David Christie Murray
Der Bischof in Not
David Christie Murray

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Achtes Kapitel

Es war noch nicht viel nach neun Uhr abends, und der Bischof fühlte keine Neigung zu schlafen, sondern suchte seine wirren Gedanken zu ordnen, so gut er konnte, und nach einem Ausweg aus seiner Klemme Umschau zu halten. Im Spielsaal hatte er Tom Finch gesehen, und die Furcht, von diesem erkannt zu werden, hatte ihn veranlaßt, sich so rasch zu setzen. Daß Tom fließend französisch sprach, wußte er, und es war ihm auch vollkommen klar, daß ihm der junge Mann von großem Nutzen sein könne, allein er verwarf den Gedanken, ihn um Hilfe zu bitten, sofort und entschieden. Daß dieser gottlose Thunichtgut spielte, war ihm nicht entgangen, und obgleich er selbst, natürlich nur aus Neugier, fast im Begriffe gewesen war, einem augenblicklichen Triebe in derselben Richtung nachzugeben, war er doch im stande, einen Unterschied zwischen seinen Beweggründen und denen Tom Finchs zu machen. Deshalb war seine Ansicht über Tom ungünstiger als je, und bei ihm Hilfe nachzusuchen, war offenbar unmöglich.

Allein dann begann er, an seinen würdigen Amtsbruder zu denken, den er einen Augenblick am Fuße der Kasinotreppe gesehen und vergeblich um Hilfe angerufen hatte. Warum hatte sich der Gefährte dieses Herrn eingemischt? Und warum waren beide so rasch verschwunden? Und wo hatte er doch das Gesicht des Trägers jenes Hutes und jener Wadenstrümpfe schon gesehen? In seinem Geiste stolperte er durch alle möglichen dunklen Orte, bis ihm endlich die Wahrheit wie ein elektrischer Schlag vor Augen stand. Der Träger dieser Wadenstrümpfe war niemand anders, als der ansprechende und gebildete Herr, mit dem er von Charing Croß nach Calais gereist war und der ihm die Reise so angenehm gemacht hatte, derselbe Herr, der im Hotel Continental das neben dem seinen gelegene Zimmer bewohnt hatte. Und nun kam wie ein zweiter elektrischer Schlag, der ihn noch mehr erschütterte und erstaunte, als der erste, die Ueberzeugung, daß dieser gebildete und gewandte Herr ein Schwindler war, und daß die Kleider, die er, der Bischof, trug, dem andern gehörten, während dieser seine, des Bischofs, Kleider anhatte.

In der That war es der unwürdige Mortimer gewesen, dem Seine Lordschaft begegnet war, und der Oberst Varndyke war es gewesen, der James auf die Persönlichkeit des verhafteten Herrn, der seine Hilfe angerufen, aufmerksam gemacht hatte.

»Mach, daß du hier fortkommst, du Dummkopf,« hatte der Oberst geflüstert, »das ist ja der Bischof.«

Und James war, wie wir gesehen haben, im Dunkel verduftet.

Wie er dem Oberst in Augenblicken gemütlicher Geselligkeit anvertraute, hatte er sich nie im Leben so köstlich unterhalten, als in diesen letzten Tagen. Er hatte die Geistlichen der Umgegend aufgesucht und sie alle durch seine liebenswürdige Herablassung, ebenso wie durch seine vollkommene Vertrautheit mit ihrer Muttersprache, sein lebhaftes Interesse für kirchliche Altertümer und ähnliche Freundlichkeiten bezaubert. Als ein gelehrter Pater eine lateinische Unterhaltung mit ihm anfangen wollte, war er geschickt ausgewichen, indem er darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die von den barbarischen Gelehrten Englands gebrauchte Aussprache des Lateinischen dieses in den Ohren der Gelehrten des Festlandes zu einer fremden Sprache mache. Einige vornehme Familien des Ortes hatten ihn sogar eingeladen, und er hatte bei ihnen einen weit günstigeren Eindruck hinterlassen, als es der echte Bischof gethan haben würde. Er war höflich und gewandt und steckte voll von einer seltsamen Weltweisheit, die bei einem Manne seines Amtes erstaunlich war. Besonders verstand er, prachtvoll zu lügen, und warf mit Einladungen nach dem bischöflichen Palast in Stockestithe nur so um sich. Eine von diesen wurde später zur großen Verlegenheit des wirklichen Bischofs wie des unbekannten Gastes ernst genommen, und weitere Besuche werden erwartet und befürchtet, denn der Bischof von Stockestithe wird jede Erinnerung an jene furchtbare Zeit bis an sein seliges Ende fürchten.

Als die beiden Spießgesellen gesehen hatten, wie der Bischof abgeführt wurde, trat Mr. Mortimer zu einem der Schweizer und erkundigte sich nach der Ursache des Aufsehen erregenden Vorfalles. Der Mann wußte nichts, aber der höfliche Herr in dem sonderbaren Anzuge nötigte ihn, ein Fünffrankenstück anzunehmen, worauf sich der Schweizer entfernte und bald mit den gewünschten Nachrichten zurückkehrte. James dankte und sprach die Ansicht aus, es sei doch traurig, daß ein Mann, der wie ein ehrbares Glied der menschlichen Gesellschaft ausgesehen habe, auf einem so faulen Pferde ertappt worden sei. Hierauf kehrte er, fast vor Lachen erstickend, zu Varndyke zurück und erzählte diesem, was vorgefallen war.

»Der alte Schwerenöter hatte meine Sachen an,« sprach James, der vor Lustigkeit beinahe in Lachkrampf verfiel. »Entsinnst du dich noch der fünfzig Pfund, wovon ich nicht wußte, was daraus geworden war? Ich muß die Noten in einer der Taschen haben stecken lassen, und dieser sündhafte Pfaffe ist hierher nach Monty gekommen, um sich damit einen lustigen Tag zu machen. O, die Verderbtheit der Menschen! – Da übrigens der echte Heilige hier aufgetaucht ist,« fuhr er etwas ernster fort, »wäre es, glaube ich, besser, wenn ich mich dieses Zeugs entledigte und mich hier dünne machte. Ich werde mich nach dem Hotel verfügen und dort umkleiden, und dann wollen wir mit einem Wagen nach Nizza fahren.«

So kam es, daß Mortimer allein nach dem Hotel de Paris zurückkehrte und in der Thür mit Tom Finch zusammenstieß.

»Holla!« rief Tom, der ihn augenblicklich erkannte.

»Bst!« entgegnete Mortimer und eilte mit erhobenem Zeigefinger und einer Miene geheimnisvoller Geschäftigkeit an ihm vorbei.

»Sie da!« fragte Tom einen gerade durch den Flur gehenden Kellner, »wissen Sie, wer das ist?«

»Mais oui,« erwiderte dieser, »un ecclésiastique anglais, l'évêque de . . . de . . . de Stockestithe

»Ich will mich hängen lassen, wenn er das ist,« antwortete Tom und sprang, drei Stufen auf einmal nehmend, hinter Mortimer die Treppe hinan.

James, der wachsame und aalglatte, hörte die springenden Schritte hinter sich und spitzte die Ohren. Er ahnte, daß sein ungestümer junger Bekannter ihm folge, und verfluchte im Herzen sein Pech.

»Hören Sie mal,« rief Tom, indem er ihm eine Hand auf die Schulter legte. »Ich habe ein Wörtchen mit Ihnen zu reden und muß Sie ersuchen, sich in mein Zimmer zu bemühen.«

»Aber mein lieber junger Herr,« antwortete James, »Sie sind wirklich lästig; verzeihen Sie, daß ich es ausspreche, Sie sind außerordentlich lästig. Ich bin im Augenblick dringend beschäftigt und kann Ihnen auch nicht den geringsten Bruchteil meiner Zeit zur Verfügung stellen.«

»Mein verehrter Herr,« entgegnete Tom hartnäckig, »ich habe ein Wörtchen mit Ihnen zu reden und werde mich nicht abweisen lassen.«

Tom war bedeutend größer als James und außerdem auch jünger und kräftiger, so daß dieser es für geraten hielt, einem so dringend ausgesprochenen Verlangen nachzugeben. Deshalb gehorchte er, wenn auch unter Verwahrung.

»Es paßt mir für meine Zwecke nicht, mich in diesem Augenblick in irgend eine Art von Streit oder lauten Zank einzulassen,« entgegnete Mr. Mortimer, »aber ich halte es doch für geboten, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn Sie mich in der Ausübung meiner Pflicht stören, es in meiner Macht steht, Ihren Aufenthalt in diesem kleinen Fürstentum nicht nur zu verkürzen, sondern auch höchst unangenehm zu machen.«

»Das mag sein,« erwiderte Tom trocken, »aber für den Augenblick werden Sie mich verpflichten, wenn Sie hier eintreten.«

Mortimer gehorchte, aber er that das nur, weil Flucht und Widerstand gleich aussichtslos waren. Er war ganz auf seine diplomatische Gewandtheit und seine Erfindungsgabe angewiesen und außerdem erschrocken und überrascht. Tom drehte das elektrische Licht an und verschloß die Thür seines Zimmers, so daß James seine Lage immer weniger gefiel und er sich fragte, was für eine Art von Schlag er wohl abzuwehren haben werde.

»Wenn Sie sich in einen beliebigen Anzug verkleiden,« begann Tom, »so geht mich das gar nichts an. Das scheint Ihr Geschäft zu sein, und ob es das eines ehrenhaften Mannes oder das eines Schubiacks ist, weiß ich nicht und es ist mir auch gleichgültig. Allein gegenwärtig scheinen Sie sich darin zu gefallen, sich als einen meiner besten und geachtetsten Freunde aufzuspielen, und ich wollte Ihnen nur eröffnen, daß ich einen Mißbrauch seines Namens für Ihre Zwecke nicht dulden werde, und muß Sie um Aufklärung ersuchen, warum Sie sich dieses Namens bedienen!«

»Darf ich zunächst um Ihren Namen bitten, mein junger Herr?« versetzte James, der vor allem Zeit gewinnen wollte, um dem Wild den Wind wegzunehmen, wie die Jäger sagen.

»Der steht Ihnen gern zu Diensten,« antwortete Tom. »Ich heiße Finch, Thomas Finch, und bin Rechtsanwalt.«

»Sie sind sehr jung,« erwiderte James nachdenklich, »ganz auffallend jung.«

»Das mag ganz wahr sein,« sprach Tom, »aber das ist keine Antwort auf meine Frage.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Sie in diesem Augenblick der Mitschuldige – der unbewußt Mitschuldige, wie ich zugebe – eines der gefährlichsten Verbrecher, der je unsrer Behörde Mühe gemacht hat,« fuhr Mortimer fort. »Wenn er mir jetzt infolge der Verzögerung, die Sie mir hier aufzwingen, durch die Finger schlüpft, muß ich Sie dafür verantwortlich machen.«

»Das kann wahr sein, oder auch nicht,« sprach Tom; »aber Sie sehen in diesem Augenblick meiner Ansicht nach selbst ganz wie ein Mensch aus, der verbrecherische Absichten verfolgt. Sie haben sich verkleidet, so daß Sie äußerlich einem Herrn gleichen, dessen Namen Sie überdies führen, einem Herrn, für den zu handeln ich vollkommen berechtigt bin, bis Sie mir eine befriedigende Erklärung über Ihre Absichten geben, und es ist mein fester Vorsatz, Sie nicht aus den Augen zu verlieren.«

»Sie sind jung, Mr. Finch, Sie sind sogar lächerlich jung,« antwortete James, dem seine Aussichten immer schlechter gefielen. »Wie ich Ihnen schon sagte, bin ich in der Verfolgung eines der gewandtesten und gefährlichsten Verbrecher in Europa begriffen. Eine Verkleidung war für meine Zwecke unerläßlich, und ich habe diese gewählt, weil ich sie gerade zur Hand hatte. Ich habe sie samt dem wirklichen Namen angenommen, dem Namen eines Herrn, den ich gerade wie Sie zufällig kenne, weil es verderblich für meine Zwecke hätte sein können, wenn ich einen Namen eigener Erfindung hätte wählen wollen.«

»Gut,« sprach Tom. »Wenn Sie sind, was Sie zu sein behaupten, werden Sie jedenfalls Legitimationspapiere bei sich führen und auf der Polizei Ihre bona fides zu beweisen im stande sein.«

»Ich muß wirklich sagen, mein Herr,« rief James, »daß Sie einem Manne gegenüber, von dem Sie gar nichts wissen, einen sehr seltsamen Ton anschlagen.«

»Für meine Zwecke weiß ich genug von Ihnen,« erwiderte Tom mit großer Entschiedenheit. »Sie führen einen Namen und tragen eine Kleidung, worauf Sie kein Recht haben. Ich halte es zufällig für meine Pflicht, diesen Namen vor Verunglimpfung zu schützen, und wenn Sie mir nicht beweisen können oder wollen, daß Sie zu berechtigten Zwecken von diesem Namen Gebrauch machen, muß ich Sie der Polizei als Betrüger anzeigen.«

»Mein lieber Mr. Finch,« entgegnete James, »Sie müssen natürlich thun, was Sie für Recht halten. Ich habe nicht die Macht, Sie daran zu verhindern, zu handeln, wie es Ihnen gut dünkt, so schwerwiegend die Folgen auch für meine höchst wichtige Angelegenheit sein mögen. Sie sind noch jung, Mr. Finch, wie ich zu bemerken schon einigemal Veranlassung genommen habe, aber Sie haben gewiß hinreichende Welterfahrung, einzusehen, daß ein Mann in meiner Stellung der Polizei dieses kleinen Fürstentums seine Amtsgeheimnisse nicht anvertrauen kann. Es ist vollständig wahr, daß ich mich nur zu erkennen zu geben brauche, um mich vor jeder weiteren Belästigung, die Sie mir vielleicht zugedacht haben, sicherzustellen, allein es entspricht meinen Zwecken nicht, meine Anwesenheit hier bekannt werden zu lassen. Sehr gegen meinen Willen muß ich offen gegen Sie sein. Hier befinde ich mich auf fremdem Boden, und wenn ich meinen Mann nicht dazu verlocken kann, die Grenze zu überschreiten, habe ich nicht die Befugnis, ihn zu verhaften. Sie haben es in der Hand, mein Herr, meine seit einem halben Jahre mit der größten Geduld verfolgten Pläne im letzten Augenblick zum Scheitern zu bringen. Unglücklicherweise bin ich in Ihrer Gewalt, allein ich habe Ihnen meine Lage, soweit es sich mit meiner Pflicht gegen meine Regierung verträgt, erklärt und habe weiter nichts zu sagen.«

Das war eine vollkommen glaubliche und mögliche Geschichte, die überdies mit Mortimers früheren Angaben im Einklang stand, und Tom hatte nicht den Wunsch, irgend jemand zu schädigen. Allerdings hatte er seine Zweifel, aber ein Zweifel ist keine Gewißheit, und er fühlte, daß er ohne Gewißheit nicht das Recht habe, zu handeln.

»Ich bitte um Entschuldigung, Mr. – Ich habe nicht den Vorzug, Ihren Namen zu kennen,« sagte er.

»Staunton,« erwiderte James, »Arthur Staunton.«

»Ich bitte um Verzeihung, Mr. Staunton,« fuhr Tom fort, während er James' Verbeugung ernst erwiderte, »aber ich bekenne, daß ich noch nicht ganz zufriedengestellt bin. Jedenfalls nehme ich mir die Freiheit, Sie zu ersuchen, den Namen, den Sie angenommen haben, fallen zu lassen und von jetzt an unter einem andern zu reisen.«

»Zufällig, Mr. Finch,« versetzte James, »war ich gerade im Begriffe, zu keinem andern Zwecke in mein Zimmer zu gehen, als um mich umzukleiden. Dieser Anzug und der Name haben ihren Dienst gethan, und ich gebe sie beide auf. In einer halben Stunde verlasse ich Monte Carlo. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen, Mr. Finch.«

Unter diesen Umständen blieb Tom nichts andres übrig, als seine Thür zu öffnen und Mr. Staunton hinauszulassen. Das that er unter starkem Zweifel über die Weisheit seines Handelns, aber immerhin ließ er seinen Gefangenen frei und sah ihm nach, wie er über den Gang ging.

»Ich weiß nicht – ich weiß nicht,« sprach er zu sich selbst.

James atmete erleichtert auf, als er sein Zimmer erreichte, aber er fühlte doch das Bedürfnis, seinen Handkoffer zu öffnen und seine Zuflucht zu der silberbeschlagenen Flasche zu nehmen, ehe er sich umzukleiden begann.

»Etwas Ernstes hätte ja nicht vorkommen können,« sprach er bei sich, »aber solche Dinge gefallen mir durchaus nicht; sie sind mir ganz außerordentlich zuwider.«

Darauf klingelte er und ließ sich seine Rechnung kommen, die er mit guten Napoleons bezahlte. Sodann kleidete er sich um, packte und bestellte einen Wagen nach Nizza. Varndyke wartete schon auf ihn, und die beiden fuhren zusammen ab, aber sie hatten schon vier oder fünf Meilen zurückgelegt, ehe James den Mut fand, seinem Begleiter zu erzählen, was vorgefallen war.

Tom kehrte nach dem Spielsaal zurück, wo er seinen Bundesgenossen gelassen hatte. Dem Erfinder des unfehlbaren Systems war es inzwischen sehr schlecht ergangen, so schlecht, daß er den Mut verloren und sich entschlossen hatte, das Glück diesen Abend nicht weiter auf die Probe zu stellen. Er begegnete Tom in der Thür.

»Nun?« fragte Tom. »Wie ist es gegangen?«

»Wie ein Krebs,« antwortete Mr. Draker, »rückwärts. Wir haben heute zehntausend Franken verloren.«

»Hm,« erwiderte Tom, mit einem leisen Pfeifen, »dann haben wir nicht viel mehr, als das Kapital, womit wir angefangen haben.«

»Kaum das Kapital, womit wir angefangen haben,« bestätigte Draker, »Hätten wir nur vor drei Tagen aufgehört, wie?«

»Ja, wahrhaftig,« entgegnete Tom, »das wollte ich auch.«

Schweigend gingen sie eine Weile auf der Terrasse auf und ab.

»Eins muß ich dir doch erzählen,« begann Draker plötzlich, »eine sehr gelungene Geschichte ist passiert. Du hast doch den alten Herrn gesehen, den sie vor etwa einer Stunde aus dem Spielsaal abgeführt haben? Sie haben ihn verhaftet, weil er eine gefälschte Banknote gewechselt hat, und wer, in aller Welt, glaubst du wohl, daß er zu sein vorgibt?«

»Wie soll ich das wissen?« fragte Tom.

»Er behauptet,« fuhr Draker fort und begann zu lachen, und zwar so von Herzen, daß Tom einstimmen mußte, obgleich er den Grund der Heiterkeit seines Freundes noch gar nicht kannte. »Er behauptet, er sei der Bischof von Stockestithe.«

»Was?« rief Tom aus. »Noch einer?«

Natürlich mußte er nun Draker sein Abenteuer erzählen, und dieser gab zu, daß es die erstaunlichste Geschichte sei, die er jemals gehört habe – die allererstaunlichste.

»Also zwei von diesen Spitzbuben spielen sich als denselben achtbaren alten Knaben in derselben Stunde und in demselben Dörfchen auf. Hör' mal, Alterchen, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mal ein bißchen nach der Gendarmerie bummeln und mir Nr. 2 ansehen. Du kannst seinen Lügen wenigstens ein Ende machen, und auch mit Nr. 1 würde ich schnell zu Ende kommen, glaube ich.«

»Das ist ganz richtig,« antwortete Tom, »aber, siehst du, in gewisser Art habe ich Nr. 1 mein Wort gegeben. Nr. 2 will ich mir indessen doch mal betrachten. Gehst du mit?«

»Hm, nein,« erwiderte Draker. »Ich gehe lieber wieder in den Spielsaal und versuche es noch einmal mit dem System. Die Unterbrechung kann dem Pech ein Ende gemacht haben.«

»Gut,« versetzte Tom, »aber wenn das Glück ungünstig ist, sei vorsichtig.«

So kehrte also Draker an den Spieltisch zurück, während sich Tom nach der Gendarmerie durchfragte. Als er dort angelangt war, gab er seine Karte ab und erklärte den Zweck seines Kommens.

»Sie haben hier einen Menschen in Haft, der eine gefälschte Banknote gewechselt hat. Wie ich höre, ist er ein Engländer und gibt sich für den Bischof von Stockestithe aus.«

Ob es der vierte oder der achte Teil der Landstreitkräfte des Fürstentums ist, der sich stets im Dienste befindet, habe ich vergessen. Der wievielte Teil es aber auch sein mochte, der Mann antwortete, daß Toms Vermutung begründet sei.

»Gut,« entgegnete Tom. »Ich kenne zufällig den Bischof von Stockestithe ganz genau, und wenn Sie mir erlauben wollen, mir den Verhafteten einmal einen Augenblick anzusehen, kann ich zweifellos dieser lächerlichen Behauptung ein Ende machen. Ich habe triftige Gründe zu glauben, daß sich der Bischof von Stockestithe gegenwärtig in Paris aufhält.«

Der Vertreter der Landstreitkräfte des Fürstentums Monaco wußte nicht genau, ob er die Befugnis habe, dieses Verlangen zu bewilligen, allein der Anblick eines Fünffrankenstückes beseitigte seine Bedenken, und Tom erhielt die Erlaubnis, sich Nr. 2 anzusehen. Nr. 2 saß mit in den Händen vergrabenem Gesicht auf der Pritsche, und der Beamte berührte ihn mit der Säbelscheide.

»Holla! Il y a un m'sieur ici –«

Weiter kam er nicht, denn der Gefangene sah empor und sprang auf, sowie er Tom erblickte. Dieser aber fuhr mit einer Gebärde des Erstaunens zurück, wie er sie noch nie im Leben zu machen sich veranlaßt gesehen hatte.

»Allmächtiger Gott, Herr!« schrie er. »Wie hat ein so einfältiger Irrtum nur vorkommen können?«

»Mr. Finch,« antwortete der Bischof, »lassen Sie sich damit genügen, daß ich diese Einmischung zurückweise; ich weise sie zurück, mein Herr!«

»Aber,« rief Tom, indem er sich dem Beamten zuwandte, »dieser Herr ist wirklich der Bischof von Stockestithe, ein Herr von höchstem Ansehen und Mitglied des Oberhauses. Wissen Sie überhaupt, was ein englischer Bischof ist, Sie Schildkröte? Haben Sie eine Ahnung davon, was Sie thun, indem Sie einen Herrn von seinem Charakter und seiner Stellung hier einsperren? Das ist der blödsinnigste, lächerlichste, einfältigste –. Wer hat denn hier etwas zu sagen? Ist der Fürst von Monaco zu Hause? Mit wem muß ich sprechen, damit dieser ungeheuerlichen Dummheit ein Ende gemacht wird?«

Toms Französisch war ihm von großem Nutzen, denn er sprach es wirklich ziemlich fließend, war aber für gewöhnlich etwas blöde damit und nicht ganz sicher in den Konjugationen und den Geschlechtsregeln. In seiner jetzigen Aufregung dachte er jedoch nicht an diese kleinlichen Schwierigkeiten und kam sich wirklich beredt vor. Allein der Wächter des Bischofs hatte seine Zweifel über diese Erkennungsscene, die seiner Ansicht nach etwas nach dem Theater schmeckte. Verdrießlich und brummig befahl er Tom, das Gefängnis zu verlassen, wo er den Verhafteten wieder einschloß, und gab auf keine Fragen mehr Antwort.

Als Tom wieder auf der Straße war, drehte sich ihm alles im Kopfe herum.

»Ich bin verrückt!« sprach er bei sich, »rein ratzentoll! Das ist die ganze Geschichte. Ich habe den Bischof gar nicht gesehen, ich bin gar nicht in der Gendarmerie gewesen. Auch Staunton war ein Hirngespinst, und alles ist Kraut und Rüben, alles, alles von A bis Z! Nachher werden sie mir ein Pflaster auf den Kopf legen, und dann werde ich wohl wieder in Ordnung kommen, denn vor fünf Minuten war ich ja noch ganz vernünftig.«

Das alles war nur ein Wortschwall, wodurch sich seine Aufregung Luft machte, denn er war sich vollkommen klar darüber, daß das Abenteuer Wirklichkeit war, allein für den Augenblick war die Vorstellung von Nutzen, denn sie verhinderte, daß er von dem Ungeheuerlichen überwältigt wurde.

In sehr kurzer Zeit begann sein Verstand wieder zu arbeiten, und er fing an, sich klar zu machen, daß, wie sich der Bischof von Stockestithe auch in diese verzweifelte Klemme gebracht haben mochte, es vielleicht in seiner, Toms, Macht stehe, seine Lordschaft daraus zu befreien, und es schadet nichts, wenn wir hinzufügen, daß er meinte, das könne ihm möglicherweise von Nutzen sein. Die Gelegenheit, dem Bischof einen Dienst zu leisten, die ihm das Geschick in den Weg geworfen hatte, hieß er willkommen. Rasches Handeln und Vorsicht, damit nichts von dieser lächerlichen Geschichte in die Oeffentlichkeit drang, war ebenso seine Pflicht, wie es sein Vorteil sein mußte. Aber wie sollte er handeln? Er erinnerte sich eines alten Universitätsfreundes, der jetzt Attaché bei der britischen Botschaft in Paris war. Diesem eine ausführliche Darstellung des Vorfalls zu telegraphieren, ihm Verschwiegenheit zur Pflicht zu machen, aber ihn auch gleichzeitig zu veranlassen, den Botschafter in Bewegung zu setzen, konnte sich der Mühe verlohnen. In einer Stunde mußte das Telegramm in Paris sein, und wenn es gleich in die Hände seines Freundes gelangte, war es nicht unmöglich, daß der Bischof noch in der Nacht befreit wurde. Ein solches Verfahren versprach gewiß rascheren Erfolg, als Verhandlungen mit einer Menge alberner Beamten von Monte Carlo. So begann er also den Wortlaut seines Telegramms zusammenzustellen und würde es sofort abgesandt haben, wenn er nicht im Augenblick kein Geld bei sich gehabt hatte. Seine letzte Hundertfranknote hatte er Draker zum Spielen gegeben und vergessen, sie zurückzuverlangen. Rasch rannte er nach dem Kasino, wo er seinem Gefährten auf der Terrasse begegnete. Sofort erzählte er diesem seine furchtbare Geschichte, aber Draker schien weniger Ueberraschung und Interesse an den Tag zu legen, als man hatte erwarten sollen.

»Was ist denn in dich gefahren, Mensch?« fragte Tom. »Aber das hat Zeit. Ich muß an unsre Botschaft in Paris telegraphieren und diese einfältige Geschichte in Ordnung bringen. Du mußt mir die hundert Franken wiedergeben, alter Freund!«

Regungslos und stumm wie ein Fisch und mit auf die Brust gesunkenem Kinn stand Draker auf der Terrasse.

»Komm,« fuhr Tom fort, »laß mich nicht so lange warten! die Geschichte muß sogleich geordnet werden.«

Aber der junge Draker rührte sich noch immer nicht und sprach kein Wort.

»Draker!« rief Tom in unbestimmter Besorgnis. »Was fehlt dir denn?«

»Ich fürchte sehr, lieber Tom,« antwortete Draker endlich, »daß, wenn es auf meine Hilfe ankommt, der arme alte Durgan noch weiter im Loche schmachten muß.«

»Du willst doch nicht sagen –?« fragte Tom und hielt inne.

»Ja, ich will sagen –,« entgegnete Tom.

»Aber dazu war ja die Zeit viel zu kurz,« warf Tom ein, dem es kalt ums Herz wurde.

»Ach Gott, nein, massenhaft Zeit hatte ich,« antwortete Draker. »Ich bin am Maximum gescheitert und schiffbrüchig geworden. Komm und setze mir was zu trinken vor, ehe ich sterbe, denn ich habe nicht mehr so viel, um mir ein Schuhband zwischen hier und London zu kaufen.«

»Ich auch nicht,« erwiderte Tom. »Ich habe nicht einen roten Heller in der Tasche.«

Draker brach in ein wildes Gelächter aus, und Tom ergriff ihn am Arme und führte ihn nach dem Hotel. Dort setzten sie sich hin und bestellten sich Cigarren, Cognac und Sodawasser. Der Kellner führte die Bestellung aus und wartete auf Bezahlung.

»Ach was, ankreiden!« sagte Draker stöhnend.

»Setzen Sie es auf unsre Rechnung,« übersetzte Tom, und der Kellner entfernte sich. In wenigen Minuten kehrte er mit der Rechnung zurück, die er auf einem Teller überreichte. Sie steckten die Köpfe zusammen und betrachteten den Gesamtbetrag, dann sahen sie einander an und brachen in ein trostloses Gelächter aus. Nun leerte Draker sein Glas und erhob sich.

»Ich habe die Suppe eingebrockt,« sprach er, »also muß ich sie auch auslöffeln.«

»Ach was,« entgegnete Tom, »dafür kann kein Mensch etwas; ich will mit dir gehen.«

So gingen sie denn zusammen zum Wirt, der schon seit fünf Minuten wußte, was die Glocke geschlagen hatte.

»Wir sind zwei englische Staatsangehörige,« begann Draker, »die auf dem Trocknen sitzen. Wenn Sie so gut sein wollen, ein Telegramm für mich nach London zu schicken, kann ich bis morgen Geld genug haben, um alles zu bezahlen, und dann will ich verduften.«

»Unglück beim Spiel, meine Herren?« fragte der Wirt. Sie nickten düster, und der Wirt lächelte. Diese Leute in Monte Carlo haben eine wunderbare Gabe, zu erkennen, mit wem sie es zu thun haben. Gegen einen anständigen Herrn sind sie niemals ungefällig, während sie einem zweifelhaften Charakter sehr, sehr selten allzuviel trauen. Dort in der Höhle der Reichen und Armen, an dem Orte, wo geknickte Hoffnungen in einer Stunde wieder aufgerichtet oder völlig vernichtet werden, wo sich unehrliche Beamte und junge Kaufleute, die mit ein paar hundert Mark durchgebrannt sind, für einen Tag Einkommen verschaffen, die diejenigen Vanderbilts und Rothschilds in Schatten stellen, dort, wo leichtfertige Millionäre manchmal so leere Taschen haben, als ob sie nicht einen Pfennig in der Welt besäßen: dort ein Hotel zu halten, muß eine seltsame Schule der Weltweisheit sein.

»Schon gut, meine Herren,« sagte der Wirt, nachdem sie die Adressen ihrer Bankiers und die Beträge, die sie übersandt zu haben wünschten, genannt hatten; »und bis dahin, meine Herren, befehlen Sie nur alles, was Sie bedürfen.«

Sie fühlten, daß sie zunächst etwas mehr Cognac und Sodawasser bedürften, ließen sich diese Tröster kommen und schlürften sie traurig.

»Du, Finch,« begann Draker nach einer langen Pause des Schweigens, »ich halte nicht mehr so viel von dem verfluchten System, als früher.«

Tom antwortete nicht. Er war fromm erzogen worden und fühlte, daß er seine Meinung über das System unmöglich aussprechen könne, ohne seiner Erziehung Schande zu machen.

»Aber warum, zum Henker,« fragte Draker, »klappte es denn immer, bis wir anfingen, es mit Geld zu versuchen?«

»Das weiß ich nicht,« entgegnete Tom, »und es liegt mir überhaupt nicht ein Pfifferling an dem System. Soweit ich in Betracht komme, ist das System tot und begraben. Ich denke an den armen alten Durgan.«

»Ach ja,« erwiderte Draker, der ganz bereit war, in allem Trost zu finden, »wir haben uns schön hineingeritten, aber wir sitzen doch wenigstens nicht im Loch, und das ist immerhin ein Trost.«

»O, diese elende Zeit!« rief Tom. »Diese arge Zeit der billigen Dinge für die große Menge!«

»Was hat dir denn die Zeit zuleide gethan?« fragte Draker, »und was haben billige Dinge für die große Menge mit uns zu thun?«

»Na,« antwortete Tom, »wenn wir in einer soliden, sich selbst achtenden Zeit lebten, hätten wir nie rein ausgebeutelt werden können. Du hast eine drei Dollars werte amerikanische Fabrikuhr, die am Ende eines schwarzen Bandes hängt, in der Tasche, und ich ihr Gegenstück. Vor nur einem Dutzend Jahren war die Uhr eines anständigen Herrn noch etwas wert, und nun kann ich nicht einmal die Kosten eines Telegramms nach Paris aufbringen, und Lucys Vater sitzt im Loch!«

»Ja, es ist schauderhaft!« entgegnete Draker.

Sie befanden sich in dem von ihnen gemeinsam bewohnten Zimmer mit zwei Betten, worin sie an den drei Abenden, wo ihnen das Glück hold gewesen war, ihren Gewinst gezählt hatten. Tausende und Tausende und Tausende von Franken! Tausend Franken sind freilich nur vierzig Pfund in englischem Gelde, und Zahlwörter in Verbindung mit Münzbezeichnungen klingen auf dem Festlande viel großartiger als in England, aber was für ein Haufen Geld scheinen selbst die Lappalie tausend Franken zu sein, wenn man zufällig gar nichts hat! Und sie hatten eine ganze Menge von Tausendfrankennoten gehabt, deren hundertundfünfzig oder sechstausend Pfund Sterling, und nun war alles dahin!

Das war es, was Draker durch den Kopf ging, während Tom an Doktor Durgan denken mußte.

»Das System war schließlich gar nicht so übel,« sagte jener nach einer Weile, »wenn wir nur verstanden hätten, zur rechten Zeit aufzuhören.«

»Ach, zum Henker mit dem System!« entgegnete Tom. »Es sollte gespießt, gehenkt und gevierteilt werden, dein System. Laß uns an ein System denken, wie wir dem Bischof aus der Patsche helfen können, worin er sitzt.«

»Veranlasse doch den Wirt, an die Botschaft zu telegraphieren,« antwortete Draker, »das ist der einzige Ausweg, der mir einfällt.«

»Dann komm,« sprach Tom mutlos. »Ich glaube zwar nicht, daß er's thut, aber versuchen können wir's ja einmal.«

Zum zweitenmal traten sie dem Wirt gegenüber, aber als dieser ihre Geschichte gehört hatte, war er zunächst geneigt, sein in sie gesetztes Vertrauen zu bereuen.

»Der Bischof von Stockestithe?« fragte er Tom. »Mein lieber Herr, es ist kaum eine Stunde her, daß der Bischof von Stockestithe seine Rechnung hier bezahlt und einen Wagen nach Nizza bestellt hat.«

»Das war ein Betrüger,« antwortete Tom hitzig. »Mir hat der Mensch gesagt, er sei ein französischer Detektiv.«

»Ich habe darauf weiter nichts zu erwidern,« versetzte der Wirt, »als daß er hier von den vornehmsten Leuten besucht und von diesen auch in ihren Häusern empfangen worden ist.«

»Aber ich kenne den Bischof ganz genau,« antwortete Tom; »schon seit Jahren kenne ich ihn.«

»Mir scheint es,« hielt der Wirt dem entgegen, »daß ein Mann, der offen unter einem wohlbekannten Namen reist und eine Kleidung trägt, die jedermann kennt, im ganzen die Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß er auch der Mann ist, der zu sein er behauptet.«

»Aber er ist es nicht!« rief Tom. »Er ist ebensowenig Bischof, als ich es bin.«

»Und ferner scheint es mir,« fuhr der Wirt fort, »daß ein Mensch, der in einem gewöhnlichen Anzug reist und in dessen Besitz gefälschte Noten gefunden werden, wahrscheinlich kein Würdenträger der Kirche ist. Ich urteile nach dem, was ich sehe.«

»Daß die Sache brenzlich aussieht, kannst du nicht in Abrede stellen, Tom,« bemerkte Draker. »Wenn ich ein Fremder wäre, würde ich sie für außerordentlich faul halten. Aber hören Sie mal, alter Freund,« wandte er sich an den Wirt, der über die Vertraulichkeit der Anrede nicht sehr erfreut zu sein schien, »Mr. Finch kennt den Bischof, verstehen Sie denn nicht? Wir sind beide rein ausgeplündert, und Mr. Finch möchte ein Telegramm an die britische Botschaft nach Paris schicken. Ein so unglaublicher Esel, daß er ohne triftige Gründe an den Botschafter telegraphieren würde, wird er doch nicht sein. Sie werden nicht bankerott, wenn Sie das Telegramm bezahlen, das wissen Sie sehr wohl. Wir sind doch schon in Ihrer Schuld, und komme ich über den Hund, so komme ich auch über den Schwanz. So hängen die Gurken, mein Freund.«

»Das belieben Sie zu sagen,« erwiderte der Wirt.

»Daß Doktor Durgan einen gewöhnlichen Anzug trägt und gefälschte Banknoten bei sich führt, ist allerdings seltsam und unerklärlich,« gab Tom zu. »Nie im Leben bin ich so erstaunt gewesen, aber daß er es wirklich ist, darüber ist gar kein Zweifel möglich, und er wird die Sache wohl aufklären können.«

»Das belieben Sie zu sagen,« wiederholte der Wirt.

»Aber heiliger Bimbam!« rief Tom. »Wir haben doch nicht den geringsten Grund, Sie zu betrügen.«

»Das belieben Sie zu sagen,« sprach der Wirt zum drittenmal.

»Der unglückliche Herr, der hier in Haft ist, ist ein persönlicher Freund des Botschafters,« versuchte Tom zu erklären. »Ein Telegramm kann doch nichts schaden.«

»Die Federn, die Tinte und das Papier des Hotels stehen Ihnen zu Diensten, mein Herr.«

»Mir kommt eine Idee,« fiel hier Draker ein. »Sie können mich wegen meiner Rechnung einsperren, bis morgen mein Geld kommt. Dann haben Sie mich jedenfalls sicher, und Sie können das Telegramm absenden, ohne Gefahr zu laufen, etwas dadurch zu verlieren. Das ist ein guter Gedanke, meinst du nicht auch, Finch?«

»Bitte, schicken Sie das Telegramm ab,« drängte Tom. »Eine kurze Mitteilung an den englischen Botschafter wird ja nicht viel kosten, und ein größerer Schaden als diese Kosten kann Ihnen doch schlimmstenfalls nicht entstehen, aber selbst der ist ganz ausgeschlossen. Denken Sie doch nur einmal, ein ältlicher Herr, ein Mitglied des Oberhauses! Bei Gott, es ist zu furchtbar!«

»Was wünschen Sie denn zu telegraphieren?« fragte der Wirt.

»O, ich danke Ihnen!« rief Tom, und nachdem ihm ein Telegrammformular, Feder und Tinte gebracht worden waren, schrieb er: »Lord Lorrimer, englische Botschaft, Paris. Doktor Durgan, Bischof von Stockestithe, ist infolge eines seltsamen Mißverständnisses wegen Verausgabung falscher Banknoten verhaftet worden. Bitte, die nötigen Schritte zu thun. Thomas Finch.«

»Aber der englische Botschafter heißt ja gar nicht Lord Lorrimer,« wandte der Wirt ein.

»Nein,« entgegnete Tom, »Lord Lorrimer ist nur einer der Attachés, aber er ist ein persönlicher Freund von mir und weiß, daß ich genau mit dem Bischof bekannt bin.«

»Gut,« erklärte der Wirt. »Ich kann dies zwar nicht vor morgen früh abschicken, aber es soll so bald als möglich geschehen.«

Hierauf gingen Tom und sein Gefährte zu Bett und vergaßen bald die Not des Bischofs und ihre eigene.


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