schon in weiter Entfernung. Unsres Freundes James' Droschke war viel besser bespannt als die seines Verfolgers, aber die Zufälligkeiten der Straßen von London sind in dieser Hinsicht ebenso unberechenbar als in jeder andern. Das führende Fuhrwerk stieß hie und da auf Hindernisse, und der Wagen des Bischofs kam langsam näher. Hoffnung und Furcht versetzten diesen in eine fieberhafte Aufregung, und obgleich er an Dutzenden von Schutzleuten vorbeikam, wagte er doch nicht, seine Droschke anhalten zu lassen, um einen von ihnen anzurufen. Jetzt war der weiße Hut nur wenige Schritte entfernt, dann wieder ganz außer Sicht des Bischofs, obgleich ihn sein Kutscher von seinem hohen Sitze aus von Anfang an fast nie aus den Augen verlor.

Jetzt waren sie am überfüllten östlichen Ende von Piccadilly angelangt und der »Zirkus« bildete ein vollständiges Wirrsal von Fuhrwerken aller Art. Nun kam Leicestersquare, und der weiße Hut war ganz verschwunden! bei Sharing Croß war er wieder sichtbar, allein dem Bischof wollte es scheinen, als habe dieser Hut nicht ganz dieselbe Form, wie der ursprüngliche, bis ihn eine plötzliche Bewegung, wodurch ein orangefarbiger Handschuh sichtbar wurde, wieder beruhigte. Nun fuhren sie auf kurze Zeit über den »Strand«, wo sie mit dem Hute, der als Führer diente, Verstecken spielten. In der Wellington Street gewann das besser bespannte Fuhrwerk mit jeder Umdrehung der Räder einen größeren Vorsprung, und als sie über die Waterloobrücke fuhren, hatte der weiße Hut schon zwei Drittel ihrer Länge zurückgelegt, als der verfolgende Wagen erst ihren Anfang erreichte. Nun fuhr die erste Droschke um eine Ecke nach rechts und ging in der Dork Street verloren; doch die Verfolger erreichten die Ecke gerade zur rechten Zeit, um den weißen Hut wieder um eine Ecke biegen zu sehen. Als sie an dieser anlangten, kam ihnen eine leere Droschke entgegen, und sie sahen die Gestalt unsres Freundes James gerade noch in einer Hausthür verschwinden.

Der Kutscher des Bischofs fuhr vor der Hausthür vor, und dieser sprang aus dem Wagen. Das Haus sah ganz anständig aus, ein Geschäftshaus mit Laden und Comptoir im Erdgeschoß und einer nach oben führenden Treppe. James war an dem Comptoir vorbeigegangen und die Treppe emporgestiegen, und der Bischof lächelte wie ein Krieger, der die Gewißheit hat, daß ihm sein Feind in die Hände gegeben ist. Nachdem er seinen Kutscher freigebig bezahlt hatte, stieg er ebenfalls die Treppe hinan. In einem so anständigen Hause war er der Hilfe, deren er etwa bedürfen konnte, sicher.

Am ersten Treppenabsatz blieb er stehen, und siehe da, die Treppe führte nicht weiter. Dadurch wurden seine Nachforschungen sehr vereinfacht, denn es war nur eine Thür vorhanden, woran er klopfen konnte. Sie klaffte, und auf der matten Glasscheibe, die die obere Hälfte bildete, las er: »Alexander Roß & Co., Exporthandlung und Generalagentur«. Mit einiger Verwunderung über die Uebereinstimmung des Namens mit dem des Herrn, den er vor kurzem verlassen hatte, trat er ein. Der Herr, mit der Orchidee im Knopfloch, niemand anders als unser Freund James, stand hinter einem Ladentisch und zog gerade seinen rechten Handschuh aus. Der Bischof schloß die Thür, und Mr. Mortimer wandte sich um und starrte ihn an. Wie Millionen andre Leute hatte Doktor Durgan noch nie Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, ob er mutig sei oder nicht, wenn er auch schon manchmal über diese Frage nachgedacht hatte, wie das aufrichtige und zur Selbstprüfung geneigte Menschen wohl thun. Das an dem Orte herrschende tiefe Schweigen sagte ihm, daß er mit Mr. Decimus Bailey allein sei, und er wußte, daß der vor ihm stehende Mann ein Verbrecher und wahrscheinlich zur Verzweiflung getrieben war, aber sein Herz klopfte nicht um einen Pulsschlag schneller, ja er fühlte ein gewisses Frohlocken, das er noch nie empfunden hatte, das ihn aber angenehm berührte. Er verlieh ihm sogar einen ihm sonst fremden Humor.

»Mr. Decimus Bailey, wenn ich nicht irre,« begann der Bischof in beinahe schelmischem Tone. James sah erst ihn, dann die Thüre an, und der Bischof stemmte seinen Regenschirm, den er dabei immer mit beiden Händen fest umklammert hielt, auf den Ladentisch. »Mr. Decimus Bailey, wenn ich nicht irre,« wiederholte er.

»Eure Lordschaft hier zu sehen, ist ein so unerwartetes Vergnügen, daß ich zunächst an eine optische Täuschung glaubte,« sprach James. »Ich wollte hier den Auftrag eines Freundes ausrichten, da ich gerade in der Nähe war.«

»Ich habe Ihre Droschke von Park Lane aus verfolgt,« entgegnete der Bischof, »denn ich habe schon seit einem Monat das dringende Verlangen, Sie zu treffen. Es wird mir ein ganz besonderes Vergnügen machen, Sie der Polizei zu übergeben.«

»Der – Polizei?« fragte James, als ob er die Bemerkung für einen Scherz halte und nur auf nähere Aufklärung warte, um darüber zu lachen.

»Ja, der Polizei, Mr. Bailey,« wiederholte der Bischof. »Erstens wegen des Diebstahls meiner Kleider im Hotel Continental in Paris, und zweitens, und das ist die wichtigere Anklage, wegen Beteiligung an dem riesenhaften Betruge gegen die Bank von England.«

Einen Augenblick starrte James vor sich hin.

»O ja, natürlich,« sagte er darauf. »Betrug gegen die Bank von England? Sehr richtig! Also Sie wollen mich verhaften lassen? Ganz recht, ganz recht. Dann wollen wir uns doch gleich auf den Weg machen. – Ich muß auf seine Wahnvorstellung eingehen,« fügte er wie für sich hinzu. »Der arme alte Herr! Wie traurig!«

»Wissen Sie wohl, Mr. Bailey,« sagte der Bischof, »daß Sie ein ganz unverfrorener Spitzbube sind?«

»Da haben Sie ganz recht,« erwiderte James. »(Ich darf seinen Wahnvorstellungen nicht widersprechen.) Wir wollen einen Schutzmann suchen, Mylord, und dann können wir zusammen nach Eurer Herrlichkeit Wohnung fahren, wo Sie sagen können, was Sie wollen. Aber jetzt, bitte, bitte, regen Sie sich nicht auf: ich werde ganz ruhig mitgehen. Daß Sie hinter meine Schliche gekommen sind, ist wirklich ganz erstaunlich. (Ich muß auf seine Wahnvorstellungen eingehen).«

James' leise Bemerkungen waren natürlich vollkommen hörbar, wie das auch in seiner Absicht lag, und wenn der Bischof seiner Sache weniger sicher gewesen wäre, würde Mortimers Benehmen nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben sein.

»Ich will Sie nicht bemühen, erst nach meiner Wohnung zu fahren, Mr. Bailey,« versetzte Doktor Durgan. Diese Begegnung lag ganz außerhalb des Kreises seiner Erfahrungen und enthüllte ihm Charakterzüge, die ihm bisher fremd gewesen waren. Die nutzlose List des gewandten Schurken bereitete ihm sogar einen gewissen humoristischen Genuß. »Ich muß Sie ersuchen, mit mir zu gehen, bis wir einem Schutzmann begegnen. Ihr Vorgeben, mich als geisteskrank zu betrachten, ist in der That von Ihrem Standpunkt aus außerordentlich geschickt, obgleich ich nicht daran zweifle, daß Sie in Ihren Mußestunden Zeit genug finden, sich in derartigen Listen zu üben und auszubilden. Und darf ich Sie bitten, Mr. Bailey, mir zu gestatten, daß ich Sie leicht am Kragen nehme, während wir durch die Straßen gehen?«

»Hm,« entgegnete James, »das ist zwar scheußlich unbequem, aber wir wollen kein Aufhebens deswegen machen.«

Auf einen Kampf brauchte sich der Bischof also nicht vorzubereiten. James wehrte sich niemals. Selbst seine Fähigkeit, sich zu winden und zu krümmen, war nur geistiger Art, und wenn er sah, daß sein Fall hoffnungslos lag, rief er die Philosophie zu Hilfe und suchte allem die beste Seite abzugewinnen, und so hatte er seine zahlreichen Verhaftungen alle mit derselben heiteren Demut und Entsagung hingenommen.

»Nur aus Neugier, Mylord,« sagte er, »möchte ich mir die Frage erlauben, welcher Art eigentlich Ihr Verdacht ist.«

»Ihre Neugier soll befriedigt werden,« versetzte der Bischof, indem er James mit der rechten Hand fest am Kragen faßte. »Ich habe Sie gesehen, als Sie in Monte Carlo in meinen Kleidern umhergingen, und habe fünf falsche Banknoten, jede zu zehn Pfund, in der Tasche der Weste, die zurückzulassen Sie so gütig waren, gefunden. Außerdem habe ich Gründe zu der Annahme, daß Sie in Verbindung mit einem Menschen stehen, der sich Oberst Varndyke nennt und der aus dem Gefängnis von Portland entsprungen ist. Und nun, wenn es Ihnen gefällig ist, Mr. Bailey?«

In diesem Augenblick wurde das Geräusch eiliger Schritte auf der Treppe hörbar, die Thür wurde aufgerissen, ein großer, glatt rasierter, aber dem Bischof unbekannter Mensch stürzte herein, dem zum unbegrenzten Erstaunen des Bischofs Mr. Roß auf dem Fuße folgte. Als dieser ihn erblickte, schloß er die Thür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. In seinen Augen erschien ein wütender und verwunderter Blick, und der Bischof erkannte in dem zuerst eingetretenen bei näherer Betrachtung den Oberst Varndyke.

»Aha,« sprach er zu Mr. Roß, »Sie haben Ihren Mann gefunden, und ich den meinen.«

Mr. Roß zitterte so, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte, aber er zog einen Schlüssel aus der Tasche und verschloß die Thür von innen. Sodann lehnte er sich, schwer und geräuschvoll atmend, wieder dagegen, und seine Augen wurden fast unsichtbar hinter der Deckung seiner buschigen Augenbrauen, die finster zusammengezogen waren, daß sein Gesicht einen so drohenden Ausdruck annahm, wie der Bischof nie im Leben einen gesehen hatte.

»Ich bedaure,« begann Roß mit unsicherer Stimme, »ich bedaure sehr, aber Sie sind in diesem Augenblick der grüßte Pechvogel von ganz London.«

»Das ist eine seltsame Sprache, Mr. Roß,« erwiderte der Bischof.

»Ja, ja,« antwortete Mr. Roß, der seine Fassung etwas wiedergefunden hatte, »das mag Ihnen wohl seltsam klingen, wie ich sehr gut begreife. Herr, ich hatte eine Art von Achtung und Zuneigung zu Ihnen, aber, wie gesagt, Sie sind in diesem Augenblick der größte Pechvogel von ganz London.«

Bei diesen Worten legte er seinen Hut auf den Ladentisch und wischte sich seine schweißbedeckte Stirn mit dem rotseidenen Taschentuche.

»Oberst,« fuhr er mit einem Seufzer der Aufregung fort, der seine Stimme fast unverständlich machte, »einer solchen Lage habe ich noch nie gegenübergestanden, und mir ist schwach, ganz schwach. Reich' mir doch mal die Whiskyflasche dort aus der Schieblade.«

Langsam gehorchte der Oberst, und des Bischofs Blick wanderte vom Gesicht Varndykes, das aufs schrecklichste verzerrt war, zu dem des Mr. Roß.

»Sind Sie,« fragte er diesen, »der Spießgeselle dieser beiden Menschen?«

»Schweigen Sie,« entgegnete Roß, »Sie haben keine Zeit zu müßigen Fragen. O, Mann, Mann, Mann! Warum sind Sie hierhergekommen? Ich weiß sehr wohl, daß ich keine glückliche Stunde mehr im Leben haben werde – – Ja, mein Junge, das ist die Flasche. Reich' sie her.«

Den vorstehenden Kork zog er mit den Zähnen aus, ließ ihn auf den Fußboden fallen und that einen tiefen Zug, während der Bischof Mortimer noch immer am Kragen festhielt, aber das that er mehr unbewußt und halb, um sich zu stützen.

»Hätten Sie nicht diesen albernen Dummenjungenstreich gemacht,« fuhr Roß zu Mortimer gewandt fort, »so wären wir nie in diese Lage gekommen. Wie kann ein Mann, der ernste und gefährliche Arbeit zu thun hat, nur so leichtfertig sein?«

Der Bischof fühlte, wie Mortimer unter seiner Hand erzitterte, als ob der Fußboden unter ihm den Schwankungen einer starken Feder folge.

»Ich warne Sie,« rief James, »ich will mit dem, was Sie beabsichtigen, nichts zu thun haben!«

»Schweigen Sie, Sie Dummkopf!« rief Roß. »Wollen Sie, der Sie uns so weit gebracht haben, uns auch noch Schwierigkeiten machen?«

»Also das ist es, was Sie meinen?« fragte der Bischof, indem er einen Schritt auf Roß zuthat.

»Ja,« entgegnete Roß, »Sie scheinend begriffen zu haben.«

»Sie können ihm ja einen Eid abnehmen,« schlug Mortimer vor.

»In einer solchen Sache würde ich dem Eide eines Apostels kein Vertrauen schenken,« erwiderte Roß.

»Sie haben dem meinen vertraut,« antwortete Mortimer, »und ich bin kein Apostel. Wenn Sie Ihre Absicht ausführen – deutlicher brauche ich wohl nicht zu werden – dann können Sie auch gleich ein Ende mit mir machen. Das versichere ich Ihnen, wenn Sie das thun, so werde ich nicht dazu schweigen. Sowie ich frei bin, werde ich die Wahrheit bekannt machen, so wahr ein Gott über uns lebt!«

»Sie glauben also, daß ein Gott über uns lebt?« fragte der Bischof.

»Sie etwa nicht?« versetzte Mortimer.

»Varndyke!« sprach Roß.

»Ich bin auch nicht dafür,« entgegnete Varndyke, »und bin es nie gewesen. Hören Sie mich an,« fuhr er fort, indem er sich mit gewichtiger Miene an den Gefangenen wandte, »schwören Sie, daß Sie alles, was Sie hier erlebt haben, vergessen wollen, dann werden sowohl ich, als auch Mortimer für Sie sprechen. Ich bin bereit, es darauf ankommen zu lassen, aber ich muß Ihren Eid schriftlich haben.«

»Ich werde keinerlei Versprechen geben, zu schweigen,« versetzte der Bischof.

»Dann,« erwiderte Varndyke, »geht mich die Sache weiter nichts an. Jimmy, bist du dumm genug, dich um eines Narren willen, der nicht schweigen will, lebenslänglich einsperren zu lassen?«

»Euer Lordschaft Weigerung versetzt mich in eine schwierige Lage,« sprach Mortimer, »eine seltsame und schreckliche Lage. Ich bitte Sie, sich die Sache noch einmal reiflich zu überlegen.«

»Ich werde keinerlei Verpflichtung übernehmen, zu schweigen,« wiederholte der Bischof.

»Ueberlegen Sie, Mylord, überlegen Sie,« drängte Mortimer. »Wenn ich mich auf Ihren Standpunkt stelle, sehe ich wohl ein, was Ihnen Ihre Pflicht als Staatsbürger gebietet, aber ist dieser Standpunkt nicht etwas einseitig? Ist er nicht ein wenig überspannt? Kann man vernünftigerweise annehmen, daß drei Männer freiwillig ihre Freiheit auf Lebenszeit, und alles, was das Dasein wünschenswert macht, aufgeben und sich bis zu ihrem Tode den Schrecken des Gefängnisses überliefern werden, nur um den Gewissensbedenken eines Herrn Rechnung zu tragen, dem ihre Wohlfahrt überaus gleichgültig ist?«

»Sie sind ohne Zweifel ein ausgezeichneter Teufelsadvokat,« erwiderte der Bischof, »aber mein Gewissen ist meine Sache. Ich werde keine Verpflichtung übernehmen, zu schweigen.«

»Genug geredet,« fiel hier Roß ein. »Es thut mir furchtbar leid, aber ich werde es nicht so weit kommen lassen, daß meiner Frau das Herz über die Schande bricht, nur um Euer Lordschaft seine Empfindungen zu schonen, ebensowenig werde ich ins Zuchthaus wandern, weil es Ihnen so gefällt. Wir bieten Ihnen Gnade; Sie können sie annehmen oder zurückweisen, wie es Ihnen gefällt.«

»Mein lieber Roß,« sagte Mortimer, »sofortiges Handeln ist gar nicht notwendig. Die Lage ist freilich furchtbar, und ich mag sie mir gar nicht klar machen. Indessen wollen wir Seiner Lordschaft Bedenkzeit lassen. In ein paar Stunden ist er vielleicht besser im stande, einzusehen, wie sündhaft es von ihm ist, sein eigenes Verderben heraufzubeschwören.«

»Vielleicht ziehen Sie in Betracht, Mylord,« nahm Roß das Wort, »daß die sittliche Auffassung wechselt, je nach der Anschauung des einzelnen. Drei von den hier Anwesenden betrachten die Bank von England als gesetzmäßig jagdbares Wild. Wir setzen unsre Freiheit gegen ihre unermeßlichen Schätze aufs Spiel. Gewinnen wir, so thun wir niemand Schaden, verlieren wir, so ist unser Verlust ungeheuer.«

»Zwischen einem ehrlichen Manne und einem Spitzbuben gähnt ein solcher Abgrund, Mr. Roß,« versetzte der Bischof von Stockestithe, »daß Ihre Augen ihn nicht ermessen können. Alle Verbrechen sind die Frucht moralischer Kurzsichtigkeit. Ich wünschte, Sie machten sich klar, daß ich mein letztes Wort gesprochen habe und daß Sie nur Ihre Zeit verschwenden, wenn Sie erwarten, daß ich zu einem andern Entschlusse kommen würde. Ich danke Gott, daß ich für alles bereit bin, was zu thun Sie wagen können.«

»Darf ich Euer Lordschaft bitten, sich hierher zu bemühen?« fragte Roß, indem er das Zimmer mit unsicheren Schritten durchmaß und eine dem Eingang gegenüberliegende Thür öffnete.

Ohne ein Wort zu sprechen folgte der Bischof und trat in eine schmale, lange Kammer, die nur durch ein kleines Oberlicht erleuchtet wurde und worin eine Kupferdruckpresse stand, wie der Bischof erkannte, da er vor einigen Jahren einmal eine solche gesehen hatte. Hier waren, wie er annahm, die falschen Noten gedruckt worden.

»Hier sind Sie sicher,« sagte Roß, indem er sich in dem Zimmer umsah. Darauf wandte er sich ab und verließ die Kammer. Die Thür zog er hinter sich zu, und der Bischof hörte, wie der Schlüssel im Schlosse knirschte.

»Was sollen wir thun?« fragte Roß seine Spießgesellen.

»Thun?« sprach Varndyke. »Wir lassen ihn dort und kneifen aus. Es wird ihn schon jemand zur rechten Zeit finden.«

»Mann,« rief Roß, »das ist zehnmal schlimmer, als irgend etwas, was mir jemals in den Sinn gekommen ist. Du freilich, der frei und unbehindert ist, hast gut von Flucht reden. Ich aber habe ein Haus, ein Geschäft und eine Familie,« schloß er händeringend und ging stöhnend im Zimmer auf und ab. Dann blieb er vor Wut knirschend vor Mortimer stehen.

»O, ich kann es nicht!« rief er, »Ich kann meine Hände nicht damit besudeln!«

»Mr. Roß,« sagte Mortimer, »wenn ich als Mann, der viel gereist ist und Erfahrungen gesammelt hat, wagen darf, Ihnen einen Rat zu geben . . .«

»Hol' Sie der Teufel!« schrie Roß grimmig.

». . . so würde ich vorschlagen,« fuhr der andre unbeirrt fort, »Seine Lordschaft unter meiner Obhut ein paar Tage hier zu lassen. Inzwischen könnten Sie Ihre Vorbereitungen zur Abreise treffen, Varndyke kann für sich sofort verduften, und wenn ich auskneife, werde ich dafür Sorge tragen, daß die richtigen Leute benachrichtigt und von der gegenwärtigen Adresse Seiner Lordschaft in Kenntnis gesetzt werden. Meine eigene Lebhaftigkeit scheint für den augenblicklichen peinlichen Stand der Angelegenheit verantwortlich zu sein, und deshalb ist es nicht mehr als billig, daß ich einige Unbequemlichkeiten auf mich nehme, um das Uebel einigermaßen wieder gut zu machen. Ich habe einen kleinen Privatschlupfwinkel, wo ich bekannt bin und geachtet werde und wo ich mich lange Zeit verbergen kann, da ich ja nicht ohne Mittel bin. Ein Mord wäre so lächerlich, daß davon gar nicht die Rede sein kann, ganz abgesehen von der moralischen Seite der Frage, die natürlich unerträglich wäre.«

»Ich kann's nicht!« rief Roß wieder, die Hände ringend, als ob sie schon befleckt wären.

»Natürlich können Sie's nicht,« erwiderte Mortimer, »ich kann's auch nicht! überhaupt kann's keiner von uns dreien. Ich werde hier bleiben, bis heute abend alles ruhig ist, und will morgen früh mal nach ihm sehen. Wenn er sich die Sache beschlafen hat, kommt unser geschätzter Freund vielleicht doch noch zu einer andern Ansicht. Außerdem schulde ich euch etwas dafür, daß ihr gerade im richtigen Augenblick hier ankamt. Ich hatte mich schon verloren gegeben, als mich Seine Lordschaft hier abfaßte. Wie kam das, daß ihr so zur rechten Zeit zur Stelle wäret?«

»Roß hat den Bischof heute nachmittag in einer Ausschußsitzung getroffen,« erwiderte Varndyke mit einem ziemlich verunglückten Versuche, zu lächeln. »Der Bischof hat mich auf irgend eine Art erkannt, wie, weiß ich nicht, aber er wußte viel zu viel, unter anderm auch die Geschichte von Portland. Er hat Roß gewarnt, und Roß kam zu mir und warnte mich. Wie du weißt, sind einige Sachen hier, die besser beiseite geschafft werden, und deshalb sind wir gekommen.«

»Das war ein glücklicher Zufall für mich,« sagte Mortimer. »Ich bin etwas Fatalist, das liegt in der Familie, und nachdem ich eben so mit genauer Not entkommen bin, fühle ich mich eine Zeit lang sicher. Befolgen Sie meinen Rat, Mr. Roß, und verschwinden Sie. Ich glaube, ich würde es mit Aberdeen versuchen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Daß Sie Schotte sind, wird wahrscheinlich dort nicht auffallen.«

Hierauf durchsuchte Roß, immer noch von Zeit zu Zeit stöhnend, mit Hilfe Varndykes Schränke und Schiebladen nach den Sachen, die sie beiseite schaffen wollten, und als sie alles gefunden hatten, ließen sie James allein. Dieser verschloß die Thür hinter ihnen, setzte sich auf den Ladentisch und rauchte eine von den Cigarren, deren Tabak auf seiner Besitzung in der Havanna wuchs. Inzwischen ging der Bischof von Stockestithe mit festen Schritten in dem engen Raume, worin er eingeschlossen war, auf und ab. Von den milderen Beschlüssen, die inzwischen halb und halb gefaßt worden waren, wußte er nichts, weshalb er sich aufs Schlimmste vorbereitete.


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