Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII.

Kathi, die Glückliche, mußte alsbald mit Kummer bemerken, daß die sonst so kindlich ausgelassene Pepi, die eine drollige Mischung von Backfischmutwilligkeit und gesuchter Primadonnen-Würde, von unbewußter Natürlichkeit und angelernter Theatralik verkörperte, seit einiger Zeit kopfhängerisch wurde. Die mädchenhafte Frische war schier über Nacht gewichen. Sie war still, in sich gekehrt und hatte zuweilen leicht gerötete Augen, als ob sie geweint hätte.

Den scharfen Augen Kathis entging diese Veränderung nicht.

»Ist dir was? Du hast ja ganz rote Augen?!«

»Das ist vom Zug. Laß mich in Ruh; was soll ich denn haben?«

Aber etwas war nicht in Ordnung. Das erste Auftreten als Konstanze war glücklich überstanden, sie hatte, wenn auch keinen stürmischen, aber immerhin ganz anständigen Erfolg und konnte zufrieden sein. Kathi, die sie auf dem ersten Schritt zur Bühne begleitete, die oft Verzagende und Widerspenstige mit fester Hand ans Ziel führte, war, wenn auch indirekt, Mitkämpferin, Mitleidende und Mitsiegerin gewesen. Es hatte Anfechtungen, Ärgernisse, Kulissenstreit, innere und äußere Hemmnisse genug gegeben – der Weg zur Bühne ist nicht mit Rosen bestreut –, aber schließlich hat man sein bißchen Ellbogenkraft und ein gar flinkes, schlagfertiges Mundwerk nicht umsonst bekommen. Man hatte sich redlich durchgesetzt und das war just kein Grund zum Weinen. Was also war geschehen?

Nichts herauszubringen war aus der Verstockten. Dagegen sprach sie gerne vom Auf- und Davongehen, von Engagements im Auslande, vom Glück-in-der-Ferne-suchen; tatsächlich unterhandelte sie mit ihrem Gesangsmeister Siboni, der ihr eine Tournee nach den europäischen Fürstenhöfen vorschlug und goldene Berge versprach.

Aber auch Netty war ohne sichtbare Ursache verstimmt. Sie wurde stänkerisch, suchte Händel, Kathi konnte ihr nichts recht machen. Die trotz allem gutmütigen Streit bestehende schöne Eintracht der drei Schwestern schien in die Brüche gehen zu wollen.

Da stieg der guten Kathi ein Licht auf.

»Aha,« tippte sie mit dem Zeigefinger an die Stirne, »sie vergönnen es mir nicht!«

Sie war ganz von diesem Gefühl beherrscht und gab keiner ruhigen Überlegung Raum. Es lag nicht in ihrem Wesen, die Dinge von zwei Seiten zu betrachten. Blindlings überließ sie sich ihrer Eingebung und setzte sich in Kampfstellung zurecht. Mit einemmal glaubte sie eine Menge Beweise zu erkennen, die ihre Vermutung bestätigten. Was sollten die abfälligen Bemerkungen, die Pepi in letzterer Zeit über Franz fallen ließ, anders bedeuten?

»Einen Bräutigam stell' ich mir auch anders vor,« hatte Pepi höhnisch fallen lassen. »Feuriger, aufmerksamer, liebevoller. Der macht ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.«

»Und grantig ist er wie ein altes Weib,« hatte die quecksilberhaft bewegliche Netty in dem schönen Duett gesagt. »Man möcht ihm das Blut ein bissel aufriegeln können. Wie wird der erst in der Ehe sein, wenn er jetzt schon kalt ist wie ein Fisch? Mir wäre er zu langweilig.«

Und das hatte sie ruhig lächelnd angehört, ohne an Arges zu denken! Jetzt aber erschien ihr diese Ahnungslosigkeit geradezu sträflich, und eine wilde Lust überkam sie, den Schwestern das Schändliche ihrer Gesinnung vorzuhalten und sich auf diese Weise Genugtuung zu verschaffen.

»Wartet nur!« drohte sie rachesüchtig. »Das wird euch heimgezahlt!«

Zündstoff war genug im Haus. Der offene Streit konnte jeden Augenblick in Flammen hervorbrechen.

Sie fühlte sich ordentlich gehoben wie eine Märtyrerin des Glückes und eine Heldin, die sich für ihren Geliebten in die Schanze schlägt. Sie konnte bei Halbheiten nicht stehen bleiben, und selbst im Irrtum ruhte sie nicht, bis das Ganze getan war.

Bevor sie aber den Racheweg betrat, mußte sie sich hinsetzen und über die arglistigen Schwestern einmal ordentlich ausweinen.

Wer hätte es gedacht, daß gerade die ihr Glück zerstören mochten, denen sie das Herz hingegeben hätte, um jeden ihrer Wünsche zu erfüllen! Es tat ihr wohl, sich recht nach Seelenlust unglücklich wähnen zu können. Eine solche Erleichterung hatte sie schon lange nicht gefühlt. Nachdem sie sich satt geschluchzt und wollüstig in eingebildeten und wirklichen Schmerzen herumgewühlt hatte, war sie entschlossen, aus der Dulderpose zum Angriff überzugehen.

Die versalzene Suppe bot den willkommenen Anlaß.

»Die Kathi hat natürlich schon wieder d' Suppen versalzen,« brummte die Netty.

»Da kennt man halt d' Verliebtheit,« stimmte die Pepi ein. »Eine versalzene Suppen sollen d' Verliebten essen, ich nöt.«

Da schmiß die Kathi schon den Löffel hin und sprang auf, bleich und bebend vor Zorn. Nun war Feuer am Dach.

»Hab's satt, euere Sticheleien,« keuchte sie, »glaubt ihr, ich hab eueren Neid nicht schon lange gemerkt?!«

Jetzt sprangen auch die beiden anderen auf,

»Neid?!«

»Ja, Neid! Neidig seid ihr mir um das bissel Glück! Wie hab ich euch durchschaut, ihr Falschen, Hinterlistigen! Diese heimliche Flennerei, dieses lange G'sicht, als ob euch die Hendeln das Brot wegg'fressen hätten. Die Giftigkeit euerer Reden hab ich lang genug ertragen, jetzt muß es heraus. Verstellt habt ihr euch, und ausgewichen seid ihr mir, wenn ich euch in Angst und Kummer g'fragt hab, was euch fehlt, weil ihr euch hättet schämen müssen, die Wahrheit zu sagen, die ich euch ins Gesicht geschleudert hab. Ja, ja, der Neid frißt euch auf! O, was war ich denn für ein guter, dummer Narr, daß ich das nicht früher erkannt hab!«

Aber auch die anderen waren nicht mundfaul und wetzten gehörig den Schnabel. Alle drei schrien durcheinander, überhäuften sich mit Schmähworten und Schimpfreden und führten mit zäher Unerbittlichkeit den Kampf, der die Grazien in Furien verwandelte. Sie waren alle drei heißblütig und temperamentvoll und legten die Worte nicht auf die Goldwage. Nachdem der Sturm im Hause unter Blitz und Donner stundenlang gewütet hatte, löste sich die Gewitterspannung in Wolkenbrüchen, in Tränenwolkenbrüchen.

Pepi war die erste, die der Kathi um den Hals fiel, und sie unter stoßweisem Schluchzen beschwor: »Es ist ja nicht wahr! Ich hab's doch nicht bös gemeint! Brauchst doch nicht bös sein, wenn wir ihn auch gern habn!«

Jetzt dämmerte der stürmischen Kathi erst die ganze Wahrheit auf, die sie zwar dunkel geahnt, aber zuvor nur in schiefer Beleuchtung als Zerrbild erschaut hatte.

Die Tränen stockten augenblicklich, und sie fragte mit rotgeschwollenem Gesicht ganz ernsthaft: »Ist das wahr? Du hast ihn wirklich gern? So gern – wie ich?!«

Auch die Netty heulte: »Nun ja, wir haben ihn halt alle gern!«

»Du darfst es nicht wieder mißverstehen, Kathi,« ließ unter Schneuzen und Weinen Pepi wieder hören; »einer anderen tät ich ihn gleich abspenstig machen, denn ich könnt's nicht ertragen, daß ihn eine andere kriegen soll. Dir aber vergönn ich ihn von Herzen, du bist die einzige, die ihn verdient, und wenn du ihn hast, dann – dann gehört er ja auch ein bissel uns allen.«

»Man wird doch noch ein Wort über einen Menschen sagen dürfen,« weinte wieder die Netty. »Man tut's doch nur, weil er einem nicht gleichgültig ist. In Wahrheit wollen wir doch nichts, als dir helfen, ihn recht glücklich zu machen!«

Linder flossen die Tränen nach diesen Geständnissen, und in erneuter Eintracht hielten sich die Schwestern umschlungen, drei Parzen, die sich zu jener Einzigen verdichteten, die das Schicksal des Auserwählten mit Blumen aus dem Garten der irdischen Leiden und Freuden bekränzt.

In dieser Verfassung überraschte Wettl ihre drei Schwestern. Die Bognerin ließ sich den Hergang erzählen und rief in ihrer Urwüchsigkeit aus: »Jessas, Jessas, seids ös Viecher!«

»Is eh wahr, mir san Viecher!« sagte ein schöner Mund nach dem anderen.

Auf den gewitterreichen Tag folgte ein mildversöhnter Abend, der dankbar und erquickt auf das Unwetter zurücksah, das die Luft gereinigt und trotz aller Aufregung Segen gebracht hatte.

Grillparzer war gekommen, der selten mehr einen Tag lang ausblieb, und der fern verrollende Schmerz löste sich in Musik, Gesang, Lachen und alldurchdringender Liebe.

*

Wenn Franz kam, brauchte er immer eine gewisse Zeit um aufzutauen, ehe er gesprächig wurde. Er trug schwer an dem Alltag, war ganz eingewickelt von Z'widrigkeit, stöhnte und schimpfte über seine Amtstätigkeit, ganz besonders aber über seinen neuen Vorgesetzten, den Theaterhofrat Fuljod, mit dem er kein Auskommen fand. Spaun hatte nicht zu viel gesagt, als er ihn warnte.

»Warum denn schon wieder so z'wider, Grillparzer?« lautete die teilnehmende Frage der Schwestern, die den Unglücklichen samariterhaft trösteten, mit Ausnahme von Kathi, die mit ihm weniger wehleidig umging.

»Soll man nöt z'wider sein,« raunzte der Dichter, »dieser elende Fuljod! Komödiant auf dem Bureau und Hofrat im Theater! Neulich sagte er zum Korntheuer, der ihn um die Regisseurstelle bittet: ›er soll nur warten, bis er sich in die Rolln recht einig'fressen hat ...!‹ Ein Karrenschieber hat mehr Bildung und Fähigkeit. Die ›Medea‹ soll auf sein Betreiben vom Spielplan abgesetzt werden, weil sie angeblich keine Zugkraft mehr hat. Alberne Komödien von Kotzebue werden gepflegt, und in der Oper überwiegt das Ballett – aus dem einfachen Grund, weil's dem Herrn Hofrat besser g'fällt. ›Nur immer fidel, Kinder! Fidö-öl!‹ In dieser Tonart geht es den ganzen Tag fort. Und vor diesem Scheusal liegen alle anbetend im Staub, Künstler, Schauspieler, Sängerinnen, wie vor einem Götzen. Ekelhaft, ekelhaft! So sehen die Menschen aus, die das Kunstleben auf unseren Bühnen beherrschen. Bin heut schnurgrad zum Minister gelaufen wegen der ›Medea‹ ... die Nasen für den Tragödien- und Komödien-Hofrat ist schon unterwegs ... Der Stadion hat mir's mit der Versetzung gut gemeint, aber er hat mich halt aus dem Regen wieder in die Traufen gebracht!«

So klagte der Dichter, er hatte ein rechtes Kreuz. Oder er war in ein tiefes Schweigen gehüllt, das sich nur langsam löste; noch ganz zurückgewendet in dem Schauen und Horchen nach innen und erfüllt von den großen Gesichten seiner Dichtkunst, jener anderen Welt, in der er sich wohler fühlte, als in dieser Wirklichkeit. In diesen zwanziger Jahren, die voll Sang und Klang waren, und dazu in einem Hause, wo die Musik den eigentlichen Lebensinhalt bildete, konnte es nicht ausbleiben, daß auch Franz sich wieder mit Leidenschaft dem Klavierspiel zuwendete, das er in früher Jugend schon betrieben, dann aber jahrelang liegen gelassen hatte. Die Schwestern hatten alsbald auch entdeckt, daß er eine schöne, wohlklingende Singstimme hatte und nahmen ihn sofort in die Lehre. Nun bildete außer dem Herzensbündnis auch die Musik einen fest umschlingenden Knoten, dessen Bandträgerinnen alle drei Schwestern waren. So hatten alle drei ein Mittel, sorgend um ihn tätig zu sein.

Gespielt und gesungen mußte täglich sein, wenigstens eine halbe Stunde, dann erst war er genesen und seinen Lieben zurückgegeben. Aber auch dabei ging es mit der zunehmenden Vertraulichkeit nicht ohne scherzhaften Streit ab. Da saß er gewöhnlich nach der kurzen Begrüßung neben Kathi, schimpfte über dies und das, was ihm der Tag zugebracht, schilderte in drastischen Worten seine neuen Zusammenstöße mit Fuljod, dem er unverhohlen seine Verachtung bewies, gab sich dann einen Ruck, wie um sich zu befreien und rief: »Nettl, komm, setz dich her, spielen wir vierhändig! Aber acht geben!«

Sie fangen zu spielen an, aber er kann nicht Takt halten. Er spielt bald schneller, bald langsamer. Ganz wie es ihm in den Sinn kommt, das Spiel verwirrt sich. Jetzt ist der Teufel los.

»Ihr könnts ja alle miteinander nix,« schreit er, »heiliger Beethoven, so lassen sie seine Feuerseele unters Klavier fallen! Ihr habts ja alle zusammen nicht einen Funken Temperament!« Darüber wird er fürchterlich ausgelacht und wie ein ungebärdiger Schüler von der beweglichen Netty ermahnt, auf das Zeitmaß zu achten.

Da wird er erst recht aufgebracht, ringt am Klavier in drolliger Verzweiflung die Hände: »Zeitmaß? Ich bitt euch, schaffts mir die Person vom Hals, die bringt mich noch um mit ihrem Phlegma! Sie mordet mich mit ihrem phlegmatischen Zeitmaß!«

Dann wird gesungen.

»Do re mi fa sol la si.«

Die Skala wird zehnmal, hundertmal wiederholt.

Immer wieder verbessert Netty einen falschen Ton: »Sol la si!«

Trotzdem singt er wieder falsch: »Sol la si!«

»Faaalsch, Grillparzer, nicht knödeln, den Ton schön hinaufsetzen, etwa so: ›Sol sol sol la si!‹ Also nochmals!«

Da bäumt er sich schon wieder auf.

»Was? Ich? Falsch singen? Ös singts falsch! Sol la si! Na, hab ich nicht g'sagt, daß der Ton falsch ist?! Jetzt wiederhol ich's hundertmal und sing's noch alleweil falsch. Wer hat d' Schuld? Ich hab d' Schuld? Ös habts d' Schuld! Laßts euch s' Lehrgeld z'rückgebn! Keine Noten rühr ich mehr an!«

Aber am nächsten Tag bettelt er schon wieder: »Komm, Nettl, spielen wir was vierhändig oder singen wir!«

Und die Langmut und Liebe der Schwestern ist unerschöpflich.

Das Verlöbnis zwischen Kathi Fröhlich und Franz Grillparzer konnte nicht lange verborgen bleiben, obzwar die beiden mit ihren Erklärungen sehr zurückhaltend waren. Sie standen zu sehr im Mittelpunkt des Interesses und waren von Neugier und Klatschsucht zu dicht umgeben, als daß sie ihr Geheimnis vor der Öffentlichkeit hätten hüten können. Die Gesellschaft beschäftigte sich mit dem Ereignis und die Wirkungen davon blieben nicht aus.

Zunächst hatten die Schwestern das Ärgernis, daß die junge Marie von Piquot, die eine Schülerin Nettis war, sofort ihre Stunden aufgab, und daß mit ihr der ganze Piquotsche Kreis abfiel.

Im Hause Fröhlich glaubte man die tiefliegenden, uneingestandenen Beweggründe zu erkennen, und man trug den Verlust leicht, ja sogar mit einer gewissen heimlichen Genugtuung, die als verborgene Süßigkeit in dem bitteren Kelch lag. Der Fall wurde natürlich sofort mit Grillparzer erörtert und zog dann erst weite Wellenkreise.

»Sie leidet an fremdem Glück,« erklärte kurz die resolute Kathi, »sie kann's halt nicht verwinden.«

Grillparzer, der nicht ahnte, was sie nicht verwinden konnte, ergriff die Partei der Abwesenden.

»Das sieht ja grad so aus, als ob sie eine scheelsüchtige Person wär',« protestierte er, »das kann ich nicht glauben. Sie ist mir als ein feingebildetes Mädchen von sehr schönem Charakter bekannt. Sie wird halt andere Gründe haben, warum sie die Stunden abgesagt hat. Ich hab gehört, daß sie sich beim Tanzen erkältet hat und an einem hitzigen Fieber krank gelegen ist. Man braucht doch nicht immer gleich das Schlechteste von den Leuten zu denken.«

Damit hatte er aber beinahe schon dem Faß den Boden ausgeschlagen.

Kathis Eifersucht loderte in hellen Flammen auf und raubte ihr jede Selbstbeherrschung.

»Also doch!« schrie ihr Herz auf; »sie ist ihm nicht gleichgültig! Er hat sie geliebt! Er liebt sie noch immer! Wehe mir, ich arme Betrogene!«

»Was, gebildet ist sie? Ein schöner Charakter?!« rief sie leidenschaftlich, »eine scheinheilige, heuchlerische Person ist sie!«

Der Streit wurde mit Heftigkeit von beiden Seiten geführt, je mehr sie loszog, desto entschiedener nahm er die Geschmähte in Schutz, erhob sie in den Himmel und ließ deutlich durchmerken, daß Kathi sich in gewissen Stücken an ihr ein Vorbild nehmen könnte, namentlich was sanftes, nachsichtiges und besonnenes Betragen betreffe. Damit war Öl ins Feuer gegossen.

Warum er denn nicht lieber ganz zu den Piquots übergehe, wenn ihn der Tugendfratz so entzücke? Warum er sie, die Kathi, überhaupt noch eines Blickes würdige, wenn er sie schon nicht leiden könne? Er möge sich doch keinen Zwang antun, sie verlange keine Rücksicht, sie wolle nur reinen Wein eingeschenkt haben, und er möge doch dort hingehen, wo er das größere Glück finde.

Vergebens bemühten sich die Schwestern, die Gegensätze zu mildern und die Zwietracht zu schlichten. Aber Kathi war zügellos in ihren Temperamentsausbrüchen, sie wußte schon lange nicht mehr, was sie redete, und wollte absolut keine Vernunft annehmen.

Der Streit endete damit, daß der Bräutigam Hut und Stock ergriff und davonrannte.

Jetzt saß die Braut wehklagend und in Tränen aufgelöst da. Sie, die sich vorher von den Schwestern und von der Freundin um ihr Glück beneidet sah, fühlte sich nun selbst als die Unglückliche und mußte von den Schwestern getröstet werden, die ihr liebreich zuredeten wie einem kranken Pferd.

Was war das für ein tränenreicher Brautstand!

»Wenn ich euch nöt hätt!« jammerte die Verzweifelte und ließ sich von den beiden anderen liebkosen. Die schwesterliche Zärtlichkeit war Balsam auf die Wunde.

»Recht habt ihr g'habt: einen Bräutigam hätt ich mir auch anders vorg'stellt,« brachte sie schluchzend hervor. »Wenn er nöt ein Gesicht macht wie sieben Tag Regenwetter, ist er grantig wie ein altes Weib. Wie wird das erst in der Ehe sein?!«

Netty und Pepi schalten sie jetzt aber tüchtig aus. So dürfe Kathi ihre Worte nicht anwenden. Sie selbst hätten es damit gar nicht so arg gemeint. Franz sei ein durchaus liebevoller Bräutigam und keineswegs kalt wie ein Fisch. Launen und Schwächen habe schließlich jeder Mensch, und darin sei er nicht schlimmer, wie jeder andere. Jedenfalls habe er genug Ärger auszustehen und könne nicht immer in der rosigsten Stimmung sein. Kathi müsse sich halt auch ein wenig zusammennehmen und nicht immer gleich mit dem Kopf durch die Wand rennen wollen. Da müßte ja selbst ein Mensch mit einer Schafsgeduld auf und davon gehen!

Die derbe Zurechtweisung hatte eine ungleich heilsamere Wirkung als das allzu empfindsame Zureden.

»Glaubst, daß er bös is?« fragte sie nach einer Weile, nachdem sie in ihrem Elend vor sich hingestiert hatte. »Soll ich ihm schreiben, daß er wieder kommt?« Und nun brach von neuem der Tränenstrom aus.

»Er wird schon von selber kommen,« sagten die zwei ziemlich barsch; »da müßt er ja grad so dumm sein wie du, wenn er wegen so einem Unsinn bös sein wollt.«

Aber am nächsten Tag kam Franz wirklich nicht.

Der Kathi wollte das Herz brechen, sie lag geradezu im Fieber.

Am übernächsten Tag war sein Trotz gebrochen, er war demütig gekommen, es hatte ihn nicht länger mehr gelitten.

Kathi aber schmollte und ließ sich noch eine Weile zureden, ehe sie sich zur Versöhnung bereit zeigte.


 << zurück weiter >>