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Fünftes Kapitel.

Wie ich den fangenen Landgrafen mußt gen Donauwerth bringen, und sich die Jungfer Perpetua bei uns einschmuggelt.

Als ich nu in mein Losament gekommen, konnt ich die ganze Nacht nit schlafen; hatt eine große Unruh und Versuchunge von wegen der Perpetua von Saala, die mir so freundlich gewest und mir immer uf die Finger geklopfet; betete und kämpfete die ganze Nacht. Balde käme mir Perpetua für, bald wieder meine herzliebe Julia; summa: ich konnte nit ruhig werden und wurfe mich endlich uf die blanke Diele, und wars schon gen Morgen, als ich endlich entschliefe. Aber es währete nit lange, so trummelte und knallte es gegen meine Thür. Gestrenger Herr Ritter, gestrenger Herr Ritter! was schlafet Ihr noch? rief mein Claus durch das Schlüsselloch; ein Bot aus Altensteig!

Aus Altensteig, von meiner Julia? Ei, da war ich flugs munter, sprunge uf die Beine und hätte den Boten bald für Freuden umarmet, als er mir einen schönen Gruß brachte von meiner Julia und einen Brief dazu, so fast dicke. Was machet sie? was gibts Neues? und riße das Wachs ab. Da greinete mein Kerl heimblichen und sprach: ich sollts zwar nit sagen; es ist was Junges einpassiret, ein Knäblein! Ei da hätt Einer mich sollen springen sehen: Ein Junge, ein Junge! tanzete in der Stuben umher, wie närrisch und siehe da! ein Bilde, ein Bilde! Es war meine liebe Julia, von Er Johannes Forst gemalet, und auf ihrem Schooße ein dicker derber Junge; blaue Aeuglein wie Veilchen, gähle, lange Locken und über dem Näs'lein ein Aederken, just wie meine Julia. Das ist mein Junge! Claus komm, sieh dir meinen Jungen an! Siehet er nicht gerade aus, wie ich? Herzete und küssete das Bilde und liefe wie närrisch in der Stuben herum, daß mein junger Wachtelhund auch herumsprunge, vermeinende, ich wölle mit ihm spielen. Ei du lieber Gott, wie man sich doch freuet über solch ein Würmlein! Hätte fast des Briefs vergessen vor lauter Freud! Und schriebe mir meine herzliebe Julia folgenden Brieflein, so ich für Freuden wohl 100mal gelesen und darum annoch auswendig weiß.

Jesus, Maria!
Herzlieber Mündel, mein theuer Ehgemahl!

Hier schenket dir deine Julia das Bilde deines Kindleins, so ich zur Welt erboren, am Frohnleichnamstag. Er Johannes Forst hats gemalet, wie es leibt und lebt, und hat ers alsbald getäufet, und ist der alte Vater und der Klausner Päth gewesen. Wir haben ihn Sigmund Julius benamset, weil er uns beeden ähnlich siehet, wie der Großpapa meinet. Nu, mein Sigmund! vergiß nit deiner Julia, wie ich dein nit vergessen werd. Ach, wie wird mir die Zeit fast lang, ehender du wiederkehrest! Doch bin ichs zufrieden, mein Sigmund! daß du als ein wahrer, katholischer Christe wider die Feinde unseres allerheiligsten Glaubens kämpfest. Ei, was wird das vor ein Wiedersehen sein! Der alte Großpapa aber will fast für Ungeduld vergehen, und soll ich dir schreiben, daß du alsbalde kommest und deinen Jungen besehest.

Aber, herzlieber Mündel! komme noch nit, und erbarm dich des Gelübdes deiner Julia; ich schicke dir ja das Bilde mit, daß du ihn siehest und mich armes Weib in Frieden lassest. Wir haben uns gar sehr gefreuet, daß du bei der Kaiserlichen Majestät in also großen Ehren stehest und er dich selbsten zum Ritter geschlahn, und jubilirete der alte Vater, bunde sich auch seine Rittersporen umb und gabe ein groß Banketlein, wo er allen Rittern und Junkern deine Heldenthaten erzählete, und wie er nu gern sterben würde, als er sehe, daß sein Sigmund nit aus der Art geschlagen und seinen Ahnherrn um Nichts nachstünd. Und mußt Johannes Forst an deim Bilde an der Wand dir ein Paar Rittersporen malen, und abkonterfeien die Schlacht bei Mühlberg, wie du durch den Elbfluß geschwommen, item: wie du den Churfürsten gefangen, und ebenmäßig uf dem dritten Felde, wie Ihro Kaiserliche Majestät dich in der Heiden zum Ritter geschlahn. Humpelt alle Tage mit seiner Krücken uf den Burghof und satzet sich unter die Linden und beschauet das Bilde; und muß ich immer mit dem kleinen Knäblein, daran er fast eine übergroße Freude, mich zu ihm setzen. Nu herzer Sigmund, mein theuer Gemahl! ich hab eben dein Bild bekränzet mit eim Kränzlein blauer Vergißmeinnicht, und der kleine Sigmund hat dir müssen einen Schmatz geben im Bilde; da lächelte er gar holdselig und langete, als ob ers schon kennete, mit seinen Aermleins nach seinem Vatern und hube zu schreien an, als ich ihn wieder wegnahme.

Es grüßt dich dein alter Vater und der Klausner; behüt dich Gott und seine heilige Magd Maria; ihr, der unbefleckten Gottesmutter, sei mein Schatz empfohlen! Ich bin, mein Herzer Mündel und treu Gemahl!

Deine Julia von Hager-Altensteig.

So war ich also nu Vater worden, und meine herzliebe Julia Mutter!

Ei, wie waltete und wogete mein Herze, konnt für Freuden nit mehr reden, hätte mich mögen gleich ufmachen und daheim ziehen; aber da gedachte ich meines Gelübdes und der Bitt meines tugendhaften Weibes. Ginge in der Stuben uf und ab; ob gehen, ob bleiben? Sah ich das Bilde an, wollt ich reuten, sah ich den Brief, wollt ich bleiben; summa: das war wohl wieder ein Kampf! Endlich, da ich es nit mehr konnt aushalten, wenkete ich dem Claus und dem Boten abzutreten, und das Bilde mit dem Brieflein an mein Herz drückende, sank ich in meinem Stüblein uf die Kniee, that vor Julia, mein Würmlein und mich ein brünstig Gebet und erneuerte mein Gelübde.

Gottlob! da hatt ich liebliche Ruhe, nachdeme ich den Kampf überwunden; da gedacht ich aber noch der Perpetua, und betete auch ein Vater unser vor sie und mich, daß jeder böse Gedanke mildiglich von uns möcht abgekehret werden. Darauf satzte ich mich und schriebe meiner lieben Julia, so gut ich konnte, und wie ich mich freuete über das Würmlein, so uns der Herr bescheeret; ja, beichtete auch mein Ebenteuer mit der Perpetua, und daß sie sich nu aber nit meinetwegen ängstigen solle, und würd ich lieber sterben, denn ihr meine Treu und Eidschwur brechen etc.

Aber kaum hatte ich den Boten abgefertiget, so bekäme ich plötzlichen gen Mittag Befehl, bei Ihro Majestät mich einzufinden, so mich zu sprechen begehreten.

Trate also klopfenden Herzens in das Zimmer, wo Ihro Majestät Audienzia zu geben pflegten, und waren allbereits schon viele fürnehme Obristen und Herren allhier versammelt; Ihro Majestät aber waren annoch im anstoßenden Saal und speiseten zu Mittag, und konnten wir durch die offne Thüre zusehen, wie er aße. Und saßen Ihro Majestät, wie sie denn pflegeten, ganz alleine am Tisch (und gabe der Kaiser nimmer Bankieth, hätte auch nimmer Gäst an der Tafel, wie die anderen Herren), sprache kein Wort, und ließe sich von jungen Fürsten und Grafen ufwarten, so von jeder Speis 4 Drachmen, in einer jeden 6 Gerichte ihm uf den Tisch satzeten und die Oberschusseln nach einander darvon nahmen. Gegen die, davon er nit begehrete, schüttelte er den Kopf, davon er aber essen wollt, wenkete er, zoge dasselbe vor sich und nahme, so viel er wollte. Waren gar stattliche Posteyden, Posteyden sind Pasteten. Wildprett und wohlzugerichte Fercula fürhanden, wenkete aber gegen Alles mit dem Kopfe und behielte nur ein Kalberkopf, ein Brachferken und dergleichen; ließe sichs aber nit vorschneiden, besondern hatte selbsten das Messer, und schnitte so viel Stücklein Brots, so groß als er bequemlich in den Mund stache, und vom Gerichte, davon er essen wollt, losete er an dem Orte, wo es ihm am besten gefiele, das Fleisch mit dem Messer, brache es mit den Fingern von einander, zoge die Schüssel unter das Kinn und aß so natürlich, jedoch reinlich und sauber, daß man seine Luft daran zu sehende hätte. Wenn er trinken wollt (wie er denn nur 3 Trunke über der Mahlzeit thäte), wenkete er wiederum seinem Doctori medicinae, Andreas Vesalius geheißen, der ginge auch alsbalde zum Treiser, Treiser ist das corrumpirte französische trésor – ein Schenktisch. goße aus 2 silbernen Flaschlein in ein cristallin Glas und kredenzete es dem Kaiser. Das trunk er rein aus, daß nichts darin blieb, sollt er auch 2 oder 3mal Athem holen, ehe ers vom Munde wegzoge. Redete aber nichts über Tisch; kehrete sich auch mit Nichten daran, daß wir ihm zusahen, wie er speisete. So stunde nu aber hinter seim Sessel ein Schalksnarre mit seim Narrenküpplein, daran allerlei meßine Glöcklein hingen; der machete allerlei Possen, und jemalen, wann der Kaiser über seine Narrendinge den Mund zu halbem Lachen verzoge, schwenkete er sich die Mütze durch das rechte Bein und ließe die Glöcklein klingen; so Ihro Majestät aber nit lächelten, schnitt er ein gar wimmerliches Gesichte und riebe sich den Allerwerthesten. Summa: es war fast zum Lachen; aber wir kunnten nit wohl als kichern, weil es sich vor Ihro Majestät nit geziemete. Als er nu fertig und abgegessen, kamen wieder die jungen Fürsten und Grafen, räumeten Alles weg, schlugen den Sessel und Tisch zusammen und trugen es heraußer. Alsdann betete Ihro Majestät mit eim Prälaten, den ich noch nit kennete, das Deo gratias, nahme ein Federkelichen von eim silbernen Teller und säuberte sich erstlich die Zähne, dann ließe er sich über einem silbern Becken Wasser über die Finger gießen und trögete sich ab.

Nu konnten wir kommen, immer Einer nach dem Andern, bis endlich auch die Reihe an mir ware. Und waren Ihro Majestät sehr gnädig gegen mich, und daß es ihne freue, mich wieder zu sehen. Herzog Alba habe ihm verzählet, welch absonderlich, zumal vor diese Zeit fast unerhört Gelübd ich mit meim Weibe gemachet, und wie ich gestern dem fangenen Landgrafen eine gar treffliche Lahr gegeben. Da sich ich denn, Ritter! sprachen Ihro Majestät weiters: daß du in Wahrheit ein fast trefflicher katholischer Mann bist, und darf also auch wohl mich deiner Treu versehen, wie du es auch schon bei der Bewachunge des Churfürsten von Sachsen nit hast an Sorgfalt und Treu fehlen lassen. Da du so gut dein Gelübd gehalten, magst du auch wohl den Eid halten, den du Uns geschworen. So wisse denn: daß wir nu einen anderen Posten für dich haben, und sollst du nu, anstatt den Churfürsten, den fangenen Landgrafen bewachen und uns fürauf gen Donawerth transportiren. Er ist ein listig, verschlagen Mensch, voll eitler Ränk, und nit zu trauen; drum mögen wir ihn nit Jedem anbefehlen. Hab ein wachsam Aug auf ihn, daß er nit echappiret. Wir werden dir 2 Fähnlein Spanischer zur Bedeckunge mitgeben, und magst du je in 2 Stunden, bei Tag und Nacht, dich ja überzeugen, obs auch noch der fangene Landgraf, denn wie gesaget, es ist ihm nit zu trauen.

Als ich Ihro Majestät nu vor solch Gnad und Zutrauen gedanket, und allen Fleiß gelobet, wollt ich mich ehrerbietigst valediciren, aber Ihro Majestät befrageten mich noch nach meim Gelübde, und mußte ihm Alles erzählen, worauf er mir uf die Achsel klopfete und: daß ich ihm nach Verlauf der zween Jahre beichten solle, wie es mir mit meim Gelübd ergangen.

Da hielt ich denn nu auch, als Ihro Majestät mir befohlen, es mit dem Landgrafen, und könnt er wohl sein Rappier behalten, aber das Kreuz mit dem Griffe wurd ihme abgebrochen und an die Scheide gehenket, daß er es nicht mocht vom Leder ziehen, und stellete je in der Heerbergen, wo wir übernächteten, immer Zween vor die Thür, zween Andere aber vor das Schlafgemach des Landgrafen; des Tags aber ginge ich nicht von seiner Seiten; des Nachts schlief ich, wo es thunlich, immer in einem Nebengemach, lag auch öfters uf der Ofenbank; die Rüstunge und das Schwert aber legte ich nimmer ab, um, wo es Noth, gleich bei der Hand zu sein. Und hielte ichs nach der Instructione des Kaisers Vergl. Sasirow a. a. O. über die Gefangenschaft des Landgrafen Philipp von Hessen. auch immer, daß je eine Wach der folgenden mußt den Landgrafen übergeben. Des Nachts ließe ich die Trummel wirbeln, je bei der Ablösunge, damit das übrige Volk nit entschliefe, ginge selbsten mit der Wach in das Schlafzimmer des Landgrafen, und nahme ich ihm das Deckbette vom Leibe, um zu sehen, obs auch noch der Landgraf, und übergabe ihn mit Leib und Leben der neuen Wach.

Das aber wäre dem Landgrafen nit recht; schimpfirete über solch Behandlunge, und daß man ihn nit einmal schlafen ließe; ich entschüldigte mich aber, daß der Kaiser es also befohlen. Aber das halfe nicht; schluge auch wohl mit der Faust nach dem, so ihm die Bettdecke fortzoge und lärmete wie ein Stier; summa: hatte sich unbändig, wie denn seine Art war.

Unterwegs saße ich bei ihm in der Gutschen; die spanischen Fähnlein aber ritten hart um den Wagen. So bande mein Landgraf denn endlich, da ich sonsten immer gefällig und ihm viel lustige Dinge erzählete, auch bald wieder von der Religion an, und jeweilen, wenn wir an einem Crucifix oder Heiligenbilde fürüber kämen und ich das Kreuze machete und mich verneigete, so lachete er, als laut er konnte, in die Höhe, und daß er sich wundere, wie ich noch so wing ufgeklärt sei, da ich doch sonsten nit uf den Kopf gefallen; vor einem Holze oder Stein meine Reverenz zu bezeugen! warum ich denn nit auch vor dem Galgen, der dorten uf dem Berge stünde, das Birett zöge, so doch ebenmäßig von Holz sei? Lutherus hätte schon recht, so die Papisten vergliche mit den Heiden, die auch Stein und Holz anbeteten. Ueber diese tumme Red wußt ich nit ob lachen, oder mich ärgern; explicirete ihm zwar, daß wir darum dem Crucifixe unsre Ehrfurcht bezeugeten, weil sie uns fürstellen das heilige Holze, wodurch wir erlöset, und diese Ehrerbietung nit das Holz, besondern den, so es fürstellet, anginge, und daß schon die Apostel selbsten, wie St. Paulus, eine große Verehrung zu dem heiligen Kreuze gehabt hätte, Es sei ferne von mir zu rühmen, denn allein in dem Kreuze unsers Herrn Jesu Christi. Galat VI. 14. ja St. Andreas, wie wir aus seinen Marteracten wüßten, als er auf eim Berge das Kreuz, woran er sollt gehenket werden, ansichtig worden, uf die Kniee gefallen und ausgerufen habe: »O theures Kreuz, das du deinen Ruhm erlanget durch die Glieder des Herrn, o lang ersehntes, heißgeliebtes, ohne Unterlaß gesuchtes Kreuz!« Hieraus würde er, verstehe der Landgrafe, wohl schon entnehmen können, daß die Verehrung des heiligen Kreuzes in Wahrheit von den Aposteln der heiligen Kirche überliefert worden; aber Lutherus wölle schon klüger sein als die Apostel, und möchten die Lutherischen nur zusehen, wie sie das Wort St. Pauli: »daß das Kreuz denen Heiden eine Thorheit und den Jüden ein Aergerniß sei,« nit auch uf sie anwenden ließe.

So replicirete mein Landgrafe, und daß er sich die Verehrung des heiligen Kreuzes annoch gefallen ließe; aber daß wir auch den Bildern der Heiligen unsere Ehrfurcht erwiesen, sei doch in Wahrheit ein schändlich, abergläubisch, gottesräuberisch Werk und von Gott selbsten schon im A. T. verboten, wasmaßen er sage 2 B. Mos. XX, 4.: »Ihr sollt Euch keine geschnitzten Bilder machen und sie nit anbeten.« Und doch thätens die Papisten wider Gottes Wort! Uf allen Landstraßen ständen Götzen, in allen Kirchen hingen Bilder für den Augen Gottes selber, und verwundere er sich nur, daß selbige nit wie der Götze Dagon vor dem allmächtigen Gott in Stücke zubrächen. Ja, es sei wohl schandhaft; und die Pfaffen beräucherten und beplärrten sie, als obs lebende Wesen, zündeten Kerzen vor ihnen an, und wundere ihn nur, daß sie ihnen auch Nichtes zu fressen geben, wie weiland die Aegypter ihrem Moloch. Ja, Ritter, es ist wohl schandbar, bekehret Euch und seiet als vernünftiger Mensch kein Stein- und Holzanbeter! Da mußt ich laut in die Höhe lachen. Eure Landgräflichen Gnaden ereifern sich gewaltig; aber Geduld, wir wollen das Ding gleich beschauen, obs gar so unvernünftig, wie Ihr vermeinet. Ihr machet Euch ja ebenmäßig Bilder und Statuen von denen Fürsten und großen Kriegsobristen. Warum? zur Nacheifrunge und zum Angedenken, und findet das ganz vernünftig. Aber nit genug, ihr erweiset ihnen ja gleichfalls Ehr. Denn wann ein solches Monumentum gesatzet ist, hangen die Protestirenden nit minder ihnen Kränze und allerlei Verzierunge um, ziehn mit Pfeifen und Trummeln und wehenden Fahnen um das Bilde, und unter Artlereidonner und Fahnenschwenken wird das Bilde feierlich enthüllet! Ist auch nit ein lebend Wesen, besondern ist auch von Holz oder Stein oder Erz. Summa: ich gläub', was die Bilderverehrunge anlanget, seiet ihr eben so tumm, als wir Katholischen, und habet uns Nichtes vorzuwerfen.

Ja, versetzete der Landgraf: wir ehren nit den Stein oder das Erz, besondern den Fürsten oder Kriegsobristen, den es fürstellet.

Und wir Katholiken, Herr Landgraf! ehren auch nit den Stein oder das Erz, besondern den Heiligen, so es fürstellet. Summa: wir seien also beede entweder gleich klug oder gleich tumm; und damit Euch das noch mehr einleuchte; haben Ew. Gnaden schon einen Priester einen Eckstein, oder einen rohen Marmelblock beräuchern und das Volk davor beten sehen? Aber weil Ihr saget, es sei wider die Schrift, den Heiligen Bilder und Statuen zu setzen, so ist das Bilder-Machen an sich nit verboten, besondern nur, sie anzubeten, dieweilen es heißet: »Ihr sollt euch keinen Götzen, noch geschnitzte Bilder machen, um sie anzubeten.« Hat Gott der Herr nit auch ein sichtbar Bilde von sich machen lassen, die Bundeslade mit den zwo güldenen Cherubinen, um alldorten angebetet zu werden? item: hat Gott nit in der Wüsten eine Schlange von Erz ufrichten lassen, damit gesund würd', wer sie anschauete? Ew. Landgräfl. Gnaden sehen also, daß es nit wider die Schrift, Bilder zu machen.

Aber solches wollte der Landgraf verreden; und wann auch diese Bilder gemacht wären, so sei es doch verboten, davor uf die Kniee zu fallen und sie zu verehren, wasmaßen man Gott dadurch die Verehrunge entzöge. Sprich ich: dann sind wohl Josua und die Aeltesten Israels auch Abgötterer gewesen, als sie sich vor der Archen niederwarfen, Josua? 7, 6., item König David ein Abgötterer, weil er die Arche mit großer Pracht einholete und davor tanzete? item Gott selbsten ein Abgötterer, weil er den Leviten schlug, so sie anrührete? item Christus der Herr selbsten ein Abgötterer, da er die Verkäufer aus dem Tempel triebe, weil sie ihn verunehreten? Da wurd mein Landgraf ein wing stutzig; meinete aber, es sei keine Abgötterei gewest, wasmaßen in der Archen Gott selbsten verehret worden, aber die Papisten ehreten nit Gott in den Heiligen Bildern, besondern die Heiligen, und das sei eben die große Abgötterei. So sprich ich: deß ist doch fast wunderbar, wenn wir in den Heiligen nit Gott ehren sollten! Wisset ihr nit, daß geschrieben stehet Psalm 150: Lobet den Herrn in seinen Heiligen, item: wer Euch ehret, der ehret mich? Psalm 150. Lucas X, 16.

Da wurd mein Landgraf stille; vermeinete aber: mit mir sei Nichts anzufangen, und lege annoch in großem Irrthum. Befragete ihn also, und warum denn? er möge mir hierauf doch antworten; aber er ware stille und käme uf was Anderes.

So hatte ich nu wohl schon öfters verspüret, daß er mich behorchete und schlauen Anschlags wie er war, von fernen mich umginge, ob mit mir nit etwan was ufzustellen, und ich ihm etwan ein Loch ließe, wodurch er entwischen müge. Kame immer wieder uf sein schön, herrlich Land zurücke, und was er ein groß Vermögen und Macht besäß, fragete nach meiner Besitzunge, und ob ich etwan reich und begütert? Summa: ich merkete wohl, woher der Wind bliese, und daß er mir ein Specklein wollt uf die Fallen legen; gabe ihm darum immer kurze Antwort und wiche aus, so gut es ginge. Da erzählete er denn auch, wie reich er etliche Grafen und Barone in seim Lande beschenket, vor nur geringe Dienst, so sie ihm geleistet. Er sei überhaupt von Natur gar sehr mildthätig und uneigennützig, und verstünde besser zu lohnende, als der Kaiser. Ja, endlich ruckete er noch teutlicher heraus, als wir uns seiner Greinzen näherten: Wenn sich ein Ritter fänd, so ihn aus der Haft befreiete, würd er es ihm fürstlich lohnen; sölle sich seines Gefallens die beste Grafschaft erküren, mit Flecken, Schlössern und Weilern; denn er hätt deren noch genung von denen ledigen Klostergütern. Uf alle diese Anspielunge ließe ich mir aber Nichts merken, thäte, als verstünde ich nit, was er sagen wolle. Da ruckete er denn immer ungeduldiger hin und her, schaute immer aus der Gutschen und wiese in sein Land hinein, uf die Schlösser und Burgen, die wir von fernen wahrnahmen, und fing immer unverschämter das Geilen an. Da endlich platzete er dick herfür, indem er mich fest bei der Hand fassete und mich freundlichen Blicks anschaute. Ritter, vernehmet ein Wort, es höret uns Niemand nit! Die Nacht bricht herfür, und nach einer Stunden seien wir an der großen Heiden, so in mein Land führet; ich mach Euch zum ersten Grafen meines Reichs; Ihr verstehet, was ich meine, ich schwörs Euch beim allmächtigen Gott!

Ich sollt Eure Landgräflichen Gnaden entweichen lassen? Da sei Gott und seine Heiligen vor, rief ich aus, daß ich dem Kaiser sollt meinen Eidschwur brechen! Herr Landgraf, kein Wort von diesem Handel! und hiemit neigete ich mich aus der Gutschen und befahle den Reitern härter und gedrängter um den Wagen zu reuten, denn ich traute nicht, daß er etwan in der Tunkelheit aus dem Wagen sprünge und entliefe. Mein Landgraf aber knirschete mit den Zähnen, hüllete sich in seinen Filzmantel und sahe stumm vor sich hin. Doch als wir nu in der Heiden ankämen, fing er noch einmal an: Herr Ritter, überlegt's Euch, was ich Euch gesaget! Ich geb Euch nit blos eine Grafschaft, ich geb Euch ein Drittheil meines Reiches, so Ihr mich entweichen lasset! Und gebet Ihr mir Euer ganzes Land, ich wollt meinen Eid nit brechen und mich an dem ungerechten Gut nit bereichern, was Ihr denen Bischöfen und Klöstern abgejaget.

Da hat ich denn Ruhe; aber nu merke man, was weiters geschach, und wie er listig Alles ausersonnen, mich uf seine Seite zu kriegen. Wars ihm nit geglückt, mich durch Augenlust und Hoffarth zu fangen, so band er mir ein ander Stück Specklein uf die Fallen, und vermeinete, ich würde sicher anbeißen. Nu hat der Landgrafe schon bei unserm Ufbruch von Hall ein Brieflein an seine unächte Schwäherin, Perpetua von Saala, zurückgelassen, so ich selbsten noch mit meim Claus hatte an die Jungfer abgeben lassen. Hätte nimmer gedacht, daß dieß Brieflein eigentlich mir gegolten! Und was geschiehet? als wir nit weit weg von Heidelberg, kommet uns ein Rollwagen nachgefahren, und ich trau meinen Augen nicht, als ich Perpetua selbsten aussteigen und für Freuden den Landgrafen umhalsen sehe. Und hätte sie es nit können übers Herze bringen, ihren liebsten Schwäher ohne Verpflegunge in die Gefangenschaft fahren zu sehen, und wäre sie darum ihm nachgereiset, und wie sie sich freue, ihn allhier schon zu treffen, und möge ich ihr doch erlauben, mit in der Gutschen fahren zu dürfen, wasmaßen sie ihm Vieles zu erzählen. So war ich nu nit wing verlegen, was ich thun sollt, als sie mir ein Schreiben von Ihro Königliche Gnade der verwittibten Königin Maria von Ungarn übergabe, und schriebe mir selbe: wie sie es gern sähe, wenn ich ihre Hofjungfer Perpetua von Saala, um den Landgrafen zu pflegen und zu trösten, mitreisen ließe. Was war nu zu thun? ließe sie schweren Herzens also sich zu ihm in die Gutschen setzen und wollte meines Theils den Gaul besteigen, da ich nit geringe in Aengisten war, wiederum in Versuchung zu kommen. Doch hie gings nit; hatt schon viel von Weiberlist gehöret, und durft sie also nit allein lassen, damit sie mir nit entschlüpfeten. Mir aber wallete und wogete mein Geblüte und mein Herz klopfete, als ich endlich doch für gerathen fand, wieder bei ihnen einzusteigen. Betete aber erstlich ein Vater unser und Ave Maria, und satzte mich zu ihnen. Da wußte nu Perpetua gar viel Kurzweiliges zu erzählen, kam auch bald uf unser Schachspiel und hänselte mich, weil ich war matt worden. Mein Landgraf aber schmunzelte dazu, sagte aber nichts, besondern ließe sich die Jungfer fast allein mit mir unterhalten, und ob ich noch so kurzsilbig war und fast nur mit Ja und Nein antwortete, wußte sie doch allerlei Schmeichelhaftes fürzubringen. So wurd ich denn mählig doch wieder berucket, daß ich ein fast heimblich Wohlgefallen an der schönen Jungfer hatte, und wurde ich wohl roth wie ein Scharlach, da mir alles Geblüte ins Antlitz stiege; summa: es flimmerte und flunkerte mir balde vor Aug und Ohr, daß ich nichts mehr sah, nichts mehr hörte, als die Jungfer, und ich in der Umstrickunge meiner kaum noch mächtig war.

Horch! da klunge über den nächsten Tannenbusch das Abendläuten von einem Dörflein herüber, just als wir vor einem Marienbilde fürüber fuhren, das gar golden und feurig in der Abendsonnen funkelte. Das riefe mein Herze wieder wach, zog mein Birett vom Haupte und betete den englischen Gruß. Aber auch Perpetua faltete ihre weißen Händekens auf der Brust, schaute mit ihren blauen Augen fromm in die Ferne, leisam den Angelus Domini lispelnde.

Solches gefiel mir nu wieder an der Jungfer, daß sie auch den englischen Gruß annoch betete, und hatt ich den Teufel der Finsterniß eben an der Schwätzhaftigkeit entwahret und hatte ihm entweichen wöllen, so wurde ich nit entwahr, daß er sich in einen Engel des Lichts verkleidet. Summa: ich saße schon wieder halb in der Umstrickunge, zumalen sie alsbald uf die Religion käme, und wie es ihr am meisten an der lutherischen Lahr mißfiele, daß sie der seligsten Jungfrau nit sonderlich gedächten.

Aber ich hütete mich doch, als wie sehr ich konnte, und acht ich wohl, daß die Mutter Gottes mir beistand, und da mir der Kopf wehe wurde, entschuldigte ich mich von wegen meines Schweigens, und kämen wir denn endlich zur Nachtherbergen, wo wir einkehreten.

Hier war aber nur ein Zimmer vor uns, und obwohl ich sollt beim Landgrafen schlafen, entschuldigte ich mich wegen seiner Schwäherin und legete mich in meinen Mantel gehüllet, draußen auf der Erde uf eine Schitte Stroh mit meinem Claus. Die Schildwacht aber stunde, wie vorbemerket, innen und draußen. Diese Nacht aber hielte ich wegen der Perpetua es nicht, wie der Kaiser befohlen, mit dem Trummeln; ginge aber selbsten oftermalen uf den Hof und in die Ställe, wo die Landsknecht waren, und hieße sie uf der Hut sein. Nu hatte Perpetua schon gen Nächten geklaget und auch einen warmen Trunk bestellet, weil ihr nit wohl sei, und müsse sie sich wohl verkältet haben, und hörete ich sie in der Nacht auch leise wimmern und in der Stuben umher gehen. So gedachte ich denn nit Böses, als gen Mitternacht sich die Thüren öffnet und es uf den Söller tritt; denk es ist Perpetua, so heraus will, und geb der Schildwacht Befehl, sie passiren zu lassen, und kommet es auch leisen Trittes im Weiberhabit, wie ich in der Dämmerung verspüren konnte, an mir fürüber gewischet. Aber Claus war auch wach worden, und wie er denn Augen wie ein Falk hätte, raunet er mir zu: Gestrenger Herr; das war nit die Jungfer! So springe ich denn gleich uf die Beine und hintennach. Seids Ihr Jungfer? lispelt es fast fein: ja, ich bins, lasset mich, – und will fort. Aber Perpetua war mir zu groß und stark, fasse es also am Arme und rufe: Herr Landgraf! und richtig, es war der Landgraf. Hatte sich dieser Fuchs die Kleidung der Perpetua angeleget und wollte entwischen.

Herr Landgraf, Ihr entwischet nicht, oder ich stoße Euch mein Schwert durch den Wammst! Er will sich entwinden, aber da sprunge schon die Schildwacht mit der Helleparten gegen ihn, und mußte sich der Fuchs, um nit ins Eisen zu laufen, gutwillig fahen lassen. Knirschete vor Wuth, als wir ihn in sein Gemach führten und die Thüren verschlossen; wachte, das sollst du nit zum Zweiten probiren! So mußt denn nu am andern Täge Perpetua, so sehr wie sie bate und weinete, sie mitfahren zu lassen, wieder uf den Rollwagen, und bedräuete sie, sich nit mehr vor Donawerth zu dem Landgrafen zu gesellen, anerwogen sie Schuld daran, daß der Landgraf hätt entweichen wollen. Aber das wollte sie mit Nichten wahr haben, und wisse sie von Nichts, besondern hätt geruhlich, nachdem die Schmerzen durch den warmen Trunk sie verlassen, geschlummert, und wäre erst wach worden, als es draußen geschrieen und wir den Landgrafen wieder hineingebracht; müsse sich heimblich und unvermerkt verkleidet haben, summa: was sie sonsten schwätzete. Ich aber satzte mich wieder zu meinem Landgrafen, und fuhren wir unserer Straßen weiter gen Donawerth, wo wir denn auch sonder Ebentheuer anlangeten, und ich den Landgrafen nach Befehl dem spanischen Obristen Don Juan de Brenarre überlieferte.



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