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Sechstes Kapitel.

Von meinem Ebenteuer auf dem Schlosse zu Dillingen, und wie ich die Jungfer Perpetua gen Brüssel geleiten sollt.

Da ich nun allhier in Donawerth nichts mehr zu thun, so ritte ich alsbalde gen Augsburg, so nur 6 Meilen von hier belegen; wasmaßen Ihro Kaiserliche Majestät allbereits mit dem Heerhaufen dorten eingetroffen. Gewann denn auch am Weinmarkede ein Losament, wo auch allbereits schon zween pommersche Gesandte und der Kanzler Jacob Sitzewitze und Bartholomäus Sastrow, ein pommerscher Rathsherr im Quartier lagen. Der fangene Churfürst von Sachsen war allhier auch dem Kaiser nachgetransportiret, und wohnte selbiger in der Welser Haus, zween Häuser von des Kaisers Pallast belegen. Und hatte der Kaiser von seinem Pallast die Nebenhäuser durchbrechen und eine Bruggen über die Nebengasse in des Churfürsten Losament bauen lassen, daß er mochte hinübergehen, als wann er wollte. Siehe Bartolomäus Sastrow a. a. O. Thl II. Kapitel II. Sonsten wurde der Churfürst gar freundlich bedienet; hätte auch immer Besuch von fürnehmen Teutschen und Spaniern, konnte auch seines Gefallens ausreuten und sich im Fechtspiel üben, als er gerne mochte, nur daß ihm immer spanische Kriegsknechte mußten das Geleite geben.

Nachdem ich nu dem Kaiser und dem Herzogen von Alba in Unterthänigkeit Bericht erstattet, und was mir mit dem Landgrafen war gearriviret, erhielt ich bis auf weiters einen Urlaub; sollt mich aber nit weit wegbegeben. Bliebe also zuvor in Augsburg, worauf ich auf etzliche Täge nach Dillingen ritte, umb dem hochwürdigsten Cardinal Otto, Bischofen von Augsburg und Truchses von Waldburg, den ich vor Hall kennen gelernt, wasmaßen er kaiserlicher Proviantmeister in dem Kriege war, S. Zedlers Universallexicon Tom. XXVI. S. 2422. einen Besuch zu machen. Nu muß ich aber allhier noch notiren, welch großer Allarm in Augsburg ausgebrochen, und wie das Ding bald übel war abgelaufen.

Die teutschen Landsknecht, so allhier im Quartier lagen, hatten schon sider etzlichen Monaten keine Besoldung empfangen, und hatten sie schon unbändig gemurret, so wurds gar schlimm, als es hieße, der Herzog Alba habe den Sold beim Churfürsten verspielet. Fallen also Etzliche in der Fähnriche Losament, nehmen 3 Fähnlein und rennen damit uf die Straße, und rufen ihre Kameraden zu Hauf. Kamen auch alsbalde in hellen Haufen mit Rohr und Helleparten zusammen geloffen hinter die Fahnen her, und ziehen in Schlachtordnunge uf den Weinmarkede, hart an des Kaisers Pallast. So war ich nu gerade in meim Quartier, als der Spectakel anhebet, spring auf und renne ans Fenster. Wimmelt und woget der ganze Markt voll teutscher Landsknecht, brüllen und schreien durcheinander: der Sold, der Sold! Da kommt ein spanischer Officier geloffen, entreißet dem Einen die Fahne und will sie bedräuen; aber da hauet ein Hinterständer mit dem blanken Schwert rückwärts ihne mitten von einander, wie eine Rübe. Da greife ich zum Schwerte, wasmaßen der Tumult immer größer, und ich die Spanischen schon ebenmäßig sehe ins Gewehr treten. Renne spornstreichs durch die Nebengasse in des Kaisers Quartier, und daß ein Ufstand unter den Teutschen sei, und ich befürchte, sie möchten den Churfürsten befreien, da der Zug gerade an sein Losament rücke. So ließe denn der Kaiser alsbalde den Churfürsten über den Bruggen in seinen Pallast bringen und schickete Einen heraußer, und daß sie des nächsten Tages ihren Sold haben sollten und sich zufrieden geben. Da wurd denn allmählig der Ufstand gestillet, nachgehends aber Viele von ihnen gehenket, anerwogen sie uf den Kaiser geschimpfiret, und daß ihn Gottes Element solle geschändet haben.

Aber daß ich wieder uf meinen Besuch zurücke komme; ließe, nachdeme ich den Urlaub gewonnen, meinen Claus in der Herbergen, wann etwan in meinem Abwesen ein Befehl käme, und ritte gen Dillingen uf das Schloß des hochwürdigsten Cardinals. Und war sothaner Kirchenfürst, ein gar trefflicher, insonderheit vor diese arge Zeit höchst eifriger, wahrhaft katholischer Bischof, der die heilige Kirche, wie durch Wert und Beispiel, so nit minder durch die Wissenschaften zu befördern und vertheidigen, wie er nur mochte, sich angelegen sein ließe. Hieße mich freundlich willkommen, da ich ihm verzählete, daß ich den Landgrafen transportiret, und mußte ich alsbalde meinen Renzel und Habersack auch ufs Schloß bringen lassen, und bis uf weiteren kaiserlichen Befehl sein Gast bleiben.

Da verlebte ich denn allhie gar kurzweilige und erbauliche Täge, zumalen Ihro Eminenz auch etliche Jesuiter uf Besuch hätten. Sollten ihm allhie in Dillingen eine hohe Schul und Jesuiter-Kollegium einrichten, um die luthersche Lahr aus seinen Landen zu verscheuchen; denn vermeinete der hochwürdigste Vater: an all diesem Unheil in der Kirchen wäre neben der Lüderlichkeit, insonderheit die Tummheit und Ungelahrigkeit der katholischen Klerisei Schuld, ansonst sei es unmüglich gewest, daß eine solche Ketzerei, wie die Luthersche, halb Teutschland in so kurzer Zeit hätt überschwemmen können. Nu aber würds schon anders werden, da die hochheilige Synode von Trent den faulen Fleck in der heiligen Kirchen, nämlich die Tummheit, Ungelahrsamkeit und Verwilderung der Klerisei als alles Uebels Anfang wohl erkennet, und darumb in den heiligen Satzungen die bessere Information und Disciplin des jungen Klerus denen Bischöfen ans Herz geleget und befohlen habe. Und so wolle er denn, gleichwie auch schon der hochwürdigste Erzbischof von Mailand, Carolus Borromäus damit vorangegangen, allhie eine Hohe Jesuiterschul und Seminarium clericale unter Leitung der Jesuiter einrichten.

So verlebete ich denn allhie uf dem Schlosse zu Dillingen gar schöne Täge, und mußten mir die Jesuiter Vieles von dem Ignatio erzählen, und konnten sie nit genug seine große Heiligkeit herfürheben, was ich um so eher glauben mochte, als sie selbsten, seine Schüler, der Ausbund aller Tugendhaftigkeit und Gelehrsamkeit waren. Wiewohlen allhie nu Alles gar ehrbar und geziemend, ohne groß Pracht und Bankiethen wie in Augspurg, für sich ginge, feihlete es doch nit an allerlei Kurzweil und schwänkischen Dinge; wie sich denn die kathol. Frömmigkeit gar wohl mit einem heiteren Spaß verträget, und will ich allhie nur Einiges notiren. Eines Täges, als wir frische Wurst zu Mittäge hatten, anerwogen ein Schwein geschlachtet, käme in die Hauptporten zum Eßsaal ein arm Bettelmann und begehrete eine milde Gab, dieweilen er schon sider zween Tägen nichts mehr gessen. So griff denn der hochwürdigste Cardinal in die Schüssel und gabe ihm eine halbe Wurst, bei eines halben Arms Länge. Da bedankete sich mein Kerl, und zoge mit der Wurst ab. Dauert nit lange, so kommt er wieder, und habe ihm die Grütze gar herrlich gemundet; bedanke sich vor die Gutthat, und habe er das Säckel (vermeinete den Wurstdarm) wann sie es etwa suchen söllten, draußen an der Thürposten ufgehenket. Das gab nu ein gemein Gelächter, daß er den Wurstdarm vor ein Säckel gehalten, und fragete ihn der Bischof: hast du denn noch keine Wurst gessen? Da wurd mein Kerl blaß wie ein Kalk, und quollen ihme die Augen wie eim angestochenen Kalbe aus dem Kopfe. Ah weih! eine Wurst ists gewest? hab ich gessen eine Wurst, und habs nit gewust! Da ging er weinende und sich grimmende abe; es war ein Jüd! Draußen auf dem Hofe aber, wie wir durch das Fenster sehen konnten, steckete der Jüd sich den Finger in den Hals und gabe die Wurst wieder von sich. Da wurd das Gelächter ebenmäßig groß, aber der Cardinal schickte ihm vor seinen Schreck ein Stück Gelds nach und sprache: Ihr Herren, wir lachen über den tummen Jüden, können aber ein Beispiel an ihm nehmen, wie ihm der Hunger lieber, denn daß er sein Gesetz übertret; wären doch auch alle Katholiken so gewissenhaft in der Erfüllunge der heiligen Kirchengebot, wie der Jüd, daß er keine Wurst mag.

Wie mag aber derjenige, welcher sich nit in an sich unschuldigen Dingen bezwingen kann, die Gebote Gottes erfüllen, und sehen wir darumb auch in diesen Tägen, wo die heiligen Kirchengebot nit mehr geachtet, Sünd und Laster allgemein. Kehren sich die Meisten, weil sie solches von den Lutherschen und Zwinglianern sehen, mit Nichten daran, daß unser Herr Christus selbsten gefastet, daß die Apostel und ersten Christen gefastet, wie wir doch in den heiligen Schriften lesen und wie der Herr selbsten saget: daß namentlich der unreine Geist, der heuer fast die ganze Menschheit besessen macht, nur durch Fasten und Gebet mag ausgetrieben werden. Matthaeus 17, 21. item wie St. Paulus spricht: »In allen Dingen lasset uns beweisen als Diener Gottes im Fasten.« 2 Corinth. 6, 4. 5. Aber sider Lutherus das Fasten verworfen und vermeinet, daß ein Hund auch fasten könne, haben die Katholischen sich ebenmäßig lassen anstecken, und saufen und fressen wie die Lutherschen. Aber welcherlei Frucht das gebracht, mag man daraus ersehen, daß in dem Würtemberger Lande, wie ich in Erfahrung gebracht, inner 6 Monden 400 Menschen sich zu Tode gesoffen. Siehe Manlius in locis communibus libelli medici. Manlius war Protestant.

Aber um wieder auf unseren Jüden zu kommen, so hätten wir nach etzlichen Tägen noch ein lustig Ebenteuer mit ihm. Als wir nämlich an eim schönen Nachmittäge auf das Gejaide geritten waren und an eim Graben fürüber kämen, sitzet mein Jude im Wasser, hat seinen langen Kittel ausgezogen und greifet sich immer in den Busen, und schlenkert mit den Fingern über das Wasser. Hielten darumb verwundert an, und: was er hier fürhabe? Da erschracke er, als er unser ansichtig und wollte erstlich nit mit der Sprache heraus: Griffe sich nur das Ungeziefer ab, anerwogen er gar viele Läuse. Da lächelte der Bischof, und daß er sich verwundere, daß ein Jüde so reinlich; langete in die Tasche und gabe ihme einen Dukaten, sich andere Kleidung zu kaufen. Doch was geschiehet? als wir unserer Straßen weiter reuten, sehen wir einen Bauernkerl quer über das Feld in die Richt laufen, und siehe da, als wir um die Waldeck bogen, lage mein Kerl auch im Graben, hätte ebenmäßig sich das Hemde abgezogen und griffe sich auch in den Busen. Spricht der Bischof zu mir: Ich acht, er hats gesehen, daß ich dem Juden einen Dukaten gegeben, und will sich ebenmäßig einen gewinnen. Halten also wieder stille und fraget ihn der Bischof: was machestu allhie? So versetzet mein Kerl, als geschwinde er konnte: Eure Gnaden, ich suche Läuse! Ei Läuse suchestu? Da geh ein Paar Schritt aufwärts, dorten wirst du einen Juden finden, der ihrer genung hat. Da lacheten wir Alle laut in die Höhe; mein Kerl aber zoge sich beschämet das Hemde wieder über, als wir ihm nachsahen, und schlenkerte, sich den Kopf kratzende, wieder zu seim Pfluge.

Nu mocht ich ungefähr 8 Täge auf dem Schlosse zugebracht haben, als mein Claus, den ich in meim Losament zu Augsburg gelassen, wenn etwan ein Brief von meiner Julia, oder sonsten vom Kaiser ein Befehlich einträfe, ankame. Die Perpetua von Saala wär zween Täge nach meiner Abreise gen Dillingen ins Quartier kommen und hätt nach mir gefraget, und ihme ein Schreiben eingehändiget, das er nu überbrächte. Nahme also den Brief; aber wie erstaun ich, als ich ein Kaiserliches Insiegel uf dem Brief sehe. Oeffne also geschwinde, und stunds geschrieben: daß Ihro Kaiserliche Majestät uf Ansuchen der Königin von Ungarn mich zur Geleitunge Ihrer Königlichen Gnade nach Brüssel beföhlen, und ich der weiteren Befehle in Augsburg harren sollte.

Vermuthete nu gleich nichts Gutes, anerwogen die Perpetua von Saala, so ein Hoffräulein der Königin war, den Brief überbracht. Aber was war zu thun? valedicirete mich also bei Ihro Eminenz, und eilte mit schwerem Herzen zurücke nach Augsburg.

Wie ich ahnete, so geschahs; denn als wir in unser Quartier kämen, meldete der Wirth, daß allbereits zu dreien Malen ein Liberei-Bedienter der Königin, so gestern einpassiret, nach mir gefraget, und sölle ich alsbälde nach meiner Ankunft in den güldnen Schwan kommen. Verkleidete mich also, und ginge in den Schwan. Da hießen Ihro Königliche Gnade mich freundlich willkommen, reicheten mir ihre Hand zum Kusse, und mußt mich uf einen Sessel neben sie satzen, und war auch noch einer vom Adel gegenwärtig, so mir aber den Rücken gedrehet und an dem Fenster trommelte. War gar holdselig und vermeinete: alldieweilen ich ein so keuscher Ritter, hätt sie mich zu ihrem Leibofficier von Ihro Majestät erbeten, und da sie mit Nächsten gen Brüssel reisete, sölle ich morgenden Tags ihre Hofjungfer Perpetua, die sich nit Jedem anvertrauen müge, ihr fürauf gen Brüssel geleiten, da selbige ihr den Hofstaat sollt einrichten, daß sie Alles bereit fänd, wann sie nachkäme.

Da erschamrothete ich und war nit wing verlegen, und: ob Ihro Königliche Gnade nit einen anderen Auftrag vor mich hätten? So lächelte sie und vermeinete: wen sollt ich zu diesem Dienst auserlesen als Euch, da Ihr ein wahrhaft katholischer Ritter und Ihr die Tugend einer Jungfer am beßten werdet zu schützen wissen. Ei, Ritter! oder fürchtet Ihr Euch vor Euch selbsten? Mein Hoffräulein ist ein fromm, sittsam Mensch. Sie erschrack nit wing, als ich ihr uftrug, in Eurer Begleitunge zu reisen, und bat mich ebenmäßig, sie mit dieser Reise zu verschonende. Da Ihr Euch beede fürchtet, habt Ihr gegenseitig Nichts zu befürchten.

Da wußt ich nit, was ich sagen sollt; und mußte endlich mit schwerem Herzen mich zur Reise anschicken. Perpetua aber sähe ich nit, und meinete die Königin: sie sei heut zu den heiligen Sacramenten gangen, um sich zu der Reise vorzubereiten.

Da wurd ich denn doch stutzig und gläubete, wenn Perpetua also gottesfürchtig, möcht ich nichts zu befahren haben, und reuete es mich, daß ich einen so bösen Verdacht uf sie geworfen. Ließe es mir aber auch ein Wink sein, und ginge noch am selben Täge gen Abend zur heiligen Beicht, umb auch mich gleichergestalt fürzubereiten und mir Raths vom Priester zu holen, was bei sothanen Umständen zu machen. Da spräche der Pater zu mir also, was ich nimmer vergessen werd: »Solltu mit eim jungen Frauenzimmer ziehen, so halt ihre Seel wie einen Engel so rein, daß du Nichtes thust, oder redest, oder denkest, was sich nit ziemet in Gegenwärtigkeit eines Engels; ihren Leib aber, auch wann sie fromm ist, wie du sagst, halt vor einen Teufel, deme du entfliehen mußt. Vor Allem merk, daß du deine Augen im Zaum haltest, denn eines Weibsbildes Augen sind vergleichbar dem Haupt der Medusae, von welcher erzählt wird, daß wer sie angeschauet, in Stein verwandelt wurd.« Und nachdeme er mir solches fürgestellet, gab er mir eine Medaglie der Mutter Gottes, welche ich auf der bloßen Brust tragen und in je welcher Versuchunge an mein Herz drücken sollt. Solches versprache ich denn auch, und nachdeme ich am andern Morgen frühe communiciret, schickten wir uns an zum Ufbruch.

Aber von meiner Julia war noch immer kein Brief eingetroffen, wie sehr ich sie gebeten, mir anhero nach Augsburg zu schreiben; hatte also eben dem Wirth befohlen, mir, wann ein Brief käme, ihn nachzuschicken; auch ein Brieflein an meine Julia ihm eingehändiget, daß es der Bot mit zurücknähm, und wollt eben ufsitzen, umb die Perpetua abzuholen, als plötzlichen ich Niclas Wolff von Altensteig entwahre. Ei, wie freuete ich mich, daß er noch gerade zu Recht käme! Bracht mir in Wahrheit ein Schreiben von meiner lieben Julia. Aber, o wehe, wie ward mir! War ein schwarz Insiegel uf dem Brief. Brache zitternde das Wachs abe und mochte nit erst den Boten fragen; mein herzer Vater war todt! O wehe, er war todt! Da wurd mir naß vor den Augen; war ein guter Vater gewest, – Gott hab ihn seelig! Aber meine Julia schrieb: er sei seligen Todes verstorben und habe reumüthig die heilige Wegzehrung empfangen. Da vertröstete ich mich seiner armen Seel. Auch meiner lieben Julia wars fast nahe gegangen, meldete nur noch, daß sie und das Knäblein wohlauf; könne aber für Schmerz heut nit viel schreiben, und schicke mir davor ein Kränzlein blauer Vergißmeinnicht. Und hätte sie das Kränzlein fein niedlich in das Pergamen genähet, und darinnen stunde der schöne Versch, so ihr Er Johannes gemachet, wie sie schriebe:

O si verba animi nequeunt depingere sensum
Pro veibis sertum despice dulce decus.
Nil faciam poiro nisi quod debebat honeste:
Atque vitae meae regula certa Deus.
O, wenn des Herzens Gefühl nicht schiltern können die Werke,
Schau, o mein süßes Glück, statt der Worte den Kranz.
Will doch ferner ich auch nichts thun, denn was sich geziemet.
Und die sichere Norm meines Lebens ist Gott!

Ach, meine Julia! ich wußt wohl, was du wolltest sagen! Sollt mein Vater dich lehren, was sich geziemet und dich statt meiner bewahren, da du, unschuldig wie ein Täublein, die Versuchunge der bösen Welt nit kenntest, wie er mir versprochen, und nu da er verstorben, vermeintest du, ich würd mich umb mein Täublein ängsten; darum schriebstu, mich zu tröstende, diesen Versch in das Brieflein. Aber mit Nichten, ich werd mich nit ängsten, und werd auch dein nit vergessen; druckete das Kränzlein Vergißmeinnicht an meine Lippen und barg es ebenmäßig mit der Medaglien an meiner Brust. Dann wenkete ich seufzende dem Boten, mir zu folgen, und ritt leise schluckende in den güldnen Schwan.

Allhie war denn auch Perpetua allbereits verkleidet, und stunde ein weißer Zelter im Hofe, so vor sie ufgezäumet. Ließe mir geschwinde Papier und Feder geben, und schriebe meiner Julien mit ein Paar Worten, wie mich der Tod meines alten Vatern gegriffen, und welch große Inbrunst ich durch ihr Kränzlein Vergißmeinnicht und den Versch dazu gewonnen, und schwur ihr aufs Neu, auch meine eheliche Treu zu halten; und solle sie mir das nächste Brieflein nach Brüssel schicken, an den Hof der Königin Maria von Ungarn.

So wollt ich nu dem Boten sechsten den Brief übergeben, als ich plötzlichen noch einmal zur Königin gerufen ward; überließe ihn also dem Frauenzimmer der Perpetua, die ihn abtragen wollt. O ich Thor! achtete nit, daß mir von der Perpetua ein Possen gespielt würd; und hatt dieses listige Weibsbilde, wie ich nachträglich entwahr worden, den Brief behalten, den Boten aber abgefertiget, anerwogen ich anjetzo keine Zeit zum Schreiben hätt, besondern ihm das Brieflein in die Heerberge nachschicken würd.

Summa: Als nu alle Zurüstunge getroffen und Ihro Königliche Gnade mir nochmalen die Perpetua anbefohlen, bestiegen wir, Perpetua, Claus und ich, unsere Renner und ritten die Straße nach Speyr.



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