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Siegfried von Lindenberg, eine komische Geschichte

Erstes Kapitel.
Ohne welches der Leser alle übrige nicht wohl verstehen wird

Es war einmal ein Edelmann im Pommerlande, der ein Schloß hatte, und ein Paar Hufen Land umher, und ein Dorf, wo Bauren drinn wohnten, und etliche hundert Bäume, die er seinen Forst nannte, und sechs räudige Köter, die hieß er seine Kuppel, und wer ihm die schief ansah, der griff ihm an die Seele. Sie hatten auch jeder ein hübsches ledernes Halsband um, mit blanken meßingenen Buchstaben drauf, und meßingenen Schlössern dran; und des Sonntags blaue sammtne Halsbänder mit Silber gestickt. Es giebt zwar häßliche Lästermäuler, die sich nicht scheuen auszubreiten, es sey nur blauer Manschester und unächtes Silber: ich aber, der ich beydes gesehen habe, und ohne Ruhm zu melden wohl weiß, was Manschester sey, versichre jeden, dem daran gelegen ist, daß es ächter Sammt und ächtes Silber war.

Es war auch ein Nachtwächter auf dem Hofe, der ein Horn hatte; und ein viereckigter Tölpel mit einem Stelzfuße, das war der Jäger; auch stand ein Pfal mit einem Halseisen mitten auf dem Schloßplatze, und draußen vor dem Dorfe ein Galgen, denn der Edelmann hatte die hohe und niedre Gerichtsbarkeit. Daher war auch ein Justitiarius im Schloße, welcher dermalen auch ein witziger Kopf war und ein großer Satirikus – nach seiner Meynung; zwo Eigenschaften, die eben nicht zu seinem Amte erfodert wurden, und wovon man die letzte billig als ein Symptoma seines Advokatengewerbes, welches er nebenbey trieb, anzusehen hat. Das muß man ihm aber lassen, daß er kein unrechter Poet gewesen seyn würde, wenn er zum Ausstreichen Muth, und zum Feilen Geduld gehabt hätte. Uebrigens war er wirklich, was die Poeten alle von sich vorgeben, ein großer Liebhaber starker Getränke.

Der Edelmann hatte auch eine Kirche in seinem Bezirke, und das Jus Patronatus. Auch war ein Ludimagister auf dem Gute, der den Bauerjungen das A, B, ab einpeitschte, und Seiner Gnaden die Avisen vorlas. Dieser Mann wußte auf jegliche Frage eine Antwort, denn er war nichts geringers als ein Polyhistor und Originalgenie. Daher war er denn auch des Junkers Faktotum und Orakel, wie der Verwalter zu sagen pflegte; der Justitiarius aber, der seinen Ausdruck besser wählte, behauptete immer, der Schulmeister sey dem Edelmanne das, was das Gewicht dem Bratenwender ist. Beyde haben im Grunde Recht; denn, so oft unsre Leser bey diesen Blättern eine Lust zu lächeln oder zu lachen anwandeln wird – und wir mögten wohl prophezeihen, daß das nicht selten geschehen dürfte, wenn sie sich nur durch die Paar ersten Kapitel hindurch gearbeitet haben – so könnte wohl der ehrsame Ludimagister, wo nicht ganz, doch zum Theil, den Dank dafür verdienen.

Man pflegt so gern auf den Zufall zu lästern, aber man sage davon was man will, er thut dem Menschengeschlecht überhaupt mehr zu Gefallen als zum Possen. Der Ludimagister hatte die Gewohnheit jedes bedruckte Papierchen, das er aus den Krämerladen kriegte, sorgfältig durchzustudiren; auf diese Art schnappte er manchen fetten Bissen Gelehrsamkeit weg. Er konnte ein bischen Latein, und der Zufall war ihm einmal so günstig, daß er ihm, da er ein paar Loth Schnupftoback aus dem nächsten Städtchen mitbringen ließ, zwey Blätter aus des hochgelahrten Henrici Smetii Prosodey bescherete. Da hatte er nun, einen griechischen Vers aus dem Oppian ungerechnet, den er nie brauchte, weil er ihn nicht lesen konnte, einen hübschen Vorrath von hundert zwey und siebenzig Brocken aus verschiedenen lateinischen Dichtern. Das schien ihm zu einem ziemlichen Anstrich von Lektüre schon hinlänglich; und Gott weiß, ob er diesen Vorrath fleißig im Munde führte! Man hätte schwören sollen, er habe sich nach Herrn Partridge lateinischen Andenkens gebildet; es ist aber erweislich, daß er von dem Manne so wenig wußte, als wenn derselbe nirgends existiret hätte, weil vom Tom Jones noch all mein Tage kein Exemplar in die mörderischen Hände eines Krämers sich verirret hat. Eben so wenig hatte er irgend einem Gelehrten den üblichen Kunstgriff zu danken, seine Quellen sorgfältig zu verbrennen, nachdem er sie auswendig gelernet hatte; er hatte ihn selbst erfunden. Auf die Art konnte er manches für seine eigne Gedanken geben, und in Absicht der hundert zwey und siebenzig Brocken jeden Dichter so kecklich citiren, als wenn er ihn selbst gelesen hätte, und ich hätte den sehen wollen, der seine Glaubwürdigkeit in Verdacht hätte ziehen dürfen.

Die andern Personen, die in diesem goldnen Büchlein vorkommen, wird der geneigte Leser, so wie Zeit und Ort es mit sich bringen, kennen lernen.

Wir hatten uns vorgenommen zu sagen, was unser Edelmann hatte; und das wäre, so viel für jetzt Noth thut, so ziemlich ins Reine gebracht. Wir gehen nun weiter, und melden, was unser Edelmann war. Dabey können wir uns denn, so viel dieses Kapitel betrifft, beliebter Kürze bedienen, weil alle folgende Kapitel überflüßig seyn würden, wenn der Leser aus dem gegenwärtigen den Edelmann im Pommerlande vollständig und mit allen seinen Grillen und Launen kennen lernte. Doch über seine Erziehungsgeschichte müssen wir uns wohl etwas weitläuftiger ausbreiten, damit unsre Leser ihm für keine Mißgeburt halten mögen.

Grillen hatte er also und Launen; das ist uns entwischt. Sonst war er eine so gute Seele von Junker, als jemals eine unter Gottes Sonne gelebet haben mag: schlecht und recht; ohne Komplimente, mithin ohne Falsch; nicht sehr vertraulich, aber offenherzig und bieder, und so weiter, wie man ihn in der Folge finden wird. Aber, bey alle dem wollt ers wissen, daß er ein Edelmann sey, – und zwar, wie Seine Gnaden sich ausdruckten: so gut ein Edelmann, als der Kaiser.

Er trug eine heßliche Stutzperüke,und einen zottigten, grünen Friesrock über seinen Pelz; in Sommertagen aber auch wohl eine Schwanzperüke und seinen Dolman, ohne Pelz und Friesrock, weils ihm so luftiger und leichter war, und er sich noch immer mit Entzücken dran erinnerte, daß er von der Wiege an bis in sein vierzehntes Jahr Kornet unter einem Husarenregimente gewesen war. Auch pflegte er sich immer herzlich über die Heldenthaten zu freuen, die er hätte verrichten können, wenn er im Dienste geblieben wäre. Sein langer Schnurrbart hieng in zween Knoten herab, und stand gar herrlich zur runden Stutzperüke. Seinen großen altmodischen Hut umstralte eine breite goldne Kutschertreße. Seine hirschledernen Scharivari giengen, wie ich wohl nicht zu erinnern brauche, bis unter die Knöchel herab. Die gelben Halbstiefel waren, wie sichs gehört, mit Eisen unterlegt, und dienten einer dick mit Silber beschlagenen Meerschaumnen Pfeife, für die wenigen Augenblicke, die ihr Besitzer ohne Rauchen zubrachte, zum Quartiere. Den Anzug vollendete ein silberner Säbel, der nie von seiner Seite kam, und unter dem grünen Friesrocke hervor hinter Seiner Gnaden herschleppte.

So von innen und außen fiel der Edelmann im Pommerlande jedem der ihn sah, gleich in der ersten Minute ins Auge.

Seine Gnaden wohnten fast immer zu Pferde, und ritten am liebsten junge, schnellfüßige, unbändige Hengste, mit denen sie meisterhaft umzugehen wußten, und deren Zeug mit Schnakenköpfen prunkte.

 


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