Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwey und zwanzigstes Kapitel.
– – Cicerone disertius ipso.
Martial.

Der Herr Premierminister freuete sich innerlich, daß er jezt der Nothanker seines hohen Principals in einer Verdrüßlichkeit war, zu der er nichts beygetragen hatte. Er sah zwar keine Auskunft in dieser Sache, aber das kümmerte ihn nicht. Er setzte sich hin, und elaborirte eine zierliche Rede, und als er sie so weit ins Gedächtniß gebracht hatte, daß er sich getrauete sie wohl vor dem Kaiser herzubeten, ließ er sich von seiner Frau nochmals überhören, und berief das geheime Konseil ausserordentlich zusammen. Als die Herren versammelt waren, stand er auf, räusperte dreymal, und sprach wie folget:

»Ich habe Sie auf Befehl Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden, unsers gnädig gebietenden Herrn, zusammen vociren lassen, meine Herrn vom geheimen Konseihl, um mit Ihnen über eine für das Vaterland sehr erhebliche Angelegenheit zu rathschlagen. Was sage ich, erhebliche? Es ist die allerwichtigste Angelegenheit.«

»Sie wissen, weise und erhabne Väter des Staats, daß der unerbittliche Tod die Tage des wohlseligen Schweinehirten der Lindenbergschen Nation weggemähet hat, und mögen wir wohl ausrufen:

Quis desiderio sit pudor aut modus
Tam
unentberlichen capitis!

Unsers hier gegenwärtigen theuersten Herrn Hochwohlgebohrne Gnaden, Ich, Sie, meine Herren, die ganze Gemeine, die ganze Welt, kurz: Jedermann weiß, daß das Amt eines Hirten ein gar wichtiges Amt, ein Amt multi ponderis sey. Ich vor allen weiß das aus der Erfahrung, da ich die Ehre habe, meine Herren, Ihr Hirte zu seyn. Ich will aber bey einer so feierlichen Okkasion nicht von mir reden.«

»Einem jeden, das wissen Sie, weise Väter des Staats, weil es weltkündig ist, Einem jeden ist sein zeitliches Vermögen die angelegentlichste Sache. Ein großes Theil ländlicher Glücksgüter bestehet in Vieh. Die Schweine sind ein großes Theil des Viehes. Also ist der Mann, dem eine ganze Gemeine ein so beträchtliches Theil ihres Reichthums anvertrauet, ein sehr wichtiger Mann. Ich will hier nicht von den Kenntnissen, von der Arbeitsamkeit, von der Geduld reden die zu einem solchen Amte erfoderlich sind und die sich niemand recht vorstellen kann, der nicht entweder selbst Schweinhirte gewesen ist, oder sich wenigstens mit Erziehung einer blühenden Jugend beschäfftiget hat. Ich will Ihnen nur bloß die Wichtigkeit des Mannes an sich selbst zu bedenken geben.«

»Helfen Sie mir jezt überlegen, meine Herren vom geheimen Konseihl! Schämen Sie sich der Arbeit und des Schweißes fürs Vaterland nicht. Die Ochsen stehen am Berge, und der Karrn steckt im Sumpfe. Helfen Sie mir, meine Herren, auf die Ochsen unsrer Erfindungskunst wacker losschlagen, daß der Karrn aus dem Sumpfe der Verlegenheit erlöset und über den Berg der Schwürigkeiten gezogen werde. Ueber die Schwürigkeiten darf ich mich wohl nicht weitläuftig ausbreiten. Die Kinder auf den Straßen reden davon. Nur darum bitte ich Sie, beschwöre ich Sie bey meiner und Ihrer Würde, bey unsrer Pflicht, bey dem Namen des Vaterlandes, einen solchen Entschluß zu fassen, der der Ehre dieser Versammlung würdig, und der Wichtigkeit der Sache, als worauf die Wohlfarth eines ganzen Staates beruhet, angemessen sey Dixi.«

Nun erhob sich der Herr Leibpoet, und entschüttete sich folgerder Rede, auf die er aber nicht stüdiret hatte:

»Schon lange, allervortrefflichster Monsieur le Premier, schon lange sind Euere Herrlichkeit der Gegenstand meiner pflichtmäßigen Bewundrung, Sie der das Ruder des Staats, die Feder der Autorschaft, das Plektrum des Orbiliats, und die kritische Karbatsche mit gleicher Weisheit, mit gleicher Kraft, und mit gleicher Geschicklichkeit respektive schwingen und führen.«

»Ich ehre in Euerer Herrlichkeit den Eifer fürs Vaterland, den Sie in uns anzufachen sich rühmlichst, aber ich darf sagen zum Ueberfluß, bestreben. Denn wir alle glühen fürs Vaterland.«

»Euere hochgebietende Herrlichkeit bitte ich, von mir besonders zu glauben, was ich meinestheils von allen diesen Herren versichert bin: daß ich es für sehr nothwendig halte, die erledigte Stelle mit einem solchen Mann zu besetzen, der einem solchen Amte völlig gewachsen sey. Ich getraue mir auch zu behaupten, daß es in Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden Gebiete an mehreren hierzu tüchtigen Subjektis keinesweges fehle. Die Schwürigkeit ist nur diese, daß keiner von den Wahlfähigen Männern zu einem Amte welches viel Patriotismus, und Schweiß fürs gemeine Beste erfodert, Lust bezeugt. Da nun Ew. Herrlichkeit uns auffodern einen der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schluß zu fassen, und mein Rang mich verpflichtet, meine Stimme zuerst zu geben: so bin ich der Meynung, man müße, ehe wir zu einer, ohne diese Vorsicht, vielleicht unnützen Wahl schreiten, vorher ein unwiderrufliches Gesetz machen, daß jeder Unterthan Seiner Gnaden, der vom geheimen Konseil zu einem Amte ernennet wird, solches unverweigerlich annehmen müsse, bey schwerer namhafter Pön, er müßte denn solche Gründe vorbringen können, die das Konseil selbst für annehmlich und gültig erkennen würde.«

Hiermit nahm der Herr Kabinetsminister und Schloßpoet seinen Platz wieder ein. Der folgende, Herr General- Ober- Finanz-, Domänen- und Oekonomie-Intendant, Herr Georg Detri, ein Mann dessen Art es nicht war viel Worte zu machen, stimmte ganz kurz dem Leibpoeten bey. Herr Staatsminister Peter Fix, als ein Genie, machte schon ein bischen mehr Worte und, obwohl im Grunde mit dem Poeten einig, hatte er doch einige Klausuhle beyzufügen. Die andern Herrn, als der Herr Staatsminister und Ober-Schloß- auch Land-Jägermeister, der lahme Paul genannt, weil er sich eines Stelzfußes bediente, der Staatsminister und Chef von der Garde du Korps (eigentlich der Schloß-Nachtwächter) Hannes Meyer, u. s. w. gaben ohne Umstände ihren Beyfatz. Da also des Leibpoeten Vorschlag alle Stimmen hatte, konnten Monsieur le Premier nicht anders als ihn genehmigen, und Seine Gnaden gaben Dero Assent zu der Bill.

Monsieur le Premier hatten nicht die mindeste Ahnung davon, daß der Poet aus altem Groll gegen Seine Herrlichkeit, und das changeante Genie aus angebohrnen Neid, schon längst unter der Hand alle Glieder des Konseils auf ihre Seite gebracht hatten, um das Sauhirtenamt einen Manne aufzuladen, den der erste Minister unter allen Menschen am wenigsten dazu ernennet haben würde; und daß dieses Gesetz eine garstige Falle war, die sie Seiner Herrlichkeit stellten.

Als nun das Gesetz förmlich zu Papier gebracht und behörig paraphiret war, kam man der Sache näher und der Herr Premierminister schlug vor, einen ordentlichen Wahlaufsatz von tüchtigen Subjektis zu machen, aus denen man einen Hirten wählen könne. Der poetische Minister stand abermals auf, und verwarf diesen Vorschlag, indem er folgendes ad Protokollum gab:

»Mit aller Ehrerbietung, welche Votirender vor der Meynung Seiner Herrlichkeit hat, achtet er einen Wahlaufsatz für desto unnöthiger, da in dem ganzen Gebiete Seiner Gnaden nur ein einziger Mann ist, dessen übrige Geschäffte sich mit einem so beschwerlichen Dienste vertragen. Der Ackermann würde immer seinen Feld- und Gartenbau vorschützen, und das geheime Konseil würde bey derley Exceptionen acquiesciren müssen, um so mehr, da er mandato generosissimi Domini nostri, sämtliche hohe und niedre Landesbediente, von Seiner Herrlichkeit dahin angewiesen sind, den Landbau besten Vermögens zu befördern. Zudem ist der einzige Mann der eifrigste Patriot in Seiner Gnaden ganzem Gebiete, eine Wahrheit die niemand bezweifeln wird, so bald ich ihn genannt haben werde. Seine ordentlichen Geschäffte sind auch von der Art, daß sie sich mit dem Hirtenamte sehr wohl vertragen. Ich werde nicht anstehen ihn zu nennen, so bald es per majora entschieden ist, daß der Aufsatz entbehrlich und unmöglich sey.«

Die andern Herren verwarfen einstimmig den Aufsatz, bloß Herr Fix nicht, weil er wohl wußte, daß seine einzige Stimme nichts entscheiden würde. Doch drang er mit den übrigen darauf Herr Süß müsse seinen Kandidaten nennen. Dieser erklärte sich hierauf also:

»Euere Herrlichkeit, Monsieur le Premier, sind es selbst, die einzig und allein zu dem Amte, dessen Wichtigkeit Sie uns so eben mit aller Wahrheit und Nachdruck schilderten, wahlfähig seyn können. Dero Hauptgeschäfft ist die Schule, welches ich daher beweisen würde, daß das geheime Conseil zur Winterzeit erst nach geendigten Schulstunden gehalten wird, wenn es eines Beweises bedürfte. Da nun hiesiger Lande des Sommers keine Schule gehalten wird, und des Winters keine Schweine ausgetrieben werden, auch Dieselben durch die Schularbeiten zur Geduld hinlänglich gewöhnet sind: so gebe ich hiermit mein Votum dem Herrn Premierminister zu der erledigten Sauhirten Stelle.«

Dem Ludimagister schwoll der Kamm. Er wollte das Obstat halten, aber umsonst. Herr Süß überschrie ihn, und behauptete die Wahlfreyheit, verwies ihn auch auf das eben erst gemachte Gesetz. Kurz, der Herr Premierminister und Präsident der historischen Societät ward einstimmig zum Schweinhirten mit dem Titel eines General-, Hut- und Weideinspektors erwählet, und Seine Gnaden konnten nicht anders als die Wahl konfirmiren.

Es blieb dem Herrn Minister nichts übrig als sich in Geduld zu fassen, und einstweilen die Sache hinters Ohr zu schreiben. Er war genöthigt sein neues Bahntje durch seine Frau Gemalinn und ältesten Herrn Sohn verwalten zu lassen. Und die Frau Premierministerinn hatte auch eine so vortreffliche Hand zum Hüten, daß das Vieh wundersames Gedeihen hatte. Es währte aber kein halbes Jahr, so fand Herr Schwalbe eine schöne Gelegenheit, es dem Herrn Leibpoeten einzutränken. Der Küsterdienst an der hochadlichen Pfarrkirche wurde vakant, und in Ermangelung eines andern Subjekts mußte sich der Herr Schloßnachtwächter, oder Chef von der Garde bequemen, Küster zu werden, weil er sein Wächterhorn recht taktmäßig blies, und eine schöne Stimme hatte, die Stunden zu rufen. Da wußte es nun der Prämierminister so zu karten, daß der Herr Leibpoet den Nachtwächterdienst übernehmen mußte.

Wie aber zuletzt mein lieber ehrlicher Pfarrer starb, dessen Geschichte ich mit nächsten auf Subscription drucken lassen werde: da nahm das Indigenat ein Ende, weil in ganz Lindenderg kein Eingebohrner war der Theologie studiret hatte, und das Konsistorium keinen untheologischen Pastor anerkennen wollte.

 


 << zurück weiter >>