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Zehntes Kapitel.

Was wir am Charfreitag erlebet, und von dem Jüden, so hat wollen lutherisch werden.

O wie gern wär ich daheim gewest bei meiner Julia! Wann nur erst schon die 5 Monden umb wären, wo mein Gelübd zu End! Hätt ich nur gewußt, was sie machete, wär Alles gut gewest; nu aber hatt die Perpetua, wie vorbemeldet, mir ihr Brieflein verbrannt, und hatte Nichtes nit mehr lesen können, besondern den Namen »Ritter Loos!« Ginge mir immer im Kopf herum, wie sie uf diesen kommen, und wurd mir allgemach, ich wußt nit warum, gar bange, als wenn zu Hause was passiren müßte. So begab es sich denn, als ich zu meinem Claus von dieser Sach redete, daß er stutzig ward. Gestrenger Herr Ritter! so mir recht ist, hörete ich vorigen Herbst, als wir mit der Jungfer in Heidenheimb übernächteten, den Prädicanten die Ufschrift eines Zedduls lesen, und mümmelte er in der Fensternischen uf dem Klostergange, wo er stunde, als ich den Habersack zur Abreisen holete, vor sich hin: An meinen lieben Vettern, den gestrengen, festen Ritter Jobst von Loos.

Wie er solches redete, fuhr es mir kalt durch mein Herze, und eine gräuliche Ahndunge stiege in mir uf; sollt diese Jungfer durch den Ritter Loos meiner Julia etwan auch ein Specklein uf die Fallen haben binden lassen? Wie kommet sie in ihrem Briefe uf den Ritter Loos? Erinnerte mich auch widder uf den fremden Ritter, so ich in Augspurg bei meiner Abreis' bei der Königinne getroffen, und so mir recht: Ritter Loos von ihr benamset wurde.

O, ich elendiglicher Mensch, in welche Umstrickunge mag ich gerathen sein! Befahle aber Alles Gott dem Herrn und der seligsten Jungfrauen, wollt jedoch nit säumen, der Sach nachzuspüren, und schluge also den nächsten Weg in meine Heimath ein, nit wissend, welch Trübsal mir annoch drohete. Denn als wir bei einem katholischen Pfarrherrn übernächtet waren und er meinen Namen erfuhr, so wurd er alsbald verstöret, und ginge unruhig in der Stuben auf und ab. So verwunderte ich mich denn, was ihme wäre, worauf er mir erzählete, wie er neulich bei seinem Bischofen gewest, und selbiger ihm referirt habe: daß Ihro Königliche Gnade, Maria von Ungarn, einen Brief an ihn geschrieben und ihne ufgefordert: wenn sich ein Ritter Namens Sigismund Hager in seinen Landen einfinden sollt, den sollt er greifen lassen, anerwogen er ihr fortgeloffen, und ihn zurücke gen Brüssel transportiren lassen. Da erschrack ich nit wing; als mein Pfarrherr aber erfuhr, wie meine Sach beschaffen, so wurd er alsbald beruhiget, gabe mir aber den Rath, so viel als möglich die größeren Städte zu umreuten, und mich immer mehr uf die Dörfer und Flecken zu halten.

Thäte also, wie er mir gesaget.

Nu begab es sich aber, daß wir gerad am heil. Charfreitag in ein Flecken kämen, wo meine Unfürsichtigkeit bald übel wär abgelaufen. Wie männiglich weiß, ist der heil. Charfreitag bei denen Katholischen ein Tag großer Trauer und Weheklage, wie denn auch an diesem Tag allein in dem ganzen Jahr keine heil. Meß gehalten wird, besondern nur der Priester ganz schwarz verkleidet die herzzubrechenden Ceremonien verrichtet. Und hat es mich immer zum Weinen gegriffen, wann an diesem Tage die heil. Kirche in ihren Ceremonien den erschrecklichen Tod unsers Herrn betrauert. Der Altar ist ganz verstöret, all Ornamentwerk, all heil. Bekleidunge ist abgethan, und lieget ufgerollet gar kläglichen hinter dem nackten Altarsteine. Alle Bilder sind verhangen, die Statuen und Reliquien der lieben Heiligen sind verschwunden; denn heute giebts annoch keine Heiligen, da das Werk der Erlösung erst vollbracht wird. Kein Lichtlein und keine Kerze brennet, denn das Licht der Welt ist heut erlöschet, keine Musika tönet, alles öde und schweigsam; denn das ewige Wort des Vaters ist im Tod verstummet. Der Tabernakel stehet offen, der hochwürdigste Frohnleichnam ist nit mehr darinnen, daß man hineinsiehet, wie, als der Vorhang im Tempel zurissen, die Jüden ins Allerheiligste, summa: Alles liegt öde und wüste vor unaussprechlichem Wehe; nur das Crucifixe mit schwarzem Todtenfloor umhüllet, stehet am Altare, und ein breites, schwarzes Laichtuch liegt hingerollet über die Altarstufen. Dann kommt der Priester in schwarzer Todtengewandung, wirfet sich schluckende uf sein Antlitz vor dem offnen, geödeten Tabernakel und dem schwarzen Kreuze; lieget der Länge nach ausgestrecket wie der Herr am Kreuze, bei einer Viertelstunden stumm und sprachlos uf seinem Angesichte, kann nit reden für Trauer, wie die Trauer denn stumm ist, redet nur durch Thränen und antwortet das Volk mit Schlucken. Dann erhebet er sich langsam, leget schweigende die schwarze Todtengewandung abe, zeucht seine Schuhe aus, und tritt baarfuß in der weißen Alben uf die Seite des Altares, nimmt das schwarze, umfloorte Crucifixe, enthüllet es allmählig, und singet mit trauernder Stimmen: Siehe, das Holz des Kreuzes, woran das Heil der Welt gehenket! Dann legt er es ehrerbietig uf das schwarze Laichtuch, knieet nidder, wie der heil. Andreas, als er das Kreuz erblickte, knieet nidder zu dreien Malen, umarmet das Crucifixe und küsset inbrünstig die heil. Wundenmale der Erlösung, und ihme nach das ganze Volk.

Nachdeme er nu den heil. Leib verkostet, so er am grünen Donnerstage consecriret, träget er den heiligen Frohnleichnam in das heilige Grab. Das ist ein tunkler Raum in der Kirchen, wohin die Sonne nit scheinet bei Tag, weder der Mond bei Nacht. Und pflegen sie solchen Raum, das heilige Grab genennet, wunderbar herrlichen zu schmücken, als wie sie können. Junge, grüne Tannenbäume pflegten wir zu haben; uf jedem Zweige brannten bunte Lämplein, hohe Kandelaber mit geweihten Kerzen, so mit schwarzen Todtenschleifen umbunden, stunden in langen Reihen längst der Tannenbäumen bis zum Grabe selbsten. Allhie hin träget der Priester den allerheiligsten Frohnleichnam, streuet und stellet Blumen, als wie man sie haben mag, um die Monstranze, und hohe Lichter, verhüllt sie selbsten mit weißem Floor aus Nesselgarn, verrichtet die heilige Räucherunge, und betet mit dem Volke, immer schweigende den Herrn an. Und nit im Gleichniß und nit im Bildniß, und nit in der Erinnerunge: allhie ruhet er nit selbsten in der Gestalt des Brodes, wie er sich ja den Jüngern übergabe am grünen Donnerstage uf ew'ge Zeiten, sprechende, nachdem er das Brot gewandelt: »das ist mein Leib.« So begehet der katholische Christe den heiligen Charfreitag, und die Erinnerunge wird zur Wahrheit, indem der Heiland selbsten in unserer Mitten.

Und wem mag da munden Speis und Trank an diesem Tage, wer mag da jubiliren, wo die Erde bebete und die Sonne ihren Schein verlor, als der Heiland vor uns Sünder in den Tod ging! Da gebeut sich das Fasten und Weheklagen von selbsten, ohne daß die heil. Kirche es fürschreibt.

Doch nu höre man, was uns begegnet!

Es mocht etwan in der zehnten Stund sein, als wir in sothanen Flecken einreuten. So schallet uns schon im Thor ein gemein Geschrei, Lärm und Rumoren entgegen, sehen auch streuens hin und wieder, Männer und Weiber und Kinder, als wie sehr sie konnten, die Gassen niederlaufen, uf den Ring zu. Judicireten balde, hie müßt Etwas für sich gehen, und reuten ihnen nach. Aber wie wir in die Ringgassen einbiegen, so dampfet uns schon ein leckrer Bratengeruch entgegen, und sehen wir zu unserer großen Verwunderunge alte Vetteln an einem Feuer Bratspieße drehen, woran Würste, Schweins- und Rindsklauen hingen. Schrieen uns alsbalde an: ob wir auch nit käufen wollten? hätten Alle eine Wurst. Aber ich sagte Nichtes, begierig, was uf dem Ring würd für sich gehen, und ließe sie schimpfiren als wie sie wöllten, da wir nichts gekäufet hatten.

So wimmelte und wogete denn der Ring, beedes voll Männer, Weiber und Kinder, hatten sich Alle in Reih und Glied ufgestellet, fürauf Musikanten, dann zween Köche in weißen Schürzen, ein Bratferkel uf der Achsel tragende, item: ein dicker Herr, so wohl der Prädikante sein mochte, wie ich am Kelch erkannte, so er annoch in Händen, und nu der ganze Pöfel bunt durcheinander. Hatte aber ein Jeder eine lange Bratwurst, schwenkete sie, bliesen druf, als obs Hörner, lacheten, kreischeten und jubilirten durcheinander. Stunden aber zu unserer nit geringen Verwunderunge annoch still, merketen aber uf die große Kirchporten, hart am Ringe gelegen.

So riefen denn auch Etzliche alsbalde und wenketen: ob wir nit wöllten absteigen und mitziehen; sie müßten bald kommen! Aber indeme öffnete sich auch schon die Kirchporten, und kam der katholische Priester mit etzlichen Meßknaben und ein ganzer Zug uf den Ring getreten. Nu wußt ich, was sollt für sich gehen; die Musikanten spielten uf, die Prozession setzete sich in Bewegung, der Schweinsbraten fürauf, und das ganze Volk mit großem Rumore und Halloh, schwenketen den Katholischen höhnende die Bratwurst entgegen, und zogen fressende, unter unmenschlichem Gelächter fürüber. Die Katholischen aber stunden für Schreck stille und bebeten für Wuth, wußten nit, wie ihnen beschahe. Aber als nu der Marsch zu Ende geblasen, und die Würste verzehret, und die Prozession aus einer Kehlen anhube:

Freu dich, liebe Christengemein,
Heut ist der Herr gestorben;
Drum fressen wir ein Bratenschwein,
Weil uns heut Gnad erworben.
Juchhe wir fressen Schweinefleisch
Und kommen doch ins Himmelreich,
Heut Fasten und Kasteien,
Das heißt papistisch sein. S. Wizel vom Beten, Fasten und Almosen. Eisleben 1535 ( ohne Seitenzahl.) Da trugen sie sich erst mit Braten auf den Gassen an den Fasttagen; da saßen sie auf dem Markt und fraßen Fleisch. Da waren Etzliche, die sich zur Freitags Gäste luden und ging das Wort sehre: Es schmeckt heut besser, denn auf einen andern Tag.
Weiter: »Am Fleischessen wollte man sich als rechten Christen erkennen lassen; weiter: »Die Lutherischen bringen die Wort herfür: Und weils Menschen geboten, wollen's wir darum nit halten, und wer es hält (die Faste) hat das Evangelium nicht. Der Kirche zu Verdruß wollen wir eben in der Quadragesima das meiste und beßte Fleisch essen, und eher wollen wir am Karfreitag das Niedlichste essen und sein am Ostertage entbehren

da war ihre Geduld zu End, stürzeten sich vor Wuth brüllende uf die Lutherschen, schlugen und würgeten, daß es balde drunter und drüber ginge. Aber der katholische Priester stunde zitternde und bebende unter dem Volke, hobe immer die Arme gen Himmel und riefe: lasset abe Kinder, lasset abe, um aller Heiligen willen lasset abe! Aber die höreten und sahen nit, prügelten und würgeten immer wacker drauf los. Da sprunge der Priester uf einen Eckstein, (ich arbeitete mich mit Clausen noch durch das Volk) und schriee, so laut er konnte: wollet Ihr die Ruhe eures Herrn heut verstören? Katholiken! gedenket seines Worts: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nit, was sie thun! Aber auch das fruchtete bei den Wenigsten.

So sahe ich nu schon Alles drunter und drüber gehen, kamen schon gerennet mit Prügeln, Dreschflegeln und Spießen; summa: ein gar schrecklich Blutbad schwebte über unserm Haupte. Da laufet mir gerade ein Musikante mit seinem Horn in den Weg; reiße es ihm aus der Faust, menge mich unter das Volk und blase aus vollen Lungen: tut, tut, tut! Feuer, Feuer, Feuer! und just, als obs unser Herr Gott so gefüget: läutets alsbalde auch vom Thurm. War Sturmläuten, aber das Volk glaubete, es brenne. Feuer, Feuer! schrie es von allen Seiten, und so rennete alsbalde Alles von dannen, umb sein Haus und Habe zu retten. Gottlob, die Fahr war fürüber! Etzliche hinketen blutende nach Hause, der Schweinsbraten lage uf der Erde, streuens hin und wieder eine halbe Bratwurst, und hattens die Hunde heute gut zu fressen.

Aber was nu zu thun? Der Priester gläubete, es würd heut Nacht sicher oder morgen widder losgehen, denn die Lutherschen würden sich nit begnügen lassen, zumalen sie so angeführet worden, und war darumb nit in geringen Aengsten. Da ritte ich denn mit Claus gerade für das Haus des Bürgermeisters; machete mich groß und schnarchete ihn an: wie er könne allhie solchen Unfug dulden, und daß die katholische Religion allhie so geschändet würd? Und wenn im Geringsten widder die Ruhe gestört würd, so (und hiemit wiese ich ihm das Kaiserliche Insiegel auf meiner Paßporten) würd ich Gebrauch machen von meinem Ansehen! sprachs und schluge klirrende an mein Schwert, daß der Bürgermeister scheue wurd; und da er das kaiserliche Insiegel gesehen, und daß ich so barsch war, wagete er nit, weiters den Inhalt zu lesen, gelobete: Alles in Ruhe zu halten, auch die Sach mit der Schweinsbratenprozession zu untersuchen.

So lachete ich mir denn in die Faust, daß ich den Katholischen hoffentlich Ruhe verschaffet, und mit meinem veralteten Marschzeddul des Kaisers mir solch Ansehen gewonnen, daß Niemand nit es wohl weiters wagen würd, meine Sach zu untersuchen, und ritte wieder zu dem katholischen Pfarrherrn, der sich nit wenig freuete, daß durch meine List dem Unfug gesteuert.

Als ich ihm nu meine Verwunderunge über die Schändung des heil. Charfreitags aussprach, und wie es doch kommen müge, daß sie selbsten den Todestag ihres Herrn mit Fressen und Saufen feierten, sprach er: darüber braucht ich mich nit zu wundern, und würd es heut Abend etwan noch lustig uffideln und tanzen hören; denn der Charfreitag sei billig das größte Freudenfest vor die Protestirenden.

Denn vermeinete er: nach ihrem Glauben ist das Opfer Jesu Christi am heutigen Tage ein für allemal abgeschlossen, und wird nit, wie bei uns bis ans Ende der Welt unblutiger Weise fortgesetzet; wollen sie sich nu ihrer Erlösung freuen und warum nit? wann soll dies besser geschehen als am Charfreitag, am blutigen, einzigen Opfertage selbsten. Drum ists billig, daß sie sich heut freuen und lustig sind. Wir Katholiken aber mögen uns der Erlösung aller Tage in der unblutigen Fortdauer des heiligen Kreuzesopfers, nämlich in der heiligen Messen erfreuen; drum können wir heute trauern und weheklagen, wo vor unsere Sünden der Herr mußt in den Tod gehen, und freuen uns und jubeln davor in der heiligen Messen. Sehet, darum ist der Charfreitag bei den Lutherschen ein Freudentag, und empfahn sie daher auch an diesem Tag ihr Sakrament, was doch sicherlich auch ein Zeichen der Freud. Denn da das Nachtmahl der Herr ein Testament nennt, so nenn ich die Eröffnung desselben, wie es denn vor die Erben nit anders ist, einen Freudentag; wir Katholischen dagegen empfahen es heut allein nit, weil es vor uns ein Trauertag, und wir es vor schändlich halten, sich Angesichts des sterbenden Erlösers des Testamentes zu erfreuen.

Da schudderte ich zusammen, und daß es ja gräulichen wär; freuten sich ja mit den Henkersknechten und Jüden am heutigen Tag, woselbsten Himmel und Erde gezittert und gebebet. Ja, antwortete er weiters: aber hie mag ich Euch eine Historia erzählen von einem Jüden, so sich bereits zur heil. Tauf bei uns gemeldet.

Dieser Jüd war erstlich zu dem Prädikanten allhie gegangen, um lutherisch zu werden. Als er nu mußt den kleinen Katechismus lernen und zu dem Kreuztode unsers Herrn gekommen, hat der Prädicant ihm erzählet, daß hiemit die Weissagungen der Propheten in Erfüllung gangen, und von jetzo ab, kein ander Opfer mehr dargebracht werden sollt. Da ist mein Jüd stutzig worden; hat gegen ihn vermeinet: es stünd aber im 110. Psalm, daß der Messias ein Priester nach der Ordnung des Melchisedechs, der Brod und Wein geopfert, Genesis 14, 18. sein sollt, und hätt er auch wohl im N. Testament gelesen, daß der heil. Paulus ihne einen Priester nach der Ordnung Melchisedechs benamse; da hätt doch aber Christus am Kreuze nit Brod und Wein geopfert, besondern sein Fleisch und Blut nach der Ordnung Aarons, item: hätt doch auch Malachias geweissaget: daß nach Abschaffung der blutigen Opfer, sollt ein rein, unbefleckt Speisopfer an allen Orten und Enden, von Sonnenaufgang bis Sonnenniedergang dargebracht werden; wo denn solches Opfer wär? Malachias I, 10 und 11.

Da hat der Prädicant vermeinet: dieses von Malachias geweissagte Opfer sei auch in Erfüllung gangen. Nit ein äußerliches Opfer, besondern ein Opfer des Gebetes wolle Malachias sagen, soll ufgerichtet werden, wie es anjetzo ja auch geschehe, daß der Name des dreieinen Gottes im Lob- und Preisopfer des Gebetes auf der ganzen Erde verherrlichet würd.

Aber der Jüd hat die Achseln gezucket: was heißt Opfer des Gebetes? Haben die Jüden nicht schon zu Moses und Malachias Zeiten aller Orten und Enden gebetet, und nit blos zu Jerusalem? Was thu ich mit dem Gebet? Kanns doch nit essen, saget ja der Malachias, es würd sein ein Speisopfer, stünd ja teutlich im Hebraischen Minchah d. i. verdolmetschet: Speisopfer.

Wie nu der Prädicant vermeinet, sie hätten ja die Speis, von der Malachias geweissaget, im heil. Nachtmahl, hat der Jüd es aber verredet: es soll doch aber nit blos eine Speis, besondern auch ein Opfer sein; wo bleibet denn das Opfer? Kann doch nit das Kreuzopfer sein, denn dasselbe ist ja nur einmal uf Golgatha geschehen und nit an allen Orten und Zeiten, auch nit von Sonnenauf- bis Niedergang – nein, nein! da sähe er wohl, die Weissagung wär noch nit erfüllet, und daß der Messias noch kommen würd, blieb Jüd, und müg es ihm Gott verzeihen, daß er zweifelmüthig worden.

So hat mein Jüd geredet und ist seiner Straßen gangen, hat numehro aber, da er vernommen, daß wir ein Opfer haben, sich bei mir zum Uebertritt gemeldet und Alles, was die Weissagunge anlangt, vor richtig befunden. Sicht, Herr Ritter! so vernünftig war dieser Jüd, und hat er in Wahrheit Recht gehabt, daß er den jüdischen Glauben, den seine Väter bekennet, was diesen Punkt anlanget, vor besser gehalten als den Lutherschen. Denn merket: die Jüden vor Christo hatten alle Tage Opfer, so ein Vorbild sein sollten von dem Opfer Christi, und wiewohlen ihre Opfer aus sich keine Kraft, fanden sie doch eine Kraft aus dem zukünftigen Opfer des Herrn. Durch diese ihre Opfer wurden sie alle Tage uf den kommenden Messias verwiesen, mußten von Jahrhundert zu Jahrhundert in ihrer Sehnsucht uf das wahrhaftige Opfer des Messias wachsen und zunehmen. Da nun das wahrhaftige Opfer am Kreuz in Erfüllung gangen, und nach Lutheri Lahr nit fortgesetzt wird unblutiger Weis, so müssen die Protestirenden, weil sie keine Fortsetzung desselben Opfers haben, sich allein mit der Erinnerunge an den Charfreitag und dieses blutigen Kreuzopfers begnügen, und was wird nu geschehen?

Von der Erinnerunge zehren, schmecket lange nit so süß, als wenn man in Hoffnung uf das Zukünftige zehret. Je näher uns ein Freudentag, umb ein Exempel zu brauchen, rucket, je mehr wächst unsre Freud, ists aber vergangen und je mehr Zeit sider demselben verläufet, desto schwächer immer wird die Erinnerunge. So hätten also die Jüden in Wahrheit mehr gehabt als die Christen, wenn die Protestirenden recht hätten, und wird man es noch erleben, daß allendlich im Lauf der Zeiten die meisten Protestirenden ein geringer Andenken an den allbereits Menschgewordenen und in den Himmel gefahrenen Messias haben werden, als die Jüden Sehnsucht hatten nach dem kommenden. Ob diese Prophezeiung in Erfüllung gegangen, überlasse ich dem Urtheile des Lesers.

So reden wir noch von diesem Jüden, als sich plötzlich die Thür öffnet und der lutherische Prädicante hereintritt. War gar verstöret und roth umb die Stirn, und käm er uf Befelch des gestrengen Herrn Bürgermeisters, um von wegen des Ufruhrs mit der Bratferkelprozession um Entschuldigung zu bitten. Und müge doch der gestrenge Herr Ritter (sich an mich wendende) Nichtes von diesem Handel offenbaaren, denn ansonsten würd er, wie der Bürgermeister gedrohet, seinen Posten verlieren. Und sähe er auch selbsten wohl ein, daß er ein unflätig, ärgerlich Werk gethan, hätts auch ungern gethan, aber seine Gemeine hab ihn dazu gezwungen, wenn er anders ihr Prädicant verbleiben wölle, summa: was er sonsten fürbrachte.

Da bedräuete ich den Prädicanten, und daß er sich hinfüro besser ufführen sollt, was er auch mit heimblichem Zittern gelobete.

So glaubte ich nu: er würd von selbsten sich balde valediciren, aber er stunde noch, und könnt ichs ihme anmerken, daß er noch Etwas uf dem Herzen.

Ja, gestrenger Herr Ritter, hub er uf mein Befragen an, vielleicht müget Ihr mir elendem Manne helfen können, wiewohlen ich es tut verdienet hab! Wissend, ich hatt in einem Testament ein Haus geerbt mit 20 Gülden Zins. Nu hat aber, ehbevor ich das Haus könnt in Besitz nehmen, der nächste Erb, dem das Haus entgangen, aus schnödem Neide in selbigem Hause, mir zum Aerger und Schaden die Innenwände abbrechen, die Thüren ausheben und die Fenstern vernageln und aus selbigem Hause einen Speicher machen lassen, als welchen ich doch das Haus nit brauchen kann, und acht ich leichtlich: er wird mir auch noch die 20 Gulden strittig machen, wasmaßen selbige nit uf einen Kornspeicher, besondern uf ein Haus eingeschrieben, und daß die Juristen gar arge Christen seien, und gern Alles nach dem A. B. C. begreifen, weiß männiglich.

Drum wollt ich den gestrengen Ritter gebeten han, mir doch mein Recht zu verschaffende, und daß mir das Haus also übergeben werd, wie es beschaffen bei Lebzeiten des Erbgebers; denn ich hör, Ihr habet große kaiserliche Vollmachten, und mit den hiesigen Juristen hab ich mich verzürnet.

Wie mein Prädicante Solches gesprochen, war ich in nit geringer Verlegenheit, daß meine entledigten Paßporten mich noch könnten in Fahr bringen, hielte darumb vors Beste, mich annoch böse und scheldig zu stellen, und: was mich das scheere? Doch da fiel mir ein Exempel ein, so ich ihme ufruckete, und wie ich verhoff, ihn wird hinterdenklich gemacht haben.

Ei, lieber Prädicante, wann die Juristen allhie lutherisch, müget Ihr wohl von Euch selbsten abnehmen, daß, wie klar und recht auch Eure Sach, Ihr nimmermehr aus dem Kornspeicher wieder ein Haus werdet gewinnen können.

Da wurde mein Prädicante verstöret und fragte: wie so denn?

ego. Weil Lutherus selbsten es aus der heil. Schrift bewiesen, daß ein Testament nach dem Tod des Erbgebers sich verändern kann und mag verändert werden, und darum werden sich auch die Juristen uf diese canonische Deutunge Lutheri berufen.

ille. Ich verstehe Euch nit!

ego. Ihr wisset doch, daß unser Heiland am Abend vor seinem Leiden denen Jüngern das Testament seines Fleisches und Blutes vermacht hat, welches dahin gegeben würd zur Vergebunge der Sünden?

ille. Das wisse er wohl.

ego. Hat nu der Heiland ein ander Fleisch und Blut geben, als das geopfert wurd?

ille. Nein, dasselbe.

ego. Also muß es dann auch Opferfleisch und Opferblut verbleiben, als welches es war, wie er es ihnen zum Testamente vermachte: summa: das Testament des Herrn muß uns bleiben, wie es eingesatzet ward, nämlich als Opferblut und Opferfleisch, ebenso wie Euch von Rechtswegen das Testament verbleiben muß, als wie es eingesatzet war, als Haus, und nit als Speicher. Sehet, wäret Ihr und die Juristen allhie nu katholisch, würden sie Euch müssen das Haus zusprechen als Haus, und nit als Kornspeicher (das gilt nach katholischer Vernunft;) da Ihr aber und die Juristen lutherisch, so mügen sie mit demselben Rechte wie Lutherus in dem Testament des Herrn, das heil. Fleisch und Blut als Opfer strittig macht, auch Euch strittig machen das Haus als Haus, und müsset Ihr Euch als lutherischer Christe schon genügen lassen mit dem Speicher, wie Ihr Euch ja auch genügen lasset mit dem Nachtmahl allein. Ob Ihr aber den Zins gewinnet, ist auch fraglich, ebenso fraglich als: ob Ihr in Wahrheit das Fleisch und Blut des Herrn gewinnet mit dem Zins der Sündenvergebunge, wann Ihr das Opfer leugnet und verwerfet in dem Testament des Herrn.

Ueber sothane Red schien der Prädicante hinterdenklich zu werden, stunde ein kleine Weil und schaute aus dem Fenster, dann valedicirete er sich und ging seufzende seiner Straßen.

Das ist ein elendiglicher Mann, Herr Ritter! hube der katholische Pfarrherr an, als der Prädicante heraußer; aber Euer Gleichniß, wiewohlen es fast scharf war vor seine Sach, mag ihn zum Ersten zur besseren Ueberzeugung verhelfen. Wäre doch solches auch Luthero mit einem Hause begegnet, und wäre doch auch ihme dieses Gleichnuß fürgehalten, ich acht: er hätt gemerket an seinem eignen Verluste, was er seinen Glaubenskindern selbsten geraubet!

O wehe, was hat Lutherus gethan, wie hat er das arme Volk betrogen an dem Testamente seines Herrn und Heilandes, daß sie kein Opfer mehr haben! Weil ihnen anders nimmer strömet das Opferblut ihrer Erlösung als im Sand uf Golgatha, so müssen sie sich sammblen mit denen Jüden umb das Kreuz uf Golgatha, nit wissend: ob freudenvoll, ob trauernd – freudenvoll, weil an diesem Tage wie sie glauben, einzig und allein ihr Opfer beschlossen und sie errettet worden von ihrer Sünd, – trauernd, weil das Herz sie zwingen möcht, über den, ihrer Sünden halber ermordeten Heiland zu weheklagen und jammern.

Glücklich gepriesen aber wir Katholiken, daß wir uns freuen mügen unsrer Erlösung, bei dem freudenreichen, unblutigen Opfer der Ehre, trauern mügen aber heute bei der Erinnerunge an das schauervolle, blutige Opfer der Schmach am Kreuzesholze uf Golgatha, das umb unsrer Sündenwillen geschehen! Heut am heiligen Charfreitag wurd der Brunnen gegraben, der Quell geöffnet in dem Herzblut Jesu Christi, und die Jüden wollten die Quelle verstopfen und den Brunnen versiegen machen, indeme das heilige Blut schmachvoll in den Sand lief. Aber die Quelle ist nit verstopfet und der Bronnen nit versieget, strömet freudenvoll, lebendig durch alle Länder und durch alle Völker, daß Alle sich sammblen mügen an diesem Strome und trinken mügen aus seinen Wassern, wie Jesaias sagt: lasset uns schöpfen aus den Quellen des Erlösers. Und dieser Strom, der aus den Wundmalen Jesu Christi, als dem Brunnquell unserer Erlösung fließet, strömet fort und fort in dem heiligen Opfer der Messen; allhie sammblen wir uns alle Tage als bei dem wahrhaftigen Opfer des Leibs und Blutes unsres Herrn, gleichwie die Jüden sich alle Tage sammelten zu Jerusalem umb das tägliche, vorbildliche Opfer. Und da dies Opfer, Opfer und Speise zugleich, so erfüllet sich die Weissagunge des Malachias: von Sonnenaufgang bis Sonnenniedergang und an allen Orten wird meinem Namen geopfert werden ein heil, rein und unbeflecktes Speisopfer. Weil gesündigt wird von den Tagen Christi bis ans End der Welt, wie von Adam bis uf Christum, so braucht es alle Tage der Versöhnung im Blute Christi. Drum sinds zween Ströme, die sich vom heil. Kreuz herab ergeußen. Von dem einen Arm des Kreuzes strömet das heilige Blut rückwärts bis auf Adam, und hat seinen Weg gefunden durch die vorbildlichen Opfer Aarons und Abels; von dem andern Arm des Kreuzes strömt es bis ans End der Welt im heiligen Meßopfer, um fortzuspülen immerdar die Sünden der Christen.

Und solches wird strömen bis ans End der Welt, wie St. Paulus spricht: »ihr werdet den Tod des Herrn (den Opfertod) verkündigen, bis daß Er kommet.« 1. Cor. 11. und auch Daniel geweissaget, »daß selbiges tägliche Opfer erst abgethan wird in den Tagen des Endechristes. Kap. 12, 11. (Vergl. Matth. 24, 15.) wenn der Gräuel der Verwüstung offenbar geworden. Obwohl die Lehre vom heil. Meßopfer in den ersten Jahrhunderten zu den Geheimnißlehren des Christenthums gehörte, sind der Zeugnisse dafür dennoch unzählige, selbst wenn man aus der heil. Schrift und den Einsetzungsworten, aus der Zusammenstellung der heidnischen und christlichen Altäre, (Hebräer 13, 10. I. Cor. X. 18.) keine Beweise dafür finden will. Es mögen hier einige Zeugnisse für das heil. Meßopfer aus den ersten 4 christlichen Jahrhunderten Platz finden.
I. Jahrhundert. Martialis, ein Jünger Christi, Epistol. ad Burdegal: cap. 3.: des Herrn Leib und Blut wird um unsres Heiles willen auf dem Altare vorgestellt und zum ewigen Leben aufgeopfert.
St. Clemens Romanus, Schüler des heil. Paulus und Nachfolger des heil. Petrus, im I. Briefe an die Corinther (20 Jahre vor dem Tode des heil. Apostels Johannes geschrieben): Er (der Heiland) befahl, daß die Opfer und Dienstverrichtungen nicht willkürlich und ordnungslos geschehen, sondern zu bestimmten Zeiten und Stunden; wo und durch wen, hat er nach seinem erhabenen Rathschluß bestimmt, auf daß Alles heilig vollbracht, ihm angenehm und wohlgefällig sei.
II. Jahrh. St. Justinus, Martyr. Dialog, cum Triphon, nennt das Fleisch und Blut des Herrn ein Opfer, welches von den Christen allenthalben aufgeopfert wird.
III. Jahrh. St. Irenaeus Lib. IV. Cap. 32. adversus haereses: das Fleisch und Blut Christi ist ein neues Opfer des neuen Testamentes, welches die Kirche von den Aposteln empfangen hat, und in der ganzen Welt Gott aufgeopfert wird. St. Cyprianus in epistola ad Zuzilum, um nur Eine Stelle aus diesem Briefe hervorzuheben: »Gewiß, wenn Christus unser Herr und Gott, der allerhöchste Priester Gottes seines Vaters selbst ist, und wenn er sich selbst der Erste seinem Vater geopfert und darnach befohlen hat, daß eben dieses zu seinem Andenken geschehen soll, wie selbst Christus geopfert hat, so bringt er in der Kirche Gottes dem Vater ein wahres und vollständiges Opfer dar. Hält man sich hingegen nicht pünktlich an Alles, was geistlicher Weise geboten ist, so verkehrt man alle Ordnung und Wahrheit
IV. Jahrh. Eusebius: Lib. I. demonstr. evangel. c. 10. Wir opfern ein göttliches, hochheiliges, gottwürdiges Opfer, ferner: Christus hat eingesetzt und uns gelehrt, das unblutige Opfer seines Tisches Gott aufzuopfern, nach der neuen Weise des Neuen Testamentes.

Als mein Priester solches gesprochen, schudderte ich abereins zusammen, daß Lutherus sich also an dem Opfer unsres Herrn versündigt, und das arme Volk um selbiges gebracht hab. Priese Gott, daß ich in der heil. Kirchen verblieben, und ritten wir mit beßter Danksagunge unserer Straßen. Ach Julia, wenn ich erst widder heim wäre! hatte aber noch ein Brieflein geschrieben und einen Kerl gedungen, selbigen gen Altensteig zu bringen.



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