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Dreizehntes Kapitel.

Wie ich endlich heimwärtskommen zu meiner lieben Julia; aber waserlei erschröckliche Dinge ich zuvor noch erleben mußte.

Eia, wie wallete und wogete mein Herz, als wir nu uf der sichern Straßen meiner lieben Julia, meinem Knäblein und der Burg meiner Ahnen entgegenzogen, ließen die Pferde wacker streichen, und konnt ichs kaum erwarten, sunge und pfiffe den ganzen Weg, und freuete mich ufs Wiedersehen, wie das Kind uf das liebe Weihnachtsfest. Aber gleichwohl stiege mir die Angst jeweilen doch wieder auf; daß was für sich gehen müsse, darauf hätt ich schwören mügen. Hielte darumb nirgends an, wo es nit die Nothdurft vor Mensch und Vieh erforderte, und da mir der Bischof von Augspurg, deme ich meine Noth geklaget, 50 Kronen gelehnet, durften wir bei denen Rittern nicht mehr betteln gehen, und hatten Zehrgeld vollauf.

So trabeten wir denn unserer Straßen, und will ich von denen Ebenteuern, die wir annoch erlebeten, nur einer Sach Meldung thun, wasmaßen es ungläublich ist, wie groß die List und wie groß die Tummheit mancher Menschen.

Denn als wir bei St. Pölten an einem entlegenen Hause fürüber reuten, kommt uns ein Weibsbild schreiende an die Pferd gelaufen: Umb Gottes Willen, wir sind bestohlen, steiget doch abe, und helfet mir meinen Kerl suchen; er muß erschlagen sein, wo ist er blieben!

So gingen wir also mit in die Stub. War in Wahrheit Alles ausgeräumet, Kisten und Truhen erbrochen, nur allein ein Bilde St. Josephi mit einer lateinischen Unterschrift war verblieben.

Franzerl, um Gottes willen, wo steckestu! Franzerl, hörst du nit?

Aber wie sehr das Weib schriee, nirgends war von ihm was zu hören und zu sehen. Wir durchsuchen das ganze Haus, das Kämmerlein, den Hausboden; er war nirgends zu finden; so gehen wir letzlich in den Hühnerstall. Da sitzet mein Kerl in einem Winkel uf einem Hühnernest.

Bistu verrückt worden, Franzerl, was machstu allhie?

Er aber wenket: pst, pst! schüttelt den Kopf und redet kein Wort.

Er ist verrückt worden! kannst du nit reden?

ille: Blutroth, mit beeden Armen beschwichtende und wenkende: pst, pst!

illa: Donnerwetter, Kerl, bist du närrisch? die ganze Stub ist ausgeräumet, Alles gestohlen!

Da fiel der Kerl für Schreck rücküber, daß es unter ihm knisterte und knasterte, und die gähle Eiersauce ihm umb die Lederhosen spritzete: Was, bestohlen seien wir? Dieser verfluchte Kerl, daß ihn Gottes Element schände! sprunge flugs mit seiner gählen Hosen, von den zuschlagenen Eiern, und rannte fluchende in das Haus zurück.

O wehe, wehe! ich tummer Kerl, was hab ich gemachet; ein niederträchtiger Hallunke! Kam ein Kerl zu mir in die Stub, und da er das Bilde sah, blieb er plötzlich für Schreck stehen, und ob ich nit wisse, daß ich einen Schatz im Hause? hier unter dem Bilde stünds ja geschrieben. Da gläubete ich diesem Schandkerle, und daß ich, um den Schatz zu heben, 24 Stunden, ohn ein Wort zu reden, weder zu essen noch zu trinken, noch zu schlafen, uf 12 frischgelegten Eiern brüten müsse; alsdann würd ein Hahn kommen, und wo der in der Erden würd scharren und dazu krähen, alldort läg der Schatz. O wehe, ich tummer Kerl! gläubete ihm, ja verehrte ihme noch zween Gülden vor Freud, und nu hat diese niederträchtige, vermaledeite Bestie Alles ausgeräumet!

Aber kaumb hatte er ausgeredet, so floge ihm das Weib auch schon mit ihren Krallen in die Haare; er sei ein niederträchtiger, ein verrückter Kerl! und schleppte ihn zausende bei den Haaren herum. Da mußt ich Gewalt brauchen, sie auseinander zu reißen, ansonst hätten sie sich wohl halb todt geschlagen, wurfe ihnen ein Paar Kronen uf den Tisch, und setzete mich lachende wieder uf das Pferd.

So kämen wir denn nu nach etzlichen Tägen in den Eichwald vor Weitra, zween Stunden von meiner Ahnenburg. O Sigmund, Sigmund, wie freutest du dich! Jeder Hufschlag war ein Gruß an deine Julia, und wie die Vögel flogen vor uns die Bäume. Da lichtet sich der Wald, und wir sprengen uf die Höhe. Da steiget der Thurm auf, da dehnet sich hellweiß leuchtend meine Ahnenburg: Altensteig, Altensteig, da liegt es funkelnde in der Mittagssonnen! Da sprunge ich jauchzende vom Sattel, küssete die Erde, und reckete beede Arme in den Himmel. Hüpfete wie ein junges Reh, jauchzende und jubilirende, wenkete mit dem weißen Nasentüchlein nach dem Fenster meiner Julia, packete den Claus und schüttelte ihn; summa: war für Freuden närrisch worden; wußt selber nit, was ich machte, bis es Claus mir nachgehends erzählet.

Aber nu gings wie das Donnerwetter hinein nach Weitra; mußt doch erst Kundschaft einziehen, was daheim in Altensteig für sich ginge, und ritten deshalb alsbalde in den grünen Rautenkranz bei Michael Weißbach, wo ich ehender auch immer eingestallet, und der ein fast biderber Mann war.

Da stunde aber Alles voll Rollwägen für der Thür, große Fässer Weins wurden ufgeladen, Wildprett aller Art und Geflügel, Reiß, Kuchen, Zuckerwaaren; summa: daß uns das Maul wässericht wurd. Konnten kaumb vor den Wagen noch hindurch, und verwunderte mich, wohin dieß Alles kommen sollt. Aber, o wehe! als ich etzliche Bauern aus Altensteig, Ignatz Zobel und Joachim Spitzvogel, entwahr werde, wie sie die Sachen uf die Rollwagen packeten, ahnete mir bald nichts Gutes; mocht aber nit fragen, um mich nit zu verrathen, und raunete auch Claus zu, reinen Mund zu halten und sich fremd zu stellen. So stunde nu aber ein Gutscher in fremder Lieberey für den Pferdstall; den fragete ich, mich zusammenfassende: es wär ja entsetzlich viel Treiben allhier, wo die Wagen her seien?

Aus Altensteig; gehören meinem gnädigen Herrn, Ritter Jobst von Loos, der morgen wird Hochzeit machen.

O wehe! da hatt ich genung gehöret, schüttelte den Kopf, und ginge leise bebende in die Schenkstube; bedräuete aber Claus nochmalen, reinen Mund zu halten, und hieß ihn im Pferdstall bleiben, würd ihm schon selbsten die Abendkost bringen; denn ich beforchtete seine Schwatzhaftigkeit, wann ihn selbsten auch Niemand nicht erkennen sollt, da er gar weiß und grau worden, auch vor Mühlberg einen Hieb über die Nas' gekriegt hatte. Aber Michael Weißbach wollt ich mich schon offenbaren, wann er mich sollt wieder erkennen, wo nicht, wars mir noch lieber.

Aber ich ware ihm unkenntlich worden, dieweilen aus den Daunen stachlichte Borsten geworden, das ganze Maul bewachsen und ich auch von der Sonne gar verbrannt ware. So wollt ich nu wegen der Bauern von Altensteig ein eigen Stüblein haben, weil ich müd sei; aber er meinete: es läg schon alldorten ein Ritter; wann der würd fort sein, könnt ich das Stüblein bekommen; würd aber wohl ziemlich spät werden, da er oben noch mehreren andern Rittern ein Faß Weins hätt uflegen lassen, und könnt ich wohl hören, daß es lustig herging. (Und erschallete in Wahrheit ein wüstes Toben und Gelächter von der Stiegen hernieder.) Aber ob ich nit hinaufgehen wölle? Würd schon willkommen sein, am End zög ich ja auch zur Hochzeit nach Altensteig; der Bräutigam selber, Herr Ritter von Loos, wär oben, so annoch eingekäufet. Hätt schon vor 3 Wochen eingekäufet, aber es sei schon wieder verjubiliret.

Wie er solches redete, schoße mir alles Geblüt ins Herze: Ich kenne ihn nit, und ob ich nit in sein eigen Stüblein könnt abtreten, um mich zu verschnaufen?

O wehe, ich Unglücklicher! mocht annoch nit fragen, welche er würd heurathen, – wußts ja schon, meine Julia!

Als ich nu alleine in meinem Zimmer, und er mir einen Schoppen brachte (hatt keinen Durst und Hunger mehr, konnts mir aber doch nicht merken lassen), fassete ich mir unterdeß ein Herze: Wen wird denn der Ritter Loos freien? Ei, wisset Ihr das noch nit? Die Wittib des Junkers Sigismund Hager; morgen wird die Hochzeit sein.

Was, der Junker Sigismund Hager ist todt? Das thut mir wehe, hab ihn im Braunschweigischen Kriege kennen gelernt, war ein guter Held. Woran ist er denn verstorben?

Er war mit in den schmalkaldischen Krieg gezogen, und hat ihn vor Mühlberg der Kaiser selbsten zum Ritter geschlahn; auch den fangenen Landgrafen gen Augspurg getransportiret. Von dorten hat er noch zum Letzten geschrieben, und daß er gen Brüssel zöge. Unterweges aber ist er in einem Wald von Räubern erschlagen, und ist sein blutig Hemd und der Trauring seiner Ehefrauen zugeschicket worden. Gott hab ihn selig! war ein feiner junger Herr, und kehrete mit seinem Vater zuweilen bei mir ein, der aber auch schon hinübergegangen.

Da hat sein Eheweib wohl sehr geklaget? wird wohl kaumb solchen Eheherrn wieder kriegen!

Was sollt sie nit? will bis heutiger Stund noch nit glauben, daß er todt sei; hat auch dem Ritter Jobst bis dahin noch kein Jawort geben, wie sehr er sich um sie stellet; soll Tag und Nacht um ihren Sigmund geweinet haben, und daß sie mit Nichten wieder freien wolle, besondern in ein Kloster gehen; – muß sich anjetzo aber doch wohl haben beschwichtigen lassen, da ja morgen die Hochzeit werden soll.

Als ich solches vernommen, konnt ich mich kaumb noch begreifen, entschuldigte mich, daß ich ruhen wölle, und möcht er mich alleene lassen.

O wehe, wehe, meine Julia, ists möglich! Ginge zitternde und bebende für Wehe die Stuben auf und ab. Das ist dein Werk, o Perpetua! also du hast mir den Ring gestohlen! Sigmund was thust du? Balde, wie ich das wüste Toben und den Brüllärm herunterschallen hörete, wollt ich hinaufstürmen, und mit dem Ritter mich schlagen uf Leben und Tod; balde aber wollt ich erstlich die Gedanken meiner Julia erproben; könnt vielleicht ja doch noch mir treu verblieben sein!

Da werf ich mich endlich in den Großvaterstuhl hart unter dem Fenster, das heiße Antlitz uf dem kalten Schwertgriff stützende. Sigmund, Sigmund, was machestu? Inwährendem ich so sinnende dasitze, hör ich ein gewaltig Toben und Gelächter, und oben die Fenster klirren, als würden sie geöffnet, worauf ich es teutlich rufen hör: wie habt Ihrs denn angestellet, Ritter Loos, daß Ihr das Weib beschwätzet? Erzählet uns doch Eure Sach! Da sprung ich uf, öffnete ebenmäßig leisam das Fenster und reckete den Kopf in die Höhe: »Das Ding geht dich und deine Julia an!«

Da müssen wir uns erst die Kehle schmieren, denn das ist eine lange Geschichte, brüllete ein Kerl, unstrittig der von Loos; saufet, damit Euch für lachen nit der Odem ausgehet! Und hörte ich auch alsbalde die Becher klirren und uf den Tisch stampfen, worauf es geruhlich oben wurd, und der Ritter anhebet: So merket denn: Dieser tumme Bengel Sigismund Hager, hat das tumme Gelübd gemacht, inner 3 Jahren mit seinem schmucken Weib wie Bruder und Schwester zu leben. (Allhie huben die Kerle schon an zu lachen, und allerlei schändliche Witze zu machen, die ich aber zu notiren mich genire). Mit solchem Gelübd hat er sich zu Halle bei der Tafel des Herzogen Alba verrühmet, und daß ihn Niemand nit, weder sein Weib von solchem Gelübd würd abtrünnig machen. Das höret die Königin Maria von Ungarn und meine Braut die Jungfer Perpetua von Saala, und beschleußen, den Ritter sein Gelübd brechen zu machen, wasmaßen er ein fein Gesicht, auch sonsten ein schmucker Kerl ist, daß er ihnen gefiele. Nu hatt ich schon mich viel um die Jungfer zu schaffen gemachet, und mich nit wing geärgert, daß ich noch immer nicht ihr Jawort erhalten, als sie mit mir über diese Sach redet und: daß sie wölle den Ritter Hager sein Gelübd brechen machen, und was ich dazu sage?

Donnerwetter, was sollt ich sagen! lachete für Ingrimm, und sähe ich wohl, daß ich Nichtes mehr von ihr zu hoffen, und warum sie denn zu mir also spröde wär? Da lachete die Jungfer, gab mir ein Küßlein, und sollt ichs gut sein lassen; wann ich bei der Comödien wollte mitspielen, sollts mein Schad nit sein. Summa: ich sollt das Eheweib des Hager verführen, inwährendem sie wollt den Ritter fahen. Wann ich das würd können, sollt ich ihr Jawort haben, und allhie gab sie mir noch ein Küßlein (lacheten alle Kerle widder in Höhe, und soffen ufs Neu).

Solch Ebenteuer war mir nit unrecht; sollt ein schön Weib sein, und fette Bissen seien nit zu verachten!

Solches verabredeten wir in Augspurg in Gegenwärtigkeit der Königin Maria, und sollt der Ritter Hager die Jungfer Perpetua gen Brüssel geleiten, verstehet sich alleine, und hatte der Kaiser den Ritter zum guten Glück zur Königin Maria uf ihr Begehr commandiret, daß sich Alles fein schickete. Ich aber sollt alsbalde mich an sein Weib machen. Nu hat der Ritter Hager aber einen Brief an seine Julia geschrieben; selbigen finge die Jungfer Perpetua uf, damit sein Weib von ihm keine Nachricht hätt. Doch muß dieser Satanskerl noch sonsten ein Brieflein geschrieben haben, der uns entgangen; denn sie wußte allbereits, daß ihr Eheherr gen Brüssel gezogen, hat ihme auch dorthin geschrieben; aber Gottlob! meine Braut hat ihn ebenmäßig ufgefangen, ansonsten wär wohl die ganze Sach verrathen gewest. Inwährendem finge ich erst von Weitem an, die Fallen zu legen, und ließ allerlei Gerüchte aussprengen, als wie der Ritter Sigismund Hager wär in einem Wald erschlagen; dann bekame ich, wie verabredet, ein Hemd und ebenmäßig den Trauring, den die Jungfer ihm listiger Weis heimblichen vom Finger gezogen. Das packete ich ein, und überschickete es, mit Blut besprenget, gen Altensteig; ließe aber noch Nichts von mir hören und sehen. Nachdem so Alles eingefädelt, machete ich mich gen Altensteig, thäte als ob ich den Junker Hager, den ich vor Mühlberg kennen gelernt, zu besuchen käme.

Donnerwetter, das war ein schmuckes Weib! Hätt bald uf die Perpetua vergessen! Verstellete mich zu Thränen, als sie mir verzählet, was sie vernommen, daß ihr Eheherr sollt erschlagen sein und sie das blutige Hemd und das Ringlein erhalten; jammerte und weheklagete erstlich mit ihr, und waserlei tapferen und treuen Waffenbruder ich verloren; beredete sie auch Todtenmessen vor ihn lesen zu lassen. Doch sie wollts noch immer nicht recht gläuben, ihr Sigmund sei tobt, saße weinende und jammernde im Frauengemach mit ihrem Knäblein, hatt sich noch einen Klausner kommen lassen, einen verteufelten Kerl, der mir beinahe Alles verdorben hätt, und der ihr fürschwätzete, ins Kloster zu gehen, wann in Jahresfrist der Ritter nicht wiederkehrete.

Summa: so stund meine Sache schlecht, und war ich schon fast verzweifelt; da krieg ich vor etzlichen Wochen ein Schreiben von der Perpetua, daß der Ritter Hager ihr heimblich in Brüssel fortgeloffen und sicher uf der Heimkehr; nu sollt ich mich sputen, sonst wärs aus mit meiner Sach!

Nu war Zeit theuer! Wie ichs aber angestellet, daß morgen doch Hochzeit wird, und wie ich das Weib beschwätzet, werdet Ihr morgen selbsten erleben.

Hurrah, der Ritter Loos soll leben und seine schöne Braut! und die betöbeten Ritter rannten lachende mit ihren Humpen zusammen.

Da konnt ichs nit mehr aushalten, nu war meine Geduld zu End! reiß wüthende das Schwert aus der Scheiden, und will die Stiegen in die Höh, den schandbaren Buben zu morden, als ich den Söller übersehende, der Länge nach krachende zu Boden stürz, mein Schwertgriff abbricht, und mir das Blut jählings aus der Nasen über das Maul rennet. Solcher Fall aber acht ich, war nit von ungefähr, besondern ein Werk des barmherzigen Gottes, denn ansonsten wär ich heute ein Mörder worden. Aber daran wollt ich noch nit gedenken; rannte noch wüthender in den Hof, mir Clausens Schwert zu holen, als mich die Gutscher, so für der Thüre stehen, wieder zur Besinnunge bringen; stell mich also hin in eine Eck, und laß die Nase erstlich ausbluten.

Wars nu die frische Luft, wars der Blutverlust, summa: ich wurd mählig ruhiger, und finge an, mir das Ding mit Vernunft zu überlegen. Gnade Gott, Sigmund, was hülf es dir, wenn du ein Mörder würdest und dein Gelübd gehalten! O Julia, Julia, ich kanns nit gläuben, daß du mir sollst untreu werden; doch, Sigmund kommt und wirds erproben!

So stehe ich noch nachsinnende, als es mir nachgetrallalt kommt; – seh mich um – ist's der Ritter Loos selbsten, den ich bei der Königin getroffen, so gülpsende sich auch einen Winkel suchet. Aber seine Augen waren schon verglaset, daß er mich nit sahe. Da packete mich widder der Grimm, und die Misericordia Misericordia, ein kleiner Dolch. kitzelt mir an der Seiten. »Verfluchte Bestia, ich möcht dich abfangen!« Doch Gottlob ich begreif mich, lasse den schwankenden Ritter stehen, und eile flugs in mein Stüblein zurück, um von der Wuth nicht abereins übermannet zu werden. Aber da gingen mir heimblich die Augen über vor bitterem Wehe. O Sigmund, Sigmund, was mußt du erleben! Da beschleuß ich, selbsten an Ort und Stelle meine Julia zu erproben, obs müglich wär, daß sie sollt untreu worden sein.

Wanns aber also in Wahrheit, wie ich allhie schon vernommen, dann mag sie Wittib bleiben ihr Lebenlang; aber der Ritter soll sterben, eh er sie genommen, und ich werd wieder zum alten Klausner in die Zelle kriechen, umb vor meiner Julia, so wie vor meine eigene Sünden Buß zu thun. »Herr, wann ich sollt ihren Leib nit mehr retten, laß mich retten ihre Seele, Amen!«

Da ginge ich in den Stall zurücke, und hieße Claus allhie verbleiben, und Nichtes von mir zu melden; würd selber an Ort und Stelle erst Kundschaft einziehen, wie das Ding mit meiner Julia gewachsen. Aber er wollt gerne mit, und wenn mir ein Unglück zustieße? Doch ich verredete es, gab ihm mein Schwert und meine Misericordia, damit ich nit etwan mich noch einmal von der Wuth ließ übermannen, und zum Mörder würd an meinem Weib, wie ehender mein Ahnherr Eberhard. Mit dem Ritter hofft ich so schon fertig zu werden. Dann käufete ich mir einen alten grauen Bart, käufete einem Bettler neue Kleidunge, und ließe mir die Seine geben. Die zoge ich über die Rüstunge, bande den Bart für, nahm einen Stecken und ginge aus dem Thor hinaus uf die Straße gen Altensteig.

Mit waserlei Gedanken ich aber diesen Weg gegangen, was darf ich davon reden? Ginge müd und krumm, wie ein alter, lahmer Mann an meinem Stecken. Mocht die Augen für Trauer nicht einmal aufschlagen, bis ich seufzende über die Zugbrücke schwanke, hinein in Altensteig. Aber als ich an meiner Ahnenburg fürüberschritte, lugte ich hinauf zum Frauenfenster meiner Julia; konnt aber Nichtes sehen, denn meine Augen waren umflooret; doch der Hof war fein säuberlich gekehret, unter der Linden saßen lachende die Dirnen und wanden Blumenkränze, schäckerten und kicherten, wie die Maiden pflegen, wanns eine Hochzeit soll geben. Von dem Thurme flatterten allerlei Fähnlein; meiner Julia Farben und noch andere, schwarz und blau! War wohl die Couleur des Ritters Jobst von Loos! Ganze Wagen aber stunden bereits in langen Reihen längst dem Burghofe, und alles Volk war geschäftig mit Abladen, und rannte hin und her. O Julia, Julia, ists möglich! Da wollt ich fürübergehen; allhie könnt ich nit fragen, als der große Kettenhund Packan uf mich eingesetzet kommt. Konnt von jeher die Bettelleut nit leiden, mocht wohl aus Brotneid sein, und fähret mir uf die Fersen ein. Doch wie ich ihn abwehren will mit dem Stecken, kriechet er alsbalde uf allen Vieren, wedelt mit dem Schwanze, und eh ich michs versahe, springet er mir liebkosende und leckende gegen das Antlitz. Packan, ruhig, mein Hund! Will ihn abwehren, aber er lasset mich nicht, heulet für Freuden, und springet in langen Sätzen, balde vorwärts, balde seitwärts, mich immer wieder mit den beeden Vorderbeinen umklammernde. Da konnt ich mich nit mehr halten, und als ich vom Buschwerk verdecket dem Volk aus den Augen, zoge ich den treuen Hund schluckende an mein Herze. Packan, Packan, kennt seinen alten Herrn, Packan mein Hund, ist mir treu verblieben!

Aber nu wollt das Thier nit mehr von mir lassen, daß ich ihne, so wehe es mir thate, mußte abbläuen und dem Volke zuschreien, doch den Hund einzusperren, könnt ja vor ihme keinen Schritt weiter, und thäte, als ob ich mir ihn mit dem Stecken abkehrete. So ginge ich denn bettelnde bei meinen Dienstmannen im Dorf umher, balde bei diesem, balde bei jenem, um keinen Verdacht zu erregen, nach der Hochzeit fragende.

O Sigmund, Sigmund, vielleicht hast du noch Hoffnung! Verzähleten mir: der Ritter Hager sei elendiglich erschlagen worden, das sei gewiß, und zwar sei das blutige Hemd und der Trauring anhero geschicket; doch die Burgfrau wollt es immer nit gläuben, säße weinende und jammernde in ihrem Frauengemach, wölle den Ritter Loos nit, besonderen annoch ein Jahr Wittwenschaft treiben, bevor sie in ein Kloster ginge. Aber der Ritter Loos ließ ihr keine Ruhe, quäle sie unaufhörlich ihm ihr Jawort zu geben. Hätt sich selbsten seine Diener mitgebracht, und wirthschafte, als ob Alles sein Eigen. Den Klausner hätt er mit Gewalt fortbringen lassen, und die bösen Hunde uf ihn zu hetzen befohlen, wann er sich sollt blicken lassen. Da alles Zureden, weder Bitten noch Drohen geholfen, habe der böse Ritter das gnädige kleine Jünkerlein der Muttern wegnehmen und uf seine Burg bringen lassen, und hätt geschworen, nicht ehender ihn freizulassen, und daß sie ihne nicht eher wiedersehen sollt, bis sie ihm ihr Jawort geben. Aber Julia weine und jammere unaufhörlich; hätte ihre Stub abgeschlossen, daß der böse Ritter ihr nicht zu nahe käm; wär weiß worden, wie ein Lacken, und wär es ein Gotteserbarm, wann sie mit ufgelösten Haaren und schwarzer Trauerkleidunge uf den Burgthurm stiege, wann der Ritter nicht daheime, und immer ausspähe: ob der tobte Ritter nicht wiederkäme. Aber nu wär Charitas von Spiegelfeld vor etlichen Tagen jammernde ins Dorf geloffen kommen, und wie der böse Ritter des Wartens müde, der Julia einen Zeddul geschrieben: wann sie ihme nit ihr Jawort gäb, und sie bis morgen nit anders besonnen, würd er das Knäblein lassen umbringen. Morgen wär der letzte Termin, und müßt sie sich nu doch wohl besonnen haben, denn es würd ja Alles zur Hochzeit fürgeschirret. Hätten auch die kleinen Kinder müssen uf das Schloß kommen, so wohl sollten beschenket werden, wären aber noch nicht wieder heimgekehret; auch hätten die Dirnen verzählet, daß die Edelfrau nu nicht mehr jammere, wiewohlen sie noch immer bleich sei, wie ein Tischlacken, und bereits auch geduldig sich den Brautstaat machen lasse.

O wehe! wie sehr ich erstlich im Stillen jubiliret, so ginge mir plötzlich alles Geblüte zurücke, als ich dieses vernommen. Ists müglich Julia, ists müglich! Da schwankete ich wie ein alter Mann an meinem Stecken, aber ich konnts noch immer nit recht glauben, daß meine Julia sich sollt also plötzlich besonnen haben, als von dem Burghofe kreischende und jubilirende ein ganzer Troß Kindlein laufet, mit allerlei Spielzeug, Backwerk und bunden Tüchlein. Schrieen und lärmeten, wie die Kinder pflegen; hört nur reden von der lieben Burgfrauen und die schöne Bescheerung preisen, und daß sie morgen wieder wöllten aufs Schloß gehen, ob sie annoch ein Stücklein Kuchen könnten von der Hochzeit gewinnen.

Da kroch ich gen Nächten in den Burggarten, und kauerte mich in das Buschwerk unter dem Frauenfenster meiner Julia; vielleicht möcht ich sie annoch einmal sehen, ehbevor ich elendiglicher Mann in die Zelle des alten Klausners kröche, umb vor sie und mich Buße zu thun, gleichwie jener vor sein ungetreues Weib. Aber ich konnt nichts sehen, nur die Lampe brannte oben die ganze Nacht, jeweilen zoge ein schwarzer Schatten am Fenster fürüber. O Julia, Julia!

Da um Mitternacht schlugen die Hunde an; es wurd Lärm im Burghofe, und hörte ich den Ritter Loos mit seinen Kumpanen brüllende und lärmende von seinem Zechgelage zurückekehren. Horch! war das nicht ein Schrei! in meiner Julia Stub? Dann wars wieder ruhig, doch mümmelte es oben; »ob sie etwan betet?«

Ach, da gewanne ich wieder einige Hoffnung! Wann der Morgen kommt, pflegte sie ansonsten in den Burggarten zu gehen und für dem Mutter-Gottesbilde ihre Andacht zu halten; vielleicht gehet sie auch morgen dahin; sollst doch sehen, was sie machet, und wann sie annoch, wie sonsten laut betet; dann, o Sigmund, magstu ja etwan hören, wie es um dich stehet!

So verginge die Nacht. Herre Gott, was vor eine Nacht! Herr wie du willst, nicht mein Wille geschehe, besondern der deine!

Da ginge allendlich die Sonne uf, als die Lampe in meiner Julia Gemach verlöschet wurd; nu wird sie kommen – zum Aveläuten, vor dem Mutter-Gottesbilde. Sigmund, Sigmund fasse Muth, nu ists bald überstanden! Da kriech ich in die Nähe, und verberge mich hinter den Laubergängen, also daß ich die Statue sehen könnt.

Eben hebet vom Pfarrthurm der Angelus Domini zu läuten an, da öffnet sich die Gartenporte. Julia, Julia ists! Was sehe ich, Julia ists möglich! Da wandelt sie einher, als wie ich sie gefreiet in dem weißen sammtnen Brautkleid, die güldne Kette umb den Hals, Perlen im Haar, und drüber ein Kränzlein von Vergißmeinnicht. Aber sie schwanket ja, Sigmund! o wie sieht deine Julia so bleich aus, und wehe - und doch lächelt sie? – Was will das sagen? Gilt es dir oder einem Andern! Nu kommt sie zur Statuen, da hebet sie an zu zittern, wirfet sich nieder uf die Kniee, bleibet lange unbeweglich, schweigsam, mit beeden Händen ihr Antlitz bedeckende, aber die Thränen perleten ihr durch die Finger. Da wischete sie sich die Augen abe, schluge sie uf zum Bilde und nu hube sie an; mein Herz aber finge für Freuden an zu jauchzen.

»Hab nu genug geweinet, du vielliebe Mutter! Nu will ich mich freuen und jubiliren, denn heut muß mein Sigmund kommen, wann er je noch lebend; hab zum frohen Wiedersehen heut den Brautschmuck angezogen. –

Denn wann die Noth am Höchsten,
Ist deine Hilf am Nächsten!

Darauf hoff ich, darauf vertrau ich; du wirst mich nicht lassen zu Schanden werden. Heute schickst du mir mein Sigmund wieder, wann er lebend, oder du läßt mich sterben allhie zu deinen Füßen, denn ich kann doch nit thun, was sich nit ziemet! Eia, wie freue ich mich, meine Mutter, daß die Stund gekommen, wo du deine Hilf mußt offenbaren. Entweder hie oder im Himmel seh ich heut mein Sigmund wieder. Aber mein Kind, o Maria, mein Knäblein!«

Wie sie solches gesprochen, hielte sie einen Augenblick inne, dann sprunge sie uf, nahme der gebenedeiten Mutter das Kind aus den Armen, satzete sich genüber uf einen Rasen, und inwährendem ihre Augen überströmten, legte sie das Kind an ihr Herz und sprache: »O heil. Kindlein, deme einst der Mörder Herodes nachgestellet es zu würgen, sich, ich hab auch ein Kindlein, das der Ritter Loos will morden; dich aber durft behalten deine benedeite Mutter, soll ich arme Mutter auch nit behalten dürfen mein Knäblein? O Maria, ich könnt dir nu auch dein Kind im Bilde nehmen und es dir nit wieder geben, was würdest du dann sagen? Aber ich gebs dir wieder Mutter, gieb auch mir das meine wieder! Wenn ich aber sterben sollt, so sei mein Kind dein eigen; ich legs mit dem deinen allhie in deine Arm; aber daß du mir es einst wiedergiebst im Himmel, wie ich dir es wiedergeb, Mutter, hörstu?«

Da nahme sie das Jesukindlein, küssete es, und eben will sie es zurücklegen in die Arme der Statuen, als der Ritter Loos benebst seinen Cumpanen in den Garten tritt.

Nu wohlan schöne Wittib, seiet Ihr bereit zur Hochzeit? Der Pfaff wartet unser, und die Gäst sind geladen.

Aber meine Julia stunde das Muttergottesbild umklammernde mit ihren Armen und riefe: eher zum Tode als zur Hochzeit! Bringet das Knäblein her! brüllete der Ritter Loos; da kam ein Diener, an der Hand ein schreiend Knäblein. Das ist dein Kind, o Sigmund, das ist dein Söhnlein! Da wollt ich, für Sehnsucht außer mir, aus meinem Versteck hervorspringen, als meine Julia mit ausgebreiteten Armen dem Kindlein entgegen eilet: mein Knäblein, mein Knäblein! und der Kleine will kreischende der Mutter in die Arme rennen, als der Ritter Loos es bei der Seiten stößet und schreiet: nicht eher krieget Ihr ihn wieder, als Ihr mein Weib seiet, oder bei Gott ich schwörs Euch – aber schon packeten ihn meine Fäuste bei der röchelnden Gurgel, und wurfen ihn brüllende uf den Rücken. Hier ist Sigismund Hager! und den Bart abreißende und den Bettelmantel, stunde ich uf ihm in vollem Ritterharnisch, greife zween Andere, ehe sie das Schwert mochten ziehen und schmettere sie, wie weiland uf dem Mummenschanze mit den Häuptern zusammen und krache sie uf den Erdboden, und als ich mich umseh nach den Andern, rennet Claus, weiß Gott, wie er anherogekommen! mit seinem Speer einem Ritter durch die Weichen, und brüllet: Hallunken, hier sind wir! Da entweichen entsetzet die Andern, und meine Julia und mein Knäblein liegen für Freuden schluchzende in meinen Armen.

O Wiedersehen, o Wiedersehen, das redet mein Mund nit!

Aber da reget sich der Ritter Loos, auf den ich schier vergessen, und will sich winselnde in die Höhe richten, als mein Claus schriee: der Ritter Loos, Herr! Da entreiß ich ihm das Schwert aus der Hand, und springe uf den keuchenden Ritter. Aber meine Julia fähret mir schreiende in die Arme: mein Sigmund, laß abe, laß abe! hat uns Gott so mildiglich beschützet, warum sollten wir uns rächen!

Solcher Hochmuth meines Weibes erbarmete mich, daß ich ihn ließe, wiewohlen ich zitternde und bebende uf ihm stampfete.

Ha du Elender, siehe solch Weib wolltest du verführen, du wolltest mein Kind morden, und traun! hier stieße ich dir das Schwert durch das schwarze Herze und nagelte es an den Erdboden, hörstu?! Aber Elender, ich will dein Blut nit, weil mein Weib vor dich gebeten; aber nu bekenne, oder bei Gott! –

Da verkehrete der Ritter für Angst seine Augen und krächzete: Gnade! ich werd Alles bekennen.

ego: Von wem bist du abgeschickt, mein Weib zu verführen?

ille: Von der Jungfer Perpetua von Saala!

ego: Wer hat dir das blutige Hemd und den Trauring besorget?

ille: Dieselbe Jungfer Perpetua.

ego: Warum wollstu mein Weib verführen, da du gleich wußtest, daß ich noch lebe?

ille: Um die Hand der Jungfer Perpetua zu gewinnen, wie sie mir versprochen!

ego: So wisse denn, daß diese Jungfer Perpetua von Saala für einen Schurken, wie du bist, passet. Auf und freie die schändliche Dirne, damit ihr nicht Andere unglücklich machet. Lauf du Elender, und komm mir nit mehr unter die Augen, oder ich schwör's dir: Sigmund Hager wird dich nit zum zweiten Mal laufen lassen!

Nu hatt ich die Meinen wieder, nu war Altensteig gesäubert! Da senketen wir uns für Freuden schluchzende vor der Muttergottesstatuen uf die Kniee, ich, meine Julia und das Knäblein auf meinen Armen, und so knieen wir noch, als sich zween zitternde Hände uf unser Haupt legen. Sieh da, unser alter Vater, der Klausner! Wie den meine Julia sahe, floge sie auch ihm für Freude umb den Hals: mein Sigmund ist hier, mein Sigmund ist hier, Herzer Vater! Nu sind wir Alle beisammen; nu lasset uns Hochzeit halten vor die Todtenmahlzeit; Alles ist fürgeschirret! Da zogen wir jubilirende und den Herrn preisende hinauf in die Burg meiner Ahnen, mein alter Vater, der Klausner, meine Julia und ich, das springende Knäblein uf meinen Armen.

Aber uf dem Burghof drängete sich schon Alt und Jung, und wollt das Freudengeschrei nit abnehmen, als wir zur Burgstiegen hinaufschritten, kame auch alsbald Er Johannes gelaufen, für Freude schluckende. Ja, ja, Kinder, da bin ich wieder! Packet die Rollwagen ab und esset und trinket, als wie viel Euer Herz begehrt, und lasset Eure Herrschaft leben!

Da jubilirete der ganze Burghof, und unter dem Hurrah- und Vivatschreien wollten wir die Stiegen hinaufschreiten, als meine Julia mir zubläset: Herzer Sigmund, komm erstlich an die Wand zu deinem Bilde; denk, sie will mir die Bilder weisen, die Er Johannes gemahlet von meiner Ritterherrlichkeit, genirete mich deshalb für dem Volk und sprach: ei, liebe Julia nachhero; es geziemet sich noch nit alsbalde – als meine Julia verschaamend mir die Hand küsset; komm nur Herzer Sigmund, daß wir unsere Ringlein holen.

Und siehe, uf der Wand, wo das Gebilde, wie ich meine Julia gefreiet, hänget über meinem Haupte ein frisch Kränzlein Vergißmeinnicht; den hebet sie in die Höhe, und ich trau meinen Augen nit: da hängen unsere beeden Trauringlein in einander verkettet, und darum stehen die Versche:

Nil porro faciam, nisi quod debebat honeste,
Et vitae meae regula certa Deus!

d. i. Nichts will auch ferner ich thun, denn was sich geziemet,
Und die ewige Norm meines Lebens ist Gott!

Da breit ich meine Arme aus gen meine Julia. Ave Julia, gratia plena; du theures Weib, ja wohl, das hat sich geziemet! und umjauchzet und umjubelt treten wir in den Pallas unserer Ahnen.

O Wiedersehen, o Wiedersehen, das redet mein Mund nit! Da war Jubel und Freudenlärm uf Altensteig, und eben wollen wir uns zum neuen Hochzeitsmahle an die Tafel setzen, als ein kaiserlicher Vorreuter uf den Hof gesprenget kommt, und Ihro Kaiserliche Majestät wären eben ins Dorf gefahren, um Vorspann zu nehmen, und würden gleich hier sein; sind kaumb unten, so kommt er auch schon uf den Burghof gejaget, und da er vernommen, waserlei Sach hier fürgegangen, stiege er aus der Gutschen: Ei Ritter Hager, da müssen wir Euer Gast sein, und sollt Ihr Uns beichten, was aus Eurem Gelübd geworden!

Als wir nu an der Tafel saßen und ich ihme meine und meiner Julia Sach erzählet, da schüttelte er mir die Faust, und griff zum Glase und riefe: uf des treuen Ehpaars Wohl trinket Euer Kaiser! Gott woll Euch segnen hienieden und im Himmel! sprachs und wenkete seinem Kanzler Dr. Georg Selben, ihm Pergamen und Feder zu reichen, schriebe, gab es mir und sprach: Ritter Sigismund Hager, Kraft dieses Unsers Briefes vermachen Wir Euch und Euren Kindern uf ewige Zeiten die allhie beschriebenen 4 Güter Unserer Krone.

Aber als nu die Freude groß war und der Jubel, da stunde der Kaiser plötzlich vom Tische uf, und wenkete mich und meine Julia in die Fensternischen. Hier stunde er uns den Rücken zugekehret, und schauete sinnende aus dem Fenster in den Garten, daß wir uns Beede verwundert ansahen, und mümmelte für sich hin, doch also, daß wir es verstehen konnten: omnia sunt vana praeter Deum amare et ei soli servire, Alles ist eitel, außer Gott lieben und ihm allein dienen. dann wendete er sich hastig um und sprache: Ihr habt den besten Theil erwählet; gedenket eures Kaisers; denn Unsere Kronen lassen Uns wing Zeit, umb Gott zu dienen! Darnach wenkete er, sich die Stirn reibende, seinem Kanzler:

»Dr. Georg Selb, besorget Uns einen Boten gen Spanien ins Kloster St. Justo in Estremadura« Kaiser Karl V. legte bekanntlich seine Herrschaft nieder und verlebte den letzten Rest seines Lebens in klösterlicher Abgeschiedenheit bei den Mönchen des Klosters St. Justo in Estremadura.

Weiß nit, was er hiemit hat sagen wollen; aber als nu der Kaiser ufgebrochen, war noch lange nit alle die Freud und der Jubel, und ist auch bis uf diese Stund Gottes Segen in Altensteig verblieben.



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