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Eilftes Kapitel.

Was wir von der Feigheit Mag. Philippi Melanchthon in dem Handel mit dem Interim vernommen; item: wie ich in den Thurm gesatzet und durch meinen Claus befreiet ward.

Nu begunnte aber schon ein tunkel Gericht zu rumoren, wie der Kaiser mit Nächstem Alles wieder wollt katholisch machen, und daß er derowegen ein Büchlein, das Interim benannt, in Augspurg hätt trucken lassen. Aber was eigentlich darinnen stunde, wußte man noch nit; doch wurd schon im füraus gewaltig darüber geschimpfiret, insonderheit in denen protestantischen Ortschaften, und daß mit dem theuren Evangelio es nu wohl bald aus sein würd, wenn nicht Gott ein Einsehen brauche.

War darumb auch ein geschäftig, rührig Leben unter den Lutherschen, stecketen Alle die Köpfe zusammen, und daß sie lieber wollten ihr Leben lassen, als dem leidigen Papste, dem Endechristen gehorsam sein. Liefe auch Alles, was noch nit aus dem Kloster gekrochen, aber heimblich lutherisch gesonnen, und Lust zum Heurathen, heraußer, ehbevor etwan der Kaiser ihnen ein Riegel fürschöbe. Die Katholischen aber kriegten wieder Oberwasser und freueten sich schon, daß nu die Ketzerei wohl bald würd ausgerottet werden; fürchteten sich nu nit mehr vor denen Lutherschen, und wurd wieder Alles wie vor Alters mit großer Pracht und Zusammenlauf des Volkes abgehalten. So war denn in Aachen just großer Ablaß zu nit geringem Aerger der Protestirenden, und halt insonderheit unser Wirth (denn wir hielten uns wie vorbemeldet, meist uf die Dörfer) gar schimpflichen über diese Abgötterei zu sprechen. Was sollt ich mich aber mit einem so tummen Kerl, der ebenmäßig wie alle Lutherschen gläubete, der Ablaß, das sei die Sündenvergebung vor Geld, ärgern und ließe ihn geruhlich schwätzen.

Inwährendem kommen aber seine zween Kinder, ein Range bei 10 Jahren und ein Mädlein, mocht 8 Jahr sein, aus der Schulen, und daß numehro die Schul geschlossen und Ferien wären, und läufet das Mädel gleich zum Vatern, in der Hand einen Zeddul haltende: sich, herzer Vater, was krieg ich! So greifet der Vater nach dem Zeddul, umb ihn zu lesen; der Junge aber machete, daß er heraußer kam. Ei, Gretel, was vor ein schön Zeugniß du hast! herzete und küssete das Kind, und sölle Mutter ihr heut einen Kuchen backen. Aber wo ist denn der Philippe, was hat denn der vor ein Zeugniß? Ei, der hat ein gar schlimm Zeugniß, und hat er schon Wammse gekriegt.

Philipp, wo steckestu? Aber der ließe sich nit hören. Wachte, dieser niederträchtige Bub; Philipp! Ich drehe ihme das Genick um; macht mir nichts als Schand und Aerger; na wachte, wann du wirst zum Essen kommen! Aber Philipp ließe sich nit sehen. Das ist ein niederträchtiger Junge: er soll mir nit mehr ins Haus kommen; ich schlag ihn todt, diesen Satansbengel! Hörstu Weib, er soll mir nit mehr für Augen kommen, will Nichts mehr von ihm wissen! Da war alles Beschwichten und Zureden vergeblich, und um so mehr, da es sein Stiefkind, wölle er sich nit mehr ärgern. So kommt die Mutter heulende mit der Schüsseln in die Stube; Philipp stünd draußen uf dem Flur, heule gar heftiglich, daß er fort sölle, und müg ers ihm doch vergeben; wöllt sich auch bessern. Da gabe sich denn endlich der Vater; na, wenn er Besserung gelobet, so mag er bleiben. Aber die Straf schenk ich ihm nit; hol mir das Rohr her, ich werde ihn wammsen, daß er nit 4 Wochen soll liegen können! sprachs und sprunge von seinem Tisch uf.

Philipp! du niederträchtiger Junge, herein! Da käme Philipp schluckende hereingekrochen, stürzete sich vor dem Vater uf die Kniee, und wölle er sich ja bessern; möchts ihme doch schenken! Aber der Vater griffe schon zum Stocke, schleppete ihn bei den Haaren und eben wollt er uf ihn losprügeln, als das kleine Schwesterken bitterlich anhebet zu weinen; greifet ihr Zeugniß und springet zum Vatern: Ach, herzer Vater! schenk es heut dem Philipp; sich, ich hab ein schön Zeugniß, schenk's dem Brüderken; ich will heut auch keinen Kuchen, schenks ihme! Da stunde der Alte stille, ließ den Stecken sinken: na, du niederträchtiger Range denn lauf; wills dir schenken, aber nur weil Gretel, so mir Freude gemachet, vor dich gebeten, hörst du!?

Als nu der Vater sich geben und widder gut worden, belobete ich ihn erstlich, und daß er christlich gehandelt, verhoff auch, sein Jung würd sich in Wahrheit bessern. Aber nu, lieber Schwanwirth! Ihr habet also uf den Ablaß geschimpfiret, und habet heute doch selbsten Ablaß Eurem Philipp geben? Da verstörete er sich, wie so denn? Seht, was Ihr heute gethan, und wie Euch heute Euer gut Kindlein Gretel beschwichtiget, also machet es auch der Vater im Himmel.

Wie Ihr Euren Philipp heut verstoßen, und ihn nimmer mehr in Euer Haus ufnehmen wolltet, weil er Euch schwer beleidiget, also verscherzen wir durch die schwere Sünd uns das Haus und die Gnad des himmlischen Vaters. Wie unser Herr Gott aber denen Sündern, wenn sie reumüthig und sich zu bessern geloben, das himmlische Vaterhaus wieder öffnet, also habet auch Ihr Euerm Philipp, weil er reumüthig, Euer Haus widder geöffnet. Aber wann Gott auch die ewige Straf, die ewige Verstoßunge aus dem Himmelreich durch die Buß denen Sündern schenket, so schenket er ihnen noch mit Nichten die zeitliche Straf, wie Ihr sie Eurem Philippe nicht schenken wolltet, wiewohlen Ihr ihm Euer Haus wieder geöffnet; sollen Straf leiden, umb sich in Zukunft zu hüten und den Gräuel Gottes an der Sünde kennen zu lernen. Doch gleichwie Ihr heut umb Eures guten Kindes Gretel willen, Eurem ungerathnen Philippo auch diese Straf noch erlassen habt, nachdeme Ihr ihn allbereits widder in Euer Haus ausgenommen hattet, also schenket auch der große Gott, um seiner guten Kinder willen, vor Allem Jesu Christi, seines eingebornen Sohnes und aller lieben Heiligen willen, denen bösen, aber reumüthigen Kindern (wie denn Buß und Beicht immer muß vorausgehen) auch noch die zeitliche Straf. Sehet Schwanwirth! was wir alle Täge thun, um des Verdienstes eines Anderen willen auch die wohlverdiente Züchtigung zu schenken, und was uns ganz natürlichen und vernünftig zu sein scheinet, sollt das von unserem Herr Gott unvernünftig gethan sein?

Wer hats uns denn ins Herze geleget, umb Andrer willen Nachsicht üben, wer anders als unser Herr Gott? Also muß es bei ihme doch auch höchst vernünftig und ihme natürlich sein, umb Andrer Verdienste willen, die Straf zu schenken! Und solches thuet er durch den Ablaß, d. i. die Nachlassunge der zeitlichen Straf, um des Verdienstes unsres Herrn und seiner lieben Heiligen willen; Vergl. Hager Thl. I. S. 323. während die Sünden selber und die ewigen Strafen der Höllen nur alleine im heil. Sakrament der Buße mügen nachgelassen werden.

So waren wir nu ein ganz Eck, sonder Ebenteuer weiter gerucket, als wir in einem Dorf die Kirmeßfahnen vom Thurm ausgestecket sahen. Ritten hinein, da wir abfüttern mußten, als wir uf der Kirchstiegen einen Jungen bitterlich heulen sehen. Gläubete also, es sei ihm was Böses passiret und frag ihn: warum heulestu, mein Junge?

Da fänget er noch ärger an zu schlucken und winselt, sich den Bauch reibende: ach, es ist heut Kirmeß, und ich kann nit mehr, muß den Braten fürübergehen lassen! Da mußt ich lachen, als laut ich konnte, und stalleten wir im Kretscham ein. Waren aber kaumb in die Stube getreten, als sich Feuerlärm erhube, und alles Volk uf die Gassen liefe. Und wars in Wahrheit also; stunde ein Haus in lichten Flammen (sollt vom Kuchenbacken ausgekommen sein) und dauerte nit bei einer halben Stunden, als schon an die zwei, drei Häuser ebenmäßig brannten, so daß das Geschrei gräulich anzuhören war und Alles aus den Hütten geschleppet wurd, umb es zu retten. So waren wir auch hingerannt, als ich ein kläglich Gewimmer aus einem Stalle, so über und über brannte, vernahme. Was ist das vor ein Geschrei, wer winselt da? Eine alte Ziege, so krank im Stalle lieget; lassets, wir mügen sie doch nit mehr retten, riefe mir ein Kerl zu, der eben seine Kuh aus demselbigen Stalle schleppete. Da schreiet es abereins drinnen: Jesus Maria, helfet! Nein, nein, das muß ein Mensch sein, hört ihrs rufen? Aber der Kerl trabte mit seiner Kuh aus dem Hofe. Da sprunge ich mitten durch die Flammen in den Stall; lieget ein alt Weib uf dem Strohe, schon halb todt für Rauch und Qualm, greif sie, und kaumb springe ich mit ihr über die Schwelle, so stürzet auch schon der Stall krachende hinter mir zusammen. Herr Gott! das ist ja Steffens alte Mutter! hat sie sicherlich wollen verbrennen lassen, schrieen die Weiber, so sich um die Alte drängeten. Ja, ja, er hat sie wollen verbrennen lassen! Da nickete die Alte mit dem Kopfe, als sie wieder zu sich kommen; hätt sie angefahren, als er die Kuh abgebunden: verbrenn du alte Hexe!

Wie ich solches hörete, lief ich dem Kerl nach und hiebe ihn mit der flachen Klingen über das breite Maul, daß er spuckende bei seiner Kuh niederpurzelte. Wachte, du niederträchtiger Schurke! ließe ihn auch alsbalde binden und dem Schöppen überweisen. Aber was sollt nu mit der Alten werden? wollte Niemand nit aus christlichem Erbarmen sie umsonst ufnehmen; da rief ich dem Claus zu: mir den Geldbeutel zu geben. Aber Claus wollt nit, und wir hätten ja selber Nichts mehr! Gieb her du Schurke! aber Claus lief davon. Da rannte ich ihm nach, und als er ihn nit gutwillig wollt geben, machete ich mich über ihn, wamsete ihn mit meinem Schwerte und zwunge ihm den Geldsack aus der Faust.

Allhie habet Ihr 20 Gülden, wer nimmt die Alte uf? Da schrieen alsbalde 10, 12: ich, ich! und langeten nach dem Beutel. Ich übergabe sie jedoch dem Schmiede, der mir am gutherzigsten zu sein schiene; aber daß er sie gut pflege, sonst sollt ihn der Teufel holen, wann ichs in Erfahrung zöge!

Als nu das Feuer gelöschet und wir widder in den Kretscham kamen, so fiel mir erst bei, wie ich nu sollt meine Zech bezahlen, da ich Nichtes mehr hatt. Hätt das alte Weib ja können dem Wirth übergeben, und hätt er mit den 20 Gülden wohl auch die Zech bezahlt sein lassen! Doch als er hörete, wie das Ding beschaffen, so wollte er Nichtes haben und vermeinete: ich will Gott danken, daß ich nit auch abgebrannt, und so mags gut sein. St. Florian hat sich gewiß meinen Spruch gemerket, so ich an meinem Haus hab:

Dies Haus steht in St. Florians Hand,
Brennts ab, gereichts ihm selbst zur Schand!

Wär nu schon zu dreien Malen verschonet blieben, und söllten sich die Andern nur auch diesen Spruch machen.

Aber wie sollten wir nu weiters kommen, da ich keinen Groschen mehr hätt? Vertröstete mich aber, weil ichs Gott geliehen in dem alten Weib, würd er schon helfen. Mein Claus jedoch wüßt sich selber Rath, ohne uf unsern Herr Gott sonderlich zu vertrauen, wofür ich ihn zwar genugsam abgebläuet, aber Alles Nichts helfen wollt. Denn was thut mein Kerl?

Als wir eines Tägs auch schon für Hunger schlaff im Bauch waren, und wir an einer Wassermühlen fürüberreuten, sitzet dem Müller sein kleiner Junge am Bach und spielet. Mein Claus steiget vom Pferd; sicht sich um, und als ich mich noch verwundere, was er möcht fürhaben, so greifet er auch schon den Jungen und stürzet ihn kopfüber in den Bach. Verdammter Kerl, was machestu? Aber Claus ist auch schon im Bach, schwimmet nach dem Jungen und bringet ihn schreiende ans Ufer. So stürzet auch schon mein Müller, mit Weib und Kindern aus der Mühlen, und was es gäb?

Ei, Müller, als wir über die Brucken reuten, sturzet just Euer Kindlein, das wohl am Bach gespielet, in das Wasser; da hab ich ihn gerettet, und nu danket Gott, daß ihr ihn lebend wieder habet! Wie das der Müller hörete, fing er für Freuden an zu weinen, wie er ihme danken söllt, und ob wir nit wollten hinanreuten, umb ein Imbiß zu nehmen? Das ließen wir uns nit zu zweien Malen sagen und obwohl ich zürnen wollt über Claus, mußt ich doch fast lachen, und ließen wir es uns und unseren Pferden gut schmecken.

Ein ander Mal, wo wir auch Nichtes hätten, kommt mein Claus mit einer Gans angerennet: hie wär Etwas! So frag ich ihn, ob er sie gestohlen? Mit Nichten! ich hab sie von einem alten Weibe geschenket bekommen. Da verwunderte ich mich zwar, wollts auch nit recht gläuben, bis er mir nachgehends erzählete, wie er zu der Gans kommen. Hätte eine alte Mutter mit Gänsen ausstehen sehen, wär darumb zu ihr gegangen, als wollt er eine Gans käufen. Als sie nu eine gegriffen, hätt' er der Gans heimlichen eine Nadel in den Hals gedrehet, thuende, als ob er sie befühle, inwährendem die Alte noch eine andre gegriffen. Da hätt die Gans alsbalde angefangen jämmerlich mit dem Kopfe zu ziehen, mit den Flügeln geschlagen und gräulichen gewielert. Naturausdruck, dem Schreien der Gänse nachgeahmt.

Was alte Hexe, du bringst verrückte Gänse zu Kauf? wachte, ich werd dich anzeigen; ich mag deine Gans nit; das kostet 5 Gülden Straf, wenn Jemand verrückte Gänse verkäufet! Und so hätt er gethan, als liefe er fort, hätt Einen, so fürüber gangen, angeschrieen, wo der Schöppe wohne? Da wär der Alten, so erstlich schimpfiret, Angst worden, hätt ihm gewenket, und möchte er doch noch einmal zurücke kommen. Solle doch umb Gottes Willen reinen Mund halten; wölle ihme eine Gans schenken, sollt nur Nichts sagen, und hätte sie ihme noch einen Batzen dazu in die Faust gedrücket.

Auf solche Weis trieb es mein Claus; ansonsten aber fügete es Gott, daß wir unterweges bei denen Pfarrherrn und Rittern einkehren mochten; auch fanden wir einmal ein Brod uf der Landstraßen, auch etzliche Batzen, so mußten verloren gegangen sein, wann sie nit etwan ein Engel hieher gebracht.

Nu begann aber auch schon das Buch Interim Verfaßt zu Augsburg von Julius von Pflug und Michael Heldwig, Weihbischof von Mainz, und protest. Seits von Johannes Agricola, Hofprediger des Kurfürsten Joachim von Brandenburg. gewaltig zu rumoren und sollt es mit selbigem also gewachsen sein. Ihro kaiserliche Majestät hätten der Unordnunge und des gemeinen Unwesens anjetzo satt, und sollt darumb bis zur Entscheidung eines baldigen freien Concilii Alles bei der katholischen Religion verbleiben. Alle heiligen Sakramenta, das heil. Meßopfer, die Ceremonien, die Gewalt des Papstes und derer Bischöfe sollten unter den Lutherschen widder ufgerichtet und alles Volk vermahnet werden, bei harter Pön nach sothanem Interim sich zu richten. Und sollten die Protestirenden davor den Kelch im Nachtmahl behalten; auch wars denen verheiratheten Prädicanten gestattet, bis uf weitere Bestimmung des Concilii ihre Weiber zu behalten. Und damit solches Interim, wo es publiciret, auch in jedem Stück ufrecht gehalten wurd, hatt der Kaiser seine Executores in alle Lande geschicket, die es denn auch mit großem Fleiß handhabeten.

Doch im Cölnischen und Trierschen war es noch nit publiciret, anerwogen hie fast Alles katholisch. Hörten aber: wie in den sächsischen und meißnischen Landen es bereits in vollem Gange sei, und daß sich die Evangelischen allbereits in zween Partheien zuklüftet, so eins Theils für das Interim, andres Theils dawider. Und hieß es, daß Melanchthon gewaltig vor das Interim eingenommen und mit Gewalt Alles widder wöllt katholisch machen. Brentius Flaccius und Wigandus aber gräulichen Rumor erhoben hätten, und das Volk vor selbigem Interim, als der alten papistischen Abgötterei, verwarneten, davor aber Philippum wider sich hätten, der nunmehro, wie vorbemerkt, mehr katholisch als lutherisch. Solches wollt ich aber unmüglich glauben, obwohl es der Prädicant von Heydenheimb her, genugsam geprophezeiet; aber daß es bunt mußt hergehen, konnten wir bald verspüren. Kamen schon etzliche Prädicanten, so hatten flüchtig werden müssen, und erzähleten denn in Wahrheit, wie die Sachen stünden. Schimpfireten uf Melanchthon, als den größten Erzketzer. Denn als er verspüret, der Kaiser würd Ernst machen, sei er mit einem Mal also erschrocken, daß er schleunig an des Herzogen Moritz Canzler, Carlowitz, einen Brief geschrieben, worinnen er in Allem dem Kaiser beigepflichtet. Ja, und wölle er, Melanchthon, wenn der Herzog Moritz uf Grund des Interims möcht einen Beschluß fassen, sich mit Nichten dawider setzen, sondern theils schweigen, theils nachgeben, und geduldig ertragen, was kommen würd. Hätt auch in selbigem Brief uf Lutherum geschimpfiret, so ein zornmüthiger Mensch gewest; Er sei nit schuld daran, daß Luther das Reich also zuklüftet, sei von Natur jedem Zank abhold, und nur wie von Ungefähr in diese Bewegunge hineingerathen. Incidi in motas controversias. Ja, habe sich auch entschüldiget, und wie er immer hätt wollen Alles zum Besten kehren und besänftigen, sei davor aber als weder kalt noch warm beschrieen worden. Ja, und könne er den Kaiser nur loben, und wünsche er selbsten auch, daß die Handhabunge des Kirchenregiments dem Papste und den Bischöfen erhalten werde. Nehme auch gerne die Ceremonien widder an, und wie er schon als Knabe mit großer Freud ihnen zugethan gewest. Wölle auch die Anderen bereden, sie wieder ufzunehmen. Nur was den Artikel vom Glauben anlange, habe er sich in diesem Briefe erstlich gestellet, als könne er ihn nit balde annehmen, und: ob selbiger nicht etwas müge vertuschet werden können? Habe aber inbrünstiglich gebeten, mit ihme wöllen schon zufrieden sein, und ihme vergeben, und daß ihme doch Nichtes geschehen müge. Fast wörtlich aus dem Briefe Melanchthons an Carlowitz vom 4ten Mai 1548. S. Epist. Melanchth. Basel 1565. S. 48.

So hätt dieser feige Schurke das heilige Evangelium verrathen; und da Herzog Moritz gemerket, daß mit ihme was ufzustellen, habe er ihn bald gänzlich uf seine Seite gekriegt; und daß er doch müge dem Büchlein Interim ein Färblein anstreichen, damit es dem tummen Pöfel besser möcht einleuchten.

Solches hab er sich denn auch nit zween Malen sagen lassen. Hätt erstlich etzliche Conventus zu Cella, Meissen, Guterbock, Leipzig, Pegau angesetzet, und daselbsten die Theologen persuadiret, das Interim anzunehmen, ja sich alsbalde von wegen des Artikuls der Rechtfertigunge durch den Glauben allein auch bequemet und öffentlich erkläret: wir streiten nit vom Wörtlein sola. Corpus Reform. Vol. VI. pag, 910. – Die Lehre von der Gerechtigkeit aus dem Glauben allein (die Fundamentallehre des Protestantismus), welche er auf diesen Conventen verwarf, wollte Melanchthon in der Confessio augustana auch aus dem Buche des heiligen Augustin » de spiritu et littera« beweisen, dagegen behauptet er wieder Corp. Ref. II. 501. 2. an Johannes Brenz um dieselbe Zeit, daß Augustin gerade das Gegentheil lehre. Ebenso heuchlerisch schrieb er an den Bischof von Augsburg, Campejius, Corp. ref. II. 173., schon am 7ten Juli 1530: Durch Nachgiebigkeit in geringen Dingen, als das Nachtmahl unter beiden Gestalten, Priester- und Mönchsehe, oder doch durch Vertuschung könne die Eintracht wieder hergestellt werden. Wenn es nicht nützlicher sein dürfte, dieß offen zuzugestehen, so könnte es ja unter irgend einem Vorwande ( dissimulari posset) annehmbar gemacht werden. Was aber die Ceremonien anlange, hätt er selbige vor Adiaphora, vor Nebensachen erkläret, und daß man sie halten wolle wie vor Alters umb des lieben Friedens willen. Und die Theologen hätten Alles vor gut geheißen. Ja, und es sei wohl schandbar, die niederträchtige Feigheit Philippi! Und hätt er sie Alle bei der Nasen herumgeführet. Denn es hätt sich begeben, daß Anfangs, wie das Interim zu spucken begonnen, die fränkischen und die sächsischen Theologen sich an ihn gewendet: was sie bei sothanen Umständen thun sollten? Da hätt Melanchthon in ein und derselben Stunden an die fränkischen geschrieben, sie sollten nur Etwas, umb des Friedens und der Ruhe der Kirchen willen, nachgeben, denen sächsischen aber hätt er in derselben Stunden geantwortet: wie er ihre Standhaftigkeit, daß sie alle Neuerunge verabscheueten, nur loben könne. Ratzeberger a. a. O. S. 203. Aber uf dem Convent zu Leipzig wär der Gräul erst recht angegangen; darinnen wär offen befohlen worden: Meßhalten im ganzen Land mit Glockenläuten, Kerzen, Leuchtern, Kleidunge und anderen Ceremonien, wie es im Papstthum gewest; item: die Firmunge, die Abstinentia am Freitage und Samstage; summa: allen katholischen Gräuel hätt er widder ufgerichtet, und hätt solchen Leipziger Beschluß Philipp Melanchthon, Dr. Pommer und die Wittenbergischen Theologen unterschrieben. Und da hätten sie noch vermeinet: es sei doch ein Trost, daß sich Alles mit der Wahrheit vereinigen ließe; S. Ranke Th. V. S. 84. Melanchthon aber sei anjetzo so thürstiglichen, daß er den Pfarrherrn Didymus von Torgau, der wider solch schändlich Werk kühnlich sich erhoben, St. Velten geschimpfiret, und ihne sofort hab in den Thurm werfen lassen; item: desselbigen Kaplan, Er Michael Schultheiß, absetzen lassen. Ratzeberger a. a. O. S. 206.

Schimpfire die wahrhaften, lutherischen Bekenner für abgöttische und sophistische Bluthunde, und verlange, daß die echten Evangelischen, so sich nit bequemen wöllten und die guten Werke zur Seligkeit verwürfen, mit den härtesten Leibesstrafen von der Oberkeit sollten belegt werden; C. Reform. IX. S. 798. – Wo bleibet nach diesen Zeugnissen die vielgerühmte Glaubensfestigkeit und die noch mehr gepriesene Sanftmuth Melanchthons? Seine sogenannte Sanftmuth war nichts als Feigheit. Mit der unglücklichen Wendung der protestantischen Sache durch die Schlacht bei Mühlberg und deren Folgen war sein Glaubensmuth erloschen. Wir sehen ihn hier seine Glaubensgenossen verfolgen; verwerfen, was er früher vertheidigt, vertheidigen – was er früher verworfen, nicht aus Ueberzeugung, sondern aus Feigheit, verbunden mit einem grenzenlosen Ehrgeiz, propter laudem modestiae et venerationis, wie ihm selbst die gleichzeitigen protestantischen Schriftsteller vorwerfen. S. Ratzeberger a. a. O. S. 199. Von dem Ehrgeiz Melanchthons haben wir im VII. Capitel schon urkundliche Beweise vernommen, daß sein Ehrgeiz und seine Feigheit echt psychologisch sich aber bis zur höchsten Unduldsamkeit steigern konnte, dafür haben wir ebenfalls urkundliche Beweise. Nicht nur genug, daß er wiederholt die Hinrichtung der Wiedertäufer verlangte, nannte er auch die durch Calvin bewirkte Hinrichtung des unglücklichen protestantischen Servet ein schönes und denkwürdiges Beispiel. C. Ref. IX. 133. Begehrte auch von den protestanischen Fürsten die öffentliche Hinrichtung des Theobald Thammer, der auch die Möglichkeit der Seligwerdung der Heiden behauptete. C. Ref. IX. 125. Sein sonstiges grausames Verfahren gegen seine eigenen Glaubensgenossen haben wir im Laufe der Erzählung vernommen. summa: Philippus Melanchthon gebahre sich als der wüthendste Papiste, und hätten sie darumb lieber ihre Pfarr und Brod verloffen, als daß sie sollten ihrem heiligen Glauben untreu werden und diesem Abgötter nachfolgen. So flüchtete unter Anderen: Brentius, Wolfgang Musculus, Sarcerius, Snepfius, Amsdorf etc., und aus Schwaben allein 400 lutherische Geistliche. S. Arnold a. a. O. Thl. II. S. 343.

Da merketen wir nu wohl, wie die Sachen stünden; über Mag. Philippum aber wunderte ich mich nit wing, anerwogen er sonst immer als der sanftmüthigste und getreueste Verfechter des Evangelii, so von Luther selber den Ehrentitul Jeremias gewonnen, gepriesen wurd. Freuete mich aber, daß nunmehro die Ketzerei wohl bald möcht ausrumoret haben, wann die Häupter derer Protestirenden selbsten daran gingen, Alles widder katholisch zu machen. Aber, o wehe! daß mich selbsten, einen katholischen Ritter, das Büchlein Interim sollt ins Unglück bringen, das hätt ich nit gegläubet. Doch nu höre man, was geschah.

So begab es sich denn, daß wir unterweges uf offner Landstraß eine Nonne, annoch in ihrem Habit, bitterlich weinende vor einer Muttergottes-Kapellen liegen funden; schriee uns alsbalde an, und: ob wir sie nit wöllten zurücke ins Kloster bringen? Da verwunderte ich mich und wie sie anhero gekommen, trüge ja noch ihren Habit, und warum sie denn ihr Kloster verlassen?

Nun erzählete mir die Nonne, was ihr begegnet. Hätt ehender in einem Kloster in Bayern ein fromm, gottselig Leben geführet, als der neue Beichtvater, so vors Kloster gewest, ein Augenmerk uf sie geworfen. (War in Wahrheit eine schöne Jungfer.) Als sie solches gemerket, wäre sie ihme zwar erstlich immer ausgewichen; aber er hätt sich nit geben und sie erstlich in der heiligen Beicht zweifelmüthig gemachet, und daß Alles keine Sünd, besondern der Unglaub allein. So wär ihr Satanas allmählig ins Herze geschlichen, daß sie letztlich Lutheri Büchlein über die Klostergelübd und den Ehestand und die Verachtunge der Jungfrauschaft, so er ihr in die Hand gespielet, gelesen, und, o wehe! da hätt sie ihme gegläubet, und wär heimblich lutherisch gesonnen worden. Hätt auch vermeinet, daß das Klosterleben ein Gräul für Gott, und daß man sich an Gottes Gebot versündige, wasmaßen Er selbsten gesprochen: seiet fruchtbar und mehret Euch, wann man ehelos verbliebe. Da hätt der Beichtvater ihr zugeredet, mit ihm das Kloster zu verlaufen, ehe noch das Interim, das schon zu rumoren begonnen, ihnen ein Riegel fürschöbe; wöllten beede lutherisch werden und sich ehelichen. Aber er hätt keine Prädicantenstelle finden mügen, und da hätt er sie hier abgesetzet unter freiem Himmel und wär seiner Straßen gangen, und, o wehe! wohin sie anjetzo sölle? Wolle Buße thun in Sack und Aschen, wann sie nur wieder in einem Kloster wär; könne aber nit mehr gehen, und wären ihr die Füße also zuschwollen vom Umherirren, daß sie nit mehr uftreten könne, und möchten wir sie doch um Gottes und ihrer armen Seele willen widder in ein Kloster bringen. Da bei dem Verfall der klösterlichen Zucht die Schriften des Reformators in den verwilderten Klosterzellen eine willkommene Aufnahme fanden, so ist es leicht erklärlich, wie so viele Hunderte Mönche und Nonnen die Klöster verlassen und ihre Gelübde brechen konnten. Wir geben hier in gedrängter Kürze die Lehre Luthers über den Cölibat und Ehestand. Luther verwirft den Cölibat auf Grund Genesis I, 8.: Seiet fruchtbar und mehret euch.
1) Er lehrt: diesem Naturgesetz kann Niemand widerstehen. Jen. Ausg. Thl. II. f. 257. An die Herren teutschen Ordens: »Wiewohlen ich genugsam von dem Gräuel der geistlichen Keuschheit geschrieben und bewiesen, daß solch Gelübd nichts ist, auch nicht zu halten ist. – Keuschheit ist unmöglich, als wenn ich wollt auf der Sonnen Glanz reuten und in den Wolken fahren.« Jen. II. f. 261. Ebenso in seinem Briefe an Leonhard Köppen, »daß Jungfrauen die Klöster göttlich verlassen mögen.« Jen. Ausg. f. 222. (Die Stelle wörtlich zu citiren, verbietet uns der Anstand.)
2) Die Keuschheit ist keine Gnadengabe, sondern ein Werk der Allmacht. l. c. in seiner Ermahnung an die Herren teutschen Ordens, »daß sie die falsche Keuschheit fliehen.« Vergl. wider die Verkehre Kaiserl. Mandats, Jen. Ausg. Thl. II. 226.: »Keuschheit ist ein unmöglich Ding, so Gott nicht Wunder thut.«
3) Wer keusch erschaffen oder durch ein göttliches Wunder es geworden, der empfindet das Naturgesetz nicht. S. den ebenerwähnten Brief an Leonhard Köppen und an die Herren teutschen Ordens, S. 258: »Ist Gottes Wunder da, so ist das Gelübd nicht von Nöthen, ist Gottes Wunder nicht da, so ist das Gelübd wider Gott.«
4) Wer das Naturgesetz empfindet, muß heirathen, da er nicht für die Ehelosigkeit bestimmt ist. S. ebendaselbst und Thl. II. f. 160 und 222.
5) Wer nicht heirathet, es sei denn, daß er das Naturgesetz nicht empfindet, begeht eine Sünde, die größer als Ehebruch. S. an die Herren teutschen Ordens, »daß sie die falsche Keuschheit fliehen.« Jen. Ausg. Thl. II. f. 258.
6) Wer durch Gebet und Abtödtung die Begierlichkeit bekämpfet, begeht eine Sünde, die dem Ehebruch gleich ist, weil er sich auflehnt gegen das göttliche und natürliche Gesetz. S. ebendaselbst f. 258.
7) Das Gebet um Keuschheit ist eine Sünde, weil man Gott dadurch versucht, wie der Teufel Christum, daß er sollte von der Zinne des Tempels sich hinunter lassen. S. den obigen Brief Jen. II. 223. an Leonhard Köppen. Vergl. Klostergelübde Abtheil. 6. Fürwahr! wäre das sittliche Gefühl des Menschen nicht schamhafter als diese Lehre, würde die Consequenz derselben die protestantische Welt in ein Sodom und Gomorrha verwandelt haben.
Die Consequenzen aus obigem Lehrsystem zu ziehen, wird man mir billig erlassen!

Wiewohlen mir nu ihre Reu nit rechter Art zu sein schiene, so dachte ich doch bei mir: wills Gott, so kommt sie in einem Kloster zur besseren Kenntniß! Ließe sie also ufs Pferd heben, und bunde ihr meinen Mantel um, damit die Jungen nit hinter uns her specktakelten, und ritten uf ein Feldkloster zu, das nit weit sein sollte. Selbiges Kloster war in einem schönen Garten belegen, so ringsum von einem hohen Mauerwerk umschlossen war. Ritten durch die offne Gartenporten gerade fürs Kloster, und hatten wir unsre Freud an den gar lieblichen Blumen und Lauberhüttengängen; war aber Alles stille im Garten, nur daß die Vöglein in den Zweigen sungen; hörten aber von Fernen ein dumpf Gemümmel, und judicireten also, daß die Jungfern zum Chorgebet versammelt wären. Stunden auch allerlei Statuen derer lieben Heiligen in den Gängen, auch St. Antonius fehlte nit, deme ich einstmals als gottloser Bube den Mund vernagelt, als ich noch beim alten Klausner war. Thäte darumb meine Andacht vor dem Bilde. Hatt aber eine fast sonderbare Aehnlichkeit mit meinem Claus, als ob es nach ihm geformiret wär, und truge eine baumwollene Kutte. Solches gefiel meinem Claus, daß er eine also große Aehnlichkeit mit St. Antonio, und daß ihm darum wohl unser Herr Gott einst möcht gnädig sein; wölle sich daheime auch eine solch wollene Kutten machen lassen.

Als nu das Chorgebet mocht zu End sein, wasmaßen es in der Kirchen stille worden, und wir es im Kloster hin- und hergehen höreten, so ließ ich Claus mit denen Pferden uf der Wiesen, so am Klostergarten belegen, warten, bis ich würd zurücke kommen, nahm die Nonne, Gertrudis geheißen, bei der Hand und zoge an der Klosterglocken. So kam denn auch alsbalde die Thürhüterin heraußer, schluge aber gleich die Thüre widder zu, und daß sie erst melden müßt, daß ein Mannsbilde draußen wär. Dauerte wohl bei einer Viertel Stunden, inwährendem Gertrudis heimblich schluckete, als endlich widder ufgemacht wurde, und wir uf den Klosterflur treten durften. Stunde die Domina an dem Gatterfenster und: was wir begehreten? Da truge ich denn das Anliegen der Nonnen Gertrudis für, und daß die ehrwürdige Domina ihr wölle allhie ein Asyl geben, anerwogen sie wollt Buß thun, nachdeme sie durch Lutherum verführet, ihr Kloster verlassen. Wer ich wär, und ob ich eine Paßporten bei mir?

Da verwunderte ich mich zwar, und was die Domina darnach zu fragen, gabe ihr aber mein Paßporten des Kaisers, und daß ich nu widder heimzöge. So nahme sie die Paßporten, ginge aber alsbalde widder abe; hörten die Glocke ziehen und es über den Gängen hin- und herlaufen, bis Alles widder stille worden. Währete und währete, kame nit widder zum Fürschein, so daß mir anhub, bange zu werden.

Mocht etwa eine halbe Stunde vergangen sein, als es abereins draußen schellet, und treten 3 Bauern uf den Flur. Da kommt auch die Domina widder ans Fenster: Meine Paßporten wären nit richtig; Ihr seiet der Königin Maria von Ungarn entloffen, und hab ich von dem hochwürdigsten Bischofen vernommen, daß er uf den Ritter Sigismund Hager fahnden lasse, um ihne zurücke nach Brüssel zu transportiren. Greifet den Ritter, und bringet ihn einstweilen in den Thurm!

Da stunde ich da wie vom Blitze getroffen, als meine Bauern mich auch schon greifen; wollt mein Schwert ziehen, aber weil ich das Kloster nit mochte mit Blut beflecken, ließe ich mich geruhlich anfassen: Ehrwerdige Domina, höret meine Sach! Aber das Gatter war schon widder zu, und mußt also in den Thurm; was aus Gertrudis geworden, weiß ich nit, hörte sie nur jämmerlich weinen, als ich fortgebracht wurd.

War nu also im Thurm; o ich elendiglicher Mensch! Kroch überall herum, ob ich nit heraußer könnte; aber es ging nit. Verbiß meinen Ingrimm, vertröstete mich aber, wann ich zum Bischofen käm, und er meine Sach hörete, würd er mich schon frei lassen.

So verging denn die Nacht, und konnt kein Auge zumachen. Da kommt gen Morgen früh es an den Verschluß, öffnet und rufet: Herr Ritter, kommet heraußer! – Nu wirstu zum Bischofe müssen, gläubete ich; aber wie erstaun ich! werd in's Refectorium geführet, wo ein schöner Morgenimbiß bereitet, und währet nit lange, so kommt die Domina, verneiget sich und spricht: Herr Ritter, ich hab Euch unrecht gethan! Da der Himmel selbsten Eure Unschuld offenbaret, so gehet in Frieden; die Nonne, so Ihr hergebracht, wird verbleiben.

Gott im Himmel sei Dank und seiner gebenedeiten Mutter, ich war frei! Aber wie mocht solches geschehen sein?

So sitzet mein Claus uf der Wiesen, weinet und lachet vor Freud, als er meiner entwahr wird: Geschwind, Herr Ritter! lasset uns ufsetzen, eh man es entdecket. Was gibts denn? Aber er wenkete und zischete, schwungen uns also in den Sattel, und sprengeten davon. Und nu erzählete mein Claus: Na, die hab ich schön angeführet! Höret, gestrenger Herr, was ich gemachet.

Als Ihr nit wiederkamet, und es bereits tunkel ward, kam ich in Aengsten, horchete und ging umb die Mauer, so bereits verschlossen, ob ich von Euch etwan was entwahr würd. So treff ich einen Bauern, den frag ich: ob er nit einen fremden Ritter gesehen? Ja, der säße im Thurm, und würd nit wieder kommen. Da kriegte ich einen steifen Schreck, was solltu nu machen? Ei, da fiele mir das Bilde des heiligen Antonii ein, und daß es mir wie aus den Augen geschnitzet. Daß die Weibsen gern Gesichte und Erscheinungen haben, wußt ich von meiner Großmutter; merket also, was ich thu. Steige dorten, wo viel Buschwerk, über die Mauer, ducke mich und schleiche im Gebüsch zu der Statuen St. Antonii. Es ließe sich Nichtes nit hören; hebe das Bilde aus der Nischen, zeuch mir flugs die Kutten über, verstecke das Bilde, und nu steig ich hinauf in die Nischen, falt die Händ, wie es uf dem Bilde war, und: wenn sie jetzo nur kommen möchten!

Hätt mügen lachen, aber ich begriff mich. So mocht ich etwan ¼ Stunde als St. Antonius in der Nischen gestanden haben, als sich die Klosterporte öffnet, und zween Nonnen in den Garten treten, im Mondschein zu lustwandeln. Richtig, sie gehen gerade uf mich zu; ich stehe steif wie ein Stück Holz, und warte bis sie kommen. Als sie nu an mir fürüberschreiten, lispelt die Eine, das heilige Kreuze schlagende, Ave St. Anton! und knieen beede nidder, umb ein Vater unser zu beten. Da pochet mir mein Herze: was thust du? Seiet gegrüßet, Jungfrauen! Da fahren beede kreischende uf, ich aber sprech ufs Neu: »Seiet gegrüßet, Jungfrauen! Gertrud soll im Kloster verbleiben, der Ritter Hager soll frei sein. Verkündet es den Andern; Gott mit Euch!« Schlagen die beeden Jungfern bebende sich an ihr Herze; ich aber schau wie das Bilde, ohn mich zu rücken und regen, starren Auges uf das Crucifixe, so ich dem Bilde abgenommen und ebenmäßig in der Hand truge. St. Anton, St. Anton, bitt vor uns! und laufen zurücke in's Kloster. Da will ich geschwinde hinunter und das Bilde widder ufsetzen, als auch schon die Domina mit allen andern Nonnen aus der Porten kommt; bin also eilends wieder in der Nischen. Gehen Alle schluckende vor das vermeintliche Bilde, und hebet die Domina an: St. Anton, ist's in Wahrheit also, wie diese Jungfern gesprochen, so gib uns ein Zeichen in deinem Bilde. Da senk ich das Crucifixe, worauf sie Alle laut aufschreiende nidderfallen, und die Domina alsbald befiehlet, in die Kapellen zu gehen, das heilige Crucifixe und brennende Kerzen zu holen, umb vor diesem Gnadenbilde den heiligen Antonius zu verehren.

So war ich nu nit geringe in Aengsten, daß sie ehender wiederkehren möchten, eh ich das Bilde widder ufgesatzet; denn beim Kerzenscheine hätten sie wohl balde den Betrug gemerket, springe also geschwinde herunter, stelle das Bilde mit der Kutten widder in die Nischen, und kaumb bin ich fertig, so kommen sie auch schon mit Kreuzen und brennenden Kerzen, die Litaneia singende, aus der Kirchporten. Verkriech mich also geschwinde in dem Buschwerk, bis Alles fürüber, worauf ich denn widder über die Mauer steige, und harrete, wie das Ding würd ablaufen. Sehet, Herr Ritter! so seiet Ihr frei worden; ja, ja, Claus ist nit so tumm, als er aussiehet!

Ueber solche Red mußt ich fast lachen und seine Schlauheit beloben, schudderte aber doch heimlichen, daß er eigentlich den heiligen Antonium beschimpfiret, obwohlen er's gut gemeinet und aus einfältigem, treuem Herzen gethan; aber was durft ich ihme sagen? Habs ja selbsten noch schlimmer gemacht, und St. Antonio, wie vorbemerkt, den Mund vernagelt! summa: ich schwiege, und war froh, durch die Lift meines treuen Clausen aus der Fahr gekommen zu sein; gelobete aber davor eine Wallfahrt zu Ehren des heiligen Antonii.



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