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Der andere Tag ließ die Folgen der Zerstörung überblicken, aber kaum wurde je ein unglückliches Ereigniß für die, welche es betroffen, so sehr zu einem glücklichen, als es hier der Fall schien. Röschen und Narciß hätten den ersonnenen Plan, den Vater für ihre wahrhaft treu gesinnte Liebe zu gewinnen, nicht erfolgreicher durchsetzen können, als es sich nun durch die Gunst oder Ungunst der Umstände von selbst gefügt hatte, denn seinem und seiner Tochter Retter konnte der Major unmöglich mehr gram bleiben.

Madelon, die einige Tage darauf mit dem Marquis nach Paris zurückreiste, schenkte den ihr zugehörigen Antheil an dem wunderbaren Hause ihrem liebenswürdigen Mühmchen, wie sie Rosalien nannte, als Angebinde zu ihrer bevorstehenden Verlobung. Niemand aber war heitrer und glücklicher als der alte Eichen, der von aller Schwermuth, die bisher sein Leben verdüstert hatte, wieder zu genesen schien. Er fing an, sich zunächst wieder mit seinen Lieblingsentwürfen, welche den Plan eines neu zu erbauenden Hauses betrafen, behaglich zu beschäftigen, denn an der Stelle des fast gänzlich niedergebrannten sollte ein neues aufgeführt werden, und der Vermählungstag Narcissens und Röschens alsdann in dem neuen Hause der erste Festtag und die Einweihungsfeier desselben sein. Madelon sollte im Voraus das Versprechen geben, der Einladung, welche deshalb im nächsten Jahre an sie ergehn würde, zu folgen und auf den Hochzeitstag wieder in Coblenz einzutreffen; aber sie wußte sich allen Einreden und Bitten standhaft zu entziehn, indem sie äußerte, daß sie sich nie auf ein Jahr vorher durch Versprechungen binde, denn wenn sie unterdeß, wie ihr Wunsch sei, sterbe, könne sie dadurch leicht in die Verlegenheit versetzt werden, die Hochzeit durch eine Geistererscheinung beunruhigen zu müssen, um nur ihr Wort zu halten. –

Narciß dünkte sich in dem Besitz der sanften, engelreinen Geliebten, und in der stillbefriedigten Ausübung seiner Kunst fortan auf immer ein sicheres Vaterland und eine unwandelbare Gemüthsruhe erlangt zu haben, die ihn für die Trennung von seiner Heimat, welche er nicht wiederzusehn gedachte, zu entschädigen im Stande sei, und wir wünschen ihm, daß die selbstzufriedene Behaglichkeit, mit der er jetzt seinem Schicksal folgt, ein untrüglicher Bürge seines zukünftigen Glücks für ihn sein möge. –

– »So schließt denn alles Wunderbare und Unglaubliche, das wir erlebt haben, wie bei einem gutmüthigen Romanschreiber, noch zu guter Letzt mit einer soliden Heirath!« sagte Madelon zu ihrem schweigsamen Reisebegleiter, dem alten Marquis Cidevant, indem ein wehmüthiger Spott ihre Lippen umschwebte, während der Wagen auf der Straße nach Paris forteilte. – »Was meint Ihr dazu, guter Marquis, wenn ich mir noch den Dey von Algier heirathete? Nun, nun, macht nur kein so ironisches Gesicht, es soll ein ganz hübscher Mann sein, der Dey, der jetzt anfängt, sich in Europa zu cultiviren. Er besucht fleißig das Theater in Neapel, und soll neulich bei der Aufführung der »Italienerin in Algier« L'italiana in Algeri (1813), Oper von Gioacchino Rossini (1792-1868). Thränen der Rührung geweint haben. Schon darum ist er mir als ein gefühlvoller Mensch sehr viel werth, und er soll auch wirklich nicht selten Zeichen von Geist von sich geben, wenigstens in den Stunden, wo er nicht raucht, und nur das soll ein Unglück an ihm sein, daß er den ganzen Tag über raucht. Wenn er mein Mann würde, möchte ich ihn dazu bereden, in seiner ländlichen Einsamkeit ein ›Journal für Liebende‹ herauszugeben. Was meint Ihr dazu, Marquis Cidevant?« – –

Die großen Weltereignisse der letzten Zeit hatten in Paris eine frische und lebensvolle Stimmung verbreitet, von der sich die dorthin zurückgekehrte Madelon sehr wohlthätig angesprochen fand, besonders im Contrast mit den innerlich beklommenen und krankhaft verwirrt gewesenen Gefühlsverhältnissen, welche sie auf ihrem Ausfluge nach Deutschland bei ihren dortigen Landsleuten erlebt und erfahren hatte. –

In dem Garten hinter ihrem Hause steht, unter Blüthengesträuchen verborgen, ihre einsame Statue, welche ein Kunstwerk der Liebe war, aber mit einem kalten Herzen, das nie mehr zu glühen geneigt ist, wandelt sie jetzt in ihren Abendspaziergängen an ihrem Bilde vorüber, und schwört es sich selbst zu, daß sie sich auf immer der Liebe verschlossen habe. So scheint sie sich durch eine von ihrer seltsamen Mutter her ererbte Laune des Charakters ihr schönes Leben in den zum Genuß noch berechtigtsten Jahren zu trüben, so scheint auch diese mit den herrlichsten Eigenschaften für das Leben ausgestattete Natur nur ein Glanzbild der Wehmuth zu sein. An einem treuen Herzen, das für sie schlüge, würde es ihr nicht fehlen, denn sie ist für Dubois der einzige Gegenstand seiner Sehnsucht. Sie zeigt sich dem jungen geistreichen Romantiker auch gar nicht abhold, aber seinen dringenden Bewerbungen um ihre Hand weicht sie noch immer eigensinnig und zurückweisend aus, und sie würde ihm das, was er als das höchste Glück in Anspruch nimmt, gern gewähren, wenn sie nicht vielmehr sich selbst jedes Glück und jede heitre Zukunft standhaft zu verweigern entschlossen wäre. –



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