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Zwanzigstes Kapitel.
– – Paulo maiora canamus. Virg.

Unser Edelmann hatte nun Einmal den Ehrgeiz keinem Menschen, er mogte Kaiser, König, Herzog oder Fürst seyn, das mindeste voraus zu lassen, ohne manchmal, wie doch wohl zu rathen gewesen wäre, zu überlegen, daß auf einem Rittergute nicht allemal thulich sey, was in einem großen Königreiche wohl angehet. Aber er war nun so. So bald er hörte, dieser oder jene König habe dieß und das gethan, und die Königliche Handlung schien ihm nützlich, oder groß, oder sie ward nicht gerade zu von dem Herrn Präsidenten getadelt: flugs war er bey der Hand, und that eben das, oder noch einmal so viel.

Er fand eines Tages, wie ein gar schweres Ding es sey, Land und Leute zu regieren, daß es eine Art hätte.

Das kömmt zum Theil davon her, sagte der Präsident, daß Eu'r Gnaden die ganze Last allein tragen. Wenn ich andre große Herren bedenke, die haben ihren Konseihl, und ihre Kabinetsminister und Kriegsminister und Domänenräthe und Cirkumferenzräthe und wer weiß was alles. Die machen sichs kommode. Aber Eu'r Gnaden haben keinen Menschen, und sorgen für alles allein.

»Blix! 's ist auch wahr, mein Seel! Will mir auch nicht mehr so strapenziren. Will auch 'n Kunseihl zulegen. Aber – laß mal hören, Herr Prätendent, wo soll ich die Manisters herkriegen?«

O! Eu'r Gnaden, da ist Rath zu. Ich darf wohl sagen, mit hoher Permission, daß Eu'r Gnaden mit guten Leuten umgeben sind. Nicht eben, daß ich mich rühmen will, denn propria laus riecht nicht nach Biesam, wie das Adagfum sagt: aber ich sollte wohl, meines Dafürhaltens, keinen unebnen Premierminister abgeben. Und da ich schon Präsident bin ...

»Er ist 'n Flegel, Herr Prätendent, mit Gunst zu melden. Er wollte werden? – Er mag den Kukuk werden. Ist er'n Edelmann? hä?«

Nein, Eu'r Gnaden, aber ich konnte ...

»Was könnt Er? Den Hagel auch! Er könnte sich nobeltiren lassen, meint er. Da wär Er'n Esel! Nee, Nee, Herr Prätendent, sey er kein Narr! Mama seliger pflegte immer zu sagen, wir alten Edelleute hätten die neuen doch man zum Narren, wenn wir auch noch so freundlich mit ihnen thäten. Nee, bleib er was er ist.«

siehe Bildunterschrift

Der Blix, Lectoris, 's ist doch 'n schweres Dings Land und Leute so recht zu regieren, dass es 'ne Art hat!

Aber, Eu'r Gnaden ...

»Aber, aber! Alle Hagel noch mal, so muß er mir nicht kommen. Das muß ich verstehn, was zu so was gehört. Manisters, sieht er, das müssen Kaweliers seyn, anderster geht das nicht.«

Das Konseil blieb also noch ein Weilchen ausgesetzt. Indessen lag es beyden Parteyen sehr am Herzen, dem einen, Premierminister zu werden, dem andern Ministers zu bekommen. Wir werden künftig schon noch sehen, wie der Präsident (der gar nicht dran gedacht hatte, sich nobilitiren zu lassen, wie ihm der Junker Schuld gab) die Sache handhaben wird.

An eben dem Tage, da das geheime Konseil im Vorschlag war, las der Präsident dem Edelmanne aus der Zeitung vor, daß der König von Dännemark ...

»Was ist das für 'n Land?«

Ein großes Königreich, will ich die Gnade haben zu sagen. Es liegt – von hier aus gerade dahin, wo ich mit meinem Finger hin weise, in Jütland, wo die Ochsen so gut gedeihen. Wiewohl nicht so recht in Jütland, sondern ein bischen an der Grenze, wo der Weg nach Dithmarschen vorbey geht.

»Versteh all, Herr Prätendent Lektoris. Man weiter!«

– in seinen sämtlichen Staaten (Denn, er hat wohl vier Königreiche, sagte der Schulmeister, wo er König über ist.) das Jus Indigenatus eingeführet habe.

»Kenne das Ding nicht, Herr Prätendent.«

Will's Eu'r Gnaden demonstriren mit hoher Permißion. Es ist ein schweres Wort, und kömmt her von Indigena, welches ein im Lande gebohrner heißt, und von gignere herkommt. Es will also so viel sagen, als das Recht der Eingeburt.

Der Edelmann, dem die Jütischen Ochsen im Kopfe lagen, und der, wie alle leeren Köpfe, eine Idee so leicht nicht fahren ließ, forschte weiter und sprach: »Kann nicht recht klug aus werden, soll kein einländsch Vieh über die Grenze, oder soll kein fremdes im Lande geschlachtet werden?«

Halten zu Gnaden, mit hoher Permißion. Es ist nicht von Ochsen die Rede. Eu'r Gnaden kapiren mich nicht ....

»Was? hat er nicht gesagt, die Ochsen hätten da gut Schick?«

Allerdings, Eu'r Gnaden, aber das war bey Gelegenheit der Geographey, mit hoher Permißion, wo man immer gern ein Wort von den Landesprodukten mit einfliessen läßt. Nun aber ist hier nicht die Rede von Landesprodukten, sondern von Landeskindern.

Es kostete dem Ludimagister Künste, ehe er seinen Patron aufs rechte Fahrwasser brachte. Denn, manche Leute, wenn sie einmal verbaset sind, brauchen lange Zeit, ehe sie wieder aufhören, dämisch zu seyn. Endlich aber, wie der Edelmann es begriffen hatte, freuete ihn die Sache so herzlich, als ihn je etwas gefreuet haben mogte.

»Alle Blix, Herr Prätendent Ordinari, das ist gut fürs Land. Ich will auf meinen Gütern auch 'n Jus Indigenatus machen, so will ich. 'S soll mir mein Seel keiner in meinem Lande zu Brodte kommen, der nicht in meinem Lande gezogen und gebohren ist. Will's stantepe ausfertigen lassen.«

Der Herr Präsident unterließ nicht, diesem Einfall aus voller Lunge zuzujauchzen, ob er gleich wohl sah, daß das Ding hapern würde. Aber eben deswegen gab er so laut seinen Beyfall. Denn er freuete sich im Voraus über die Verlegenheit, worinn der Junker kommen mußte, wenn solche Stellen ledig würden, die sich durchaus mit Bauren nicht besetzen ließen; und da der Einfall nicht von ihm herkam, sondern dem eignen Gehirne des Edelmanns im Pommerlande abgegangen war: so konnten ihm alle die Verlegenheiten nichts verschlagen, so meinte er. Die Zeit wirds lehren, ob er richtig dachte.

Seine Gnaden erhoben indessen ihre Stimme, und riefen: Krischan! – Denn, obgleich beständig eine silberne Klocke auf dem Tische stand, so pflegte der Herr von Lindenberg sie doch anders nicht zu brauchen, als wenn er etwa ein wenig böse auf Christian war; dann galt die Schelle für eine Art von Strafe. Ausserdem aber war er gewohnt, seinen Homme de Chambre immer zu rufen, wie meine Leser längst gemerkt haben werden. Und er that daran auch besser, denn man konnte seine Stimme dreymal so weit hören als die größte Klingel die je ein Kaiser, König, Fürst, oder Herr, – wenns auch ein edelmännischer Bürger wäre, die, wie man sagt die größten Schellen haben sollen, – gehabt hat. Doch nehme ich, nach reifer Ueberlegung, die große Klocke in Erfurth aus.

Die Ursache aber, warum der Edelmann nur in gewissen Fällen klingelte, war ganz einfältig. Er meinte man müste einen Unterschied zwischen Hund und Diener machen. Jenen könne man mit allem Schick gewöhnen, der Pfeife zu folgen, dieser aber sey doch ein Mensch so wohl als der Kaiser, und wohl werth, daß man ihn bey Namen rufen thäte. »Gott Lob, sagte er, daß ich Herr in meinem Lande bin. Aber wenn ich nun, Gott bewahre mich davor! des Königs Brodt essen thäte, als mancher Edelmann thun muß, und wäre Kammerherr oder so was, es würde mich verflucht krapiren, wenn mir der König klingeln thäte. Aber ein rechter König thut auch so was nicht. So einer wird immer sagen: Herr Kammerherr Siegfried, wollen Eu'r Gnaden wohl mal 'rein kommen? so wird er.«

»Krischan! riefen Seine Gnaden, den Seckertär!«

Der Sekretär kam, und erhielt den Auftrag, flugs mit Zuziehung des Leibpoeten und Verwalters, die Verordnung wegen des Indigenats zu fertigen, und gehörigen Orts affigiren zu lassen, auch eine Abschrift davon dem Präsidenten zum Einrücken in die Avise zuzustellen.

Der Präsident, dem das Wort Verwalter längst anstößig und unter der Würde seines hohen Patrons schien, setzte bey der Gelegenheit in die Zeitung: es gienge die Rede, Seine Gnaden würden den Herrn Detri, bisherigen Obereinnehmer und Verwalter, zu Dero Ober- Finanz- und Oekonomie-Intendanten ernennen.

»Ist 'n langer Salm!« sagte der Edelmann.

 


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