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Ausklang

Wollten wir der Bedeutung unserer Hochseefischerei in unserem Buche völlig gerecht werden, so müßte dieser Abschnitt jetzt eigentlich erzählen von den mancherlei Nebenprodukten, die aus dem Seefisch erzeugt werden und gleichfalls ihren Wert haben. Eines von ihnen ist dem Leser soeben eingefallen, denn es erfreut sich einer gewissen Popularität – freilich mit fatalem Nebensinn: der Lebertran! Das große Publikum kennt ihn (meist von Kindesjahren her) als Apothekerware. Als solche zeigt er sich in seinem vollsten Glanze, nämlich in prima Qualität. Weniger rein, wirtschaftlich aber viel bedeutender ist der Industrietran; wie der Name erraten läßt, werden mit ihm die Maschinen geschmiert. Der Tranabhub, Preßtran genannt, macht sich als Dünger um die Landwirtschaft verdient, spielt aber freilich bei uns in Deutschland keine nennenswerte Rolle. – Seit einigen Jahren ist der Lebertran zu unerwarteten Ehren gekommen. Man hat gelernt, ihn durch ein Kälteverfahren restlos von Geschmack und Geruch zu befreien, und nun wandert er, solcherart »veredelt«, in die Margarinefabriken und kehrt von dort in fürnehmer Aufmachung zurück – »mit Buttergeschmack und garantiert reich an Vitaminen«! Das gilt aber nur vom echten Lebertran, d. h. solchem, der aus Dorschleber gekocht wird (was die deutschen Fischdampfer meist schon an Bord besorgen). Es gibt auch Heringstran, aus fetten Heringen (nicht etwa bloß aus deren winzigen Lebern) hergestellt. Aber der ist – nach Tranbegriffen – aus der Art geschlagen, ist Plebejer, läßt sich »schmieren« – wie oben der Industrietran.

Siehe Bildunterschrift

Trankocherei auf Island, die jährlich mehrere Tausend Faß Tran liefert, jedes zu 175 Pfund Inhalt, gewonnen ausschließlich aus der Leber. Wieviel Fische müssen ihr Leben lassen, um bloß dieser einen Kocherei Rohmaterial zu liefern! Und solcher Kochereien gibt es viele Hundert an den nordatlantischen und Eismeerküsten!

Sprechen müßten wir auch von den Fischmehlfabriken, in denen die Massenfänge an Seefisch zu einem guten Viehfutter verarbeitet werden und die Abfälle zu Dünger. Ja, ich fand sogar eine Fabrik, die aus Fischköpfen ein hochwertiges Eiweißpräparat gewinnt, ein Nährpulver ähnlich dem bekannten Tropon oder der Somatose.

Indessen, wollten wir so in die Einzelheiten gehen, dann erforderten Vollständigkeit wie Gerechtigkeit, auch der Kutterhochseefischerei zu gedenken, die von der Elbmündung ausgeht und Hering und Sprotten anbringt, aber auch Scholle und ähnlichen besseren Fisch – und zwar lebend! (Die Hochseekutter, wenigstens die älteren, haben mittschiffs die »Bünn«, einen Fischkasten, der mit dem offenen Wasser in Verbindung steht, so daß Seefisch sich in ihm lebend erhalten läßt.) Die Hochseekutter würden uns dann wieder auf die Küstenfischerei bringen – neben die großkapitalistische Dampffischerei gestellt nicht mehr als Handwerksbetrieb, und gleichwohl von Bedeutung für das Volksganze, jedoch noch notleidender als die Hochseefischerei. Es könnte reizen, von dem Plack, der Schinderei des Küstenfischers zu erzählen, von seinem verzweifelten Ringen, sich durch die Zeit zu bringen. Von seinem Kampfe gegen die Unbill der Natur: wie der lange Winter mit der Vereisung der Küstengewässer ihn lahmlegt und jeder Sturm ihn in den Hafen scheucht, weil sein kleines offenes Boot nicht seetüchtig ist. Wie er wirtschaftlich ringen muß gegen den Wettbewerb seiner dampffischenden Kollegen, und noch mehr gegen den der ausländischen Fischer. Wie reiche Fänge ihm durch Sinken der Preise entwertet werden, daß es oft genug nicht lohnt, den Fisch überhaupt an Land zu bringen, und man ihn einfach wieder ins Wasser wirft. Wenn man liest, daß Gothmunder Fischer Anfang April unter 25 000 Pfund Hering auch einen Lachs von 24 Pfund im Netze hatten und daß die 250 Zentner Hering nicht soviel einbrachten wie dieser eine Lachs – soll, muß man dann nicht von Tragödien sprechen!

Diese Andeutungen lassen ahnen, welch düsteres Drama diese ganze Fischerei ist, solange das deutsche Publikum den Fischkonsum vom Zufall abhängen läßt; mit diesen Andeutungen müssen wir uns hier begnügen.

Und so sind wir am Ende. Nicht möglichst viel sollte unser Buch bringen, sondern möglichst wenig: mit dem geringsten Aufwande an Belehrung, an Wichtigtuerei, an Neuigkeitskrämerei dem Leser ein Bild geben vom Betriebe und vom Werte der deutschen Hochseefischerei!

Siehe Bildunterschrift

Kutter und Motorschuten im Eismeerhafen Vardö (Finmarken) zur Zeit der Frühjahrsfänge, zu denen dreißigtausend fremde Fischer hier zusammenströmen.


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