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Achtzehntes Kapitel.
Herr Barthel Schwalbe zeigt sich in seiner Größe

Der Pommersche Edelmann hatte kein Bündniß mit dem Teufel.

»In aller Welt, mein Herr, was liegt uns dran, das zu wissen?«

Mehr als Sie glauben, Madam. Denn hätte er ein Paktum mit dem – Gott segne alles was hier ist! gehabt, so wäre es praktisch erwiesen, daß man ein Paktum mit dem Bösen machen könne, welches viel arge gottlose Leute heut zu Tage bezweifeln wollen; wiewohl der Jäger mit dem Stelzfuße das vielfältig hören mußte, sein Vater seliger habe ein Bündniß mit dem Schubbejack gehabt. Zweytens: in diesem Falle hätte der Edelmann alle Sprachen reden können, und er konnte nichts, als sein eignes Deutsch.

Aus diesem zweyten Punkte fließt ganz natürlich, daß der Junker manchen Ausdruck in der berühmten Recension nicht verstand, sondern sich oft vom schwarzen Barthel (so pflegten die Bauren den Schulmeister zu nennen) eine Erläuterung ausbitten mußte. Und die pflegte denn dieser Mann, von dem wir, wie uns dunkel im Gedächtnisse schwebt, schon gesagt haben, daß er auf jede Frage eine Antwort wußte, ihm niemals schuldig zu bleiben. Wir halten die Recension für ein sehr köstliches Stück, darum wollten wir es durch des Junkers Fragen und des Lektors Antworten nicht unterbrechen, und finden es für den Leser bequemer, den Kommentar hier besonders zu liefern. Gleich bey den ersten Worten, An die Najade, unterbrach er den Herrn Lektor:

»Najade? Kenne das Ding nicht, Herr Ordinari!«

Najaden, will ich die Ehre haben Hochdero zu berichten, sind Mädchen die im Wasser leben, wie die blinden Heiden glauben. Das Wort kömmt her von natare, welches so viel heißt als schwimmen.

»Weiß wohl, Schulmeister – Lektoris wollt ich sagen. Aber versaufen die Mädchen denn nicht, hä?«

Behüte! Eu'r Gnaden. Eine Najade kann nicht ertrinken, denn sie ist eine Göttin – wiewohl nicht so eigentlich eine Göttin, aber doch so ein Stück von einer Göttinn, und die Heiden beten sie an.

»Alle Hagel, Lektoris! ist der Justitscharius 'n Heide? Will den Kerl stantepe aus dem Schlosse karbatschen lassen!«

Halten zu Gnaden, distinguendum est: als Justitiarius muß er ein guter Christ seyn, das dank ihm der Kukuk; aber als Poet, da ist er ein Heide. Das schadet nicht. Der liebe Gott weiß wohl, wie das zu verstehen ist. Wir Poeten haben alle das Recht Heiden zu seyn.

»Na, na, das ist was anders. Les' er man weiter.«

– des Rosenbaches. Eine Ode.

»Halt mal! Kann mich wahrhaftig nicht gleich besinnen, was 'ne Ode für'n Ding ist.«

Eine Ode ist – so ein tolles Gedicht das sich reimt, und auch manchmal wohl nicht reimt, und wo kein rechter Menschenverstand in ist, und das den Schwanz hat wo es den Kopf haben sollte.

»Versteh all; 's ist so'n unklug Zeug, als ihr Gelehrten immer kakelt. Man weiter, Lektoris!«

Mit Erlaubniß unsrer Leser wollen wir uns dispensiren, die Zwischenreden des Edelmannes herzusetzen, wenn sie nichts Merkwürdiges enthalten. Man kennt schon längst seine Art Erläuterungen zu fodern und anzunehmen.

Motto sagte Herr Schwalbe, ist so ein Sprüchelchen, das wir Gelehrte gern vorn hin setzen. Es ist so wie das Gold auf einer Weste. – Den Phöbus erklärte er ganz leidlich. Aber über die Venusinischen Schönheiten beliebte ihm, folgendes zu sagen.

Venusinisch, will ich die Gnade haben zu berichten, kömmt her von Venus. Und Venus war bey den blinden Heiden die Göttin der Liebe, eine abscheulich schöne Göttin, von der die Poeten ....

»Halt! versteh all. 'S ist 'ne Venusschwester pflegte Mama seliger zu sagen, wenn sie von der liederlichen Dorthe sprach. Venusinische Schönheiten, ich weiß all, das sind Bordellmenscher, als mein Hofmeister, Gott hab'n selig! sagte. Nicht wahr, Lektoris?«

Halten zu Gnaden, es könnte wohl so viel heißen. Aber hier, mit hoher Permißion, will ich so viel damit sagen als: Gedanken oder Worte, die so schön als Venus sind.

»Na, auch gut. Er muß am besten wissen, was er mit sagen will. Man weiter.«

Sonore Wörter sind solche, die recht hintennach schnarren.

»Wie 'ne Bockpfeife. Versteh all.«

Flakkus war des Kaiser Nero Hofpoet. Er hieß aber eigentlich nicht Flakkus, sondern – ich weiß nicht gleich – ich denke Rasmus oder Radius. Ja, recht, nun besinne ich mich; Rasmus hieß er. Flakkus war nur so ein Ekelname den ihm die Pagen am Hofe gaben, weil er eine große Flachsperüke trug.

»Was? Hält sich der Kaiser Nero 'nen Hofpoeten? Der Blix! ich bin so gut 'n Edelmann als er. Will mir auch 'n Hofpoeten zulegen, der mein Leibpoet seyn soll. – Man weiter, Lektoris!«

Strophen. Das sind Reimgesetzlein. Wenn man eine Ode macht, so läßt man alle vier oder sechs Zeilen einen Fingerbreit Platz. Es ist – – Geruhen Eu'r Gnaden sich vorzustellen, daß das so in Bündelchen getheilt wäre. So ein Bündelchen ist eine Strophe.

Jubelhymnen. Das ist der blinden Heiden ihr Te Deum.

Hekatomben. Da will ich wohl tausend herkommen lassen, die Eu'r Gnaden das Wort wohl unerklärt lassen sollen. Hekatomben, will ich die Gnade haben zu demonstriren, ist ein Hebräisch Wort aus dem alten Testamente, wo die Juden noch opferten, und ist zusammen gesetzt aus Hekatom, das heißt so viel als hundert Thiere, denn Tom heißt ein Thier; und aus Be, welches so viel als ein Schlachtopfer bedeutet. Und also heißt Hekatombe ein Schlachtopfer von hundert Ochsen. Doch können es auch Schaafe seyn. Daher nennen die Juden des Teufels seine Haushälterinn oder Köchinn, ich weiß nicht was sie eigentlich draus machen, Hekate, weil sie ihm zu jeder Mahlzeit hundert arme Seelen braten muß.

»Gott bewahre!« sagte der Edelmann.

Haben meine Leser an diesen Proben des Unsinnes, der Unverschämtheit, und der unbeschreiblichen Unwissenheit des Lindenbergschen Kritikasters genug? – Und müssen sie nicht gestehen, es mangle dem Ludimagister nur bloß an Dummheit, natürlicher Unfähigkeit, und einem Paar großer Ohren, sonst habe er alle Erfodernisse, jährlich ein Opus quadripartitum zu erzeugen das keinem Professorkinde obgedachten Schlages nachstehen dürfe?

»Nee! rief der Edelmann als Herr Schwalbe mit seinem Kritikakel fertig war, hat der Justitscharius wirklich all die hubschen Reimels auf meinen Rosenbach gemacht? – Krischan! – Den Justitscharius!«

Es trat, oder eigentlich: es hüpfte herein ein kleines, zierliches, niedliches, süsses, bebiesamtes, beessenztes, gedrechseltes, und – wie der Lektor versichert, – geschminktes, allerliebstes Männlein, in dessen sauberen Korduanschuhen herrliche Steinschnallen funkelten. Der schönste seidne Strumpf schmückte das wohlgemachteste Beinchen. Schwarze Atlaßne Beinkleiderlein schlugen die artigsten Falten. Ein Westchen von Drap d' Argent mit geschmackvollen Blümchen, und ein dunkeldunkelpurpurfarbnes Röckchen bekleidete das mignonnen Persönchen, und doppelte Spitzenmanschetten umcirkelten die weißen Händchen. Ein Halstuch von weissem Taffet blähete sich unter dem Kinne in einer pauschenden Schleife. Der künstliche Lockenbau des kastanienbraunen Haars, der babylonische Thurm des Krepps nach damaliger Mode, der bläuliche Puder a la Fleur d' Orange, ein grosser grosser Scheffelsack von Haarbeutel durch den ein breiter breiter Postillon d' Amour über die Schultern herüber in den Schlitz des Jabot flatterte, der Syrup der über das ganze Püppchen ausgegossen war, samt dem kleinen Hütchen von Karton mit schwarzem Taffet überzogen, und dem kleinen Porcelanernen Degen – alles das kündigte eher einen Geweiheten der holden Dame von Gnidus, als einen Priester der ernsten und ehrbaren Themis an. Das Männchen tanzte, wenn er gieng; lispelte, wenn er sprach; fragte, wenn er antworten solte; antwortete, wenn er nicht gefragt wurde; verkehrte gar lieblich die Augen; hatte stets den Zahnstocher in der rechten Hand, und die Lorgnette in der linken, und konnte sich sehr fertig auf dem Absatz umdrehen. Er hatte von seiner kleinen Person, sehr niedliche Begriffe, und ein aus Spott und Mitleid gemischtes Lächeln für alles andre; trank, als Dichter, gern starke Begeisterung; sprach gemeiniglich Sentenzen und Sarkasmus, und war ein ganz erträglicher Mensch, wenn er schlief. So sah die Gerechtigkeit auf Lindenberg aus.

»Hör er mal, Herr! mein Ordinari da hat in der neuen Avise ein paar Reimels krimisiret, die er auf meinen Rosenbach gemacht haben soll. Hat er das Dingschen bey sich?«

Nein, gnädiger Herr. Man pflegt so was nicht bey sich zu tragen. Befehlen Sie 's aber, so kann Christian sichs von meiner Frau geben lassen.

»Nee, nee, laß er man seyn. Bin just nicht so gleich drauf versteuret. Kann 's meinen Lektoris man mal geben. Aber Herr, was ich sagen wollt, nicht eins ins ander zu reden, so mag ich das wohl leiden, daß er 'n feinen warmen Raptum hat, wie die Avise sagt, ob 's mir wohl lieber wäre, wenn er sich um sein Knips juris bekümmern thäte: aber daß er seine Frau da vor allen Christenmenschen splitterfaselnackend auszieht, und ihren Tritt und ihre Hüften und alles was sie hat, herweiset, sieht er, das ist 'n Spitakel. Weil er aber doch 'n Karmino auf meinen Rosenbach gemacht hat, so kann er sich dafür 'ne Gnade bey mir ausbitten.«

Die harten Sachen in dieser Anrede, so treuherzig der ehrliche Junker sie auch vorbrachte, frappirten den Richter doch. Er sammelte einen Augenblick Sinnen; drauf sprach er: Darf man sich die Avise wohl auf einen Augenblick ausbitten, von welcher Euer Gnaden sagten?

siehe Bildunterschrift

Hat er das Dingsgen bei Sich?

»Oh ja! gern. Warum nicht? Lektoris, geb er doch mal die Avise.«

Der Justitiarius lief das Blatt flüchtig durch, und als er sich von dem guten Willen des Herrn Lektors sattsam überzeugt hatte, entlud er sich seiner Galle folgendergestalt:

In der That, gnädiger Herr, ihr Lektor ist das erste Recensentengenie unter dem Monde. – Für mich wüßt ich nichts zu bitten; aber erlauben Sie mir, mich für den Schulmeister zu verwenden. Ich ersuche Sie, den ehrlichen Mann für sein Meisterstück zwo Stunden ans Halseisen stellen zu lassen.

»Wie? – Was? Herr, ist er gescheut? Nee! da wird nichts aus. Was hat der Lektoris gethan? Herr, versteht er sein Juris nicht besser? Daß er ihn krimisirt hat, das ist sein Handwerk. Ich hab 'n zu meinen Avisenmacher gedeklarirt, und er da .. Links um! Schnickschnack! Das ist nicht Kustühm, daß Ihn der Mann gelobt hat, und soll drum ans Halseisen.«

Gnädiger Herr, ich habe ihr Wort ...

»Er mag sonst was haben. Nee, das hab ich nicht versprochen. Eine Gnade soll er sich ausbitten, und nicht ehrlicher Leute ihr Unglück, versteht er?«

Der Justitiarius stand auf seine fünf Augen; der gnädige Herr war verlegen; dem Schulmeister klopfte das Herz. Endlich fanden Seine Gnaden diese Auskunft: »Lektoris, hört er, der Mann da, will ihn ins Halseisen haben, weil er 'n receßirt hat, und verläßt sich auf, weil ich 'm 'ne Gnade versprochen habe. Bitt er sich auch 'ne Gnade von mir aus!«

Halten unterthänigst zu Gnaden! sagte der Lektor nach einigem Besinnen; ich bitte demüthigst, daß Dero dem Herrn da befehlen, mich eigenhändig an und abzuschließen, und, weils eben gewaltig regnet, so lange ich am Pfal stehe hinter mir so wie er da ist zu knien, und mir 'n Regenschirm überzuhalten.

»Von Rechts wegen. Das ist billig. Herr, mach er flugs Anstalt, und führ er den Arrestanten ab.«

Der süße Justitiarius protestirte dagegen. Nee, nee, rief der Edelmann, das ist man nichts. Ich thue ihm seinen Willen, ich muß dem Ordinari da auch seinen Willen thun. Aut oder naut: laßts kamp auf gehen, oder Marsch! Was ihr nu wollt.

Nach einigen Debatten, wobey der Lektor nun das größte Wort hatte, ließ man alles kamp auf gehen. Na, das ist recht, sagten Seine Gnaden. Da, gebt euch die Hände. So! Nu, Herr Justitiarius, will er mir wohl 'n Gefallen thun? Mach er mir mal 'n Karmina auf Türk da. 'S soll sein Schade nicht seyn. Muß aber fertig werden, daß es in die nächste Avise kommen kann. Will ihn hiermit in Gnaden zu meinen Schloßpoeten ernennen. Uebers Salahrgen will ich denn auch wohl risalviren. Schulm... Ordinari wollt ich sagen, setz ers morgen in die Avise, daß ich den Herrn Justitiarius zu meinen Leibpoeten, mit einem Gehalt, darüber ich noch risalviren will, gedeklarirt habe. – Und er, Herr, wie er's Ding auf meinen Türk macht, so will ich's Salahrgen machen. – Mit diesen Worten gieng der Edelmann hinaus, und setzte sich zu Pferde, voll Freude, daß er sich aus der Sache gezogen, ohne sein gegebnes Wort, welches er allemal in großen Ehren hielt, brechen zu dürfen. Die beyden Gelehrten glupten einander an, des festen Entschlusses, sichs bey nächster Gelegenheit einzutreiben. Sie stellten denn einander auch wechselsweise an ihre Pranger gar säuberlich; der Lektor kuckte aus jedem Verse des Juristen, und der Jurist wurde dafür in den gelehrten Artikeln Methodo Schmidiana gelobpriesen, das heißt: mit aller möglichen Unwissenheit und Boshaftigkeit. Uebrigens war es nicht so wohl der gelehrte, als vielmehr einer von den politischen Artikeln der ersten Novitätenstafette, der den süßen Gerichtsverwalter so erbittert hatte. Und der Groll des Herrn Lektors war durch einige Sarkasmen des Justitiarius, worauf der schwerfälligere Witz des Lektors nicht gleich Repliken fand, erreget worden.

 


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