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Im Reich der Verkrachten

Vollendete Tatsachen üben einen unleugbaren Zauber aus. Daher verraten manche fremde Beobachter der deutschen Ereignisse schon jetzt die Neigung, ihre Auffassung zu ändern. Das Regime besteht nun einmal, und es sucht sich festzusetzen: infolgedessen tritt es für sie an die Stelle Deutschlands. Sie gewöhnen sich, die Hitler-Diktatur, nur weil sie da ist, als den berechtigten Ausdruck dieses Landes hinzunehmen. Sie soll sogar bis heute sein vollständigster sein. Nicht einmal das Kaiserreich soll sein Wesen so lückenlos aufgezeigt haben. Die Republik dagegen, die der Diktatur vorausging, wäre hiernach nur eine Halbheit gewesen, ein Ausfluß von Furcht und Heuchelei.

Erst jetzt meint ein solcher Zuschauer, der wahren Selbstenthüllung der deutschen Nation beizuwohnen. Ihre ganze Vergangenheit bekommt in seinen Augen einen einheitlichen Sinn, mit dem Rassenstaat als letzter Verwirklichung.

Nun ist es vollauf berechtigt, wenn man sich ein so unsicheres Wesen wie die deutsche Nation ganz genau ansieht. Schon früher fand man reichlich Grund, ihm zu mißtrauen, und jetzt endlich versteckt es sein wahres Gesicht nicht mehr. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß die betreffende Nation die Mitte des Kontinentes einnimmt. Ohne sie kann es keine europäische Politik geben, besonders aber nicht das geeinte und befriedete Europa, das allen vorausblickenden Geistern unabweisbar erscheint. Auf ihm beruht die Zukunft der westlichen Welt. Eine andere hat sie nicht.

In Deutschland allerdings ist eine Minderheit zur Macht gelangt und erhält es dauernd im Bürgerkrieg. Andere unterdrücken und ihnen das Wort verbieten, das ist nicht in Friedenszeiten üblich, es bedeutet Kriegszustand. Man fühlt sich offenbar als Eroberer, wenn man Gegner einkerkert, andere Gegner zur Flucht ins Ausland oder in den Tod treibt, wenn man die meisten zu einer scheinbaren Unterwerfung zwingt oder aber sie verrückt macht mit einer Propaganda, die System hat und dennoch ganz aus Rand und Band ist. Grade die Notwendigkeit einer solchen Propaganda beweist zweifellos den Kriegszustand des Landes. Die Wahrheiten des Regimes müssen auf schwachen Füßen stehen und äußerst strittig sein, wenn ein beispielloser Apparat in ihren Dienst gestellt wird. Die einfache Wahrheit, der ein allgemeines Interesse entspricht, hat noch nie eines solchen Aufwands an Lärm bedurft, um durchzudringen.

Wer das gegenwärtige Regime als eine Enthüllung und als etwas Endgiltiges ansieht, sollte doch bedenken, daß es der genaue Gegensatz ist zu Daseinsbedingungen, die Frieden und Menschlichkeit atmen; und die ersehnen die meisten Zivilisierten, die deutschen nicht ausgenommen. Mag der Augenschein gegen Deutschland sprechen, man darf doch der Hitlerei nicht die Ehre einräumen, als verkörperte sie die deutsche Seele. Sonst müßte man damit rechnen, daß in der Mitte Europas eine Nation sitzt, die mit ihrer ewigen Widerspenstigkeit seine Wiederherstellung ein für alle Male vereitelt.

Das ist nicht bewiesen, und man kann sich leicht vom Gegenteil überzeugen. Da ist zum Beispiel der wohlbekannte Stimmungsumschwung in Österreich. Dort war die reichliche Hälfte der Bevölkerung für den Anschluß an Deutschland gewesen, solange Deutschland eine Republik war. Seitdem will niemand mehr etwas davon wissen, nicht einmal die österreichischen Faschisten. Nun betrachtet sich aber dies Land als den zweiten deutschen Staat, und ungeachtet einer gründlich abweichenden Geschichte sind Österreicher und Süddeutsche doch nahe verwandt. Es ist unglaubhaft, daß jene fast einmütig die Hitlerei ablehnen würden, wenn sie in ihr etwas wahrhaft Deutsches sähen.

Daraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß Bayern genauso gehandelt hätte; nur war es nicht frei und ist überwältigt worden. Das katholische, demokratische Land wurde von den Banden der Rassenfanatiker gefesselt und ausgeplündert. Inzwischen standen Wachen mit aufgepflanztem Bajonett an den Betten der schwer verwundeten Minister. Die Hitlerleute behaupten, in Deutschland sei Revolution gewesen. Ach nein, es war eine Eroberung. Es war die gewaltsame Unterwerfung eines Volkes, das keinen Widerstand mehr wagte.

Denn die Gewalt in Reden und Taten wütete schon zu lange, an Gegenwehr dachte längst niemand mehr. Auf die Machtergreifung Hitlers war man im voraus gefaßt gewesen, sie erschien wie das Verhängnis. Die Massen waren hypnotisiert von dieser Propaganda. Die republikanischen Führer aber, die nicht Schluß mit ihr gemacht hatten, als sie es noch konnten, verloren zuletzt sogar die Achtung voreinander. Die Republik ertrank, ihr ging die Luft aus. Das ist schwer zu verstehen, wenn man die letzten Monate der Republik nicht miterlebt hat. Man versetze sich in einen Geisteszustand, der keine Hoffnung mehr zuläßt, aber an das Ärgste will auch niemand glauben. Die Menschen starren tatenlos der Katastrophe entgegen, und ihr Gefühl ist trotz allem, bis zur letzten Minute, das der Verachtung!

Noch sehe ich sie beisammen in einem Berliner Hause, die Minister, Parlamentarier, Schriftsteller, alle gezeichnet als Opfer einer wilden Gewalt, die heraufdrängte, schon die Krallen nach der Macht ausstreckte und den Zugriff nicht mehr erwarten konnte. Sie selbst hatten die kommenden Ausschreitungen heraufbeschworen, grade weil sie so zivilisiert waren, grade weil sie nur Verachtung hatten für blinde, barbarische Kräfte. Jetzt kam ein ekelerfülltes Lachen sie an, oder auch eine plötzliche, späte Empörung. Der eine überließ sich einem widersinnigen Optimismus, ein anderer war sogar neugierig. Was sollte eigentlich los werden? Darauf brauchten sie nicht mehr lange zu warten.

Die Republik mußte unterliegen, weil sie ihren Feinden alle Freiheiten gelassen hatte, sich selbst aber keine einzige herausgenommen hatte. Sie hatte die Massen für sich gehabt und hätte sie behalten, sie brauchte nur zu wollen. Sogar ihre Untätigkeit entfremdete ihr nur nach und nach ihre Mehrheit, und als die Hitlerei schon an der Macht war, blieb sie immer noch in der Minderheit, solange bis sie sich zur glatten Gewaltanwendung entschloß. Das Zeichen war der Reichstagsbrand. Ohnedies hat die Diktatur keine Verwendung für das Gebäude.

Die Tatsache, daß so gewaltsam vorgegangen werden mußte, spricht auch wieder dafür, daß das Volk eben nur mühsam und künstlich zu erobern war. Die entfesselte Propaganda hatte es noch nicht genügend vorbereitet auf eine solche Wirtschaft! Zuerst mußte es dahin gebracht werden, daß es unwiderrufliche Niederträchtigkeiten selbst beging. Die Jagd auf Juden war eine Schändlichkeit, die zum Volksfest wurde, mit Ausstellungen und Gebrüll. Deutsche Schande waren die Masseneinkerkerungen, Folterungen und Morde, die Absetzungen und Verfolgungen der Republikaner, die Marxisten genannt wurden, und aller denkenden Menschen links, denen man den Namen Kulturbolschewisten anhängte. Angefangen aber hat mit dem allen nicht das deutsche Volk. Die sind schuld, die es dringend nötig hatten, dies Volk gemein zu machen, damit es endlich bei ihnen selbst anlangte!

Das ist der Sachverhalt. Gewissenlose Individuen hatten sich zusammengefunden, um Mißbrauch zu treiben mit den schlecht bewachten öffentlichen Freiheiten. Außerdem hatten sie sich die Krise zunutze gemacht, und von ihr war noch mehr die Seele des Volkes ergriffen als seine Wirtschaft. Mit diesem Volke konnte man alles anfangen. Man kann es mit jedem anderen Volk auch, in Zeiten, da es sich ratlos und mit sich selbst nicht im reinen fühlt. Gradesogut hätte man es auf den Weg menschlichen Wohlwollens hinleiten können. Ich kenne es zeit meines Lebens und kann versichern, daß es der Güte fähig ist wie nur irgendeine andere Nation. Die ersten Zeiten der Republik brachten mir dies ergreifend nahe. Damals bestand zwischen den Klassen der Gesellschaft, zwischen der bewaffneten Macht und den Bürgern ein Vertrauen, das dieses Land noch nie gekannt hatte.

Gierige, bösartige Individuen fanden sich, behufs Zerstörung einer in Bildung begriffenen Demokratie. Sie kamen diesem Land lieber vermittels des Hasses bei, und der lag ihnen auch besser. Denn bei ihnen handelte es sich um Verkrachte. Das muß im Auge behalten werden. Keiner von ihnen hatte in seinem ganzen Leben etwas Nützliches gearbeitet. Keiner von ihnen hatte die geringste Aussicht, zu etwas zu kommen, außer, wenn er zerstören und hassen durfte. Sie hatten weder Talente noch Erfolge aufzuweisen, ihnen wäre nichts übrig geblieben als zu versumpfen. Ihr erbärmliches Dasein grenzte schon an die Unterwelt. Und grade ihre persönlichen Rachegelüste, grade ihr giftigster Neid sind die Quelle ihrer Kraft. So traurig es ist, damit konnten sie eine ganze Nation in einen Zustand versetzen, daß sie den allgemeinen Widerwillen erregte. Zur Verteidigung meines Landes stelle ich fest, daß vor allem sie ihn verdienen. Sie allein sind verantwortlich.

Man blicke auf ihre Taten! Diese Sieger benehmen sich wie Verkrachte, so regellos und krank. Nichts wissen sie davon, daß Maß und Voraussicht geboten sind, wenn eine endlich erlangte Stellung zu etwas dienen soll. Gewöhnlich ändert sich das Bild, sobald ein Agitator es bis zum Staatsmann gebracht hat. Diese Brüder bleiben auf dem Gipfel der Allmacht, was sie auch schon während ihrer elenden Anfänge gewesen waren: Haßsüchtige. Wenn sie den »Marxismus« zerstört haben, zerstören sie ihn nochmals. Menschen, die mehr wert waren als sie, haben sie zugrunde gerichtet, haben sie zum Selbstmord getrieben, machen dauernd so weiter, und das ist alles. Darin besteht all ihre Macht.

Sie denken nicht daran, die von ihnen aufgehobene Ordnung wiederherzustellen. Ihre Gewalttätigkeiten werden nur immer irrsinniger, jeden Tag erfinden sie neue, und nichts weiter werden sie je erfinden. Da wird beschlagnahmt und enteignet von Leuten, die sich Antimarxisten nennen. Dann sind sie also Diebe. Sie vergreifen sich am Privateigentum und bilden sich ein, die Zugriffe ließen sich beschränken auf ihre politischen Gegner. Aber die Luxusautos, nach denen sie schielen, und die fettesten Bankguthaben gehören keinen Marxisten. Es ist nicht aufzuhalten, daß Haß und Gier, die sie zur Grundlage ihres »Systems« gemacht haben, Gift einführen in alle Beziehungen von Mensch zu Mensch, ohne Unterscheidung von Rasse und Partei. Man denunziert als verdächtig ganz gewöhnliche Konkurrenten, die man loswerden will.

Der Einfall, der sie persönlich am besten zeigt wie sie sind, ist der Scheiterhaufen zum Verbrennen von Büchern, die sie selbst nicht hatten schreiben können. Zusammengefaßt war das eine ganze Geisteskultur, sie aber waren ausgeschlossen von ihr, infolge Unbegabtheit. Verkrachte! Die dürfen sich endlich rächen für alles vergangene Ungemach. Er war nicht zugelassen worden unter die bekannten Schriftsteller, der winzige Literat, der als Minister dann alle seine angesammelten Mißgefühle auspackte. Er redete angesichts der brennenden Arbeiten derer, die ihm so lange den Weg versperrt hatten. Künftig werden die Bühnen ihn allerdings spielen müssen, und wehe dem Publikum, das nicht herbeiströmt und klatscht!

Schamlos in solchem Ausmaß ist man nur bei Geistesstörungen, und die treten denn auch deutlich hervor an allen diesen Verkrachten, seit sie aus dem Dunkel tauchten. Einer hatte sich zum voraus amtsärztliche Atteste verschafft und sich seine Unverantwortlichkeit bescheinigen lassen. Dieser Mensch konnte nach amtlichem Zeugnis seine paar Gymnasiasten nicht mehr unterrichten, jetzt aber kann er plötzlich das ganze Erziehungswesen umgestalten und die Akademien säubern. Dann ist da einer, der schon mal wegen Geistesgestörtheit interniert war. Der ist jetzt der starke Mann der Bande. Seine Nächte verbringt er an einem schwarz bezogenen Tisch, zwischen zwei Kerzen, und hinter ihm hängt ein echtes Richtschwert. Literatur fünften Ranges, und das blüht, das herrscht!

Ein Spezialist, der übrigens national gesinnt war, hat ein bekanntes Gutachten abgegeben über den Führer der ganzen lieblichen Gesellschaft, über seine Schlechtrassigkeit und den mangelhaften Betrieb seines Hirns. Lassen wir das, es ist ohnehin klar, daß gewöhnliche Abenteurer bei einiger geistiger Gesundheit wenigstens keinen normwidrigen Verkehr mit der Unterwelt treiben würden. Als Regierungsmänner würden sie von ihren Kumpanen einige abschütteln, zum mindesten die gemeinen Verbrecher. Sie dagegen machen sie zu Polizeipräsidenten.

Denn Morde werden legal dadurch, daß der Mörder ihrem Ring angehört. Mord gehört nach ihren Begriffen zur Reinigung der Rasse, mit eingerechnet die Unfruchtbarmachung ihrer Feinde.

So ist denn auch in den Reden und Sitten des armen Landes die Unmenschlichkeit große Mode geworden, und Hohn trifft die Selbstmörder, die offenbar keine dicke Haut hatten. Die wirklich anständigen Menschen ertragen das Leben nicht mehr in einem Deutschland, das in die Hände der Unterwelt gefallen ist. Man setzt seinen Namen auf die endlose Liste derer, die lieber fortgehn für immer. Inmitten eines Landes aber, das nur noch ein Leichenhaufen ist und auch so riecht, ergeht sich die triumphierende Bande in Spiel und Scherz. Sie gönnt sich allerlei, sogenannte Nationalfeste und Belustigungen wie bei Menschenfressern. Alles ist ihnen recht, nur sehen soll man sie, ganz vorn.

Nun, dann seht sie euch an! Vergebens würdet ihr unter den Männern vom Tage einen einzigen suchen, dessen Art etwas aufweist von der vorhandenen Geistigkeit dieses Landes und seinen einstigen Errungenschaften in Philosophie und Moral. Unter der Republik standen Menschen, die dies vertraten, an sichtbarer Stelle! Deutschland ermangelt ihrer nicht! Hier aber tragen die Gesichter nur die Spur übler Leidenschaften und des Verbrechens. Gefühllosigkeit breitet Leere über die Züge der einen, und andere sind zerwühlt von Hysterie. Man bekommt den Eindruck, daß doppelt starke Kinnladen zum Eintritt in das Rassenreich berechtigen, daß aber die tierische Fresse alle Symptome des Verfolgungswahns aufweisen muß, damit einer zu Ehren aufsteigt. Der Rassenstaat ist weiter nichts als die Auslese der Minderwertigen.

Seht euch alle an, die im Reich der Verkrachten den Kopf hoch tragen und die anderen zertreten dürfen. Deutschland holt jetzt seine Bestien und seine Verrückten hervor. Seht sie euch gut an, und dann sagt noch, man müsse Deutschland nehmen wie es ist, und das sei Deutschland!


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