Tagebücher 1910-1924
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1914

München, Montag/Dienstag, d. 3./4. August 1914

Es ist ein Uhr nachts. Der Himmel ist klar und voll Sternen, aber über die Akademie ragt der Rand einer weißen, in dicken Schichten gehäuften Wolke, in der es unaufhörlich blitzt. Unheimlich grelle, lang sichtbare, in horizontaler Linie laufende Blitze.

Und es ist Krieg. Alles Fürchterliche ist entfesselt. Seit einer Woche ist die Welt verwandelt. Seit drei Tagen rasen die Götter. Wie furchtbar sind diese Zeiten! Wie schrecklich nah ist uns allen der Tod!

Immer und immer hat mich der Gedanke an Krieg beschäftigt. Ich versuchte, mir ihn auszumalen mit seinen Schrecken, ich schrieb gegen ihn, weil ich seine Entsetzlichkeit zu fassen wähnte.

Jetzt ist er da. Ich sehe starke, schöne Menschen einzeln und in Trupps in Kriegsbereitschaft die Straßen durchziehen. Ich drücke Dutzenden täglich zum Abschied die Hand, ich weiß nahe Freunde und Bekannte auf der Reise ins Feld oder bereit auszuziehen – Körting, Kutscher, Bötticher,Hans Bötticher, Ps. Joachim Ringelnatz (1883-1934), Lyriker und Kabarettdichter, auch Erzähler und Maler; vormals Matrose. v. Jacobi, beide Söhne von Max Halbe und viele mehr –, weiß, daß viele nicht zurückkehren werden, lese Depeschen und Nachrichten, die – jetzt schon, ehe noch die Katastrophe eingesetzt hat – einem das Herz aufschreien machen, ich sehe alles schaudervoll nahe und viel schlimmer noch in der Realität, als die theoretisierende Phantasie es ausdachte. Und – ich, der Anarchist, der Antimilitarist, der Feind der nationalen Phrase, der Antipatriot und hassende Kritiker der Rüstungsfurie, ich ertappe mich irgendwie ergriffen von dem allgemeinen Taumel, entfacht von zorniger Leidenschaft, wenn auch nicht gegen etwelche »Feinde«, aber erfüllt von dem glühend heißen Wunsch, daß »wir« uns vor ihnen retten! Nur: wer sind sie – wer ist »wir«?

Aber der Gedanke ist doch grauenhaft, daß die Russen ins Land kommen könnten, Barbaren? Immerhin Menschen anderer Art, ohne Achtung vor unserer Welt, ohne Rücksicht auf unsere Gefühle mordend und sengend, Frauen und Kinder mißhandelnd und mit unseren Kulturgütern Kosakenspäße treibend. Und wie furchtbar ist es zu lesen, daß heut ein französischer Arzt mit zwei Offizieren in Metz versucht hat, einen Brunnen mit Cholerabazillen zu vergiften!Tatarenmeldung. Dementiert. (E.M.)

Vorgestern haben die Hände eines Chauvinisten JauresJean Jaurès (1859-1914), französischer Sozialistenführer; trat vor Ausbruch des Krieges für die Verständigung mit Deutschland ein. gemordet, den Mann, der den Frieden wollte, der eigentlich verkörperte, was wir als die überlegene französische Kultur verehren. Und nun fahren französische Flieger über das Land und werfen Bomben. Da verlassen einen die Theorien, man wird einer von allen, mit den Instinkten aller, aber mit erhöhtem Leid, weil die Kritik unter dem Gefühl wirksam bleibt und weil alle Parteinahme den Opfern, nicht den Machern gilt.

Die Massen sind durch die Aufregungen dieser Tage in wahre Hysterie geraten. Überall werden Spione gewittert. Dann rennen die Menschen in Haufen zusammen, mißhandeln die Unglücklichen und übergeben sie der Polizei. Manchmal sollen ja wirklich schon russische Bombenwerfer abgefaßt sein.

(...) Heut früh sah ich ein etwas ausländisch aussehendes Paar von erregtem Volk gehetzt durch die Straßen eilen. Was draus wurde, weiß ich nicht. Und nachmittags in der Sendlingerstraße brachten wieder Hunderte ein Mädchen zum Schutzmann, von dem behauptet wurde, es sei ein verkleideter Mann.

Wilde Gerüchte laufen um, unkontrollierbar, da die Behörden über fast alles Schweigen bewahren. Danach sollen gestern und heute hier eine ganze Menge Serben und Russen standrechtlich erschossen sein. Sie sollen die Hauptpost, den Bahnhof, den Pulverturm bei Freimann haben in die Luft sprengen wollen. Heut früh wurde ausgesprengt, das Leitungswasser sei vergiftet. Offiziere riefen es warnend aus – ich selbst war Zeuge davon –, die Häuser wurden einzeln benachrichtigt. Es stellte sich als leeres Gerede heraus. Man hört – ganz heimlich – von massenhaften Soldatenselbstmorden etc.

Aber doch ist die Einmütigkeit des Gefühls, eine gerechte Sache zu führen, bei aller Verblendung, ergreifend. Man ist sehr ernst, aber doch sichtlich gehoben. Wäre bloß nicht schon überall eine üble Gesinnungsriecherei bemerkbar! Vorgestern nacht traf ich Köhler, TuratiFilippo Turati (1857-1932), italienischer Sozialistenführer. v. MaaßenCarl Georg von Maaßen (1880-1940), vermögender Büchersammler, Herausgeber bibliophiler Drucke; langjährige Freundschaft mit Mühsam. und Bötticher im großen Raum der Torggelstube. Mein Erscheinen bewirkte das Mißtrauen umsitzender nationaler Studenten, die uns belauschten und, obwohl kein Wort, das Gefühle hätte verletzen können, fiel, denunzierten. Es gab böse Auseinandersetzungen. Maaßen teilte Ohrfeigen aus. Schließlich wurde Bötticher – am Tage vor seiner Abfahrt zur Marine! – abgeführt (freilich noch auf der Straße freigelassen), und ich beschimpft und bedroht. Ohne ein politisches Wort gesprochen zu haben!

Heut habe ich eine Erklärung an die Leser des ›Kain‹ herausgegeben,Pressemitteilung und Flugblatt, worin Mühsam mitteilt, daß er sich der Kriegszensur nicht beugen werde und daher »Kain« für die Dauer des Krieges einstelle (vgl. Eintragung vom 24. August 1914). in der ich begründe, daß ich das Blatt während der Kriegsdauer eingehen lasse. Ferner habe ich mich beim Schwabinger Krankenhaus als Hilfsarbeiter in der Registratur gemeldet. Wo alles schwankt, ich vielleicht morgen nicht weiß, wovon leben, will ich nicht müßig sein. Bekomme ich keine oder eine ablehnende Antwort, dann gehe ich morgen zum Magistrat und frage nach Beschäftigung im humanitären Zivildienst: bei Kranken, Irren oder der Feuerwehr. Vielleicht kann mir da mal meine alte Apothekererfahrung nützlich werden.

Um Jenny bin ich sehr besorgt. Die letzte Nachricht erhielt ich am 29. Juli noch aus Eydtkuhnen, das inzwischen von den Russen besetzt ist.Falschmeldung. Es kam lediglich zu Schießereien an der ostpreußisch-russischen Grenze in der Nähe von Eydtkuhnen. Der Krieg an der Ostfront begann erst am 19. August. Auf die von der Presse verbreitete Propagandabehauptung, Deutschland sei zuerst angegriffen worden und müsse sich daher verteidigen, stützte sich auch Mühsams Bewertung der Ereignisse bis etwa zum Jahresende 1914.

Ein Brieftelegramm, in dem sie mich bat, ich solle ihr postlagernd nach Königsberg schreiben. Das tat ich sofort, las aber inzwischen, daß die Bestellung postlagernder Briefe jetzt entweder aufgehoben oder sehr erschwert ist. Nun weiß ich nicht einmal, wo die Geliebte ist und ängstige mich sehr. Ließe mich die allgemeine Spannung zur Besinnung über die Privatangelegenheiten kommen, ich glaube, ich stürbe vor Unruhe.

Auch von Lübeck hörte ich nichts. Der Landsturm ist aufgerufen, und ich fürchte, daß meine beiden Schwäger und vielleicht auch mein Bruder ins Feld müssen. Das wäre für unsern alten Vater sehr arg – und Charlotte ist gerade von ihrem dritten Kind entbunden. Aber was sagt das gegen das Los der armen Lucie v. Jacobi, die vor einem halben Jahr ihr einziges Kind verlor und nun den Mann in den Krieg ziehen sieht!

Morgen dürfte der Krieg mit Frankreich offiziell beginnen. Es sind Telegramme angeschlagen, daß der Gesandte in Paris aufgefordert sei, seine Pässe zu verlangen, weil die Franzosen völkerrechtswidrig die Grenzen überschritten haben. Libau soll von einem kleinen Kreuzer beschossen sein, der Kriegshafen soll brennen. Das wäre wohl ein Erfolg der Deutschen. Wie das Einmarschieren der Russen in Eydtkuhnen und das der Deutschen in Czenstochau zu bewerten ist, läßt sich noch gar nicht übersehen. Es wird erstmal zu allem Hurra gebrüllt. Rosenthal wollte wissen, daß der Louvre in Paris brenne. Ich glaub's nicht. Aber wie scheußlich schon, daß das möglich werden kann!

München, Dienstag/Mittwoch, d. 4./5. August 1914

Es ist wieder spät nach Mitternacht. Aber heut regnet es und ist trübe und trostlos. Und alles Unglück scheint ausgegossen über dies arme Land und seine ärmeren Menschen.

Eine entsetzliche Botschaft steht auf den Anschlagtafeln: Kurz nach 7 Uhr (also vor noch nicht sechs Stunden) erschien in Berlin der englische Botschafter im Auswärtigen Amt, um Deutschland den Krieg zu erklären.

Krieg mit England! Da mit Rußland und Frankreich die Kämpfe schon begonnen haben. Aus der Ferne durchs offene Fenster, von der Ludwigstraße her, tönen lärmende Jubelrufe und Hurrageschrei – jetzt auch Gesang herüber. Der Zug nähert sich und wird gleich dicht bei mir am Siegestor sein. – Nein, sie kamen von der Türkenstraße, und eben zogen sie – vielleicht 300 Mann – unter unserem Fenster vorbei, die Akademiestraße entlang. Singen können vor solchen Nachrichten! Arme Menschen! Vielleicht sind viele unter ihnen, die selbst mit müssen in den Krieg, die gar nicht oder als Krüppel wiederkehren.

Krieg mit England! Der ist der schlimmste! Wie das ertragen werden kann – ich habe graue Zweifel. Heut sind im Reichstag die Kriegskredite sämtlich bewilligt worden. Die Sozialdemokraten haben für alle Forderungen gestimmt und auf Kaiser und Vaterland mit Hurra! gebrüllt. Was sollten sie auch tun? Sie haben die Suppe einbrocken helfen. Nun stehen sie dem fait accompli gegenüber. – Aber was jetzt werden soll? Krieg! Tod! Nacht über die Welt! Es ist schaurig, es ist unausdenkbar.

Ich bin maßlos traurig. Ich zwinge mich zu Friedenshoffnungen. Aber die Zweifel sind stärker. Ich kann nicht glauben, daß mit den Mächten von England, Frankreich und Rußland jetzt noch von Frieden zu sprechen ist.

(...)

Zweimal entlud sich heute meine Gepreßtheit in Tränenausbrüchen. Die erleichtern in den Stunden des Alleinseins. Die tun wohl, wenn das Herz platzen will. Und niemand mehr, der mich versteht, den ich verstehe. Hätte ich nur erst Nachricht, ob ich im allgemeinen Dienst Arbeit finden kann. Das Schwabinger Krankenhaus verwies mich an den Magistrat, und an den habe ich mich heute gewandt. Vielleicht weiß ich morgen abend schon, wohin ich gerufen werde. Dies Herumsitzen zu Hause und in den Cafés habe ich satt. Dabei gehe ich kaputt. – Überhaupt das Warten auf Nachrichten. Wo Jenny ist, weiß ich nicht, von Lübeck kein Wort, – die Post scheint fast gar nicht mehr zu funktionieren. Es ist gräßlich.

(...)

Heut passierte ein heiterer Zwischenfall. Ich saß mit NonnenbruchMax Nonnenbruch (1857-1922), Münchner Maler. im Stefanie. Plötzlich liefen die Leute zusammen und starrten gen Himmel. Wir hinaus – ein Flieger. In ganz engen Kurven überflog er in großer Höhe etwa die Türkenkasernen. Das Publikum war in großer Aufregung. Ist es ein deutscher oder ein französischer Aeroplan? fragte man sich. Vielleicht konnte jeden Moment eine Bombe niederfallen. Vielleicht zehn Minuten währte die Spannung, und immer im gleichen Kreis umflog der Apparat seinen Platz. Plötzlich löste sich die Aufregung in mächtigem Gelächter auf. Die Flügel des Apparats bogen sich nach beiden Seiten nieder, der Aeroplan flog mit großer Eile schräg aufrecht davon und verschwand sogleich im Äther. Es war ein unschuldiger Vogel gewesen – vielleicht der Unglücksvogel, vor dem das Volk sich ängstigt. – Schon ist auch für den 23. August ein Komet angesagt. Und man kann abergläubisch werden in diesen Zeiten.

München, Donnerstag, d. 6. August 1914

(...) Emmy sitzt wegen eines Diebstahls, begangen in Hannover an einem nächtlichen Besucher, in Untersuchungshaft am Neudeck. Becher und ich haben ihr den Dr. Kahn als Anwalt bestellt. Aber in der Kriegsaufregung denkt der wahrscheinlich sowenig wie ein anderer an seine Klienten. Nun war ich gestern bei ihr – in der Gitterzelle, wo ich vor Jahren Johannes Nohl besuchte, sprach ich sie. Ich hinter einer, sie hinter der anderen Gitterwand, und dazwischen die Wärterin – übrigens eine gutmütige, nette Frau. Die arme Emmy weinte entsetzlich, klammerte sich mit den Fingern in die Vergitterung und war unermeßlich unglücklich. Ich mußte ihr versprechen, an ihre Mutter zu depeschieren und alles zu versuchen, um sie freizukriegen. Nach etwa zehn Minuten war das Gespräch zu Ende. Ich blieb allein in der Zelle, und ehe ich hinausging, ließ ich den aufschießenden Tränen freien Lauf. Wie gräßlich sind die Einrichtungen doch, um deren Erhaltung nun Hunderttausende kräftige, schöne, junge, frohe Menschen ihr Leben lassen!

(...)

Ganz schlimm ist Henri Bing dran, der, wie er mir heut erzählte, als Franzose schon zweimal fast gelyncht worden wäre. Er verramscht jetzt, um leben zu können, seine Bilder um zwanzig Mark. ›Jugend‹ und ›Simplicissimus‹ benehmen sich erdenklich schlecht gegen ihn. Da lebt er nun seit zehn Jahren hier, fühlt und denkt und spricht deutsch, arbeitet ständig an diesen Blättern mit, und jetzt, da er hilflos und bedrängt dasteht, lassen sie ihn im Stich. Der ›Simplicissimus‹, dies reiche Blatt, hat ihm ganze 50 Mark gegeben, die ›Jugend‹ gar nichts. Seiner Not gegenüber zuckt man die Achseln. Es ist schändlich.

Die Post scheint ihren Betrieb ganz eingestellt zu haben. Ich höre und weiß nichts und mache mir um Jenny schwere Sorgen. Dabei sind diese Tage gerade solche besonders herzlichen Gedenkens. Vor genau einem Jahr waren wir zuletzt zusammen, in Berlin bei Mutter Stern am Gendarmenmarkt. Das waren Tage – und Nächte! – Ach Jenny, wann werden wir das wieder miteinander erleben? Ich bin sehr traurig und will jetzt mal nach der lieben Frau sehn, die mir seit dreiviertel Jahren nun die Geliebte ersetzt – nach Zenzl EnglerKreszentia Mühsam, geb. Elfinger (1884-1962), lebte mit dem Bildhauer Engler, ab 1915 mit Mühsam verheiratet. Emigrierte 1934 nach Prag, 1936 nach Moskau; verbrachte ca. 18 Jahre in Internierungs- und Straflagern, 1956 Rückkehr nach Ostberlin., die sich auch seit vier, fünf Tagen nicht mehr gezeigt hat und deren Mann vielleicht auch schon fort ist, um im Kriege Sanitätsdienste zu tun.

Wie mir das Zimmermädel heut erzählte, denkt Frau Kaderschafka daran – der Mann ist ebenfalls eingerückt –, eventuell die Pension aufzulösen, in der ich nun vier Jahre hause. Möglich, daß ich mich dann mit Zenzl zusammen irgendwo einniste. – Vom Magistrat noch keine Antwort, und das Geld geht sehr auf die Neige. Eine Existenz muß ich schaffen, ohne dem Krieg zu helfen!

München, Nacht zum Sonnabend, d. 8. August 1914

Lüttich ist von den Deutschen im Sturm erobert worden. Es heißt, es seien 600 deutsche Pioniere dabei umgekommen. Scheußlich. Und dabei soll man sich vielleicht gar noch freuen, daß die Befürchtungen unbegründet waren, die ein Telegramm hervorrief, das mittags angeschlagen war und ebenfalls vom offiziösen Wolff-Büro ausgegeben war. Danach hätten deutsche Soldaten einen kühnen Handstreich gegen Lüttich unternommen, der aber mißglückt wäre. Es hieß dann, im Ausland werde man eine große Niederlage der Deutschen daraus machen, aber mit Unrecht, da die Unternehmung für den Verlauf des Krieges ganz belanglos gewesen sei. Natürlich kombinierte jeder, daß sich die Deutschen eine große Schlappe geholt hätten, was nun bemäntelt werden sollte. »Gottlob« ist es anders, und es war ganz nützlich, daß die gute Botschaft gleich hinterherkam, da die moralische Wirkung einer Niederlage sicher die wäre, daß die Leute noch irrsinniger würden. So weit bin ich nun glücklich, daß mich Siegestelegramme beruhigen, während mich doch nie die Kritik verläßt, ein welcher Wahnsinn der Krieg ist, und das Wissen, daß tatsächlich die Unfähigkeit der deutschen Diplomatie ihn heraufbeschworen hat. Wenigstens gab Deutschland den tieferen Grund für das fürchterliche Völkermorden, während Österreichs egoistisch-arrogante Rücksichtslosigkeit den äußeren Anlaß schuf.

Die Redensart vom »bewaffneten Frieden«, das alte »si vis pacem para bellum« hat furchtbar Bankrott gemacht. Deutschlands Rüsterei, der unstillbare Ehrgeiz, die europäische Militärhegemonie zu sein, hat das Unglück verschuldet.

(...) Nun ist also aus dem angeblichen Rachezug Österreichs gegen Serbien wegen der Ermordung des Thronfolgers, in Wahrheit ist es natürlich ein Unterdrückungskrieg gegen die großserbischen Bestrebungen, den die Nachbarmonarchie seit Jahren planmäßig vorbereitet hat – dieser EsteBeiname des habsburgischen Kronprinzen Franz-Ferdinand. Seine Ermordung durch serbische Anarchisten in Sarajevo löste den Ersten Weltkrieg aus. starb ihr sehr gelegen –, ein beispielloser Weltkrieg geworden. In knapp vierzehn Tagen sind die mitteleuropäischen Länder gezwungen worden, sich zugleich gegen Serbien, Rußland, Frankreich, Belgien und England zu wehren, und die armen Soldaten, das heißt, das arme Volk muß die Suppe ausessen, die die Diplomaten ihm eingebrockt haben. Ich aber, der Antimilitarist, muß alle meinem Hoffnung dahin wenden, daß das Militär in Deutschland besser sei als die deutsche StaatskunstWarum eigentlich? Dies ist doch schon Kriegspsychose! – (12. November)
(E. M.)
, sowenig ich den andern wünsche, was ich für die Unsern fürchte.

Immer noch kein Brief von Lübeck oder von Jenny und auch keine Antwort vom Magistrat. Wie entsetzlich sind diese Zeiten für jeden Einzelnen!

München, Sonntag, d. 9. August 1914

Eine Postkarte von Hardy, die gestern ankam und am 5. August in Berlin aufgegeben war, zeigt, daß der Postverkehr, wenn auch langsam, doch funktioniert. Um so bewegter warte ich auf Nachrichten, besonders von Jenny. Den letzten Brief schickte ich ihr offen nach Königsberg, postlagernd, mit dem Vermerk, daß er, falls er nach drei Tagen nicht abgeholt wäre, an mich zurückzuleiten sei. Kriege ich ihn wieder, dann schreibe ich an ihre Freundin, die Tochter des Sozialdemokraten HaaseHugo Haase (1863-1919), sozialdemokratischer Politiker, Mitbegründer der USPD. in Berlin. Vielleicht weiß die etwas.

In der Zeitung stand heute, daß der Magistrat keine Leute mehr einstellt, da alle Posten besetzt seien. Nun will ich mich an die Geschäftsstelle des Vereins Münchner Apotheker um einen Gehilfenposten wenden. Man will doch schließlich existieren, und mit Literatur ist zur Zeit kein Geschäft zu machen. Die ›Jugend‹, mit der ich seit etwa einem Jahr wieder Verbindung habe, schickte mir einen Stoß Einsendungen zurück, offenbar wollen die Hosenscheißer meinen Namen jetzt doch wieder nicht drucken. – Der Gedanke, wieder Apothekendienst tun zu sollen, amüsiert mich eigentlich. Nach dreizehneinhalbjähriger Unterbrechung! Damals stopfte ich in der Stunde höchster Not und als mir eine gute Vertretung angeboten war, sämtliche Papiere in den Ofen und verbrannte sie, um die Brücken endgiltig hinter mir abzubrechen. Jetzt, wo ich als anerkannter Schriftsteller und bekannte Persönlichkeit provisorisch wieder den Pillenmörser zur Hand nehmen will, weiß ich, daß ich mir nichts mehr damit vergebe. Ich kann mir und ändern nützen – das ist entscheidend.

(...)

München, Nacht zum Dienstag, d. 11. August 1914

(...) Bei uns ist jeder Autofahrer als Spion verdächtig. So hat man, was offiziell zugegeben wird, schon deutsche Offiziere in ihren Autos erschossen. Das Menschenleben ist gar nichts mehr wert. Man spricht, daß bei Lüttich 2400 Deutsche gefallen seien. »Nur« heißt es dabei. Heut bringen die Blätter eine Notiz, wonach gestern in München ein zwölfjähriger Junge, der auf ein Wärterhäuschen geklettert war, um die Verladung von Soldaten mit anzusehen, von einem Wächter heruntergeschossen und schwer verwundet wurde. Diese Notiz wird mit keiner kritischen Bemerkung versehen. Es ist ganz selbstverständlich.

(...) – In diesen Tagen erwartet man eine Riesenschlacht in Frankreich. Tausende werden dabei zugrunde gehen – vielleicht viele Freunde und Bekannte darunter. Trotzdem ist alle törichte Erwartung darauf gerichtet: Ginge es doch erst ordentlich los! (Um so eher wird's aufhören!?)

Aber eines muß zugegeben werden. Die Zuversicht der Deutschen, ihre gläubige, starke Anteilnahme ist erschütternd, aber großartig. Es ist jetzt eine seelische Einheit vorhanden, die ich einmal für große Kulturdinge erhoffe.

Was wird nur nach dem Krieg kommen? Ich fürchte sehr Böses. Ein schändlicher Materialismus wird um sich greifen und eine wüste Reaktion herbeiführen. Es ist Irrsinn, daß Leute wie Dehmel sich freiwillig gemeldet haben. Gerade diese Männer werden dann nötig sein, um den Geist zu verteidigen. Ich fürchte auch, daß eine einschneidende Spaltung der Geistigkeit eintreten wird. Der George-KreisStefan George (1868-1933), Dichter. Pflegte einen mystisch-aristokratischen Kult, umgab sich mit »Schülern« (u. a. Wolfskehl) und galt als bedeutendster Repräsentant elitärer Dichtung. soll von wildem Patriotismus ergriffen sein. – Das fehlt nun gerade noch, daß unseresgleichen sich offen der Gegenpartei zuwenden! Ich sehe eine trübe Epoche voraus.

(...)

München, Nacht zum Donnerstag, d. 13. August 1914

Die Nachrichten von deutschen Erfolgen häufen sich. Lüttich, Mülhausen, Lagarde: das klingt allen sehr vertrauenerweckend. Für den 15. ist eine große Schlacht prophezeit, vermutlich in der Gegend von Namur. Wer am meisten Menschen mordet, gewinnt. Die Menschenfreunde à tout prix hoffen wie jedermann, daß unsere Landsleute die meisten Menschen töten werden. Denn sonst würde das Elend grenzenlos: Alle Kultur, alle Gesittung, die Deutschland sich seit dem dreißigjährigen Kriege erarbeitet hat, stehe auf dem Spiel. Nicht zu reden von der materiellen Pleite. (Freilich: die andern?)

Bei mir ist die Pleite schon da, und ich sehe noch kein Ende ab. Von meinem Vater kam ein Brief (der eine geschlagene Woche unterwegs war). Natürlich denkt er nicht daran, mir aus der Misere zu helfen. Seine Papiere seien kolossal gefallen.

(...) Aber er stellt mir gütigst anheim, zu ihm zu kommen, wo ich wohnen und leben kann (und Vorwürfe hören). Ich habe ihm geantwortet, daß, wenn ich das Reisegeld nach Lübeck hätte, ich schon nicht mehr dorthin zu reisen brauchte. Er möge mir die Beglaubigung über mein Gehilfenexamen von der Medizinalbehörde besorgen und herschicken.

(...) Eben bin ich mit zwei Büchern herausgekommen, die nun natürlich kein Mensch kauft. Bei den ›Freivermählten‹ ist das ja zu verschmerzen, aber meine Gedichte, die Cassirer gerade in wirklich anständiger Aufmachung hat erscheinen lassen!»Wüste – Krater – Wolken«, Berlin 1914.

Meine gesammelten Gedichte! Der Niederschlag meines besten Lebenswerkes, von dem ich soviel erhofft hatte! Wenigstens die äußere Anerkennung! Wenigstens die Bestätigung, daß ich in die vordere Reihe der gegenwärtigen Dichter gehöre! Und nun kommt, ehe sich noch ein Mensch um das Buch gekümmert hat, dieser schauerliche Krieg, und niemand wird das Buch lesen, niemand es erwähnen, niemand es empfehlen, niemand deswegen von mir reden! Gott meint es wohl redlich schlecht mit mir.

(...)

München, Sonnabend, d. 15. August 1914

Der ›Simpl‹ treibt's aber auch arg. Am Titelkopf das Eiserne Kreuz mit dem W. desselben Wilhelms, den das Blatt in allen Jahren seines Bestehens verhöhnt hat. Und immer der haltloseste Hurrapatriotismus, in dem sich Ludwig Thoma, der große Spötter, am lautesten jetzt hervortut. Diese Stimmung macht sich in allen Blättern breit, eine bramabarsierende Deutschtümelei, die protzig mit der deutschen Schlichtheit renommiert. Blätter vom Schlage der ›Münchner Zeitung‹ wären ohne weiteres fähig, derartige Furchtbarkeiten, wie sie in Belgien gegen Deutsche verübt wurden, gutzuheißen, wenn sie, von den Behörden ungehindert, hier gegen Fremde versucht würden. Auf die Idee, daß in Belgien ein Massenwahnsinn ausgebrochen ist, kommt hier niemand.Die Gegenwehr der Bevölkerung beim Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien wurde von der Presse zur Greuelpropaganda benutzt.

Denn es will keiner glauben, daß die Leute, die dort so entsetzlich bestialisch gehaust haben, sicher gewöhnlich gute Menschen sind, denen gar nichts ferner liegt, als Wöchnerinnen zu töten und Säuglinge aus den Fenstern zu schleudern. Das sind die berühmten veredelnden Wirkungen des Krieges!

Mein Geld ist ganz am Ende. Gestern half mir Lotte Pritzel noch mal mit zwei Mark auf die Beine. Was weiter wird, übersehe ich noch nicht. Aber ich habe wenigstens mein Mittagessen in der Pension. Bei vielen Künstlern und Schriftstellern ist ein Elend eingekehrt, das aller Beschreibung spottet und, da keine Hand sich helfend öffnet, die Not der Arbeitslosen in Friedenszeit weit in den Schatten stellt.

(...)

Halbe erzählte eine bezeichnende Geschichte. Er wurde auf die Redaktion der ›Neuesten Nachrichten‹ gebeten. Dort empfing ihn der Chefredakteur Mohr: Dr. HirthGeorg Hirth (1841 – 1916), Münchner Verleger; Herausgeber der »Jugend«. wolle ihn sprechen, um von ihm Beiträge zu erbitten. Mohr bereitete Halbe vor: »Schmalz brauchen wir jetzt, Herr Doktor, viel Schmalz!« Als Halbe zu Hirth kam, stellte sich heraus, daß er gar nicht gemeint war und daß man von HeigelHeigel: nicht zu ermitteln. das »Schmalz« erwartete, das als öffentliche Meinung nun in der Tat mehr als reichlich verschmiert wird. Von Jenny kein Lebenszeichen.

München, Dienstag, d. 18. August 1914

(...) Seltsam und unwirklich scheint einem manches, was man jetzt sieht, hört und erlebt. Gestern traf ich Lion Feuchtwanger, der in Tunis war, dort vor Ausbruch des Krieges verhaftet wurde, aus der Gefangenschaft auf ein italienisches Schiff entkam und unter vielen Strapazen und nach Verlust all seiner Manuskripte und seines Geldes hier eingetroffen ist. Einen Mitflüchtling holten die Franzosen von dem italienischen Schiff herunter und erschossen ihn vor Feuchtwangers Augen, der sich bei der Durchsuchung unter Seilen versteckt hatte. –

Heut früh erhielt ich eine Zustellung vom Polizeipräsidenten, wonach alle Artikel über das Heer oder den Krieg vor Druck dem Kriegsministerium vorzulegen sind. Ich bin froh, daß ich den ›Kain‹ sistiert habe. Wer weiß, was man mir sonst für Scherereien machen würde, und wie lange ich frei herumliefe.

(...)

München, Donnerstag, d. 20. August 1914

(...) Der Papst ist heut nacht gestorben. Er muß sich's gefallen lassen, daß die Presse dies Ereignis nebenher auf der dritten und vierten Seite behandelt. Rößler meinte neulich schon: »Nur jetzt nicht sterben! Man hätte gar keine Presse!« – Den schwarzen Politikern wird mit dem Tode Pius' X.Pius X.(1835-1914), Papst ab 1903. ein Stein vom Herzen fallen. Er hat ihnen ihre schäbige Realpolitik nicht leicht gemacht, der fromme Dickschädel.

Am ekelhaftesten in dieser Zeit ist die Verlogenheit der Zeitungen. Das Niveau der deutschen Presse war ja bei Gott nie sehr hoch. Aber gegenwärtig halten die Schmalz-Schmöcke einen Tiefstand, der seinesgleichen sucht. Daß ein paar hysterische und unbefriedigte, wahrscheinlich bloß vom Krieg angewiderte Frauen gefangene Franzosen mit Wein und Schokolade bewirtet haben und gern zu ihnen in die Lazarette wollten, ist ihnen neuerdings Anlaß zu empörten Stilübungen. »Die Ehre der deutschen Frau« soll gewahrt werden, und dazu proklamieren die Soldschreiber jene »Schlichtheit«, die man gemeinhin Geschmacklosigkeit nennt und die sich in Flanellröcken zu manifestieren pflegt.

(...)

München, Montag, d. 24. August 1914

Zenzls Besuch verlief gestern etwas melancholisch. Von den fünf Brüdern, die sie im Felde hat, ist einer gefallen, ein Schäffler, der eine schwangere Frau und drei unversorgte Kinderchen hinterläßt. Zenzl muß nun die Witwe trösten. Morgen will sie nun aufs Land fahren und mir heut abend noch ihren Leib zum Abschied geben. Ich werde sie doch sehr vermissen, die schöne, zärtliche Frau mit der derben bayrischen Mundart, den praktischen Händen und Augen und dem herrlichen Haar und Wuchs.

(...)

Von SchustermannPresse-Ausschnittdienst. kamen eine Anzahl ärgerlicher Zeitungsausschnitte, die sich mit meiner Erklärung an die ›Kain‹-Leser beschäftigen. Sie drucken den verstümmelten Abdruck aus der ›Augsburger Abendzeitung‹ nach, in dem der wichtigste Abschnitt, in dem ich ehrlich sage, ich würde, wolle ich meine Meinung sagen, meine persönliche Sicherheit gefährden, ausgelassen ist, um durch den letzten Abschnitt mich als Patrioten hinstellen zu können, da ich den allerdings mißverständlichen Wunsch ausspreche, daß es gelingen werde, die fremden Horden von unseren Brüdern und Frauen, von unsern Städten und Äckern fernzuhalten!«Der fragliche Abschnitt lautete: »Vorerst ruhe im Lande aller Zwist. Das Grundsätzliche meiner Überzeugungen wird durch die gegenwärtigen Ereignisse nicht berührt. Aber ich weiß mich mit allen Deutschen einig in dem Wunsche, daß es gelingen werde, die fremden Horden von unseren Kindern und Frauen, von unseren Städten und Äckern fernzuhalten.« Auf diese Sätze stützt sich der von Franz Pfemfert (in: »Die Aktion«) und vielen anderen erhobene Vorwurf, Mühsam sei bei Kriegsbeginn Chauvinist gewesen. Das Tagebuch belegt, daß Mühsam den Chauvinismus verabscheute, jedoch in seinen Grundüberzeugungen wankte und aus einem (allerdings fehlgeleiteten) Gerechtigkeitsgefühl Partei für die deutsche Seite ergriff.

Natürlich bin ich auch in diesem Zusammenhang überall der »Edelanarchist«, der die Caféhäuser unsicher macht. Nur eine Lübecker Zeitung läßt diesen Relativsatz aus, weist auf meinen »aufsehenerregenden Kampf gegen die Münchner Zensur« hinNeben Eingaben, Aktionen und Klagen vor Gericht zahlreiche Aufsätze in »Kain«. und renommiert mit mir als geborenem Lübecker. Gönnen wir den Schafsköpfen das Vergnügen. – Aber der dumme Schlußsatz macht mir zu schaffen. Ich fügte ihn unter der Angst um Jenny und beeinflußt von den Warnungen Jacobis und Weisgerbers nachträglich ein. Es war eine große Eselei.

München, Donnerstag, d. 27. August 1914

Sehr lohnende Unterhaltung mit Heinrich Mann, der den Krieg ungemein pessimistisch beurteilt. Seine Idee, man wende sich absichtlich nur gegen Westen und lasse die Russen getrost in Ostpreußen einbrechen, ist natürlich unsinnig. Richtig ist nur soviel, daß die feindliche Übermacht zu stark ist und daß man nun zuerst mit aller Wucht gegen die Seite marschiert, von der man die stärkere – nicht »sittliche«, sondern Überlegenheitsgefahr fürchtet. Manns Ansicht, daß die deutsche Regierung dem russischen Zarismus nicht gern wehtäte, ist nur bedingt richtig, etwa so wie der Standpunkt Wedekinds, den er mir gegenüber verschiedene Male in den letzten Tagen vertrat, indem er in seiner bekannten Weise ethische Momente überall ganz leugnet und alles auf eine rein geschäftliche nüchterne Formel bringt. Beider Kritik ist aber immerhin noch viel schöner, anständiger und richtiger als die der à-tout-prix-Patrioten à la Maaßen, Jodocus SchmitzOscar »Jodocus« Schmitz (1873-1931), konservativer Schriftsteller aus dem George-Kreis. etc. Ich bekam gestern im Stefanie einen richtigen Wutanfall, als diese Leute sich tief darüber empörten, daß England erklärte, den deutschen Patentschutz nicht mehr anzuerkennen. Das gilt als wichtig, während täglich in allen Heeren Tausende niedergeknallt werden, wo kein Land sich ums Völkerrecht schert, wo Kinder und Frauen mißhandelt, auf marschierende Soldaten aus dem Hinterhalt geschossen wird, wo

Ich habe gleich, als die Fälschung erschien, Neudrucke ohne den Satz drucken und den Rest der ersten Auflage vernichten lassen.

E. M. aus Zeppelinen Bomben unter die Menschen platzen, wo Belgien und Ostpreußen zerstampft und zermanscht werden, wo Häfen und Städte, Wälle und Mauern mit grauenhaften zentnerschweren Granaten zerstört werden – da schimpft man über Englands »Krämergeist«, weil es deutsche Kapitalswerte zu schädigen sucht! Ich sagte den empörten Leuten, entweder man erkenne den Krieg an, dann sollte man nicht einzelnes als »Gemeinheit« herausgreifen (wenn es nämlich der »Feind« tut), oder man verabscheue den Krieg insgesamt, dann kommt man dazu, alles, was zum Kriege taugt, als Gemeinheit zu bewerten, auch das, was die Deutschen machen, die in Algier ungeschützte Häfen beschossen haben, neutrales belgisches Gebiet beschritten und weil die Belgier, eingeschüchtert zugleich von England und Frankreich, sich zur Wehr setzten, dort ein entsetzliches Strafgericht hielten. Man beruft sich darauf, daß der in Frankreich und Belgien – übrigens auch im »deutschen« Elsaß-Lothringen ausgebrochene Franktireurkrieg grausame Gegenmaßregeln notwendig mache. Das ist ganz töricht. Ich werfe es den Deutschen zwar nicht besonders vor, daß sie Leute, die sie aus dem Hinterhalt umbringen, beseitigen. Aber von verbrecherischen Instinkten getriebene Mörder sind die Franktireurs nicht. Sie sind geleitet von der naiven Wut der Bauern, denen fremde Horden das Eigentum zertrampelten und gleichzeitig von dem gleichen nationalen Furor, der auch die deutschen Soldaten begeistert und verrückt macht. Die bestialischen Scheußlichkeiten, die an Verwundeten verübt wurden, gehören in ein besonderes Kapitel. Das sind Wahnsinnserscheinungen, Symptome einer Verrohung, die ihre Ursache doch auch wieder im Kriege hat.

(...)

Mit Heinrich Mann und seinem Unglück von EheweibIm August 1914 heiratete Heinrich Mann die Prager Schauspielerin Maria (Mimi) Kahn (Scheidung 1930). war ich auch gestern wieder im Hofgarten zusammen, ehe sie nach Schliersee zurückfuhren. Er berichtete über ein Gespräch mit dem Rechtsanwalt Dr. Brantl, der die Kriege für notwendig hält, damit die Menschheit dezimiert werde. »Wenn man aber näher darauf eingeht«, erzählte Mann, »meint er unter Menschheit die Münchner Rechtsanwälte.« Die Theorie von der Übervölkerung der Erde, der die Kriege begegnen sollen, mag wohl bei vielen aus der Abneigung gegen die Konkurrenz entspringen. Ich glaube, ich habe im ›Kain‹ schon einmal denen, die mit diesem Blödsinn hausieren gehen, geraten, sich doch selbst umzubringen, um ihrerseits an der Entvölkerung mitzuwirken, statt immer nur die andern Leute als überzählig anzusehen.

Ferner berichtete Heinrich Mann von einem Besuch bei seinem Bruder Thomas. Er zitierte etwas spöttisch dessen Bewunderung für die allen gemeinsame Begeisterung: »Er genießt das, wie alles, ästhetisch«, erklärte der Bruder, und mir wurde dabei der tiefste Gegensatz zwischen beiden lebendig. Thomas Mann kommt vom Ästhetischen aus zu seinen Stoffen und verarbeitet sie ästhetisch und mit dem bewußten Bestreben, der Wahrheit des Lebens möglichst nahezukommen. Daher wirken seine Romane und Novellen wie exakte Ausschnitte aus der Wirklichkeit, gesehen durch ein abgeklärtes, stilisierendes Temperament. Heinrich Mann kommt von starker Ergriffenheit aus zu seinem Thema, dem er in Aufbau und Ausdruck die raffinierteste Präzision sucht. Daher wirken seine Arbeiten auf das verwandte künstlerische, Thomas' auf das verfeinerte bürgerliche Temperament stärker, und daher gilt mir persönlich Heinrich so viel bedeutender und wertvoller als sein Bruder.

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München, Montag, d. 31. August 1914

(...) Wenn man Maaßen hört, müßte überhaupt jetzt ganz England, Frankreich und Rußland deutsch werden (Belgien, selbstverständlich). Aber er ist ein so lieber Kerl und bringt seine blutrünstigen Fanfaren mit so kostbarem Humor und soviel Selbstironie vor, daß man ihn trotz allem gern haben muß. Gestern abend waren wir mit Jodocus Schmitz und Pfenninger im Domhof. Schmitz und Maaßen kämpften gegen mich an, weil ich den Krieg, von allen übrigen Scheußlichkeiten abgesehen, als das Ende aller seit 50 Jahren in Deutschland bestehenden Kultur ansah, Wedekind, behauptete ich, wird Walter BloemWalter Bloem (1868-1951), nationalistischer Schriftsteller; Vorsitz des nazifizierten Schriftstellerverbands 1933. und ähnlichem Kaliber das Feld räumen müssen. Und was war die Antwort? Kritische Nörgeleien gegen Wedekind, also sofort die Bestätigung. Schmitz wurde mordsausfallend gegen mich, aber schließlich vertrugen wir uns. Auf dem Nachhausewege, während wir noch laut stritten, hielt mich ein Passant an, machte mir Komplimente wegen meiner Wahrhaftigkeit und warnte mich, jetzt meine Ansichten zu laut zu sagen. Nachher fühlte ich das Bedürfnis, noch mit Maaßen allein zu sein, und ich freute mich, wie der dann trotz seiner patriotischen Hochspannung auf mich einging. Ich erklärte ihm, wie er meine Depression begreifen müsse: Alle meine sozialen und sittlichen Ziele nehmen ihren Ausgang vom Weltfrieden. Was gegenwärtig geschieht, erschüttert die Grundlagen meiner Welt. Hier wird einmal wahr, was KöhlerBernhard Köhler (1882-1939), Münchner Bohemien aus Graz, ab 1919 aktiver Nationalsozialist. gestern nachmittag von Hegel zitierte: Wenn Theorie und Praxis nicht übereinstimmen – um so schlimmer für die Praxis. – Maaßen ging auf das alles ein, sprach sogar seine Überzeugung dahin aus, daß er an die einstige Verwirklichung meiner Ideen glaube und sah auch ein, daß er seine Begeisterung schwerlich von mir verlangen könne. So trennten wir uns wieder als gute Freunde.

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München, Montag, d. 7. September 1914

(...) Gegenstand vieler Unterhaltungen waren in diesen Tagen auch die Sozialdemokraten der verschiedenen Länder. Selbst der brave, gütige, alte Professor v. StielerEugen Ritter von Stieler (1845-1929), Professor an der Kunstakademie München. wurde ganz grimmig gegen mich, als ich meinte, die deutschen Sozialdemokraten hätten sich mit ihrer Haltung das Grab gegraben. Freilich konnte ich ihm das nicht so plausibel machen, wie ich es sehe: daß sie nämlich in allen Jahren vorher schon die inkonsequenteste Politik getrieben haben, die sie fortgesetzt zwischen ihren Werbereden und ihren Taten in Konflikt brachte, daß sie den Militäretat stets verweigerten, dann aber die Milliarden-Vermögenssteuer für Militärzwecke bewilligten und endlich dem Kriegskredit zustimmten. Ich behaupte, der Krieg wäre, in seinem jetzigen Umfang wenigstens, vermieden worden, wenn etwa wie in Frankreich auch in Deutschland der Wille zum Frieden als unbedingtes Erfordernis der Volkswohlfahrt bei den Arbeiterpolitikern bestanden hätte. Aber bei allen internationalen Sozialistenkongressen ist der Antrag der Franzosen, Engländer und Schweden an den Deutschen gescheitert, drohender Kriegsgefahr durch gleichzeitige Proklamierung des Generalstreiks in den beteiligten Ländern zu begegnen. Die Furcht vor solcher Entschlossenheit hätte in Paris, London und Berlin genügt, um die den Krieg einleitenden Handlungen – in diesem Falle das Ultimatum Österreichs an Serbien – zu verhindern. Die Antwort auf diese Behauptung lautet stets: »Lächerlich! Im Gegenteil, die deutschen Arbeiter hätten selbst den Krieg erzwungen. Man sieht ja, mit welcher Begeisterung sie dabei sind und von Anfang an mitgetan haben.« Ja, seit der Krieg im Gange ist. Seitdem wird ihnen jeder Widerstand als Irrsinn hingestellt. Vorher war die Stimmung aber sehr anders. Noch in den letzten Julitagen fanden überall in Deutschland protestierende Massenversammlungen statt, die sehr energisch gegen den Krieg Stellung nahmen und in Berlin, Stuttgart etc. zu Straßendemonstrationen führten. Mit so gestimmten Arbeitern war ohne Schwierigkeit auch der Generalstreik zu machen, hätten die Führer gewollt. – Jetzt aber schreiben dieselben Leute, die damals alles Unheil vom Kriege weissagten, auch im Falle des Sieges, begeisterte Hymnen auf die »große Zeit«.

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München, Sonnabend, d. 12. September 1914

Von Lemberg und Paris nichts Neues. Auf beiden Seiten toben immer noch fürchterliche Schlachten, und wenn man es wagt, am Ausgang eine Sekunde zu zweifeln, dann hat man den Namen eines Deutschen verwirkt. Eine Verrohung und Beschränktheit äußert sich überall ganz ungeniert, daß einen helles Entsetzen packt. Schon hat Karl Hans StroblKarl Hans Strobl (1877-1946), österr. Heimatschriftsteller. die deutschen Kritiker ermahnt, keine ausländische Literatur mehr zu beachten, schon predigt das Rindvieh Dillmann, man solle französische Musik boykottieren, und Nonnenbruch fand das, als ich gestern darüber herzog, ganz in Ordnung: Wir müssen uns endlich auf uns selber konzentrieren. Mit anderen Worten: Nieder mit Manet, Renoir, van Gogh, Rodin, Ssomow,Konstantin Ssomow (geb. 1869), russ. Maler des Jugendstils, Mitarbeiter der »Jugend«. kauft Nonnenbruchs geile Kitschnymphen! Wie sagt Meßthaler jeden Abend dreißigmal? Der Krieg ist zum Kotzen!

München, Freitag, d. 18. September 1914

(...) Eine amüsante Nachricht: Professor QuiddeLudwig Quidde (1858-1941), Historiker; ab 1900 führend in der deutschen Friedensbewegung, 1907–1918 Mitglied des bayerischen Landtags, Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft 1914–1929, Friedensnobelpreis 1927. aus München ist nach Holland gereist und will eine ständige Verbindung zwischen den »internationalen« Pazifisten schaffen. Er hat sich schon für eine Rotterdamer Zeitung interviewen lassen und ausgesprochen, daß die Herren Pazifisten durchaus noch nicht den Mut verloren haben und eine Einwirkung auf den schnellen und milden Friedensschluß nehmen wollen. Ich kenne doch den eingebildeten alten Laffen Quidde. Er will sein Röllchen spielen und den Nobelpreis kriegen. Aber Selbstvertrauen haben die Herren Friedlichen, Fried,Alfred Hermann Fried (1864–1921), österr. Schriftsteller und Pazifist, Herausgeber der ›Friedenswarte‹. UmfriedOtto Umfrid (1857-1920), pazifistischer Schriftsteller und Publizist. – und wie die Friedriche alle heißen. Angesichts des scheußlichsten aller Kriege der Weltgeschichte, der zum ersten Mal kein Kabinettkrieg, sondern ein ausgesprochener Diplomatenkrieg ist, meinen sie immer noch, durch betuliche Geschwätzigkeiten bei den Diplomaten alle Dinge ins Gleiche stellen zu können. Vor vielleicht anderthalb Jahren nannte ich mal in einer Versammlung die Diplomaten »professionelle Händelsucher«. Quidde wies das damals zurück. Gelernt hat er also auch von der Erfahrung nichts. Deutschlands geistige Elite! Aber noch Gold gegen die Patrioten.

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München, Sonntag, d. 20. September 1914

»Was bedeuten gewonnene Schlachten? Sieg und Niederlage sind Begriffe. Wie kann ein Volk siegen, das in der ganzen Welt gehaßt wird?« Das sind Worte, die mir gestern abend Heinrich Mann sagte. Wedekind saß am Tisch und Halbe, B. v. Jacobi und Frau, v. Maaßen, Schmitz, Steinrück, Herzog, Dr. GoldschmidtAlfons Goldschmidt (1879-1940), Nationalökonom, Schriftsteller, linker Journalist. und Friedenthal.Joachim Friedenthal (geb. 1887), Journalist und Schriftsteller, befreundet mit Wedekind.

Mann sagte seine sehr herben Dinge nur zu mir. Er hätte sich auch trotz des neutralen Raumes (die Kegelbahn unter der Torggelstube) wenig empfohlen, sie laut zu sagen. Denn Halbe ging schon hoch, als ich an Jacobi die harmlose Frage richtete, ob man im Felde ebenso talentiert Kriegspläne entwerfe, wie Maaßen es gerade tat.

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München, Sonnabend , d. 26. September 1914

(...) Ein ausführlicher Brief Jennys macht mir große Freude. Sie findet eine klare Stellung zu den Geschehnissen, auf die ich sorgsam werde zu antworten zu haben. Besonders ihr Zukunftsprogramm scheint mir sehr wichtig. Da sich die Gesellschaft im Gegensatz zu der ungeheuren Realität des Staats als völlig desorganisiert und bankrott erwiesen hat, will sie den Zusammenschluß aller derjenigen betreiben, »die sich zur ›Gesellschaft‹ im Gegensatz zum Staate rechnen. Und zwar ein Zusammenschluß nicht zum Zwecke irgendeiner Kritik oder Mitarbeit am Staate, sondern zum Zweck realer Arbeiten.« – Diese anarchistischen Gedanken werden sich wohl nur in der vom Sozialistischen Bund geförderten Weise verwirklichen lassen. Ich wollte, wir könnten uns endlich persönlich aussprechen. Aus unserer Ehe, unserem Bunde könnte sich eine Gemeinschaft ergeben, aus der für alle Gutes erwachsen sollte. – Der wirklich bedeutende Brief, der auch viel Angreifbares enthält, hat mich in einen merkwürdigen Zustand der Erregung versetzt, bei dem die Aufwühlung von Ideen ebenso beteiligt ist wie die heiß spürbare Liebe zu dem herrlichen Mädchen.

München, Dienstag, d. 29. September 1914

(...) Als ich heimkam, fand ich einen sehr seltsamen Brief vor: von Karl v. Levetzow,Karl Michael von Levetzow (1871-1945), Dramatiker. der mir neulich schon per Karte angekündigt hatte, daß er mich etwas anfragen wolle. Er schreibt aus Nervi in Italien, und seine Frage geht dahin, ob ich ihm Schweizer Verleger oder anarchistische Zeitungen nennen kann, wo er seine Broschüre bzw. Artikel seiner Färbung veröffentlichen kann. Er kommt dann auf den Krieg zu sprechen, teilt mir mit, daß er sich dem Kriegs- und Marineminister Frankreichs zur Verfügung gestellt habe, ohne noch Bescheid zu haben und schreibt dann: »Da Ihre deutschen Zeitungen nicht die Wahrheit sagen dürfen und sie auch nicht erfahren, so will ich Ihnen sagen, daß die Sache Deutschlands und Österreichs ganz miserabel steht und miserabel bleiben wird, selbst wenn partielle Erfolge kommen sollten. Der Krieg endet nur mit der vollständigen Niederwerfung des preußischen Zarismus und Militarismus und mit der Zersplitterung der habsburgischen Monarchie.« »Wenn das deutsche Proletariat schon jetzt Kaiser und Könige hinauswürfe und die deutschen Nationen als föderative Republiken dastünden, würde der Friede rascher zu erzielen sein ...« »Das Schlagwort, mit dem Preußen auch die Sozialisten und Anarchisten ködert, nämlich ›Russischer Zarismus‹, ist ein Wauwau für Kinder! Die russische Gefahr hat nie bestanden – aber die preußische Raubrittergefahr lebt heute noch, und die muß jetzt niedergeworfen werden. Denn jetzt ist der gute Moment.« – Ich will den Brief sorgfältig beantworten und hoffe, Levetzow zu anderer Meinung zu bringen. Daß er sich der Republik freiwillig gestellt hat, ärgert mich. Diese Bourgeois-Republik ist nicht das Ideal. Zeit zum Niederwerfen des preußischen Zarismus wird es sein, wenn einmal aus der eigenen Fäulnis der revolutionäre Wille des Volks erwacht ist, nicht, wenn es streberischen Diplomaten des Auslands einfällt, über die deutschen Diplomatentrottel zu triumphieren. Momentan brennt's bei uns im Haus. Da heißt's löschen, auch wenn uns die Fassade mißfällt. – Gegen den Krieg – nicht für eine Partei! Interessant ist's, wie stark Levetzow überzeugt ist, die absolute Wahrheit zu wissen, daß es für Deutschland schlecht steht. Um die Tatsache, daß die Kriegsschauplätze in Frankreich, Belgien und Rußland liegen, kommt er doch nicht herum. Daß wir hier nicht jede Wahrheit erfahren, ist ja klar, und daß Rußland in Ungarn Erfolg hat, erst recht. Aber wer die Ruhe des deutschen Volkes, die wirtschaftliche Vorsicht, die Großartigkeit der Mobilisierung, die ungeheure Organisation des ganzen Betriebes auch in der Ausnahmezeit mit klaren Augen sieht, kann nicht an die Niederlegung dieses Gebäudes durch äußeren Zwang glauben. – Sehr originell ist, daß der Levetzowsche Brief die Überwachungsstelle passiert hat, dort geöffnet ist und mit dem Vermerk »Militärischerseits freigegeben« an mich weiterbefördert wurde. Sehr sorgfältig scheint Herr Oberstleutnant Sixt meine Korrespondenz nicht mehr zu lesen. Er hätte doch wohl Bedenken gehabt, ihn sonst zu expedieren.

(...)

München, Donnerstag, d. 1. Oktober 1914

Der Levetzowsche Brief beschäftigt mich nachhaltig. Die Annahme, daß er ungelesen von der Überwachungsstelle an mich weitergeleitet sei, ist nicht zu halten. Der Überwachungsoffizier hat – zum ersten Mal – auf den Verschlußzettel seinen vollen Namen gesetzt, und zwar ist es der Chef selbst, derselbe Oberstleutnant Sixt, mit dem ich vor einigen Wochen Jennys wegen korrespondierte. Offenbar haben also untergeordnete Stellen zweifelnd beim Chef angefragt, und der hat die Beförderung verfügt. Das ist ein Maß von Toleranz bei der Militärbehörde, das mich in Erstaunen setzt. Entweder hält man nur Mitteilungen strategischer Natur zurück, oder man wollte im besonderen Falle zeigen, daß man derlei Ergüsse nicht wichtig nimmt. Vielleicht soll es eine Versuchung sein, da mein Antwortbrief an Levetzow ja auch über die Überwachungsstelle zur Weiterbeförderung geht, so daß die, die seine Meinung erfahren haben, auch meine kennenlernen. Auf diesem Umweg kann aber ich vielleicht Menschen, die auf ganz fremdem Boden stehen, etwas von meiner Gesinnung mitteilen, die ihnen sonst ewig eine verbrecherische Verrücktheit schiene.

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München, Sonnabend, d. 3. Oktober 1914

Meine Antwort an Levetzow ist gestern abgegangen, sehr ausführlich und bestimmt. Da ich einen Zeugen für den Brief und vor allem einen Ratgeber dafür haben wollte, ob ich ihn, ohne an Levetzow ein Unrecht zu begehen, da die Zensur ihn doch liest, abschicken sollte, bat ich telefonisch Jacobi um ein Rendezvous und verabredete es um sechs Uhr im Café Orlando di Lasso. Dort traf ich Wedekind, natürlich mit Friedenthal. Gespräche über den Krieg. Wir kamen auf den Unterschied der Lebenseinschätzung zwischen Deutschen und Engländern, wozu die Zerstörung der drei englischen Panzerkreuzer durch das eine deutsche Unterseeboot U9Im Oktober 1914 begann der U-Boot-Krieg mit der Versenkung des englischen Kreuzers Hawke durch U9. Anlaß gab. Wedekind fand die Todbereitschaft der Deutschen wertvoller als die von den Engländern beobachtete Sparsamkeit mit Menschenleben. Dabei sagte er folgendes, was ich hier festhalten will, weil es für seine Ausdrucksweise besonders charakteristisch ist: »Gott ist stärker als das Einmaleins – solange er nicht damit in Widerspruch gerät.«

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München, Mittwoch, d. 7. Oktober 1914

Mein Gedichtbuch hat eine Kritik gekriegt, seit Ausbruch des Krieges die erste, im Ganzen die dritte. Zuerst schrieb Erich Baron in der sozialdemokratischen ›Brandenburger Zeitung‹ darüber, dann brachte die ›Königsberger Zeitung‹ ein paar Zeilen, und jetzt also der ›Berner Bund‹, in dem ein Herr Walter Reitz das Buch ablehnt. Wem diese Gedichte gefallen, der »muß wohl, wie der Dichter, innerlich völlig zerrissen sein, voller Hohn und Gift auf diese Welt und voller brutaler Lüsternheit«. Daß ich aber für Herrn Walter Reitz ein »keineswegs talentloser Dichter« bin, ist doch hübsch von ihm. Über eines habe ich mich in allen drei Besprechungen geärgert: daß noch keiner meiner Kritiker den sozialen Gehalt des Buches herausgemerkt hat. – Was wird überhaupt aus dem Werk werden? Ich möchte weinen, wenn ich's bedenke!

Die Mädchen kosten mich viel von meinem wenigen Geld. 150 Mark kriege ich monatlich nur, 30 gab mir Fred,Walter Fred (1879-1922), Journalist, Kassenwart des Schutzverbands Deutscher Schriftsteller. und das ›Berliner Tageblatt‹ läßt sich bis jetzt trotz meiner Bitte, den Frank-ArtikelWahrscheinlich nicht veröffentlicht. beschleunigt zu bezahlen, nichts merken. Da ich der Wirtin 100 Mark von der Rechnung schuldig blieb, habe ich immerhin noch einige dreißig, und ich lebe kolossal sparsam. Aber Zenzl bekam 1,50 Mark, Käte Stefanie eine Mark, Ruth zwei Mark, Asta eine Mark – und so geht's unausgesetzt weiter, in zwei Tagen über fünf Mark!

Jetzt erwarte ich Friedl W. – die sich schon verspätet. Will sie mich mit meiner »brutalen Lüsternheit« versetzen?

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München, Dienstag, d. 13. Oktober 1914

Friedensgreuel: Quidde ist Gegenstand öffentlicher Beschimpfungen geworden, weil er sich in den Haag begeben hat und dort mit ähnlich Gesinnten des Auslands vom Frieden redet. Außerdem hat er gebeten, den deutschfreundlichen ehemaligen englischen Minister HaldaneRichard Haldane (1856-1928), britischer Kriegsminister 1905 – 1912. nicht allzu eifrig anzugreifen. Nun ist er ein taktloser Verräter. Denn wir wollen nichts von Frieden hören, und wir wollen uns unseres Hasses freuen und wünschen nicht, in der Seligkeit unserer patriotischen Besoffenheit ernüchtert zu werden. Der Rechtsanwalt Goldschmidt II, unser neuer Kassenwart beim Neuen Verein, mit dem ich jüngst ein ganz interessantes Gespräch über Anarchismus hatte, stößt gegen Quidde ins Horn: die liberalen Parteien sollen ihn rausschmeißen, denn er schände den deutschen Namen, kurzum: Zeter und Mordio! – Man muß sich wirklich fragen, wer dümmer und alberner ist, diese kriegerischen Großmäuler, die mit Existenzmitteln für alle Fährlichkeiten wohlversorgt zu Hause sitzen und das heroische Bluthandwerk der ins Feld Gezogenen, die unter namenlosen Strapazen, fürchterlichen Herzenstorturen und schrecklichen Eindrücken, den Geruch sterbender und verwesender Mitmenschen in der Nase morden und gemordet werden, als eigene Heldenhaftigkeiten preisen – oder der harmlose Esel Quidde, der, Sklave eines ad absurdum geführten Systems der internationalen Diplomatenverständigung, jetzt vom Haager Friedenspalast herab in das brennende Europa spuckt und meint, dann werde das Feuer ausgehen.

Emmy erzählte, daß Hardekopf in einer dem Selbstmord nahen Verzweiflung über den Krieg sei. Ferner rede man davon, daß LeyboldHans Leybold (1892-1914), expressionistischer Lyriker und Publizist, befreundet mit Hugo Ball; Herausgeber der literarischen Zeitschrift ›Revolution‹(1913). nicht an einer Blutvergiftung infolge der Entzündung einer im FranktireurkriegPropagandabezeichnung für den bewaffneten Widerstand der belgischen Bevölkerung bei Kriegsbeginn. empfangenen Wunde gestorben sei, sondern aus Schande, noch einmal hinauszusollen, selbst ein Ende gemacht habe. Er hätte Gräßliches berichtet, so, daß er mit eigenen Augen gesehen habe, wie ein deutscher Soldat ein vierzehnjähriges Mädchen aufs Bajonett gespießt habe. Ich halte solche sadistischen Exzesse im Kriege für sehr möglich. Engel sind auch die Deutschen nicht, und die verrohenden Wirkungen des Krieges treiben gewiß aus jedem Menschen die bösesten Triebe ans Licht.

Mein sexuelles Leben ist inmitten eines langdauernden Waffenstillstandes. Asta und Hedwig erscheinen nicht mehr. Zenzl, die heut früh wieder sehr verliebt war, ist nicht intakt, und Emmy will erst morgen kommen, um mir mit ihren liebenswerten Künsten Grüß Gott zu wünschen. – Meine Sehnsucht ist Jenny wieder mehr als je.

München, Mittwoch, d. 14. Oktober 1914

Ich las in diesen Tagen das neueste Heft der ›Friedenswarte‹, worin A. H. Fried seinem bedrängten Herzen über den Krieg in einem für Fortsetzungen angelegten Kriegstagebuch Luft macht. Seine aus Selbstgefälligkeit und Weinerlichkeit zusammengesetzte, eines persönlichen Stils und erfinderischen Ausdrucks ganz bare Schreibweise gefällt mir nicht, noch weniger sein pazifistischer Wahn, zwischenstaatliche Vermittlungen seien imstande, Kriege zu verhindern. Ich schrieb im letzten ›Kain‹-Heft in meinem Nachruf auf die Suttner:Bertha von Suttner (1843-1914), österr. Schriftstellerin und Pazifistin (›Die Waffen nieder!‹ 1889).

»... daß Staaten feindliche Abgrenzungen der Länder gegeneinander bedeuten.« Da mögen freundschaftliche Bemühungen manchmal fruchten können, um einen Krieg aufzuschieben, meinetwegen selbst in einem Konflikt eine friedliche Lösung zu finden, niemals aber um Kriege dauernd abzuschaffen. Das kann nur Aufgabe derer sein, die als Soldaten selbst Kriege führen sollen, und es kann erst erreicht werden, wenn die kapitalistischen Staaten durch sozialistische Föderativgemeinschaften ersetzt sind. Trotzdem finde ich in Frieds Aufzeichnungen manchen gesunden Gedanken und im Ganzen einen guten Idealismus. Mir ist jetzt der Gedanke aufgestiegen, sämtliche auf den Frieden gerichteten Bestrebungen zu einer dauernden Beziehung zueinander zu bringen, also zwischen Pazifisten, Antimilitaristen, Christreligiösen etc., kurz zwischen allen, die den Krieg aus ethischen Gründen verwerfen, eine ständige Vermittlungsstelle zu schaffen, um im Friedschen Jargon zu reden: eine zwischenstaatliche Organisation im eigenen Lande. Wann und wie ich diesen Gedanken in Tat umsetze, weiß ich noch nicht. Jedenfalls werde ich so verfahren, daß das Ganze meiner Initiative vorbehalten bleibt. Sonst greifen die andern die Idee auf, schmeißen aber zu allem Anfang die revolutionären Antimilitaristen heraus. Angenehm wird es ja nicht sein, eventuell mit Leuten wie Quidde und mit schmalzigen Pfaffen oder gar Staatsministern in einer Kommission arbeiten zu müssen – aber wenn sich diese Leute darauf einlassen sollten, so werde ich gerecht zu bedenken haben, daß sie ja ebenso große Hemmungen zu überwinden haben werden wie ich und meine Gesinnungsgenossen. Vermutlich werde ich zuallererst die Sache mit Jenny überlegen. Vielleicht kann sie mit Haase reden, um die zugänglichen Sozialdemokraten zu gewinnen, ich setze mich darauf mit Fried auseinander, der dann alles übrige zu organisieren hätte. Es wäre ein großes Ding, bei dem – wenigstens für mich – persönlich gewiß kein Ruhm oder Geld zu holen ist, das aber, geschickt und anständig angefaßt, vielleicht nach Abschluß des Friedens gegen die zurückbleibende Haß- und Kriegsstimmung ein starkes Gegengewicht bilden und möglicherweise auch mal zur Ausgestaltung einer unüberwindlichen Friedensföderation führen kann, die im Ausland Nachahmung erfährt. Denn es ist meine Ansicht, daß, ehe sich die Schwätzer der verschiedenen Länder zu internationalem Gequassel über Dinge zusammensetzen, auf die sie doch keinen Einfluß haben, erst mal innerhalb der eigenen Grenzen gegen die verrückte und viehische Rüstungs- und Kriegsbesessenheit losgegangen werden muß.

Von Galizien liegen günstige Nachrichten vor, vom Westen fehlen Mitteilungen, die eine deutliche Übersicht ermöglichen. Die Kolossalschlacht an der Aisne, die gestern vor einem Monat begann, rast weiter, mordet immer neue Tausende, entfesselt immer mehr Ströme von Blut und Tränen und läßt noch immer keine Entscheidung voraussehen. – Die belgische Regierung ist nach Bordeaux übergesiedelt. Auch dies arme besiegte Land scheint von seinen Gänglern noch immer tiefer ins Unglück hinunter geleitet werden zu sollen. Wo ist die Zeit der Pariser Kommune? Wo wird sich endlich die Faust der Empörung heben?

München, Sonntag, d. 18. Oktober 1914

Wir wenigen, die wir nicht von dem allgemeinen Taumel schwindlig geworden sind, denen die »große Sache« immer noch ein Gegenstand sehr skeptischer Anzweiflung ist und die bei jedem Bericht über Schlachten, Siege und See-Erfolge daran denken, daß tausend Tote tausend Einzelschicksale bedeuten, haben jetzt einen schweren Stand. Man ist wahrhaft froh, wenn man irgendwo unter Larven eine fühlende Brust spürt, und so stellen sich wohl hier und da Verständigungen her, wo sonst niemals eine Gemeinschaft möglich schien. Vorhin traf ich Richard ElchingerRichard Elchinger (geb. 1879), Theaterkritiker der ›Münchner Neuesten Nachrichten‹. auf der Straße, der – offenbar glücklich, einmal etwas von seinen Empfindungen äußern zu dürfen, gleich anfing, ironisch die Taten der Deutschen zu preisen, die irgendwo ein Schiff mit 700 Mann elegant in die Tiefe befördern. Ich erinnerte ihn an die Scheußlichkeit von Tannenberg.Schlacht bei Tannenberg 23. bis 31. August 1914; Sieg der 8. Armee unter Hindenburg und Ludendorff.

Da hatte Hindenburg reguläre Straßen angelegt, die schnurstracks in die masurischen Sümpfe führen, und es gelang ihm wirklich, vierzig- bis fünfzigtausend Russen da entlang zu jagen, die schauderhaft in den Seen und Sümpfen umkamen. Man erzählt, daß viele deutsche Soldaten bei den entsetzlichen Schreien der Ertrinkenden wahnsinnig geworden seien. Aber welcher Jubel erhob sich in den deutschen Zeitungen, wie wurden die armen Kerle, die doch genau wie jeder Deutsche an ihrem Leben hängen, die alle irgendwo in der Welt eine Aufgabe kannten, denen allen irgendwo in der Heimat eine Mutter, eine Frau, Braut, Schwester oder ein Freund und Bruder Tränen und Gebete mitgaben in den Krieg – wie wurden sie noch im Tod verspottet – weil sie Russen waren! Irgendwer meinte, in den Gegenden würden in diesem Jahre die Krebse gut geraten, und Maaßen fügte dem hinzu, man sollte nur auch gleich eine Aalzucht dort anlegen. Man rühmt, wie Hindenburg dort jahrelang Vorstudien machte! Man hätte ihm eine Kaserne zur Verfügung gestellt, und so kannte er jeden Steg, jede Vertiefung, wußte, wo die meisten Menschen sterben müßten, und wird drum – und noch dazu mit Recht – gepriesen und bewundert. Denn er ist der »Retter der Länder« geworden, er hat Ostpreußen »befreit«, er hat ein strategisches Meisterstück vollbracht. – Oha, der Krieg ist etwas Herrliches und Beglückendes! Die »große Sache!« – In Kutschers Karte ist davon die Rede, in Lene Körtings Brief, in jedem Gespräch und in allen Zeitungen ein dutzendmal. Was ist denn das bloß für eine große Sache? Das herrliche geeinte deutsche Vaterland! Wenn schon. Es geht um unsere Existenz, hört man überall mit Emphase behaupten. Ist ja Unsinn! Ich glaube schwerlich, daß es den siegenden Gegnern beikommen würde, mit Deutschland zu verfahren, wie man seinerzeit mit Polen verfahren ist. Mindestens aber wird Frankreich schwerlich in Deutschland eine Politik betreiben, wie Preußen sie in Polen betrieben hat. Wir kritischen Leute sind jetzt wahrlich übel dran: Den deutschen Sieg, wie er überall verkündet wird, als Niederzwingung aller anderen Länder zum Zweck der unbestrittenen deutschen Hegemonie in Europa können wir unmöglich wünschen, weil er eine entsetzliche geistige Reaktion mit sich bringen wird, eine tiefe Verwahrlosung der Kultur, die zum Anhängsel patriotischer Selbstgefälligkeit gemacht würde. Davon gibt es schon heute trübe Vorzeichen. – Andererseits wäre eine Niederlage Deutschlands mit der Furchtbarkeit feindlicher Invasionen in das eigene Land verbunden, und das können wir auch nicht wünschen. Dagegen, daß hier Franzosen und Kosaken einrückten und hier hausten wie die Franzosen seinerzeit in der Pfalz gehaust haben, bäumt sich alles Landmann-Empfinden auf, das mir kein Mensch glaubt, weil es so gegensätzlich ist dem patriotischen Empfinden der anderen. Heimatgefühl ist angeborene Eigenschaft, die sich auf Tradition, Sprache, Landschaft, Gebräuche gründet. Patriotismus ist Anerkennung nationaler Einrichtungen, mit diesen Einrichtungen wandelbar, aber tief unduldsam gegen jede Bestrebung, die das Grundsätzliche der geltenden Einrichtungen bekämpft. Aber Landmannschaft ist überall gleich wertvoll.

(...)

München, Mittwoch, d. 21. Oktober 1914

(...) Uns kann keener! Diese Stimmung geht durch alle Kreise. Gestern sprach ich mit Heinrich Mann darüber, der von dieser Überhebung und von der unernsten Auffassung des Krieges überhaupt ebenso engeekelt ist wie ich. Er sieht aber die kulturellen Folgen des Abenteuers noch düsterer an als ich. Mit gleichem Widerwillen beurteilen wir beide den offenen Brief, den Richard Dehmel vor seinem Einrücken in die Front an seine Kinder gerichtet hat. Ihm war es darin vorbehalten, den allgemeinen schwachsinnigen Haß gegen die Engländer auch noch auf deren größte Geister zu beziehen: Shakespeare und Byron seien Zyniker gewesen. Dann nimmt er sich jedes Feindesland einzeln vor und vermöbelt es in je fünf Zeilen so, daß kein kleinster Wert mehr übrig bleibt. Nur wir Deutsche! Nein, was sind wir für ein herrliches und unvergleichliches Volk! Es kotzt einen nachgerade an, das jeden Tag ein dutzendmal zu lesen.

(...)

Ich beobachte mit wachsendem Entsetzen, wie durch die absonderlichen Ereignisse die intelligentesten Gehirne verblöden.Etwas aus den Fugen sind wir alle schon, – ich entsetze mich oft über mich selber.
(E. M.)

Nach dem Krieg wird alle Kultur Europas im Sumpfe sein, wo er am tiefsten ist.

München, Freitag, d. 23. Oktober 1914

(...) In der Torggelstube war ich abends mit Halbe und Paul WieglerPaul Wiegler (1878-1949), Schriftsteller und Publizist. zusammen, den ich vor Jahren bei Harden kennenlernte und der jetzt Redakteur der ›B. Z. am Mittag‹ ist. Ein sehr gescheiter Mensch. Man fand, daß ich mit meiner den Krieg ablehnenden Haltung wohl ganz allein stehe. Könnten die Leutchen einmal hören, wie ich mit Morax und Heinrich Mann über die Dinge rede und wie sämtliche Mädchen die Dinge beurteilen! Halbe meinte, ich könnte froh sein, bei ihm und den übrigen Freunden immer noch einen Kreis zu haben, wo ich von der Leber weg sprechen könnte. Daß ich mich stets sehr zurückgehalten habe, wollte er mir nicht glauben. Und würde ich ihm sagen, daß er bei leise zweifelnden Andeutungen stets wie ein Berserker hochgeht – worin Schmitz freilich noch rabiater ist – würde er mich für närrisch halten. Jedes Gespräch über den Krieg – und andere Gespräche führt man nicht – ist ein Eiertanz. Ich freue mich auf Hardy. Mit dem wird sich wohl reden lassen.

(...)

München, Mittwoch, d. 28. Oktober 1914

(...) Über Bahrs Vortrag war ich ziemlich ärgerlich. Er sieht den Segen des Krieges wieder in der Einigkeit Deutschlands, rühmt den »disziplinierten Enthusiasmus« der Deutschen, zitiert viel Goethe und Bismarck über das Erbübel der Deutschen, ihre Parteizersplitterung, und hofft endlich, daß ein jeder nach dem Kriege sagen könne: Ich kenne keine Parteien mehr! Als ich ihn später in den Vier Jahreszeiten fragte, auf welche Einheit der Überzeugung er denn die Deutschen verpflichten wolle, erklärte er lachend: Ja, da wird wohl jeder seine eigene durchsetzen wollen, woraus, wie er mir zugab, dann wieder der Parteizank erwachsen muß. – Wir hatten dann noch in größerem Kreise eine sehr gute Unterhaltung mit Bahr über Zionismus, Judentum, Rassenressentiments und Nationalismus, an der sich Wedekind in sehr kluger, Friedenthal in aufdringlich-geschmackloser Weise beteiligten. – Während Bahr einmal nicht am Tisch war, kam ich mit Wedekind noch einmal auf den »disziplinierten Enthusiasmus« der Deutschen zu sprechen. Wedekind warf dazwischen: »Ja, Chaos im Parademarsch.«

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München, Mittwoch, d. 11. November 1914

(...) Gestern nachmittag war ich zum Kaffee bei Heinrich Mann. Das war wieder mal ein wahres Labsal. Endlich mal ein Mensch, der den Krieg ohne Befangenheit beurteilt und also tödlich haßt. Lange Gespräche über Jacobi, der durch seine Tollkühnheit beim Angriff auf einen feindlichen Schützengraben trotz der Warnung seiner Vorgesetzten den tödlichen Schuß geradezu provoziert haben soll. Mann meinte, es sei bei diesem keuschen Menschen wohl plötzlich erwachte Abenteuersucht gewesen, ich dagegen, daß sein temperamentvolles Pflichtgefühl eben auch da restlose Erfüllung suchte, wo es in eine ihm eigentlich wesensfremde Sache gespannt war. – Wir amüsierten uns dann über die Presse und stellten fest, daß in Frankreich und Deutschland vom Feind immer wortwörtlich das gleiche zusammengelogen wird, was im Einzelfalle natürlich hier wie dort einmal wahr sein kann. Über die Schlacht am Yser-Ypres-Kanal meinte Mann: »Was muß das für ein unheimlich langer Kanal sein, wo die Deutschen wochen- und monatelang täglich Fortschritte machen können!« – Dann zeigte er mir das neueste ›Forum‹, wo Herzog nun völlig umfällt und in einem Artikel: ›Die Losung heißt – durch!‹ ganz und gar in das geschwätzige deutschpatriotische Gesabbere verfällt wie die gesamte Presse. Mann hat ihm einen entschieden ablehnenden Brief geschrieben, und wir waren einig in der angewiderten Verurteilung des charakterlosen Lümmels.

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München, Freitag, d. 20. November 1914

(...) Papa schickt mir ein Paket, enthaltend meine Barmitzwah-Wertsachen, nämlich goldene Manschettenknöpfe, (Kaiser-Friedrich-Zehnmarkstück mit angelötetem Blechverschluß), die ich von Onkel Herrmann und Tante Jeannette hatte, eine goldene Kitschschlipsnadel, mit sehr kleinen Edelsteinchen garniert (von Onkel Henry) und zwei alte österreichische Silbermünzen, etwa zehn Kronen im ursprünglichen Wert, von Onkel Weiß. – Ferner von Papa selbst eine Kiste Zigarren und eine Wurst, von den Geschwistern ein Kistchen Zigarillos, ein Paar wollene Handschuhe, eine Tüte Pfefferkuchen, eine Tafel Schokolade und eine Zigarrenschere. Ferner noch fünf Mark, die der Alte noch aus meinem Besitz aufbewahrte. Aus den Wertsachen hoffe ich immerhin dreißig, vierzig Mark herauszuschlagen, so daß dieser Monat wohl wieder als glücklich entkümmert anzusehen sein wird, zumal, was ich wohl einzutragen vergaß, inzwischen 50 Mark vom ›Berliner Tageblatt‹ eintrafen, die noch fast intakt sind. Die Wurst und einen Teil der Pfefferkuchen erhielt Zenzl. Die übrigen Fressalien will ich zwischen Lotte und Roja aufteilen.

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München, Sonnabend, d. 21. November 1914

Weiber! Ich bin immer der, der die Frauen gegen die anmaßliche Einschätzung der Männer in Schutz nimmt. Ich bestreite ihren »physiologischen Schwachsinn«,Zentrale These im seinerzeit einflußreichen Buch ›Geschlecht und Charakter‹ (1903) des österreichischen Philosophen Otto Weininger. ihre Unfähigkeit zur Logik, kurzum alles, was unter der Bezeichnung »Minderwertigkeit« den Männern als Anlaß herhalten muß, um den Herren über sie zu spielen. Eine einzige Eigenschaft aber scheint wirklich Allgemeingut sämtlicher Frauen zu sein, die sie – und zwar moralisch – unter den Mann stellt. Das ist die Unpünktlichkeit. Ich wenigstens erinnere mich aus meiner sehr großen Praxis noch keiner einzigen Freundin, die in der Innehaltung von Verabredungen absolut zuverlässig gewesen wäre. Das ist für mich bei meiner fast übertriebenen Genauigkeit darin doppelt lästig. Aber meine Hoffnung, einmal im Leben eine pünktliche Frau kennenzulernen, werde ich wohl aufgeben müssen. Unpünktlichkeit ist eine moralische Untugend. Frauen und Mädchen können, wenn sie irgendwo geschäftlich verpflichtet sind, die Zuverlässigkeit einer Normaluhr haben. Den Liebsten aber lassen sie wegen irgendeiner Laune oder weil ihnen »was dazwischen kommt«, mit der größten Seelenkälte stundenlang über die verabredete Zeit warten oder versetzen ihn auch ganz. Sie haben also nur einen geschäftlichen Antrieb zur Innehaltung ihrer Verpflichtungen, keinen moralischen. Somit ist Unpünktlichkeit in der Tat ein Zeichen des Mangels an moralischem Gewissen.

Um dreiviertel fünf sollte ich gestern Roja treffen, an der Ecke Friedrich- und Herzogstraße. Von da wollten wir zusammen zu Lotte Pritzel gehen, die uns um fünf Uhr bestellt hatte. Ich war mit meinen aus Lübeck eingetroffenen Wertsachen in der Stadt herumgelaufen, hatte für die Manschettenknöpfe 19 Mark 50 erhalten und dann vergeblich versucht, die Nadel und die österreichischen Münzen zu mehr als dem Metallwert abzusetzen, um plötzlich auf die Zeit aufmerksam zu werden und in Eilschritten die Friedrichstraße hinunter zu jagen, an deren Ende ich ein paar Minuten vor dreiviertel fünf ankam. Dort konstatierte ich zunächst, daß die von Roja bestimmte Ecke überhaupt nicht existiert, da die Friedrichstraße in die Kaiserstraße mündet und von der Herzogstraße an der Ursula-Kirche entlang durch die ganze Länge der Victoriastraße getrennt ist. Ich patrouillierte also jetzt eifrig am Kaiserplatz entlang, immer von der Friedrich- zur Herzogstraße bis zum Pündterplatz, wo sie Besuch machen wollte. Es war bös kalt, denn der Winter ist kräftig übers Land gekommen. Roja erschien nicht. Nach mehr als einer halben Stunde ging ich endlich allein zum Puma hinauf, das ich doch nicht gar zu lange warten lassen wollte. Aber siehe da: Mein Puma war nicht zu Hause, und ich sah mich zugleich von zwei Weibern versetzt. Immer in der Angst, ich könnte Roja vielleicht bei der Unsicherheit des Rendezvousplatzes bloß verfehlt haben, begab ich mich gegen halb sechs endlich auf den Heimweg – total durchgefroren – und erfuhr, daß inzwischen eine Dame telefoniert hatte, was mich immerhin beruhigte.

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München, Freitag, d. 27. November 1914

Ich bin erfüllt von einem Aufsatz von Romain RollandRomain Rolland (1866-1944), französischer Schriftsteller und Kunstwissenschaftler, ab 1914 in der Schweiz lebend, rief eine internationale Friedensbewegung ins Leben. im Heft 1 des VIII. Jahrgangs der Züricher Zeitschrift ›Wissen und Leben‹ vom 15. Oktober ›Über dem Ringen‹, den mir Herr Kies lieh. Rolland hat seinerzeit in einem offenen Briefwechsel mit Gerhart Hauptmann in das gleiche Horn gestoßen wie alle anderen: Richepin,Jean Richepin (1849-1926), französischer Schriftsteller. Verhaeren,Emile Verhaeren (1855-1916), belgischer Dichter; beschrieb den deutschen Überfall auf Belgien. MaeterlinkMaurice Maeterlinck (1862-1949), belgischer Schriftsteller, in Frankreich lebend. etc., die Deutschen Barbaren und Hunnen genannt und wohl redlicher und ruhiger als die anderen, doch aber voreingenommen und befangen einseitig Partei genommen. Jetzt dementiert er sich selbst, wirft sich öffentlich vor, so schwach gewesen zu sein wie alle andern. Der Artikel enthält wunderschöne Stellen, die jeder Geistige in jedem Land unterzeichnen kann. Über die Haltung der Christen und der Sozialisten, über die Verhetzung der Völker, über den wahren Feind der Kulturen, den jede Nation in sich selbst hat, über all das, was unsereiner – ein Prediger in der Wüste – unter den wenigen vertritt, die wenigstens noch manchmal, angeärgert zwar, zuhören können, und über den Frieden, der auch Versöhnung heißen soll. – Die erste derartige Stimme ist die eines Franzosen. Auch er muß sich eines Schweizer Blattes bedienen, um seinen Schmerz ausströmen zu können (der Artikel erschien zuerst im ›Journal de Genève‹). Auch er muß am Schluß bekennen: »Übrigens rede ich ja nicht, um sie zu überzeugen. Ich rede, um mein Gewissen zu entlasten ... Und ich weiß, damit entlade ich das von tausend anderen in allen Landen, welche nicht reden können oder nicht zu reden wagen.« Ich habe mir vorgenommen, das Wagnis zu reden auch auf mich zu nehmen. Ich will noch heute an ›Wissen und Leben‹ schreiben und anfragen, ob man von mir einen ähnlichen Artikel will, den ich vielleicht ›Im Geiste Tolstois‹Nicht erschienen. nennen werde. Darin will ich namens deutscher Mitbefangener die Hand ergreifen, die aus Frankreich herlangt, und der Geist des großen Russen soll es sein, der die verbindende Geste erleichtern mag. Und aufrufen will ich zur Versöhnung und zur Gemeinschaft und Stimmung machen gegen diesen und jeden Krieg und einleiten die große Bewegung gegen den Krieg, an der sich alle Nationen beteiligen sollen in den Vertretern, die berufen sind: In den Künstlern und Geistigen, in den Anarchisten und Sozialisten, in den Pazifisten und vor allem den Frauen. Vielleicht gelingt es mir, ein Weniges beizutragen zu dem heiligen Ziel einer neuen Kulturgemeinschaft der Menschen, die sich den Namen wieder verdienen wollen. Wir müssen eine neue Arbeiter- und Menscheninternationale schaffen.

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München, Montag, d. 30. November 1914

Ich gerate nach und nach in eine ziemlich trostlose Gemütsverfassung, die durch das Kriegsentsetzen wohl gefördert und verstärkt wird, aber nicht von ihm allein hervorgerufen ist. Mir kam es gestern plötzlich zum klaren Bewußtsein, daß ich unendlich vereinsamt bin. Mit meinen Empfindungen zu den gegenwärtigen schlimmen Zeiterscheinungen stehe ich absolut allein unter denen, die ich kenne. Wohl kann ich mit einzelnen, besonders Mann, darüber reden. Aber es kommt dann eine unfruchtbare Lästerei heraus, weil alle von verschiedenen Instinkten aus in die Dinge schauen. Heinrich Mann leidet weniger unter den Schrecknissen als solchen. Er ist Partei: und zwar auf der französischen und belgischen Seite. Bei Meßthaler verläßt mich das Gefühl nicht, daß aller Widerspruch bei ihm vom kritischen Verstand, aber nicht vom klagenden Herzen ausgeht. Und die Frauen, die natürlich ganz von innen her unter all dem Schmerzlichen leiden, kommen doch alle nicht zum Haß gegen die Einrichtung des Krieges, sondern nehmen deutsche Partei und hassen die »Feinde«. Die Arbeiter, mit denen ich in Berührung komme, sind entweder hurrapatriotisch oder verängstigt. Ich weiß mich in meiner Herzenshaltung seltsamerweise am besten von dem Manne verstanden, dessen eigene nicht geringer bewegt, aber grundsätzlich adversär gerichtet ist: von Max Halbe. Aber mit dem führt die Verständigung über wütendes gegenseitiges Anschreien. – So habe ich niemanden, mit dem ich von der Seele aus reden kann.

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München, Donnerstag, d. 3 Dezember

(...) Im Reichstag ist mit vielen Radamontaden eine neue Fünf-Milliarden-Forderung glatt von allen Parteien bewilligt worden. Nur Karl LiebknechtKarl Liebknecht (1871-1919), seit 1912 sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, setzte sich mit seiner Weigerung, der Bewilligung von Kriegskrediten zuzustimmen, in offenen Gegensatz auch zur Politik seiner Partei, die mit den bürgerlichen Parteien einen Burgfrieden geschlossen hatte. Das Nein Liebknechts markierte den Beginn der Antikriegsbewegung in Deutschland und der Spaltung der SPD in eine staatstreue (MSP), eine pazifistische (USPD) und eine revolutionäre Partei. 1918/19 Mitbegründer der KPD und zusammen mit R. Luxemburg ihr Vorsitzender. ist bei der Abstimmung sitzen geblieben, wofür er von aller Welt beschimpft wird. Die Partei aber wird ihm wegen Disziplinwidrigkeit einen Ketzerprozeß machen. Ich freue mich über den Mut dieses Einzelnen. Ganz ohne Eindruck wird die Demonstration nicht sein, mancher wird nachdenken.

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München, Freitag, d. 4. Dezember 1914

»Gott strafe England!« – »Er strafe es!« Das ist der neueste Gruß und Gegengruß der Deutschen, bei denen die Furcht vor der Lächerlichkeit ebenso unbekannt ist wie die vor dem Feind, mit dem man nicht in Berührung kommt. – Über die Kriegsereignisse sagt der offizielle Draht der letzten Tage nichts. Auf Umwegen erfährt man, daß Krakau von den Russen unmittelbar bedroht ist. Dagegen scheint die Lage in Nordpolen für die Russen übel zu stehen, was sich auch aus der Tatsache erhellt, daß der General Rennenkampf abgesetzt ist.

Gegen Liebknechts Haltung im Reichstag erläßt der Parteivorstand eine Erklärung, in der sie seinen Disziplinbruch »aufs tiefste« bedauert. Es heißt, Liebknecht werde sein Mandat niederlegen.Liebknecht behielt sein Mandat, wurde aber im Februar 1915 als Armierungssoldat eingezogen.

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München, Sonnabend, d. 5. Dezember 1914

An Liebknecht habe ich geschrieben und ihm meine Glückwünsche zu seinem tapferen Verhalten übermittelt und zugleich den Plan zur Gründung eines ›Internationalen Kulturbundes gegen den Krieg‹ entworfen. – Von ›Wissen und Leben‹ habe ich auf das Angebot eines Essays ›Im Geiste Tolstois‹ noch keine Antwort. Ich rechne damit, daß entweder mein Brief an die Redaktion oder deren Antwort an mich von der militärischen Überwachungsstelle zurückgehalten sein kann. Wenn die Heeresgewaltigen meinen, mit solchen Mitteln meinen Entschluß, gegen den Krieg und die Völkerfeindschaft zu wirken, abstellen zu können, irren sie sich. Ich warte noch ein paar Tage. Dann geht's auch ohne besondere Bestellung an die Arbeit.

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München, Donnerstag, d. 24. Dezember 1914

(...) Die arme Zenzl hat heuer nur drei Mark von mir bekommen. Als sie heut früh an meinem Bett saß, ging es mir recht auf, wie lieb ich sie habe. Sie ist mir ein wenig das, was ich von meiner Geliebten am tiefsten ersehne: Ersatz der Mutter. Ich kann ihr wie keiner sonst den Kopf in den Schoß legen und mich ganz still und wunschlos streicheln lassen. Ihre gute Liebe tut mir unermeßlich wohl, und ihr danke ich in dieser schweren Zeit mehr, als ich selbst oft empfinde. Vielleicht kann ich es ihr einmal danken.

München, Montag, d. 28. Dezember 1914

(...) Der Krieg geht in der gewohnten Weise weiter, nur daß zu befürchten ist, daß sich die Kämpfe im Osten an der Bzura, Nida und Rawka zum gleichen Stellungskrieg auswachsen werden wie die im Westen an der Yser und Yper... Ein Gutes ist aber allmählich zu merken: Das Publikum mag nicht mehr. Der Krieg fängt an, unpopulär zu werden. Man glaubte, es werde alles gehen wie 1870 – der berühmte »Siegeslauf der deutschen Waffen«.Deutsch-Französischer Krieg 1870/71, der mit der militärischen Niederlage Frankreichs, der Annexion von Elsaß-Lothringen und der Krönung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser in Versailles endete.

Und wenn man den Krieg angefangen hat, muß er so gehen, will man gutes Wetter beim Volk erhalten. Kriegsmüdigkeit, heimliche Empörung, wie sie sich allmählich in immer weiteren Kreisen geltend macht, wäre namenloser Segen. Denn sie wäre die Voraussetzung für den Kriegshaß, der nach Beendigung der Ereignisse den Frieden sichern muß. – Daß ich nicht rosiger sehe als berechtigt ist, beweist mir eine Äußerung Gustl Waldaus, der mir vorgestern – auf der Straße, vor Zeugen, und er in Offiziersuniform mit dem Eisernen Kreuz – die Hand auf die Schulter legte und sagte: »Gelt, Erich, du brauchst jetzt auch nicht mehr soviel Angst zu haben, deine Meinungen zu äußern, wie am Anfang?« – Er selbst gibt ehrlich zu, daß er nur sehr ungern wieder ins Feld hinausgeht und zieht das, solange es geht, hinaus. Er empörte sich kürzlich heftig über die Rubrik ›Feldhumor‹ in den Blättern und bestritt, – er, der lustigste, sonnigste Mensch der Welt–, daß Humor je im Schützengraben bemerkbar werde. Wenn er irgendwo lese ›Humor im Schützengraben‹ dann schmeiße er wütend das Blatt in die Ecke.

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