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XII. Intrigen

Voltaire war seinem Plan vollkommen treu geblieben, er hatte seinen Aufenthalt in Preußen und die Gunst, in welcher er beim König stand, dazu benutzt, um sein Vermögen zu bereichern und allen denen möglichst zu schaden, welchen der König noch außer ihm seine Neigung zugewendet hatte.

Seine Reichtümer hatte er nicht allein dadurch vermehrt, daß er möglichst knauserte und sparte, und so seine hohe Pension kapitalisierte, sondern auch noch besonders durch jene Spekulationen mit sächsischen Steuerbilletts, für welche er anfangs die Vermittelung des Juden Hirsch beanspruchte. Wir haben gesehen, wie er denselben nach Dresden sandte, um ihm für achtzehntausend Taler Kassenscheine einzukaufen, und ihm drei von ihm akzeptierte Wechsel gab. Der eine derselben war auf den bekannten Bankier Ephraim, der später der Münzjude genannt zu werden pflegte. Dadurch erfuhr Ephraim von der Spekulation Voltaires, und als schlauer Handelsmann seinen Vorteil berechnend, begab er sich zu Voltaire, dem er den Vorschlag machte, er wolle ihm für zwanzigtausend Taler sächsische Steuerscheine geben und erst dann das Geld dafür empfangen, wenn Voltaire die Valuta dafür aus Dresden bezogen hätte. Die einzigen Prozente, welche er verlangte, waren die Wohlgeneigtheit Voltaires und seine Fürsprache beim König. Das war ein zu vorteilhafter Handel, als daß der große französische Dichter ihn auszuschlagen vermocht hätte. Er nahm die sächsischen Steuerscheine von Ephraim, sagte ihm seine Protektion zu und sandte dann sogleich nach Paris einen Protest gegen den Wechsel, welchen er an den Juden Hirsch gegeben. Dieser hatte inzwischen schon in Dresden für Voltaire die Steuerscheine gekauft und ward nun nicht allein durch den protestierten Pariser Wechsel, sondern auch durch Voltaires Weigerung, die Steuerscheine anzunehmen und zu zahlen, in die äußerste Verlegenheit gesetzt. Voltaire suchte ihn zu beschwichtigen, versprach seinen Schaden zu ersetzen und ihn außerdem auch dadurch noch zu entschädigen, daß er ihm etliche von den Brillanten abkaufte, die er von Hirsch in Verwahrsam hatte. Das tat er auch wirklich. Er kaufte für dreitausend Taler Brillanten, und gab die andern an Hirsch zurück. Nach einigen Tagen schickte er indes zu ihm, und ließ ihn um ein Brillantkreuz und einige Ringe bitten, die er gleichfalls zu kaufen beabsichtige.

Hirsch sandte ihm auch diese Gegenstände, und als er nach einigen Tagen weder seine Brillanten noch sein Geld erhielt, begab er sich zu Voltaire, das eine oder das andere zu holen. Voltaire aber empfing ihn mit dem äußersten Zorn, behauptete, die Brillanten, welche er gekauft, seien unecht, um sich zu entschädigen, habe er die übrigen Brillanten zurückbehalten und werde sie auch nicht wieder herausgeben. In seiner dichterischen Begeisterung hob er fortwährend seine geballten Fäuste beschwörend zum Himmel empor oder hielt sie unter die Nase des armen geängsteten Juden, dem er zum Überfluß noch einen Brillantring vom Finger zog, und ihm dann die Tür wies.

Nun ward der Jude Hirsch klagbar und verlangte auf gerichtlichem Wege die Erstattung seiner Brillanten und die Bezahlung der sächsischen Steuerscheine. Ein langwieriger und ärgerlicher Prozeß war die Folge davon. Voltaires Intrigen und Ränke verwickelten denselben mehr und mehr, und selbst die Richter wußte er in Verzweiflung zu bringen. Voltaire behauptete, von Hirsch falsche Brillanten bekommen zu haben, während der Jude Hirsch sagte, die falschen von Voltaire produzierten Brillanten seien nicht diejenigen, welche er ihm verkauft, und welche der Juwelier Reclam ja vorher abgeschätzt habe. Niemand war bei diesem Handel zugegen gewesen, und weder der eine noch der andere hatte Zeugen für seine Aussagen. Die Richter mußten sich also darauf beschränken, daß sie Voltaire den Eid zuschoben, da Voltaire sich zu einer gütlichen Ausgleichung nicht verstehen wollte. Aber auch gegen die Ablegung des Eides sträubte er sich. »Wie,« schrie er, »ich soll auf die Bibel schwören, auf dieses Buch, welches in so schlechtem Latein geschrieben ist? Ja, wenn es noch Homer oder Virgil wäre, dann würde ich nichts dawider haben.« Als der Richter ihm darauf bemerkte, daß, wenn er den Eid verweigerte, man den Juden Hirsch zum Eide zulassen würde, rief er: »Was? Sie wollen, daß der Eid dieses Elenden, der den Heiland gekreuzigt hat, entscheiden soll? Thiébault. V, 285.

Indes leistete er endlich den Eid, und da der Jude Ephraim zugleich beschwor, daß Voltaire ihm die Brillanten gezeigt, welche er von Hirsch in Verwahrsam gehabt, und er dieselben sogleich für unecht erkannt habe, verlor der Jude Hirsch seinen Prozeß, und Voltaire konnte triumphierend an den Grafen d'Argental schreiben:

»Wenn man meine Feinde und Neider gehört hätte, so würde ich einen großen Prozeß verloren, einen redlichen jüdischen Bankier betrogen haben, und der König, welcher natürlich die Partie des Alten Testaments nehmen mußte, hätte mich mit seiner Ungnade belastet; und ich war verloren, und Fréron erzählte lachend, daß ich vor Ärger krank geworden und gestorben sei. Stattdessen bin ich noch am Leben, und der König hat während meiner Krankheit so viel Güte für mich gehabt, daß ich der undankbarste der Menschen sein müßte, wenn ich nicht noch einige Monate bei ihm bliebe. Ich war das einzige Tier meiner Rasse, welches er in seinem Schloß zu Berlin logierte, und als er nach Potsdam abreiste und ich ihm nicht folgen konnte, ließ er eine Equipage, Köche und alle et caetera da; und seine Maultiere und Pferde brachten später meine Möbel und Sachen in ein köstliches Landhaus bei Sanssouci, dessen Genuß er mir überlassen. Außerdem reservierte er mir eine andere Wohnung in seinem Stadtschloß zu Potsdam, wo ich einen Teil der Woche schlafe und bin; und kurz, wenn ich nicht dreihundert Lieus von Ihnen entfernt wäre, wenn ich Sie nicht so zärtlich liebte, und wenn ich ein wenig gesünder wäre, so würde ich der glücklichste der Menschen sein. Ich bitte deshalb meine Neider, diese kleinen Schöngeister, und diese Schulfüchse um Verzeihung, welche jetzt schreien werden: Ist es möglich, daß er zwanzigtausend Franken jährlicher Pension hat, während wir nichts haben? Daß er ein goldenes Kreuz an seiner Tasche hat, während wir nicht einmal ein Schnupftuch darin haben? Daß er ein großes blaues Kreuz mit Diamanten um seinen Hals trägt, während wir ihn erwürgen wollen? Sie wissen nicht, diese Elenden, daß weder das Kreuz noch der Schlüssel noch die Pension mich rühren, daß ich dies alles ohne das mindeste Bedauern aufgeben würde, wenn ich nicht einzig und allein an die Person eines großen Mannes, der mein Glück ausmacht, gefesselt wäre.« Voltaire: Oeuvres. LVIII, 422.

Aber dieser Himmel des Glückes, den Voltaire so herrlich pries, war doch nicht ganz wolkenlos geblieben, und es hatte einiger Stürme bedurft, um ihn wieder zu klären.

Der König war sehr erzürnt gewesen über Voltaire und hatte ihm das in einem sehr heftigen und aufgeregten Briefe aus Potsdam gesagt:

»Ich habe den Frieden in meinem Hause bis zu Ihrer Ankunft zu erhalten gewußt,« schreibt er an Voltaire, »und ich muß Ihnen gestehen, daß, wenn Sie die Passion haben zu intrigieren und zu kabalieren, Sie bei mir schlecht angekommen sind. Ich liebe die sanften und friedlichen Leute, welche in ihr Betragen nicht die heftigen Leidenschaften der Tragödie mischen. Im Fall Sie sich entschließen können, als Philosoph zu leben, werde ich mich freuen, Sie zu sehen; aber wenn Sie sich immer wieder der Wut Ihrer Leidenschaften überlassen und mit allen Menschen anbinden wollen, tun Sie besser, in Berlin zu bleiben, denn Ihre Hierherkunft nach Potsdam würde dann kein Vergnügen für mich sein.« Oeuvres posthumes. Supplémens II, 383.

Erst nachdem Voltaire feierlich gelobt hatte, sich zu bessern und Frieden zu halten, durfte er nach Potsdam zurückkehren.

Aber das »Frieden halten« war eine Sache, welche weder in den Charakter noch in den Plan Voltaires paßte. Das Intrigieren und Kabalieren war für ihn eine Notwendigkeit, der er nicht entsagen mochte oder wollte.

Nachdem er d'Arnaud durch seine Intrigen zu beseitigen gewußt hatte, daß dieser Berlin verlassen mußte, wandte sein Zorn sich gegen die übrige Umgebung und die Freunde des Königs. Den einen derselben entriß der Tod seinen Angriffen. Das war La Mettrie, welcher, infolge des übermäßigen Genusses einer Trüffelpastete im Hause des französischen Gesandten, Lord Tirconnel, an einem Aderlaß starb, den er sich wider das Anraten des Arztes selbst verordnete, indem er sagte: »Ich will meine Indigestionen an das Aderlassen gewöhnen.« Indes starb er an diesem ersten Versuch; treu seinem ganzen Leben und seinen Grundsätzen war sein Tod. Den Priester, welcher ungerufen herbeigekommen war und ihn zur Versöhnung mit Gott ermahnen wollte, wehrte er heftig fort. Bald darauf aber rief er unter den Martern seiner Schmerzen: Oh, mein Gott! Oh, Jesus Maria! – Oh, er bereut, schrie der erfreute Priester. Er ruft zu Gott und zu seinem eingebornen Sohn! – Nein, nein, mein Vater, stammelte La Mettrie mit sterbender Lippe, das ist nur eine Redensart! Nicolai: Heft I, 20.

Voltaires Neid und Eifersucht wandte sich nun zuerst gegen den Marquis d'Argens, der freilich zu den teuersten Freunden des Königs gehörte. Anfangs versuchte er, den König selber gegen ihn einzunehmen, und verriet demselben, daß der Marquis sich heimlich mit der Schauspielerin Barbe Cochois verheiratet habe. – Der König war in der Tat anfangs sehr erzürnt, aber die Bitten Algarottis und der Schmerz des armen Marquis versöhnten ihn endlich; er verzieh nicht allein, sondern er erlaubte sogar, daß die Marquise mit ihrem Gemahl in Sanssouci wohnen durfte.

Da Voltaire also dem Marquis d'Argens die Gunst des Königs nicht hatte entziehen können, wollte er ihm wenigstens einigen Kummer verursachen und ihn in seinen Herzensneigungen kränken. Er wußte, daß der Marquis ein glühender Verehrer des französischen Dichters Jean Baptiste Rousseau sei.

Eines Tages also begab sich Voltaire zum Marquis d'Argens und sagte mit trauriger und zärtlicher Miene, daß er es für seine Schuldigkeit halte, ihn über diesen elenden Jean Baptiste Rousseau aufzuklären, und ihm zu beweisen, daß derselbe seine Verehrung und Liebe mit dem schwärzesten Undank belohne. Er habe soeben von seinem Korrespondenten aus Paris ein Epigramm erhalten, das Rousseau gegen den Marquis gemacht. Dasselbe sei freilich noch wenig und nur in Abschriften bekannt, und Rousseau lasse jeden, dem er es zeige, schwören, daß er nichts verraten wolle, aber er zeige es doch, und beabsichtigte auch, es drucken zu lassen. Er, Voltaire, habe indes seinem Korrespondenten den Auftrag gegeben, alles anzuwenden, daß dieses abscheuliche Epigramm nicht gedruckt werde, oder, wenn das geschähe, alle Mittel in Bewegung zu setzen, daß das Publikum ebenso empört über dieses schändliche Betragen Rousseaus sein müßte, wie alle Freunde des Marquis.

Allerdings, dieses Epigramm, welches Voltaire dann dem Marquis vorlas, und welches den Marquis als den juif errant bezeichnete, war ebenso boshaft als heimtückisch und verleumderisch, und der gute Marquis empfand darüber anfangs einen wahren und tiefen Schmerz und schwur, eine glühende Rache an Jean Baptiste Rousseau zu nehmen. – Voltaire triumphierte; aber nach einigen Tagen hatte der Marquis überlegt; er argwöhnte da eine Hinterlist Voltaires, wo er anfangs einen Verrat seines Freundes Rousseau gesehen hatte. Seinem eigenen offenen und edlen Charakter gemäß schrieb er unmittelbar an Jean Baptiste Rousseau selbst und trug ihm seine Klage vor, und fragte ihn, ob er das Epigramm gemacht habe. Rousseau schwur, daß er nicht der Verfasser desselben sei, daß er aber wisse, daß Voltaire es gemacht. Er habe einige Abschriften desselben nach Paris gesandt, und seine Freunde suchten es überall dort zu verbreiten Thiébault V, 328. – Formey: Souvenirs d'un citoyen. I. Article »Voltaire«. .

Der Marquis d'Argens hütete sich indes wohl, diese Nachricht Voltaire mitzuteilen; er zog es vor, sich seinen ferneren Angriffen und Intrigen zu entziehen, und machte mit seiner jungen Gemahlin eine Reise nach Frankreich, von welcher er erst dann wieder zurückkehrte, als Voltaire schon für immer abgereist war.

Der mächtigste und am meisten gehaßte Feind, gegen den Voltaires Zorn sich jetzt richtete, war der Präsident der Berliner Akademie, Maupertuis, dem Voltaire es niemals verzeihen konnte, daß er auch noch zu glänzen wagte, wo Voltaire sich zeigte, daß er Präsident der Akademie, während Voltaire nur einfaches Mitglied derselben, und vor allen Dingen, daß der König ihn liebte, und seine ausgezeichneten Talente und seine Gelehrsamkeit pries.

Voltaire lauerte nur auf eine Gelegenheit, diesen gefährlichsten seiner Feinde anzugreifen, und diese Gelegenheit zeigte sich bald.

Maupertuis hatte seine Lettres Philosophiques drucken lassen, in denen es freilich wimmelte von Stellen, welche Voltaires Behauptung, daß Maupertuis früher wahnsinnig gewesen wäre und mehrere Jahre zu Montpellier im Irrenhause gesessen hätte, zu bestätigen schienen.

Maupertuis schlug in diesen Briefen vor, »man solle eine lateinische Stadt bauen, um diese schöne Sprache wieder neu zu beleben, man solle ein Loch bis an den Mittelpunkt der Erde graben, um ihre innere Beschaffenheit zu ermitteln, und man solle ferner nach der Meerenge Magelhaen gehen und dort das Gehirn von Patagoniern öffnen, um die Natur der Seele kennen zu lernen.«

Gegen diese fabelhaften Vorschläge des Maupertuis antwortete Voltaire als Doktor »Akakia«, welcher den unglücklichen Maupertuis heilen wollte, in einer Schrift, welche, ganz mit Voltaires scharfem, schlagfertigem Witz und seiner beißenden, glänzenden Ironie geschrieben, sehr wohl imstande war, Maupertuis vor aller Welt lächerlich zu machen. Der König, dem Voltaire sein Manuskript mitgeteilt, fühlte das sehr wohl, und obwohl er die Vorlesung des Akakia mit dem lebhaftesten Vergnügen angehört und oft genug Voltaire mit seinem Lachen und seinen Beifallsrufen unterbrochen hatte, forderte er doch, daß Voltaire dieses Manuskript vernichte, weil er nicht wollte, daß der Mann, der an der Spitze seiner Akademie stände und den der König selber einst »die Leuchte der Wissenschaft« genannt, jetzt dem Gelächter und Gespött der ganzen Welt preisgegeben werde.

Ich fordere dieses Opfer von Ihnen als einen Beweis Ihrer Freundschaft und Ihrer Selbstüberwindung, sagte der König ernst. Ich bin dieser ewigen Zänkereien und Anfeindungen müde. Ich will endlich Frieden im Innern meines Hauses haben, da ich nicht weiß, wie lange ich denselben noch in der Welt haben werde. Es scheint mir, daß sich da am Horizonte der Politik schwere Wolken aufzutürmen beginnen. Lassen Sie uns dafür sorgen, daß wenigstens unser literarischer Horizont rein und fleckenlos bleibe.

Ach, Sire, wenn Sie mich mit Ihren großen und wundervollen Augen ansehen, rief Voltaire, dann wäre ich gleich bereit, mein Herz aus meiner Brust zu reißen, um es für Sie in das Feuer zu werfen, und diese kleine Stachelschrift ist noch lange nicht mein Herz, weshalb sollte ich sie also nicht einem Wunsche meines Salomon opfern?

Sie wollen mir den Akakia opfern? fragte der König freudig.

Sire, sehen Sie hier. Das ist mein Manuskript. Nicht wahr, Sie erkennen meine Handschrift? Sie sehen, daß die Tinte kaum getrocknet und das Werk eben erst vollendet ist? Nun wohl, sehen Sie da, was ich aus dem Akakia mache.

Er nahm das Manuskript und schleuderte es in die Flammen des Kamins, vor dem sie beide eben gesessen.

Ach, was tun Sie, Freund, rief der König entsetzt, und der Flammen nicht achtend, streckte er die Hand aus, um das Manuskript wieder aus dem Feuer zurückzuziehen.

Aber Voltaire griff lachend nach der Feuerzange und stieß das Papier tiefer in die Gluten.

Sire, Sire, ich bin der Teufel und lasse mir mein Opfer nicht wieder entreißen, rief er jubelnd. Mein Akakia war der Hölle wert, denn Sie haben ihn verdammt, er muß also brennen. Ich, der Teufel, ich will ihn schmoren lassen.

Aber ich will als der Engel des Erbarmens den armen Akakia erlösen aus den Gluten, rief der König, indem er Voltaire die Feuerzange entriß. Wahrlich, dieser Akakia ist ein zu lustiger und witziger Bursche, als daß er wie der Kaiser Quatimozin auf den Rost gelegt werden müßte. Es war ja genug, ihn nicht öffentlich drucken zu lassen, man braucht ihn ja deshalb nicht zu vernichten.

Sire, ich bin nur ein armer, schwacher Mensch, und wenn ich den Akakia lebendig bei mir behalte, so ist das eine vergiftete Waffe, welche ich gewiß doch noch eines Tages gegen das Herz Maupertuis richte, um mich seines Wahnsinns und seiner Berserkerwut zu erwehren. Es ist also besser, daß dieser Akakia nur noch in unserer Erinnerung lebe, und nur ein Gedankendolch sei, mit dem ich den hochmütigen Herrn Präsidenten zuweilen ein bißchen kitzeln will.

Und Sie haben wirklich keine Abschrift? fragte der König, dessen Mißtrauen durch Voltaires allzugroße Nachgiebigkeit geweckt worden. Sie haben keine Abschrift und kein Brouillon? Dies war das einzige Manuskript des Akakia?

Sire, wenn Sie meinem Wort nicht glauben, so senden Sie Ihre Diener hin und lassen Sie meine Zimmer untersuchen. Hier sind die Schlüssel meiner Schränke und meines Schreibtisches. Sie sollen alle beschriebenen Papiere, welche sie finden werden, hierherbringen, Euere Majestät mögen sich dann selber überzeugen, ob irgend etwas von dem Akakia dabei ist. Sire, ich beschwöre Sie, dies zu tun, da Euere Majestät meinem einfachen Manneswort nicht glauben wollen.

Der König ließ seine stechenden und durchbohrenden Blicke lange auf ihm ruhen.

Ich glaube Ihnen, Voltaire, sagte er dann. Es wäre Ihrer unwürdig, mich zu täuschen, und Meiner unwürdig, Ihnen zu mißtrauen. Ich glaube Ihnen also. Aber ich will auch für die Zukunft sicher sein. Der Akakia steht nicht mehr auf dem Papier geschrieben, aber er steht in Ihrem Kopf, und Ihren Kopf fürchte ich mehr, als alle Papiere der Welt. Versprechen Sie mir, Voltaire, daß Sie, so lange Sie bei mir wohnen, niemals sich auf Streitschriften und Kontroversen einlassen wollen, daß Sie weder gegen die Regierungen, noch gegen die Schriftsteller Ihre beißende Laune gebrauchen wollen?

Sire, ich verspreche Ihnen das mit Freuden!

Wollen Sie es schriftlich tun?

Voltaire ging gelassen zu dem Schreibtisch hin und nahm die Feder.

Haben Euere Majestät die Gnade, mir zu diktieren.

Der König diktierte, und Voltaire schrieb mit rascher und fester Hand, wie folgt:

»Ich verspreche Seiner Majestät, daß, so lange er mir die Gnade erzeigt, mich in seinem Schlosse zu logieren, ich gegen niemand schreiben will, weder gegen das französische Gouvernement, noch gegen die Minister irgendeines Souveräns, noch auch gegen berühmte Schriftsteller. Ich werde gegen diese alle immer die ihnen schuldigen Egards beobachten, auch mit den Briefen des Königs keinen Mißbrauch machen, sondern mich so betragen, wie es einem Schriftsteller und Gelehrten geziemt, der die Ehre hat, Kammerherr des Königs von Preußen zu sein und mit anständigen Leuten umzugehen.« Preuß, Friedrich der Große. I, 247.

Wollen Sie das unterschreiben? fragte der König fast traurig.

Ich will das nicht bloß unterschreiben, sagte Voltaire lächelnd, sondern ich will aus eigenem Willen noch etwas hinzufügen. Hören Euere Majestät nur!

Und indem er mit hastiger Hand weiterschrieb, sagte er laut:

»Ich werde genau die Befehle Euerer Majestät befolgen, und das zu tun macht mir keine Mühe. Ich beschwöre Euere Majestät zu glauben, daß ich niemals gegen irgendeine Regierung geschrieben habe, am allerwenigsten gegen diejenige, unter der ich geboren bin, und welche ich nur verlassen habe, um zu den Füßen Euerer Majestät mein Leben zu beschließen. Ich bin Historiograph Frankreichs gewesen, und in dieser Eigenschaft habe ich die Geschichte Ludwigs des Vierzehnten und die der Feldzüge Ludwigs des Fünfzehnten geschrieben. Meine Stimme wie meine Feder sind immer dem Vaterland geweiht gewesen, wie sie es jetzt Ihren Befehlen sind. Ich beschwöre Sie, die Güte zu haben, meine literarischen Streitigkeiten mit Maupertuis zu untersuchen, und zu glauben, daß ich diese ganze Angelegenheit aufgeben will, um Ihnen, Sire, zu gefallen, und weil ich mich in allen Dingen Ihrem Willen unterwerfe. Ich werde auch darin Euerer Majestät gehorchen, daß ich mich in keinen literarischen Streit einlasse, und ich beschwöre Euere Majestät zu glauben, daß, wenn ich sterbe, ich für Sie dieselbe Anhänglichkeit und Verehrung fühlen werde, wie an dem Tage, als ich zuerst an Ihren Hof kam Preuß, Friedrich der Große. I, 248..

Voltaire.«

Der König nahm das Papier, welches Voltaire ihm darreichte, und überflog es mit den Augen; dann ließ er seine Blicke lange und prüfend auf Voltaires lächelndem und lauerndem Antlitz verweilen.

Es ist gut, ich danke Ihnen, sagte er dann, Voltaire freundlich den Abschiedsgruß zunickend; als dieser aber hinausgegangen war, blickte der König lange und gedankenvoll vor sich nieder.

Ich traue ihm nicht, sagte er sinnend. Er war zu bereitwillig das Manuskript zu verbrennen und jedem Streit zu entsagen. Und doch – er hat mir ja sein Ehrenwort gegeben!

Voltaire indes war auf sein Zimmer gegangen, und wie er jetzt allein und unbeobachtet war, drückte sein Gesicht eine hämische, boshafte Freude aus.

Ah, ich hatte also richtig berechnet, sagte er mit seinem unheimlichen Grinsen. Der König wollte mir da ein Paroli bieten und mich zugunsten Maupertuis verlieren lassen. Ah, ich denke, dies war ein Meisterstreich von mir: das Original-Manuskript zu verbrennen, während schon vor acht Tagen eine Abschrift desselben nach Leyden gewandert ist. Während der König denkt, daß ich ein so gutmütiger Narr bin, jeden Kampf mit diesem bettelstolzen Maupertuis aufzugeben, wird zu Leyden mein Akakia schon gedruckt, und bald wird er durch die ganze Welt rauschen, als ein Hohngelächter, womit der Genius die aufgeblasene Narrheit, welche sich Genialität dünkt, an den Pranger stellt.


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