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Paris

1900

Briefe an die Familie

In der Bahn, den 1. Januar 1900.

Ihr Liebsten,

eine Stunde vor Paris und mein Herz voller Erwartung! Die Zeit ist mir nicht lang geworden, trotz der Stunde, die ich an der belgischen Grenze meine Uhr zurückstellen mußte.

Zuerst, als Ihr mich alle abgewinkt hattet, dachte ich noch einmal an jeden von Euch, dachte an den brennenden Weihnachtsbaum, unser Neujahrslied und die Sylvesterglocken. Dann schlief ich den Schlaf des Gerechten.

Köln und der Rhein boten einen zauberhaften Anblick. Aus dem Innern des Domes wurde ich leider durch einen hartherzigen rotröckigen Diener ausgewiesen, als ich mich an dem steinernen Spitzenwerke ergötzte und meine Blicke im Umkreise wandern ließ. Auf meine Frage, wann der Neujahrsgottesdienst zu Ende sei, antwortete jener rote Engel mit dem feurigen Schwert lakonisch: »Morgen früh um fünf Uhr« ... Da besah ich mir den Bau von außen. Man muß ihn sehr bewundern in jeder einzelnen Feinheit, doch zu Herzen sprach er mir nicht in seiner Raffiniertheit. Einige kleine Kathedralen der früheren Gotik, die ich diesen Sommer in der Schweiz sah, waren mir lieber.

Von Köln an teilte ich das Damenkoupee mit einer Mademoiselle Claire, so begrüßte sie wenigstens ein junger Mann von niggerhaftem Aussehen. Sechs Stunden haben die beiden sich etwas zurechtgeschwafelt. Er stand immer in der Tür, aber meinen strengen deutschen Blick gewahrend, wagte er nicht weiter vorzudringen. Es waren Tingel-Tangel-Leute, die von einer Kunstreise heimkehrten und sich einander ihre Erlebnisse erzählten. Als schließlich der Born ihres Stoffes erschöpft ist, fängt sie mit jener spezifisch näselnden Stimme an zu singen, sich mit dem Oberkörper wiegend und mit Händen und Füßen Tanzbewegungen machend. Mit ihrer Toilette nahm sie dreimal eine Veränderung vor usw.

In Belgien dachte ich an Meunier und Maeterlinck und wie die beiden hier wurzelten. Das ganze Land scheint besäet zu sein mit einer Fülle von kleinen roten und weißen Häusern, die alle Arbeiter beherbergen ... Paris naht.

 

... So nun bin ich glücklich in meinem Boulevard Raspail. Bis jetzt habe ich noch einen Horror vor der großen Stadt und ein scheußliches Ameisengefühl steigt in mir auf. Als ich in der klapprigen Droschke saß und der Kerl immer fuhr und fuhr, war mir zumut, als sollte ich nun mein ganzes Leben in dieser rumpeligen Droschke fahren. Aber endlich landete ich. Mich empfing die schwarzgekleidete rotbäckige Wirtin, die nach dem ersten Eindruck zu urteilen Menschlichkeit im Busen trägt. Fünf schmale Treppen führten mich in mein Zimmerlein. Es ist nicht viel über ein Bett lang und anderthalb Betteslänge breit. Das Ganze ist geblümt und sieht beim Scheine meines Stearinkerzleins nicht überschmutzig aus.

Gute Nacht.

Paris, den 4. Januar 1900.

Ich sitze am französischen Kamin! Als ich am Montag meinen Brief an Euch spediert hatte, ging ich etwas eisenbahnmüde zu Bett, um aus süßen Träumen von Klara Westhoff herausgeklopft zu werden. Nun redeten wir bis zum Morgen. Sie ist so voll von allem.

Den nächsten Morgen im Louvre, nachmittags in Luxembourg. Der Tizian geht mir auf in seiner Noblesse und zwei wundervolle Botticelli sind da. Zum ersten Male sehe ich rührende Fiesole. Er spricht so zu mir. Und Holbeins schöne ernste Porträts. Unten in der Skulptur Prachtwerke der Frührenaissance, della Robbia, Donatello und süße farbige Madonnenreliefs.

Kommt man aus diesem Riesenbau, dem Louvre, so geht es über die Seine, die in gelblichem oder bläulichem Nebel ein bezauberndes Bild zeigt. Am Quai entlang stehen lange Reihen von antiquarischen Büchern. Darin kann man wühlen und suchen, so viel man will.

Die Schaustellung eines Akrobaten auf offener Straße. Ein Kreis von Zuschauern, die kein Auge von ihm lassen. Man sieht und lernt auf Schritt und Tritt.

Famose alte zweirädrige Karren mit noch älteren Schimmeln davor, ganz dicht daran gespannt. Lange schmale zweirädrige Bierwagen mit drei Pferden, Tandemgespann. Kolossale Omnibusse mit drei Pferden, Troika gespannt.

Und die Bauten! Das Museum Cluny auf dem Boulevard St. Michel, ein alter gotischer Bau. Daneben Reste römischer Thermen. Es gibt überall etwas zu sehen. Das braucht man auch. Man muß immer neue Eindrücke aufnehmen, immer innerlich arbeiten. Ist man zu müde und kann nicht mehr, so empfindet man einen großen Degout. Denn die Welt ist hier zu, zu, zu dreckig. Scheußliche Absynthgerüche und Zwiebelgesichter und eine wüste Sorte von Frauen.

Ich habe uns noch nie so geschätzt wie in diesen Tagen. Bisher fühlte ich nur unsere Fehler deutlich, aber jetzt spüre ich mit aller Macht alles, was wir haben und das macht mich stolz.

Gestern hörte ich in der Sorbonne einen Vortrag über Kunstgeschichte. Der Inhalt war mäßig, ich tue es der Sprache wegen.

Am Montag beginnt der Unterricht. Diese Woche brauche ich zur Orientierung und Sammlung. Auf dem Klavier meines Nervenlebens wird fortwährend forte getrommelt. Daran muß es sich erst gewöhnen.

Antiquarläden gibt es hier, zum Jauchzen! In jedem vierten Haus ist solch ein Tohuwabohu von interessanten alten Gegenständen. Ich trete mit immer erneutem Staunen davor hin, innerlich sprechend wie jener kleine Knabe: »Wenn i so a Kettle hätt, da tät i a Eichhörnli dran, wenn i eins hätt!«

Essen ist hier sehr teuer. Auch bekommt man ungeheuer kleine Portionen. Wenn man einen Fr. zahlt, kann man sich grade knapp satt essen. Da meine Schule nur zwei Minuten entfernt ist, werde ich meistens die Freuden des häuslichen Herdes genießen. Es schmeckt mir besser auf meinem Olymp.

Klara Westhoff und ich wohnen nebeneinander und tafeln im traulichen Verein. Heute habe ich zum ersten Male den Kamin angezündet.

Abendbrot und hinterher zur nächtlichen Stunde auf die großen Pariser Boulevards. Da ist noch Weihnachtsmesse und Pariser Nachtleben.

Paris, den 11. Januar 1900.

Euch jedem einen Sonntagskuß an Eure Tafelrunde und Dir, mein lieber Vater, einen ganz speziellen für Deine wundervoll langen beiden lieben Briefe.

Milly wird lachen. Trotzdem muß ich es aber doch sagen: Mir ist, als sei ich schon Monate in Paris, so tausendfältig hat's auf mich gewirkt.

Das A und das O ist für mich das Louvre. Dort kann man seine Seele nach Herzenslust baden, und ich bade sie oft dort. Das scheint mir das einzige Ding in Paris zu sein ohne Haken. Sonst haben nämlich alle Dinge hier ihren Haken. Man gewöhnt sich zwar über kurz oder lang ihn nicht mehr zu sehen, willenlos oder mit Kraftanstrengung. Aber er ist und bleibt und besteht. Das Louvre hat also keinen Haken – Hallelujah!

Der Montag führte mich in meine Akademie. Cola Rossi, die schwarzen Haare ins Gesicht geschnitten, strich das Geld ein und brachte dem Akt irgendeine Pose bei. Leider posieren die Modelle hier alle. Ein jeder hat ein halb Dutzend Stellungen, die er allmählich an den Mann bringt.

In der Klasse wird fleißig gearbeitet. Die Korrektur scheint sachlich und gut. Man arbeitet nicht lebensgroß, sondern im Berliner Format. Ich werde hoffentlich allerhand lernen, namentlich da ein wundervoller Anatomieunterricht, der in der Ecole des Beaux Arts unentgeltlich erteilt wird, meine mangelhaften anatomischen Kenntnisse ergänzt. An Präparaten und schematischen Tafelzeichnungen wurde uns gestern das Knie auf eine wundervolle Weise erklärt. So etwas wird uns Mädeln nirgends so geboten wie hier.

Den Sonntag verbrachte ich mit Clara Westhoff bei Uhlemanns in Josinville bei Vincinnes. Dies ist eine höchst interessante Familie, nicht grade heiter wirkend, mehr wie ein Stück Ibsen.

Die Mutter, Witwe, ist gänzlich taub. Sie führt auf diese Weise ganz ein Leben für sich. In ganz weltliche Gespräche fällt sie mit kleinen naiven Fragen. Das wirkt rührend. Mit den Augen liest sie die Antworten ab, mit Augen, die das Leben ein wenig traurig ausgelöscht hat. Sie ist den ganzen lieben Tag im Hause tätig. Sie kann nicht ruhig sitzen. Dann kommt die Traurigkeit über sie und sie muß weinen. Der Mittelpunkt der Familie ist der dreiundzwanzigjährige Sohn (Alexander Ular), ein talentvoller Mensch. Er spricht acht Sprachen fließend, ist hier irgendwo an einer Zeitung tätig, und hat sich in Paris mit einer vierzigjährigen Frau verbunden. Er gehört zu denen, die über alles schelten und an nichts ein gutes Haar lassen. Im Grunde haben sie alle ein kinderweiches Gemüt, dessen sie sich fast schämen und das sie selten ans Licht treten lassen. In die Augen wagt es sich noch am ehesten.

Eine zwanzigjährige Tochter lernten wir kennen, frühgereift, klug, nüchtern, mit grauer Lebensauffassung. Clara Westhoff wirkt mit ihrer braunen Gesundheit und Riesenhaftigkeit sehr komisch. Geistig und wirklich warf sie bei jeder Bewegung einen kleinen Tisch oder einen Stuhl um.

Joinville liegt an der Marne, die ihre gelben Wasser durch müde, dunkle Wiesen wälzt, an den Ufern strenge Pappeln. Wir sahen es bei Regenhimmel. Bei blauer Luft muß es böcklinisch wirken. Es regnet alle Augenblicke. Die Luft hat hier etwas kolossal Malerisches, die Gegenstände Umhüllendes. Das kommt wohl von dem großen Wassergehalt.

Im ganzen stimmt Paris mich ernst. Es gibt hier so viel Trauriges. Und das, was für die Pariser lustig sein soll, das ist das Allertraurigste. Ich sehne mich manchmal nach einem Moorspaziergang. Dennoch genieße ich meine Zeit, nehme viel in mich auf und komme weiter.

Am Montag werde ich umziehen in ein kleines Gemach, das ich mir selbst bemöbeln werde, ungefähr wie Mama Möbel aus Kisten macht. So brauche ich mich dann nicht mehr über den Kellner zu ärgern, der nachmittags um fünf mein Zimmer noch nicht gemacht hat. Dort in meinem eigenen Raum werde ich selber kramen.

Die Bekanntschaft mit ein paar Kunstjünglingen haben wir auch gemacht. Es sind aber noch nicht die rechten. Die haben mit der Kunst noch nicht den richtigen ernsten Standpunkt.

Das Straßenleben bietet ungeheuer viel Fesselndes. Frauen mit malerischen Mützen, vor den Lastkarren wundervolle starke Schimmel. Viel vagabundierendes malerisches Gesindel.

Wenn ich etwas besser Französisch kann, sehe ich mir die Sarah Bernard an.

Der Brief ist wohl ein wenig verworren. Das macht Paris. Wißt, das ist eine Haut, in die man nicht gleich hineinwächst. Es gibt sich nicht gleich. Ich ringe mit ihm. Aber ich lasse es nicht, es segne mich denn.

Eure Paula.

*

Tagebuchblatt aus Paris

Ich bin in Paris. In der Neujahrsnacht bin ich abgereist. Die Sylvesterglocken hatte ich noch von unserem lieben alten Dach an der Bremer Weser angehört. Dann brachten mich die Meinigen im großen Zuge zur Bahn. Ich fuhr siebzehn Stunden und nun lebe ich im Gewühle dieser großen Stadt. Alles saust und hastet um mich her in neblichter, feuchter Atmosphäre. Viel, viel Schmutz, innerlich, tief innerlich. Mir schaudert manchmal. Mir ist, als gehörte mehr als meine Kraft dazu, hier zu leben, eine brutale Kraft. Das ist mir aber nur manchmal so. Zu andern Zeiten wird es wonnig klar und mild in mir. Ich fühle eine neue Welt in mir erstehen.

Fromme Gestalten mit weichem, seligem Lächeln möchte ich schaffen, die durch grüne Wiesen wandeln, am Wasser hin. Alles soll fromm und gut sein. Und ich liebe die Farbe. Und sie muß sich mir geben. Und ich liebe die Kunst. Ich diene ihr auf den Knien und sie muß die Meine werden.

Um mich her glüht es von Leidenschaften. Jeder Tag läßt mich eine neue rote Blume gewahren, glühend, scharlachrot. Alle um mich her tragen sie, einige still eingehüllt im Herzen. Und sie ist wie ein erblühender Mohn, von dem nur hier und da ein rotes Zipfelein durch die grünen Kelchblätter winkt.

Und andere tragen sie in bleichen, weichen Händen, und haben einen leisen Gang mit schleppenden Gewändern und lassen die Augen auf der Erde ruhen. Aber sie harren des Windes, der da kommen soll, daß er ihre rote Blume neige, auf daß sie die Nachbarblüte küsse, und die beiden Erglühenden sich in eine Flamme verschlingen.

Und es gibt andere. Sie schwenken Blicke frecherhobenen Hauptes. Sie streifen jene Blüten und brechen sie und ziehen trunken ihre Bahn.

Welches von diesen ist das Leben? das wahre?

*

Briefe an die Familie

Paris, den 18. Januar 1900.

Mein lieber Vater,

vielen Dank für Deine beiden langen Briefe. Sieh die Welt und mich nur nicht so schwarz an. Dir selber und uns beiden Vielgeschmähten ist es bei weitem wohler, wenn man uns das bißchen Rosenfarbe, das tatsächlich existiert, läßt. Aber schließlich ist es uns auch einerlei.

Also mein Umzug macht Euch unzufrieden? Was Ordnung anbetrifft, ist es ein Fortschritt. In die alten Hotelmöbel und Teppiche war kein Grund mehr zu kriegen. Bei mir ist's jetzt reinlich. Leer, aber gemütlich. Pekuniär kommt es ungefähr auf dasselbe hinaus.

Hier ist es jetzt wie Frühling. Ich sitze am offenen Fenster. Draußen scheint die Sonne freundlich. Ich bin froh, daß wir Eure Kälte nicht haben. Denn die Kamine kokettieren ja eigentlich mehr, als daß sie richtig wärmen.

Nun über die Akademie. Ich habe vormittags Aktzeichnen belegt. Da kommen am Anfang der Woche Girandot oder Collin und korrigieren auf die Richtigkeit hin. In der zweiten Hälfte der Woche kommt Courtois, der das Malerische hauptsächlich im Auge hat, Tonwerte usw. Man hat dieses Doppellehrerverfahren hier als gut erprobt, auch die Akademie Julien hat diese Einrichtung. Mir ist es auch sehr angenehm.

Nachmittags ist ein Kursus Croquis, auch Akt, der während zwei Stunden in vier verschiedenen Stellungen gezeichnet wird. Das ist lehrreich für die Auffassung der Bewegung. Dieser Kursus wird einzeln jeden Nachmittag bezahlt. Man ist nicht gebunden und ich kann statt dessen auch ins Louvre gehen. Diese alten Meister bringen auch ein tüchtig Stück weiter.

Ich besuche andere Kurse als Clara Westhoff, habe überhaupt eine andere Lebensweise als sie. Für heute genug. Deine beiden Briefe haben mich doch ein wenig deprimiert. Sie klangen so durch und durch unzufrieden mit mir. Ich sehe von der Sache auch gar kein Ende. Ich muß doch ruhig meinen Weg weiter gehen. Na, wenn ich erst was kann, dann wird's besser. Ihr scheint mir's zwar nicht zuzutrauen, aber ich.

Paris, den 22. Januar 1900.

Heute will ich Euch von dem Atelier im besonderen erzählen. Nicht von der Grundidee, dem Ernst und der Arbeit, sondern vom Drum und Dran. Drum und dran ist hier nämlich viel, vieles zum Lachen und zum Verwundern.

Also die Rue de La Grande Chaumière ist eine kleine Straße mit kleinen Häusern. In zweien hat Cola Rossi sein Atelier aufgeschlagen, er ist König in dieser Straße.

Früher Modell, ist er jetzt ganz gentleman. Sehr smart angezogen, sehr ritterlich gegen Damen, versucht er die Miene eines Grandseigneurs zu behaupten. Sein Vater ist ihm ähnlich. Nur sieht man es dem an, daß er sich in allerhand Ecken umhergetrieben hat, wo es nicht ganz sauber war. Die beiden scheinen sich gut zu verstehen, sitzen überhaupt manches miteinander aus.

Das Faktotum des Hauses, das dafür sorgt, daß die Ateliers in ihrem allmählich würdig gewordenen Schmutze beharren, und die Ofen schlecht brennen, dies besagte, selbst verschimmelte, verschmutzte, verbogene, verschmitzte Faktotum heißt Angelo.

Angelo ist die Fee, die hier waltet. Er hält die erste Zwiesprache mit den Modellen. Ist meist von drei, vier reizenden Dämchen umworben, damit er ein gutes Wort für sie einlege. Er läßt sich alles schmunzelnd gefallen.

Und nun der ganze Hofstaat von Schülern und Schülerinnen. Darunter auch viel merkwürdiger Schwindel.

Überhaupt sehen hier in Paris viele Maler so aus wie in Büchern, oder wie man früher dachte, so müßten sie aussehen. Mit langen Haaren, braunen Sammetanzügen, mit seltsamer Toga auf der Straße, mit wehenden Schlipsen, – im ganzen ein wenig wunderlich.

Auch die Vernünftigen, auch Nichtmaler tragen auf der Straße große schwarze oder dunkelblaue Capes, deren Capouchons sie bei Regenwetter über den Kopf ziehen. Das sieht nett aus. Denselben Kragen, nur etwas kürzer, tragen auch die Soldaten und Schutzleute.

Unter den Schülerinnen gibt es gelungene Gestalten. Die meisten machen mit ihrem Haar unglaubliche Sachen und sonst noch allerlei Wippchen in ihrer Kleidung. Im großen und ganzen wird ziemlich schlecht gearbeitet. Ich habe aber ein paar nette talentvolle Bekanntschaften gemacht.

Mein Haushalt läuft glatt. Am Sonntag schrubbt mir eine femme de ménage für dreißig Centimes. Meine mädchenhaften und häuslichen Tugenden gedeihen mannigfaltig. Ungefähr mein erstes Möbel (das erste war mein Bett – also das zweite -) war ein Besen. Hand-, Trocken- und Wischtücher sind schon nach Kräften wirksam.

Ich habe eine Crémerie entdeckt, wo ich mit allerlei kleinen Leuten zu Tisch esse.

Pariser kleine Leute sind nun zwar etwas anders, als bei uns, mehr wie bei uns die großen Leute, nach der einen Richtung hin. Na, unter diesen Weltkindern bin ich dann der Waisenknabe. Sie sind aber ganz niedlich mit mir, machen nur manchmal aus meinem Französisch etwas zweideutig scheinende Wortspiele. Ich verstehe sie aber nicht und lasse mir auch keine grauen Haare darüber wachsen.

Das Grauehaarewachsenlassen muß man hier verlernen. Es gibt zu Mannigfaltiges nach jeder Richtung hin. Bald hört man auf, sich zu wundern.

Inzwischen habe ich Deinen lieben Brief bekommen, mein Vater. Sei innig bedankt für all diese ausführlichen Nachrichten.

Ich habe die drei Lehrer: Courtois, Collin, Girandot, die sich abwechseln. Was Du gehört hast, verhält sich wirklich so: die Professoren sind unbesoldet. Sie lehren, um sich bekannt zu machen und weil man beim Lehren lernt. Dem kaufmännischen Genie des Cola Rossi sieht übrigens diese Einrichtung ähnlich. Täglich fühlt man, wie viel man hier lernt. Das akademische Zeichnen hat viel für sich.

Ich genieße das Straßenleben ungeheuer. Es gibt im Volke viel originelle Figuren, die sich um Gott und die Welt nicht kümmern, sondern aussehen, wie sie gerade Lust haben. So begegne ich auf meinem Schulwege immer einem rührenden Alten, der sich eine leuchtend lila Steppdecke umgebunden hat und einen Hund von zweifelhafter Rasse führt.

In der Anatomie werden uns jetzt an zwei lebenden Modellen und an einer Leiche die Muskeln erklärt. Äußerst interessant, nur macht die Leiche mir leider jedesmal Kopfweh.

Wie hier alles eng beieinander liegt; lachende Gesichter, Amour, Amour und tiefstes Elend. Manchmal ist es mir ein wenig viel. Dann nehme ich meine Gitarre zur Hand. Die ist mein David hier.

Alle Pensionen und chambres garnies werden zur Ausstellung gesteigert, mein kleines Atelier nicht. Ich bin sehr zufrieden damit und freue mich mehrere Male am Tage, über das weite Stück Himmel, das ich sehe.

Der einzige draw-back ist, daß diverse Nachbarn zu bürgerlich nachtschlafender Zeit noch mit ihren Türen Krawall machen, was mich unsanft aus süßen Träumen rüttelt, mich also an meiner Achillesverse trifft.

Im Atelier hört man sechs Sprachen, das ist oft zum Davonlaufen.

Paris, den 29. Januar 1900.

Mein lieber, lieber Vater!

Auf daß Dir Dein Leben leichter werde, wenigstens nicht ganz so grau, so grau. Auf daß Du Dich dessen freust, was Du hast, und Dich nicht nach Dingen sehnst, die Du nicht hast. Das sind nur Dinge, die Du für uns Kinder wünschest. Aber grade deshalb solltest Du es nicht, denn wir sind jeder in seiner Art glücklich genug. Das bißchen, was äußere Umstände hinzufügen können, das kommt dem wahren Glück gegenüber gar nicht in Betracht. Das trägt jeder still in sich und wärmt sich daran, wenn er sich in der Welt kalte Füße geholt hat. Manche können noch andere mit wärmen, ein jeder tut es, wie es ihm in die Wiege gelegt ist. Wärme Dir nur auch die Füße, Lieber. Du hast es not. Laß Dich von unserer Liebe durchsonnen, inniglich. Laß Ruhe in Deine Seele kommen, denn was ist ein bejahrtes Leben ohne Ruhe?

Laß Dich küssen, Lieber, und verzeih die großmütterliche Rede, sie kam aus kindlichem Herzen.

Gestern habe ich die Notre-Dame gesehen. Das war ein Ereignis. Bädeker hatte nicht sehr erbaut von ihr gesprochen, so ging ich etwas blasiert hin.

Und auf einmal lag sie vor mir – schwamm über den gelben Wassern der Seine. Die große Feuchtigkeit der letzten Zeit hatte den Stein gedunkelt. Tief und ernst stand er auf dem Himmel und das Ganze wirkt trotz seiner Zacken und Spitzen riesengroß.

Drinnen war Gottesdienst. Wundervolle Farbenwirkungen kamen durch grüne und warm leuchtend rote Fenster. Ein Mönchlein in bunten Gewändern hüpfte herum und predigte gegen die russisch-katholischen und gegen uns protestantische Ketzer. Mir scheint es immer unglaublicher, daß kluge, wahre Menschen von dieser Art Glauben etwas halten.

Dann wurde mir ein Nachmittag zum Lesen. Ich möchte gern gut Französisch können, denn die Leute sind alle so geistreich.

Esprit gibt es hier in ungeheuerlichen Quantitäten, daß mir armem Bäuerlein oft Sinn und Zunge stille steht. Auch in der Kunst gibt es viel Esprit. Die Art des Farbenauftrags ist äußerst geistreich. Das Unterste, Letzte, Feinste, das haben sie nicht. Das ist eben dasselbe, was ich schon instinktiv im Cyrano de Bergerac fühlte.

In zwei Wochen ist in der Schule ein concours auf eine Medaille. Nach den Arbeiten dieser Woche werden dann die Plätze verteilt. Bei der Akademie Julien gibt es Geldpreise. Das finde ich, die Verhältnisse des Studierenden in Betracht ziehend, viel vernünftiger.

Zu meinem Geburtstage wünsche ich mir ein Buch: »Weisheit und Schicksal« von Maeterlinck. Bei dem Namen brauchst Du nicht mißtrauisch zu werden. Diesmal ist es nichts »Mystisches«, sondern etwas Stilles, Beruhigendes.

Mit meiner sogenannten Studentenwirtschaft ist es wirklich nicht schlimm. Es ist ganz ordentlich und reinlich. Narzissen und Mimosen stehen auf dem Tisch. Blumen sind hier lächerlich billig und man braucht sie hier. Die ganze vorige Woche habe ich mich an einem achtköpfigen Rosenbündel für fünfzig Centimes gelabt. Man muß wirklich ein wenig reine Natur sehen, wenn das Komplizierte und der Verfall einen schwindlich gemacht haben. Oft erfrischt mich schon ein Hund oder unser großer langschwänziger Hauskater.

Clara Westhoff und ich geben uns Mühe, die gegenseitigen Existenzen, so gut es geht, zu ignorieren. Wir fühlen selbst, daß wir mal von ganz anderer Seite gerieben werden müssen.

Anbei auch ein Aktlein. Es wäre ganz interessant, wenn Ihr Euch als Gegenstück einmal die Berliner Akte vom Boden holen wollt. Ihr werdet finden, daß alles mehr an der richtigen Stelle sitzt, überhaupt mehr drin ist.

Überhaupt dies Paris!!

 

Hier saß der Frühling schon in jedem Strauch, er lag in der Luft und den Menschen im Herzen. Die Pariser scheinen Auffassung für den Frühling zu haben. Wenn man mittags aus der Schule kam, herrschte allgemeine Freudigkeit auf der Straße. Die hat sich nun wieder verzogen und hinter Winterjacken und Pelze versteckt.

Aber den vorigen sonnigen Sonntag verlebte ich mit Clara Westhoff in Joinville. Da lag die Marne breit und groß in ihrem Bett und spielte um die Füße der alten ernsten Pappelriesen. Oben in den Bäumen aber sang und zwitscherte es. Der Frühling kommt hier in einem berauschenden Überfluß. Er nahm uns ganz gefangen und wir sagten und sangen all unsre deutschen lieben Frühlingslieder.

Dicht an dem Fluß hin strecken sich alte verwunschene Gärten, über deren graues Gemäuer der blaubeerige Efeu quillt. Drinnen im Grün versteckt schimmert es von efeuumrankten Vasen aus der Zeit der Ludwige. Es ist ein eigenartiger Eindruck so nahe der großen Stadt diese üppige Wildnis.

Paris ist seinen Bewohnern gleich. Neben maßloser Verdorbenheit eine kindliche Freude am Leben, ein Sichgehenlassen, wie es die Natur am liebsten hat, ohne viel zu fragen, ob es gut oder schlecht geht. Wir Deutschen können schon darum nicht so viel aussitzen als die Franzosen, weil wir hinterher an unserm moralischen Katzenjammer zugrunde gehen würden. Den scheinen die Leute hier nicht zu kennen. Sie beginnen mit jedem Tag ein neues Leben. Das hat natürlich seine Licht- und Schattenseiten.

 

Also ich habe eine Medaille und bin in der Schule ein großes Tier geworden. Die vier Professoren haben sie mir zugesprochen. Zwar damit, was ich hier in der Schule gelernt habe und noch lernen werde, damit hat die Medaille nichts zu tun. Das sitzt viel tiefer. Innerlich ist mir aber froh. Ich fühle mich erstarken und weiß, daß ich durch den Berg hindurchkomme und über ihn hinweg. Und wenn ich ihn erst hinter mir liegen habe, werde ich mich einen Augenblick umschauen und sagen: das war nicht leicht. Wohl werden vor mir neue Berge liegen. Aber das ist ja grade das Leben und dazu hat man seine Kräfte.

Wie sehr ich diesem Pariser Aufenthalt innerlich dankbar bin! Eigentlich ist es nur ein fortgesetztes Worpswede: ein stetes Arbeiten und Denken an die Kunst. Aber mir haben sich neue Perspektiven aufgetan, Ergänzungen und Erläuterungen zu dem Alten, und ich fühle, daß es was wird. Es ist eben auch hier bald Frühling.

Paris, den 29. Februar 1900.

Meine liebe Schwester,

heute bekommst Du den ersten Familienbrief und einen Kuß für jeden von der Tafelrunde, von der einheimischen Schar natürlich.

Nun schneller Übergang zur Tagesordnung, denn die Zeit ist wieder mal knapp. Also am Sonntag machten Clara Westhoff und ich mal wieder eine Spritzfahrt ins Grüne. Beim Louvre setzten wir uns in eines der Dampfboote und fuhren die Seine hinauf. Vorbei an den Ausstellungsgebäuden, die ich zum erstenmal zu sehen bekam. Als der Dampfer nicht mehr weiter fuhr, stiegen wir aus und gingen immer am Wasser entlang. Die Gegend hat hier einen eigentümlichen Reiz, trotz der Nähe der großen Stadt hat die Natur noch etwas Unberührtes. Man hat nicht so unseren deutschen Ordnungsteufel. Zum Schluß ging es Hügel hinan, an Hecken vorbei und einem schönen ernsten Kirchhofstor. Dann gab es ein lustiges Geplauder mit einem französischen Ehepaar, das mit einem Wagen voller Kohl nach der Stadt zog. Und dann ein gemütlicher Abend am Kaminfeuer, voll von heiteren natürlichen, naiven Eindrücken. Das Naive und Natürliche muß man hier in Paris des öfteren mit der Lampe suchen, das Heitere bietet sich ja alle Tage. Oder eigentlich es ist mehr Leichtsinn als Heiterkeit, der über manchen schwarzen Abgrund hüpft.

Mit der Kunst geht es, glaube ich, gut. Ich habe ein zufriedenes Gefühl. Nachmittags gehe ich bummeln in die Stadt, schaue mir tüchtig alles an, versuche alles in mich aufzunehmen, oder ich arbeite hier in meinem kleinen Atelier. Diesmal habe ich viel Bilder gesehen, doch war ungeheuer viel Süßes und Minderwertiges dabei. Das Gute bewahren sie sich für den Salon.

War auch wieder mal in der Notre-Dame. Diese wunderbaren Details in der Gotik, diese wasserspeienden Ungeheuer, von denen jedes seinen Charakter und sein Gesicht hat. Und über alles hinweg huscht der Frühling. Er knospet in dem kleinen stillen Kirchgarten, auf dessen Bänken sich die alten Männer sonnen. Er lacht aus dem blauen Himmel mit den weißen Wolkenballen, der fast so schön als in Worpswede ist, nur nicht so blau. Er lacht einem jedem im Herzen. Doch hier in Paris nicht jedem. Gleich hinter der Notre-Dame, auf allen Seiten von Wasser umspült, liegt die Morgue. Da fischt man tagtäglich Leichen heraus, die dieses Leben nicht mehr ertragen konnten, oder es ist einer, der beraubt wurde und ins Wasser geworfen. In diesem lachenden Paris unter der bunten Oberfläche liegt vieles Schwarze, Furchtbare. Das will einem oft schier das Herz zerreißen.

Doch vor mir auf dem Tisch stehen Veilchen und atmen Frühling. Dann muß es hier in Paris zauberhaft sein, wenn alles grün ist, und das erlebe ich noch, denn soweit reicht noch mein Geldbeutel.

Abends im Männerakt bin ich nicht das einzige weibliche Wesen. Vier oder fünf besser zeichnende Mädchen sind mit mir. Man lernt da mehr. Es wird dort besser gearbeitet. Auch ist es mir als Erfahrung sehr interessant, etwas von diesen Leutchen zu sehen. Man braucht ja nicht gleich auf Du und Du zu stehen, was ja auch nicht gerade meine Art ist.

Der Haß gegen die Engländer ist hier sehr groß, überall wie ein rotes Tuch dem Stier rufen sie uns: Boêr, Boêr, nach, denn wir sind in diesem Falle für sie auch Engländer. Sehr angenehm berührt mich die Verwechslung nicht. Die Nation fängt an, mir unangenehm zu werden. Da kehre ich überall, wo es geht, mein allemand heraus, doch wollen die Leute dem Schwindel nicht recht trauen.

Von unseren deutschen Künstlern wissen die Leute wenig. Ich beobachtete, wie sich ein paar Französinnen meinen Knackfuß-Klinger ansahen. Auf sie wirken seine eigenartigen Formen lächerlich. Das einzige Lob, was sie hatten, war: » c'est joli«. Worauf ich entrüstet entgegnete: » C'est beau, pas joli«. Das war aber unnötige Geschützvergeudung. Sie meinten es zudem nicht schlecht. C'est joli sagen sie auch von ihren eigenen Künstlern, von Rodin usw. Sie haben eben nichts Tieferes.

Man muß eben immer älter werden, immer stiller, und endlich einmal etwas schaffen ... Doch Gute Nacht Euch allen.

Paris, den 13. April 1900.

Es ist Feierabendstunde. Ich sitze in meinem Zimmerlein, vor mir im grünen Pott tiefrosa üppig duftende Levkojen.

Von ferne rauscht Paris. Dazwischen tönt Amselschlag und Spatzengezwitscher. Zarter Abendhimmel mit gelbweißen Wölklein. Und in den Baumwipfeln, die ich vom Fenster sehe, denn ich habe in meiner stolzen Höhe einen weiten Blick, da arbeitet es. Der Frühling, von dem ich Euch vor vier Wochen schrieb, er hat sich gänzlich wieder verkrochen. Nun kommt er aber doch und macht unsere Stadt herzenfroh.

Gestern am Gründonnerstag hörten wir die erste Hälfte der Matthäuspassion auf der harten Stufe einer Sakristei. Die Töne kamen wie von fern, wie aus einer andern Welt, weil viele Pfeiler zwischen uns und dem Chore waren. Es gab aber doch eine schöne innere Weite.

Der Salon ist eröffnet. Der Durchschnitt ist nicht besser als der Münchner Glaspalast. Und Münchner Glaspalast nimmt unter den deutschen Ausstellungen erst dritten Rang ein.

Aber die große Ausstellung, die wird Gutes bringen. Das wird ein Fest. Die wird auch morgen eröffnet und alles ist in fieberhafter Arbeit. So auch die armen kleinen Bildhauerjungens aus dem Abendakt, die dort bei den Stuckarbeiten beschäftigt sind.

Diese Zeit hier tut mir innerlich sehr wohl. Alles setzt sich ein wenig und ich fange an, einen Begriff vom Wert der Dinge zu bekommen.

Osterferien gibt es nicht. Die Welt lebt hier immer unentwegt weiter und wer des Sonntags arbeiten will, findet auch des Sonntags auf den Akademien ein Modell. Ich tue das nie. Das ist eins von den wenigen christlichen Dingen, die mir geblieben sind.

Mein Brief war Euch auf die Nerven gefallen? Lieben, ich bin ja doch nicht so. Aber das ist eine der charakteristischen Seiten von Paris, das ist die Mischung. Reines Gold gibt's nicht. Und grade die Mischung als solche zu erfassen, das ist fein. Stark genug sein, den Fehlern seines Freundes, den Fehlern des Weltalls offen ins Auge zu schauen, ebenso wie seinen eigenen Fehlern, das ist Wahrheit.

Rodin hat eine Bildhauerschule eingerichtet, die Clara Westhoff besucht. Zwar hat sie monatlich nur ein oder zwei Korrekturen von ihm, sonst kommen seine Schüler. Aber sie ist eben ein Mensch, der überall lernt. Im letzten Grunde weiß ich nicht einmal recht, ob Paris im Augenblick das Rechte für sie ist. Sie ist meiner Empfindung nach oft zu groß und massig, innerlich und äußerlich. Aber sie ist solch kräftige Natur, die alles, was an sie herantritt, ergreift, es unwissentlich dreht und wendet, bis sie es verwenden kann. Solche Menschen können überhaupt nicht unglücklich werden. Was ihr auch zustößt, immer wird es zu ihrem Besten sein.

Kamen meine Osterblumen noch ein wenig duftend an? Ich konnte nicht widerstehen bei dieser Frühlingsfülle. Euch allen ein fröhliches Fest.

Und wann kriege ich mal wieder einen »Grauen« von meiner Mutter? Du hältst mich kurz, Liebe. Soll ich erst untugendhaft werden? Das ist hier nämlich nicht allzu schwer.

Wißt Ihr, wenn ich morgens über die Boulevards gehe, und die Sonne scheint und es wimmelt von Menschen, dann sage ich laut in meinem Herzen zu ihnen: Kinners, so etwas Schönes wie ich es noch vor mir habe, habt Ihr doch alle miteinander nicht, und dann liebe ich das Leben sehr.

Paris, den 19. April 1900.

Also es frühlingt sehr! Es lockt so, daß ich denke, wir werden unsere Sommerreise am Sonntag antreten. Zwar schlagen die Nachtigallen noch nicht, aber zwischen diesen Apfel- und blühenden Pfirsichbäumen muß man doch eine Woche frische Kräfte holen.

Ich bin übrigens noch kein Gerippe, sondern die Rosen meiner Wangen sind noch im Blühen.

Am Sonntag hatte ich einen berauschenden Tag mit Clara Westhoff. Er endete in Velizy, einem kleinen Dörflein, wo wir in einer Frühlingslaube bei Windlicht Postkarten an unsere großen Männer schrieben: die Worpsweder, Klinger, Carl Hauptmann.

Es war eine verzauberte Stimmung. Mondschein über einem kleinen Dorfsee, das Gutshaus und kleine verfallene Hütten daneben. Und aus dieser Dämmerabendlust heraus schimmerten weiße Enten. Dieser Friede und diese Ländlichkeit so nahe der großen Stadt, das ist der große Reiz von Paris.

Unsere Sommerreise wird nun doch erst nächste Woche. Wir wollen lieber beide noch eine Woche tüchtig arbeiten, um dann die Ferien um so mehr zu genießen. Meinem Vater einen Kuß für den Saint-Simon-Brief. Übrigens spricht Maeterlinck gar nicht von dessen Lehren, sondern er preist ihn als edlen glücklichen Menschen. Euch allen einen Frühlingskuß.

Paris, den 26. April 1900.

Mein lieber Bruder!

Extra früh habe ich mich heute aus dem sogenannten Bette geschwungen, immer darauf achtend, daß jenes schwere energieverbrauchende Ereignis mit dem rechten Fuße vor sich ging. Diese Vorsicht verbürgt für den Tag gute Laune, die ich äußerst schätze, und deshalb habe ich mir den »rechten Fuß« aus den idyllischen Zeiten der Dresdner Friedrichsstadt bis in meine Sturmperiode gerettet.

Es ist sonderbar, wie einiges aus dieser frühesten Zeit in mir geblieben ist! So denke ich bei jeder Hummel an das Reseden- und Levkojenbeet hinter dem Turnreck, wo der Tummelplatz für die Hummeln war. Es ist wunderbar, wie solch ein kleines Kindergemüt ein Ding ergreift und von ihm innerlich durchtränkt wird, sich dem Eindruck in seiner Unbewußtheit völlig hingebend. Diese Auffassung in unsere bewußten Jahre mit hinüber zu nehmen, das ist etwas Wundervolles. Mir geht es noch manchmal so. Und dann habe ich Stunden, wo Sein und Nichtsein miteinander verfließen wie in unserm alten Garten. Ihr merkt davon nicht viel. Das sind versteckte zarte flüchtige Dinge, die das Auge der Sonne scheuen, aber so sind die Dinge, aus denen mein Leben besteht. Neben denen alles, alles andere lächerlich klein dasteht, alle äußeren Ereignisse, die an mich herantreten, meine ich, die für viele Menschen Glück und Unglück bedeuten. Das sind die Dinge, die Stunden, die meine Kunst ausmachen, mein Leben, meine Religion, meine Seele.

Ich schreibe Dir dies alles zu Deinem Geburtstage, weil ich Dir überhaupt so lange nicht geschrieben habe und weil wir, wenn wir miteinander sprechen, doch nicht bis zum Innerlichsten kommen. Da muß manchmal einer dem andern erzählen von der Blume, die da drinnen blüht. Denn ich sehne mich danach, daß wir uns verstehen, daß Ihr nicht glaubt, ich sei eine Andere, Fremde geworden. Das bin ich nicht.

Nur folgte auf dieses Traum- und Schlafleben, was ich führte, eine plötzliche Entwicklung. Daß sie Euch erschreckt, kann ich verstehen, doch mir gibt sie das Gefühl von Leben und Glück und Jugend und Freiheit. Und es wird schon etwas Feines daraus werden und Ihr sollt Eure Freude schon daran haben.

Ich denke oft an Dich hier und möchte irgendeine Frage an Dich richten, um mich über etwas belehren zu lassen. Denn solch ein Weiblein ist doch ein unwissend Geschöpf. Auch habe ich von vielen Dingen läuten hören und weiß nicht, wo die Glocke hängt. Das ist eine feminine Untugend, ob angeboren oder anerzogen, das werden unsere Enkelkinder entscheiden. Dann drückt uns dies alles nicht mehr und wir sind hinweg von dieser schönen Erde.

Liest Du jetzt viel? Und liest Du viel moderne Sachen? Siehst Du, das habe ich für Dich gewünscht, daß Du mit Deiner Zeit lebst und mit den Besten, Weisesten Deiner Zeit, mit den Strebenden, Schaffenden, und nicht mit denen, die nach getaner Arbeit ihren Sonntag ruhen. Du wurzelst zu sehr in den Ideen der vorigen Generation. Das ist gut für solche, die noch Menschen der vorigen Generation sind. Das bist Du aber nicht. Dein Nervensystem ist eins unserer Generation. Und wenn Du nicht mitkommst, so ist es eine Schwäche und Kraftlosigkeit, die Du überwinden mußt.

Denke an den Niels Lyhne. Der hat es nicht getan. Du kannst es aber. Du hast das Zeug dazu. Nur mußt Du das Beste Deines Menschen dafür in den Kampf schicken. Ich meine, Du mußt für die Idee kämpfen, womit ich nicht meine, daß Du an unserem elterlichen Mittagstisch mit unserer Jurisprudenz disputierst, das ist Kraftvergeudung. Aber eine Idee verkörpern, zu leben, das ist es, was ich Dir wünsche, was ich all unsern deutschen Männern wünsche. Sie verlieren zu bald auf dem Kampfplatz ihre Federn und werden Philister.

Seid Idealisten bis ins Greisenalter. Idealisten, die eine Idee verkörpern. Dann habt Ihr gelebt. Und die Welt schreitet vorwärts. Und der große Sumpf trocknet aus und wird üppig Gartenland. Wir sitzen noch zu sehr im Sumpfe.

Das ist's, was ich Dir zu schreiben auf der Seele hatte. Nimm's brüderlich auf, Lieber, und grolle nicht und lächle nicht und zucke nicht die Achseln. Es ist zu gut gemeint für alle das.

In Liebe
Deine Schwester.

Paris, den 4. Mai 1900.

Ihr Lieben,

jetzt habe ich es fein gut gehabt. Nun ist mir wohl zumut, zwei liebe »Graue« und einen lieben Vaterbrief. Habt tausend Dank. Daß ich Euch einen so langen larmoyanten Brief geschrieben habe, tut mir hinterher recht leid. Wißt, ich bin gerade in einer schweren Stimmung, die auch wohl noch einige Wochen andauern wird, bis ich das Hindernis genommen habe; es ist was beim Malen. Dann kommt der Jugendübermut wieder über mich. Etwas Unangenehmes vorgefallen ist nicht im geringsten. Auch fühle ich mich wohl und danke für Eisen. Wenn ich mir was zugute tun will, so hole ich mir eine Flasche französischen Rotwein für sechzig Cts. Aber Mutting, die Geschichte mit Brandes und der Anekdote paßt doch nicht auf mich. Denn trotz dieses Riesenkatzenjammers habe ich jetzt äußerlich ein höchst fideles Leben und lache viel. Nur hat der innere Mensch nicht viel Teil daran, der verlebt eben die schwarzen schweren Stunden, die mit der Kunst verbunden sind, und ringt mit dem Engel des Herrn »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn«.

Wir kennen jetzt einen ganzen Schwarm junger deutscher Künstler. Mit denen ziehen wir allwöchentlich über Land; tanzen, rudern, singen in der Dämmerung deutsche Lieder, sind überhaupt »deutsch«, was hier im Welschlande von Zeit zu Zeit gut tut. Es ist ein prächtiger Schlag: zuverlässig, arm und kindlich. Sie sind sehr anders als die jungen Franzmänner. Sie sind mit Feuer bei ihrer Sache. Da kommen eine Menge natürlicher guter Anschauungen zutage, die einem das Herz erfreuen und erfrischen.

Wißt Ihr, Barbaren sind wir ja gegen die Franzosen und ich verstehe, daß sie uns als solche empfinden. Aber Kraft und Jugend sitzt dahinter. Man hört auch mal über den Lauf der Welt und ein Wort über Politik und Geschichte. Also Spaß macht es doch. Und den Jammer, den läßt man eben zu Haus.

Sonnabend und Sonntag waren wir draußen bei Uhlemanns in Joinville. Die alte taube Dame denkt nur daran, wie sie anderen Leuten eine Freude bereiten kann. So wollte sie uns diesmal die Schwelgerei eines wirklichen echten Bettes genießen lassen und kochte mit eigener liebevoller Hand für uns. Das genießt man doch sehr nach den sieben mageren Jahren.

Dann haben wir eine schöne Ruderfahrt gemacht auf der Marne, über uns blühende Bäume und Nachtigallen, denn der Frühling ist hier jetzt mächtig im Gange. Und wenn nicht von Zeit zu Zeit ein Lüftlein weht, so wirkt er betäubend mit seinen tausendfältigen Düften.

Kennt Ihr Klingers Radierungen: »Eine Liebe«? Er ist es selber auf mehreren Blättern mit einer reizvollen Frau zusammen, inmitten eines Übermaßes von blühenden Kastanien. Die Leidenschaft in den Blättern, die duftgeschwängerte Luft, das ist französischer Frühling. Geht man jetzt durch den Jardin du Luxembourg, so sitzt auf jeder Bank ein Pärchen und schnäbelt sich. Es ist eine andere Schnäbelei als unsere deutsche: lachender, weniger sentimental und etwas zerstreut. Es sieht aus, als ob beide Teile schon wieder andere Rendezvous im Sinne hätten.

 

Wieder habe ich von Paris etwas Schönes gesehen: den Montmartre. Großartig beherrscht der Berg die Stadt. Auf steiler Straße zwischen kleinen Häusern steigt man zu ihm hinauf. Alte Frauen sitzen vor den Türen und flicken und die Jungen werfen die Augen rechts und links, denn hier ist wieder ein Malerviertel. Schließlich kommt man auf einen kleinen Markt, die Hühner laufen über den Weg. Dann steht man vor der schönen Kirche Sacré-Coeur, die ernst auf das bunte Paris hinabschaut. Wir betraten sie abends halb neun. Es wurde das Abendgebet gesprochen. Hier und da ein Lichtlein, der rötliche Schein der ewigen Lampe und tiefes Schweigen. Wir speisten zu Abend im Refektorium unter lauter alten Betschwestern. Die eine, Valentine, achtzig Jahre alt, mit furchtbaren Mienen und Gesten, wollte uns sogar bekehren. Die ist aber auch erst fromm geworden, als alles andere nicht mehr ging. Sie fragte nach unseren petits noms und wollte uns nie vergessen, und liebte uns trotz alledem, nahm jede unserer Hände zwischen ihre zwei großen fleischigen und schlurfte von dannen.

Ich fange an, Paris zu überwinden. Ich finde mich selbst wieder und meine innere Ruhe; habe in der letzten Woche schöne, volle, tiefe Tage gehabt. Die Eindrücke werden einzelner, man rückt ihnen näher und kann sie gesammelt in sich aufnehmen. In den ersten Wochen meines Hierseins jagte ein Eindruck den andern. Sie ängstigten mich in ihrer ungeheuren Zahl. Nun werden es allmählich alte liebe Bekannte, die einen nicht mehr aus der Fassung bringen. Ich habe das schöne Gefühl, daß ich tüchtig weiter komme, mich nach einer anderen Seite hin strecke und wachse. Das ist ein tiefes ernstes Glücksgefühl.

Paris, den 15. Mai 1900.

Also ich bin in der Ausstellung gewesen, dreimal. Sie ist noch schöner und lehrreicher, als ich mir gedacht habe, kolossal lehrreich. Das schönste sind die Franzosen. Cottet, Simon, Jean Pierre. Die haben miteinander gemeinsam eine ungeheure Tiefe der Farbe. Sie schildern die Bretagne, aber wie!

Wir Deutschen stehen daneben etwas spießbürgerlich und philisterhaft. Viel Begeisterung und Eifer und zu wenig Studium.

Den Cottet habe ich besucht. Ein feiner rothaariger rotbärtiger urgesunder Mensch voll tiefen Empfindens. Als er einmal an mein Pförtlein klopfte, war ich leider nicht zu Hause, sondern fand nur sein Autogramm. Ich gehe aber noch einmal hin.

Wißt Ihr, die paar französischen Großen sind ganz ohne Konvention. Sie wagen naiv zu sehen. Man kann kolossal von ihnen lernen.

Es ist wunderbar, wie ich jetzt Land und Leute mit anderen Augen betrachte.

Abends im Akt wissen die Französlein vor Frühlingsgefühl und Frühlingsübermut gar nicht mehr wohin und singen ein Chanson nach dem andern. Sie sind Champagner. Nur werden sie auch so leicht schal.

Sehr gelungen ist jetzt die eine Ecke des Jardin du Luxembourg, wo die Studenten hausen. Pärchen neben Pärchen fristen sie da ihre Nachmittage. Und da sie in ungeheuren Scharen austreten, fühlt jedes sich wieder allein und unbewacht. Da sitzen sie unter den blühenden Kastanien, sagen nicht viel, denken nicht viel, träumen nicht viel. –

Ich komme aus dem Abendakt. Diese Frühlingsmondscheinnächte sind berauschend. Die ganze Rapinière jauchzt; Frühling! Mandoline und Geige klingt, selbst ein Cello läßt sich hören und ein Deutscher singt: »Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar«. Dazu leuchten die weißen Kastanienblüten aus dem Nachbargarten und der liebe Mond. Und vor mir stehen duftende Maiglöckchen. Und zwischen all dieser Pracht freue ich mich auf die Heimat. Hier ist alles so hell, daß ich oft ganz ungeduldig werde. Bei uns ist der Klang tiefer gestimmt, voller, ernster.

*

Tagebuchblätter aus Paris

Wenn ich erst malen kann! Vor vier Wochen wußte ich es so genau, was ich wollte. Ich sah es innerlich vor mir, ging damit herum wie eine Königin und war selig. Jetzt sind wieder Schleier gefallen, graue Schleier, und verhüllen mir die Idee. Ich stehe als Bettler vor der Türe, fröstelnd, und flehe um Einlaß. Geduldig Schritt für Schritt zu gehen ist schwer. Wenn man jung ist und verlangend. Und dann fängt es menschlich an mir zu tagen. Ich werde Weib. Das Kind beginnt das Leben zu erkennen, den Endzweck des Weibes, und harret seiner Erfüllung. Und es wird schön werden, wundervoll. Und ich gehe durch die Boulevards und Scharen von Menschen begegnen mir und in mir ruft es: »So etwas Schönes, wie ich es noch vor mir habe, habt ihr alle, alle, alle nicht«. Und dann ruft es: »Wann wird es kommen? Bald?« Und dann spricht die Kunst und will noch zwei ernste ungeteilte Jahre der Arbeit haben.

Ernst ist das Leben und inhaltvoll und schön.

 

Ich bin seit Tagen traurig, tieftraurig und ernst. Ich glaube, die Zeit des Zweifels und des Kampfes wird kommen. Sie kommt in jedem ernsten schönen Leben. Ich wußte, daß sie kommen mußte. Ich habe sie erwartet. Mir ist nicht bange davor. Ich weiß, sie wird mich reifen und weiter bringen. Aber mir ist so ernst, so schwer ernst und traurig. Ich gehe durch diese große Stadt, ich blicke in tausend Augen. Ganz selten finde ich da eine Seele. Man winkt sich mit den Augen, grüßt sich und ein jeder geht weiter seinen einsamen Weg. Aber man hat sich verstanden. Die Schwesterseelen hielten sich einen Augenblick umschlungen ... Dann gibt es aber noch andere. Mit denen spricht man viele viele Worte und man läßt das Bächlein ihres Geredes über sich fließen und hört den Brunnen ihres Gelächters und lacht mit. Und in der Tiefe fließet der Styx, tief und langsam und weiß nichts von Bächlein und Brunnen ... Ich bin traurig und um mich her lagern schwere duftdurchschwängerte Frühlingslüfte.

*

Briefe an die Familie

Paris, den 27. Mai 1900.

Liebe Schwester.

Sein Brief war eines pünktlichen Sonntäglings wert. Ich hatte es auch vor, aber die Zeit wird jetzt täglich knapper, ich fange an lang in die Nächte hinein zu leben, und behalte meinen Seelenfrieden nur in dem Gedanken, daß die Sache bald ein Ende hat, und ich wieder ein Weilchen Worpsweder Weltabgeschiedenheit und innere Tiefe genieße.

Ich führe jetzt nämlich einen unsoliden Lebenswandel. Ein paar Abende führte uns A. T. vergangene Wege seines Pariser Junggesellenlebens und einige Tage waren wir mit unseren deutschen jungen Leutlein unterwegs, die sich treu und herzinniglich an uns attachieren, und uns eine liebliche Kameradschaft angedeihen lassen, selbst froh, nach all den kleinen Pariser Dämlein zwei Unerschütterliche gefunden zu haben. Für nächste Woche wird ein Fest geplant, beim kleinen Bildhauer Abbeken und Schweizer Kuhmaler Tormann. Die beiden führen eine treue Ehe, die, wie sie beiderseits lachend versichern, nur dadurch intakt bleibt, daß sie sich von Zeit zu Zeit kloppen. Dies geschieht in vier fast leeren Räumen, einer Küche und einem Alkoven. Das wird also der Tummelplatz des Festes. Die Mädchen bringen die Butterbrote mit, die Männlichkeiten Wein, Kerzen und Lampionbeleuchtung. Mandolinen- und Gitarrenmusik, einen Topfkuchen, den Tormanns Schwester liefert. Clara Westhoff und ich ziehen den Nachmittag vorher hin, um die Räumlichkeiten festlich zu schmücken.

Eine neue Errungenschaft ist der Maler Hansen. Von Natur ein Schleswiger Bauernsohn, hat er lange im Kunstgewerbe gearbeitet, kam in der Schweiz auf den klugen Einfall, Bergpostkarten zu zeichnen, Jungfrau, Mönch, Eiger, mit drastischen Gesichtern, kennst Du sie? Sie waren auch in der Jugend veröffentlicht. Er nahm sie als schlaues Bäuerlein in eigenen Verlag und verdiente in einer Woche zehntausend Mark. Jetzt hat er die wahre Kunst auf seinem Banner, und ein ernstes Streben. Dabei ist er in sich zurückgezogen, wie die Leute des Nordens ja alle.

Die Ausstellung bietet immer neue Großartigkeiten. Wenn man oben auf dem Hügel des Trocadero steht, vor sich das Grand Roue, den Eiffelturm, die Riesenweltkugel, im Hintergrund die Stadt mit all ihren Türmen, dann möchte man ihr Fackeln und Freudenfeuer bringen. Es ist ein ungeahnter Überfluß und eine nie endende Fülle. Sie hat eine ungeheure Persönlichkeit, diese Stadt. Einem jeden gibt sie jedes. Du mußt sie auch noch einmal schauen, Liebes. Doch nicht auf vierzehn Tage, das hat keinen Sinn, in vierzehn Tagen kann man sie nicht erfassen und verstehen. Man steht allem fremd und unbeteiligt gegenüber, und holt sich diverse Kater über die Verderbnis der Menschen. Auch der Kunst stand ich völlig fremd gegenüber, den Franzosen selten. Da sitzt so vieles drin, was uns Germänlein nicht im Blute steckt, und wir sträuben uns dagegen. Es ist mir interessant zu sehen, wie mein Urteil sich allmählich gebildet hat, obgleich ich noch lange nicht annehme, daß es fertig ist. Was ist fertig? und wann ist man fertig? Hoffentlich nie. So geht es auch mit allen anderen Anschauungen. Und wenn Euch im Augenblick vieles konträr ist, so hofft nur, daß in einem Jahr, schon in einem halben, sich vieles ändert.

Paris, den 3. Juni 1900.

Also das Fest. Es verlief von Anfang bis zu Ende in allgemeiner Glückseligkeit und Stimmung. Der Nachmittag vorher brachte die großen Vorbereitungen. Clara Westhoff und ich fabrizierten in den Festräumen einen Pudding mit »Mandelgeschmack« und einen mit »Erdbeergeschmack« und ordneten mit häuslicher Hand das Küchenfestinventar.

Indessen malte die edle Männlichkeit Friese. Im Salon, der ganz mit weißem Papier ausgeschlagen war, entstand ein famoser Zentaurenfries. Im Alkoven, wo die verschiedenen Matratzen und Kissen gehäuft waren, ein »Gefilde der Seligen«-Fries. Stühle gab es nicht. An Räumlichkeiten gab es noch einen Empfangssalon und ein Toilettenzimmer mit lebensgroßem Spiegel.

Dies der Tummelplatz der großen Fête. Alle Welt kostümiert, alle Welt guter Stimmung, oder vielmehr auf Höhepunktstimmung. Tanz mit Mandoline und Gitarrebegleitung. Künstlich waren aus starkem Draht zwölf Wandleuchter hergestellt. So prangte der Salon in Kerzenbeleuchtung. Im Alkoven schummerige Lampionstimmung. Als wir am Morgen, nachdem M.s Kaffeemaschine liebliche Dienste geleistet, die fünf Grundsteinflaschen unserer Bowle zählten, ergab es sich, daß wir nur anderthalb Flaschen getrunken hatten. Das andere war alles Jugend und Trunkenheit ohne Wein. Das machte mir Spaß. Ein Heimweg in unserem Kostüm durch das morgendlich dämmrige Paris. Als ich in mein Kemenatlein kam, war es ganz hell. Draußen ein Rausch von blühenden Akazien, Vogelmorgenstimmen und gurrenden Tauben. Ich legte mich lange nicht schlafen, obgleich ich frei von inneren Beschwerden und Herzaffektionen war.

Nächsten Morgen acht Uhr großes Lever. Akademie. Um zwölf Uhr Katerfrühstück in den Festräumen bei frohem Schnack.

Und die Hauptsache schreibe ich Euch zum Schluß. Am zehnten kommen die Worpsweder: Modersohn und Overbecks. Sie bleiben zehn bis vierzehn Tage. Und dann fahren wir miteinander heim. Hurrah.

Euch Allen einen Kuß.

Nach einem sonnigen Pfingstsonntag Kirchenbummel, nach etlichem Ungemach wegen mangelhaften Omnibusverkehrs, kam ich etwas flügellahm zu Hause an. In solchen Augenblicken hat diese Stadt etwas Furchtbares. Man fühlt sich so machtlos ihr gegenüber. Was sie nicht freiwillig mit überströmenden Händen hergibt, das ist ihr nicht abzuringen.

Im Louvre, der auf längere Zeit wegen Umhängung der Bilder geschlossen war, sind neue Säle eröffnet. Ich gehe wieder trunken durch alle diese Herrlichkeit. Ich bin sehr froh, zu bemerken, daß mich dieses halbe Jahr im Verständnis der alten Meister ein gut Stück weitergebracht hat. Daran messe ich meinen innerlichen Fortschritt.

Der Bildhauer Rodin hat eine Sonderausstellung eröffnet, das große ernste Lebenswerk eines Sechzigjährigen. Er hat das Leben und den Geist des Lebens mit enormer Kraft gebannt. Für mich ist er nur mit Michelangelo vergleichbar und doch steht er mir in einigen Sachen näher. Daß es solche Menschen auf Erden gibt, das macht es wert, zu leben und zu streben.

Donnerstag abend Tanz bei »Bullier«. Kennst Du dies große Tanzlokal des »Quartier Latin«, lieber Vater? Ein buntes Bild, unglaublich viel zu sehen: Studenten und Künstler, hübsch und lustig in ihren gelungenen Sammetanzügen und Schlapphüten, mit ihren kleinen Mädchen, von denen einige Radfahrhosen anhaben, andere Seidenroben und andere Sommerblusen. Es sind meistens Couturières und Blanchisseuses und dann gibt es eine eitel Kinderfröhlichkeit. Und um ein halb ein Uhr wird das Gas ausgemacht und die Leute gehen nach Haus. Weit in den Morgen hinein erstreckt sich das Kaffeeleben hier überhaupt nicht. Um zwei Uhr ist meist alles geschlossen.

Und Montag kommen die Worpsweder! Das ist die Hauptriesenfreude. Überhaupt: Dort ist allzeit mein Sinn. Ich kann Euch sagen, manchmal dürste ich nach Heimat.

Paris, Freitag.

Ihr Lieben,

ganz plötzlich ist Frau Modersohn gestorben. Der arme Mann ist mit den andern nach Hause gereist. Nachdem er sie Jahre hindurch voll rührendster Selbstaufopferung gepflegt hatte, war der Himmel so grausam, sie ihm in seiner Abwesenheit zu nehmen. Bis jetzt verstand er es noch nicht. Er sah alles, was sich um ihn her ereignete, gab Anordnungen, doch die furchtbare Wahrheit kann er nicht fassen ... Ich komme so bald als möglich nach Hause, wahrscheinlich bin ich Sonntag schon bei Euch. Dies ist ein sehr trauriger Schluß meiner Pariser und auch meine nächste Worpsweder Zeit wird schwer und traurig sein. Ich habe in diesen Tagen so viel von Modersohn gehabt.

Auf Wiedersehn!

Eure Paula.

*

Briefe an Otto Modersohn

Paris, den 17. Januar 1900.

In den hilflosesten Momenten, die ich hier in Paris verbracht habe, ließ ich meine Gedanken immer nach Worpswede wandeln. Das ist immer ein wundervolles Mittel, denn dann legt sich das Chaos und es kommt eine sanfte Stille über mich. Ja, Paris ist wundervoll, aber man braucht Nerven, Nerven und nochmals Nerven, starke, frische, aufnahmefähige. Bin ich zu langsam und ungeschickt im Verarbeiten der einzelnen Eindrücke? Ich weiß es selbst noch nicht. Dennoch bleibe ich noch lange über den Frühling hinaus, denn man lernt hier auf Schritt und Tritt.

Das Louvre! Jedesmal, wenn ich dort bin, fließt es wie reicher Segen auf mich nieder. Ich komme Tizian im Verständnis näher und lerne ihn lieben. Und dann eine süße Botticelli-Madonna mit roten Rosen hinter sich auf grünblauem Himmel stehend. Und Fiesole mit rührenden kleinen biblischen Geschichten, so einfach erzählt, manchmal wundervoll in der Farbe. Ich fühle mich so wohl in dieser Gesellschaft von Heiligen.

Von Millet sieht man fabelhafte Sachen in den Kunstläden. Ein Mann auf dem Felde, der sich die Jacke anzieht, gegen helle Abendluft, das war für mich das Schönste.

Und die Lüfte, wenn man über die Seine-Brücke geht! Da flimmert es durcheinander von feinen grauen gelben und silbernen Tönen. Die hüllen das Geäst der Bäume ein. Die schönen Bauten stehen wundervoll tief dagegen.

Einmal war ich in Joinville. Dort fließt die Marne. Es war ein trüber Tag. Die Luft graugelb, das Wasser graugelber, trübe Wiesen und lange kahle Pappeln. Das hatte einen eigenartigen Reiz.

Ich gehe vormittags in eine Akademie Cola Rossi. Dort habe ich Korrekturen von Courtois, der ist fein für die Valeurs. Collin, der Anfang der Woche korrigiert, ist mehr für die Richtigkeit. Maler gibt es hier wie Sand am Meer. Darunter die originellsten Erscheinungen. Wenn man guter Laune ist, amüsiert man sich über alles. Nur wenn man schwach ist, kommen die Kater über einen. Man sieht furchtbar viel Elend hier, viel Korruptes und Degeneriertes. Ich glaube, wir Deutschen sind doch bessere Menschen.

Paris, den 29. Februar 1900.

Jetzt, wo man das Nahen des Frühlings in sich und um sich hat, da denke ich manchmal, in wie viel reinerer Gestalt es ihm vergönnt ist, in Worpswede seinen Einzug zu halten als hier. Auch hier spürt man ihn ja auf Schritt und Tritt. Aber in diesem Riesenorchester spielen tausend Geigen. Man kann den Klang der einzelnen nicht erfassen.

Übrigens bin ich von Veilchendüften umgeben, die vielen künstlichen gar nicht mitgerechnet.

Von neuesten Bildern sieht man wenig. Sie bleiben zum Salon und zur Ausstellung. Sehr interessierten mich ein paar farbige figürliche Studien von Bonnat, tief und einfach im Ton und kolossal zusammengehalten.

Von Degas möchte man einmal etwas anderes sehen als Balletteusen und Absinthkneipen. Mir scheint auch, daß er das Naive in der Linie zu sehr sucht und dadurch manieriert wird. Aber er hat eben auch dies Technisch-Künstlerische.

In mehreren Salons à la Schulte, wo man über die Schleppen des eleganten Paris stolpert, gab es viel Süßes, Schlechtes und Seichtes. Ich denke eben immer noch, daß irgendwo Schätze begraben sind.

In der kleinen Rue de la grande chaumière hat der Cola Rossie seine Akademie heute eröffnet: kleine, rumpelige, schmutzige, komische Baracken, denen es aber an Poeste nicht fehlt. Cola Rossi ist neben Julien die beste Akademie. Er selber ist früher Modell gewesen, spielt aber jetzt den Grandseigneur und läßt beim ersten Schneider arbeiten. Er protegiert die Künste, die Professoren und die Eleven und hat meist Montags ein Gesicht, als ob er Sonntags was ausgegessen hätte.

In diesen heiligen Hallen zeichne ich Akt, morgens mit den Weiblein, abends mit den Männlein. Unter den Weiblein morgens gibt es viel rauhe Haare und ungeputzte Stiefel, einige kluge Köpfe, und wenig Talent. Sie arbeiten wie das Herdenvieh, ohne Ahnung, worauf es ankommt.

Nachmittags schaue ich mir die Welt an, oder arbeite hier in meinem grünen, kleinen Atelier.

Abends um sieben Uhr bei den Männlein. Bei den Männlein geht's noch komischer zu. Gibt es da wunderliche Gestalten! Eigentlich vernünftig wie bei uns zu Hause sieht kein einziger aus. Sammetanzüge, lange Haare, Hemdärmel, Handtücher als Schlipse und andere Eigenheiten haben diese Brüder in Apoll aufzuweisen. Galavorstellung: Bombardement mit Brotrinden, Hahngeschrei, Katzenkonzert und allgemeine liebevolle Prügelei. Viele Yankees, viel Spanier, Engländer, einige Franzosen und Deutsche. Die Unterhaltungen sind oft eigenartig, der Punkt, um den sich alles dreht, ist » elle«. Wenn einer bei der Arbeit seufzt, heißt es gleich: » Est-elle gentille

Im ganzen wird hier aber besser gearbeitet, zwar mit wenig Auffassung, aber richtiger, als bei den Fräuleins. Es steckt mehr Gesundheit und Kraft dahinter. Und was bei den Männern rowdymäßig wirkt, ist bei den Mädchen gleich unschön. Wir haben es, glaube ich, doch schwerer. Aber trotz alledem ist das Leben schön und ich fühle das, komme mit meiner Kunst weiter und bin froh.

Ich bleibe hier so lange wie ich kann. Und dann kann ich vielleicht ein wenig und komme wieder nach Worpswede.

Des Sonntags machen Clara Westhoff und ich kleine Spritztouren aufs Land. Da ist es sehr fein. Hügelig, lange, dürre Pappeln am Wasser, weiches, toniges Gras, das heißt bei bedecktem Himmel. Bei Sonne ist mir die Erde viel zu hell, ich möchte dann alle Farben tiefer haben, satter, und werde ganz ärgerlich bei dieser Helligkeit.

 

Ich war gestern und heute in der Ausstellung. Diese Tage bilden einfach eine Epoche in meinem Leben. Alle Nationen sind wundervoll vertreten, aber das Schönste für mich sind die Franzosen. Der Cottet sagte mir: »Unser Volk ist eines der Dekadenz, aber einige Naturen leben innerhalb dieser Dekadenz, unabhängig davon. Und das gestaltet ihre Kunst zu einer völlig eigenen!«

Und er hat recht. Wir kleben in Deutschland zu sehr an der Vergangenheit. Unsere ganze deutsche Kunst steckt zu sehr im Konventionellen. Otto Modersohn, das ist einer, der sich durch den Berg der Konvention hindurchgearbeitet hat. Die andern verstehe ich vielleicht nicht und gebe mir keine Mühe. Denn ein Menschlein, das so im Wachstum begriffen ist wie ich im Augenblick, das muß zuerst an seine eigenen Arme und Beine denken. Ich habe ziemlich schwere Wochen hinter mir. Ich habe mich so gequält, da war es mir gestern in der Ausstellung wie eine Erlösung. Ich glaube wieder an die Kunst in ihrer ganzen Größe, und auch, daß mein Feuerlein einst ein wenig Wärme geben wird.

Auf der Akademie malt man fast ohne Farbe. Das A und das O sind die Valeurs, das andere ist alles Nebensache. Jetzt merke ich, wieviel ich da noch lernen muß. Ich dachte, die Valeurs wären meine gute Seite, aber ich bin furchtbar ausgescholten worden. Zwei Wochen lang wird an einem halblebensgroßen Akt gemalt, das heißt Licht und Schatten in den rechten Valeurs hingesetzt. Malen darf man das eigentlich nicht nennen. Aber das Formgefühl wird dabei verfeinert.

Überhaupt halte ich mehr von einem freien Menschen, der die Konvention bewußt von sich tut. Ich meine, er muß sie besessen haben und sich in Selbstzucht und Maß geübt haben. Dann kann er sich von ihr abwenden. Redet einer von Konvention, der sie nie besessen hat, da denke ich leicht: »Fuchs, die Trauben hängen dir zu hoch!« Mit dem sogenannten Ausleben ist es doch eine wackelige Sache.

Doch weiter von der Ausstellung, wenn auch nur in Splittern. Denn in mir purzelt noch alles durcheinander wie im Kaleidoskop, durch das wir als Kinder schauten.

Cottet hat ein Triptychon ausgestellt, vom Luxembourg angekauft: » Au pays de Ia mer«. In der Mitte, beim Schein einer hängenden Lampe, Frauen und Kinder beim Abendbrot mit traurig wartenden Gesichtern. Durch die Fenster schimmert blau das Abendmeer. Links ein Stück Boot mit Schiffern auf stürmenden Wellen, rechts der abendliche Strand mit harrenden Frauen und Kindern. Diese Tiefe der Farbe! Dabei ornamentale Größe, gepaart mit zarter seelischer Auffassung.

Ein anderer Cottet: ein Schimmel auf einer Abendwiese. Ein dritter: drei schwarze Frauen am Strande. Der Cottet selbst ist ein feiner Kerl. Rothaarig, rotbärtig, voller Leben!

Der Lucien Simon hat mir auch imponiert. Der hat ein eigenartig naives, gesundes Formgefühl und Velasquez-Töne in seinem Weiß und Schwarz.

In dem Bilde: »Männer am Meere« von Jean Pierre ist eine kleine Ecke, die drückt das aus, worauf ich strebe, eine tiefe, farbige Leuchtkraft in der Dämmerung, farbiges Leuchten im Schatten, Leuchten ohne Sonne wie im Herbst und Frühling in Worpswede. Blauer Himmel, große, weiße Wolken dran und keine Sonne.

Wie sehr ich mich auf die Heimat freue! Das, was für mich das Schönste ist: das Tiefe, das Satte in der Farbe sehe ich hier nicht. Es ist ein helles, heiteres, graziöses Land.

Innerlich sehr nahe treten mir die nordischen Völker, nicht so sehr durch die Art des Ausdruckes, als durch den Geist, aus welchem sie schaffen. Finnland zeigt höchst originelle Formauffassung. Zwar stört mich jetzt ein wenig der Mangel an Konstruktion all dieser nordischen Menschen. »Stört« ist nicht der rechte Ausdruck, aber ich sehe ihn, während ich ihn früher nicht sah. Das ist ein Pariser Fortschritt. Denn Konstruktion ist hier Schlagwort.

Segantini ist vertreten mit großen ernsten Bildern, ein wenig hart, aber aus tiefer Seele geschaffen. Ach, was ist man glücklich, dies alles schauen zu dürfen! Das Leben ist überall voll und schön und ich fühle es wundervoll vor mir liegen. Da will ich mich gerne schinden und plagen, wenn dann von Zeit zu Zeit meine Seele ein Abendlied singen kann.

Mein Korbstuhl streikt, er will diese sündige Hülle nicht länger tragen. Ich sitze nächstens auf der Erde. Überhaupt, was den Komfort des Lebens betrifft, kann ich manch fröhlich Liedlein singen, das lieblicher in der Vergangenheit als in der Gegenwart zu singen ist.

Eine kleine Amsel habe ich auch. Die zwitschert vor meinem Fenster und ein Gewitter hatte ich auch nach Sonnenschwüle, und nun herrscht wieder Frühlingsregenduft.

Auf dem Montmartre sind wir neulich gewesen. Da liegt die Kirche ernst über der großen Stadt und mahnt zur Buße in wundervollen Glockentönen.

Und kleine deutsche Maler haben wir auch, mit denen wir tanzen und rudern und deutsche Volkslieder singen. Und eine ungarische Musikkapelle gibt es mit Walzern!!!! Spottet aller Beschreibung. Sie spielen sogar unsern Worpsweder »Dreifuß« und »Komm Karlineken«.

Zweimal haben wir hier schon nächtlicherweile auf dem Asphaltpflaster getanzt. Die Leute hier tanzen los, wenn's ihnen Spaß macht. Die warten nicht wie bei uns in Worpswede bis zum nächsten Schützenfest.


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