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Sechzehntes Kapitel.
Einige Haustiere

Ich erwähnte schon, daß der Priester mich während meiner Kindheit eine Menge über Tiere lehrte. Aber nie ermunterte er mich, sie zu zähmen. Mit Ausnahme eines Hundes hatte ich außer Kühen, Kamelen und Elefanten nie ein Haustier gekannt. In unserem Hause gab es zu jener Zeit nicht einmal eine halbwilde Katze.

Aber nachdem ich den Santal aus dem Zirkus mit drei Tigern hatte spielen sehen, beschloß ich, mir eigene Tiere zu halten, um mit ihnen Kunststücke zu vollführen. Bevor man Kunststücke machen kann, muß man ein paar Tiere besitzen, und da es mir zuwider war, sie in Fallen zu fangen, mußte ich mir auf irgendeine andere Weise ein Tier beschaffen.

Zu meinem Glück brauchte ich nicht lange zu warten. Gegen Mitte Februar fing ich mir ein Ichneumon, das ich hilflos im Walde umherlaufend fand. Es war etwa eine Woche alt. Es war nicht die Jahreszeit für Ichneumons, Junge zu haben, darum brachte ich es, in der Annahme, daß seine Eltern tot seien, mit nach Hause, statt es seinen Weg zum sicheren Hungerstod gehen zu lassen.

Während der ersten vierzehn Tage oder so fütterte ich es mit Milch, Käse und anderer Pflanzennahrung; im Frühsommer ließ ich es dann frei laufen und kleine Schlangen fangen, als die Frühjahrseier ausgeschlüpft waren.

Von einem seiner Streifzüge nach Schlangen kehrte es mit einem zweiten Ichneumon heim. Das letztere war kräftiger, älter und äußerst scheu vor menschlicher Gesellschaft. Ich schloß, daß das große ein Freund von unserem Bendschi, dem kleinen Ichneumon, sei. Das ältere Tier kam selten ans Haus. Es kam in den Hof, spielte eine Weile mit dem kleinen Kerl und verabschiedete sich dann von ihm, wenn seine Schlafenszeit da war. Hin und wieder kletterten bei Sonnenuntergang beide auf einen großen Heuschober und saßen dort und sannen in tiefster Stille über das Ende des Tages nach. In der Tat schien Ichneumon senior Bendschi in der Kunst zu unterweisen, still zu sitzen, bis die Dämmerung vom weiten Land Besitz ergriffen hatte. An all dem war in Indien, wo Männer und Frauen während Sonnenaufgang und Sonnenuntergang beten, meditieren oder irgendwelche religiösen Bräuche vollziehen, nichts Überraschendes. Ich glaube zuverlässig, daß so wie die Menschen auch manche Tiere eines Landes handeln. Religion ist nicht vom Menschen erschaffen. Auch Tiere üben sie.

Eines Tages gegen Mitte Juni, als es sehr trocken war, lief Bendschi am frühen Morgen weg. Fast sechs Monate lang ließ er sich nicht blicken. Wir alle kamen zu dem Schluß, daß wir ihn verloren hatten. Er war in die Wildnis zurückgekehrt. Ich, der ihm die Freiheit geschenkt hatte, war ihm wegen seiner Rückkehr in die Natur nicht böse, obgleich es sehr schwierig war, ein anderes, ihm ähnliches Ichneumon zu finden. Inzwischen hatte ich ein Dutzend ans Haus gewöhnte Tauben, ein Kaninchenpaar und einen jungen Panther zu versorgen, was meine Tage ausfüllte. Ich hatte auch einen Hund, aber den rechnete ich nie zu meinen Pfleglingen. Sein Name war Sarameya; der Kürze halber nannten wir ihn Sar.

Man spürt vielleicht den Verlust eines Ichneumons nicht, aber es ist sehr schwer, seinen Platz auszufüllen. Kein anderes Tier ist ihm ähnlich. Sar, der Wolfshund, vermißte es sehr. Sar teilte seines Großvaters wilde Wolfsnatur und pflegte mit Bendschi in den Wald hinauszulaufen. Nun, da dieser davongegangen war, war der Hund sehr unglücklich. Die halbe Zeit wußte er nicht, was er mit sich anfangen sollte. Er lungerte im Dorf umher, wie die meisten Hunde tun, und lief von Zeit zu Zeit in den Dschungel, um festzustellen, ob Bendschi nach Hause zurückkehrte. Es war ein jämmerlicher Hund, mit dem wir es fast einen Monat lang zu tun hatten, der entweder die Treppe hinauflief oder das Haus verließ, um die ganze Gegend nach Spuren des wiederkehrenden Ichneumons abzusuchen. Nach Sar empfanden die Tauben die Abwesenheit des Entschwundenen am bittersten. Er war ihr Spielkamerad. Selbst der Hund konnte sein Versteckspiel nicht so gut spielen. Das pflegte mit einem piepsenden Ton unten anzufangen, was hieß: »Tauben, seid ihr bereit?« Diese Vögel schauten dann einander an, putzten ihr Gefieder und sagten nichts. »Tschiep!« wieder von unten. Die Tauben sahen gleichgültiger aus denn je, hatten aber doch ein wachsames Auge auf die Treppe. Aber kam das Ichneumon? Noch nicht. Es war nicht so töricht. Die Tauben glaubten, daß der Ton sie nichts anginge. »Es war ein Irrtum, Bendschi hat wahrscheinlich mit jemand anderem gesprochen«, sagte jeder Vogel bei sich. Statt das Ichneumon zu erwarten, fingen sie an sich untereinander zu vergnügen. Kaum hatten die Tauben in ihrer Wachsamkeit nachgelassen, als der kleine Bursche wie ein schwarzer Blitz treppauf schoß, mit gespitzter Nase und Augen rot wie glühende Kohlen. Die Tauben sprangen auf und flohen wie vor einem Falken vom Dach. Das Spiel hatte begonnen. Wann und wo immer eine Taube sich aus der Luft herunterließ, jagte Bendschi sie davon, ehe ihre Füße das Dach berührten. Dann schoß eine sehr dreiste Taube herab; da sprang Bendschi auf, um sie zu fangen, aber ach, das vierfüßige Kerlchen verfehlte immer sein Ziel. Nie erwischte er auch nur eine Feder.

Jetzt war niemand da, mit dem man spielen konnte. Der Hund tat sein möglichstes, die Tauben vom Dach zu jagen, aber sein Körper war so schwer, daß er niemals schnell darüber hinlaufen konnte. Er schien das Ende des Daches zu erreichen, bevor er richtig in Gang kam. Außerdem rissen die Tauben gleich endgültig aus. Sie taten nichts für ihn. Die Wahrheit zu sagen, hatten sie ein bißchen Angst vor Sar. Seine Größe und Länge und sein tiefer Rachen ließen ihn fürchterlich erscheinen, während Bendschi klein war und unschuldig aussah. Aber die Tauben wußten nicht, daß die scharfen Zähne des Ichneumons ihnen mehr Schaden zufügen konnten als die eines Hundes. Übrigens war Sar darauf abgerichtet, keine Haustiere zu verletzen, sei es eine Katze, ein Vogel oder eine weiße Ratte.

Sar jedoch hatte einen richtigen Spielkameraden an einem anderen Tier. Ich habe schon ein Pantherjunges erwähnt, es wurde mir von meiner Tante zum Geschenk gekauft. Wir bekamen es von einem Yarkhandi-Händler, der durch unser Dorf zog. Die kleine Katze nannten wir Mita, die Freundin, und wir lehrten sie unseren großen Hund zu lieben.

Als Bendschi in den Dschungel entlief, war Mita sieben Wochen alt. Ihr Kleid fing an, jene gefleckte Pracht anzunehmen, die jede Beschreibung übertrifft. Das schimmernde goldene Fell war mit zarten und zahllosen tiefbraunen Tupfen gefleckt; obwohl sie klein waren, ließ ihre Menge sie doch erstrahlen wie runde dunkle Schmetterlinge auf gelber Seide. Und wenn sie, die Trägerin eines solchen Felles, auf einen Baum kletterte, verbarg das Laub sie vollkommen; sie verschmolz mit seinem Braun, Grün und Gelb, als sei sie ein Teil des Astes, auf den sie sich schmiegte.

Selbst die scharfen Augen des Hundes Sar konnten nicht entdecken, wo sie sich verbarg. Er pflegte zu heulen und ein Zeichen von ihr zu fordern. Und unwandelbar erhielt er nach einer langen Weile des Bettelns am Fuß des Baumes ein ehrfurchtgebietendes »Jaul« von oben, eine Mischung aus Miauen und Heulen. Obgleich unverständlich, hatte diese Antwort doch etwas Entschiedenes an sich. Sie jagte den Hund unter dem Baum weg. War es, daß die Katze dem Hund durch ihren Schrei zu verstehen gab, daß im Grunde genommen ihre Rasse kein Freund der seinen war? Oder war es bloß, daß das Weibchen die Serenade des Männchens abwies? Wie auch immer, es ließ sich nicht verbergen, daß im Gemüt dieser Katze etwas Trauriges wohnte.

Was tat ich zu ihrer Erziehung? Vor allem bekam sie niemals ungekochtes Futter zu fressen, und statt Fleisch irgendwelcher Art wurde ihr nur gekochter Fisch gegeben. Selbst Hammel und Hühnchen waren Mita unbekannt, bis sie sechs Monate alt war.

Zwei Dinge werden jedem Tier gelehrt: der Geschmack am Blut und die Furcht. Sehr wenige Geschöpfe werden mit dem Hang zu dem einen oder anderen geboren. Unser Plan bei Mitas Aufzucht war, sie von frischem Fleisch fernzuhalten, und da unsere kleine Gemeinde in Mayavati Schafe, Kühe, Hühner und Schweine besaß, wäre es verhängnisvoll für die junge Pantherin gewesen, wenn sie Geschmack an deren Fleisch gewonnen hätte, sei es nun roh oder gekocht; da aber eine Katze irgendeine Art von tierischer Nahrung für ihre Mahlzeit braucht, verfielen wir darauf ihr Fisch zu geben, und selbst der war niemals ungekocht. Ich kann schwören, daß Mita, wäre der Grund zu ihrem Geschmack nicht mit dieser Ernährungsweise gelegt worden, sehr früh Hühner oder Schafe um des Wohlgeschmacks ihres Blutes willen getötet haben würde. Hätte sie das getan, dann hätte sie nicht frei in Mayavati herumlaufen dürfen.


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