Hermann Löns
Der Wehrwolf
Hermann Löns

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8. Die Schnitter

Wulf und seine Begleitung blieben bis zur Ulenflucht auf dem Viekenhofe in Fuhrberg und kamen erst im Dunkeln nach Peerhobstel. Alles machte lange Augen, als es hieß: der Wulfsbauer hat sich eine Magd mitgebracht. Aber weil sie sich nicht sehen ließ und alles, was eben helfen konnte, alle Hände voll zu tun hatte, so kümmerte sich keiner weiter um sie.

Mit der Zeit wurde Johanna mit den Frauensleuten bekannt. Erst mußten sie heimlich über sie lachen, weil sie das rote Haar hatte, hochdeutsch sprach und Hände wie eine Edelfrau hatte. Als aber Wittenmutter zu liegen kam und die Magd vom Wulfshofe ihr in ihrer schweren Stunde auf das beste beistand und auch hinterher jeden Tag dafür sorgte, daß die Zwillinge zu ihrem Rechte kamen, sah man, was man an ihr hatte, zumal sie sonst wie eine Magd arbeitete.

Die Kinder, die erst mit dem Finger im Munde dagestanden hatten, wenn sie ihnen mit der Hand über die Köpfe ging, gewöhnten sich an sie, und bald hatte sie sie alle miteinander jeden Sonntag um sich; dann erzählte sie ihnen allerhand Geschichten und brachte den Mädchen Stricken, Nähen und Stopfen bei.

Das hat uns hier gefehlt, Harm«, sagte Ulenvater, der das Mädchen ganz an das Herz genommen hatte; nun haben wir einen Schulmeister, wie es besser keinen gibt, wenn er auch lange Haare hat. Mit Geschichtenerzählen hat es angefangen und jetzt bringt sie ihnen auch das Lesen und Schreiben bei. Weißt du was? Krackenmutter ihr Mieken, das wäre eine Lütjemagd für uns; denn hat die andere mehr Zeit für die Kinder und die Kranken, denn darauf versteht sie sich wie ein gelernter Doktor.«

Der Wulfsbauer war das sehr zufrieden. Als er ihr Grieptoo hielt, der sich einen Schlehdorn eingetreten hatte, woraus ein Geschwür geworden war, und sie es aufschnitt und dem Hunde die Pfote verbunden hatte, fragte er sie: »Sag mal, was kannst du eigentlich nicht? Reiten kannst du, schießen kannst du, der Hausarbeit bist du gewachsen, auf das Vieh verstehst du dich auch, kannst mit kranken Leuten umgehen, bist dabei auch Schulmeister und Wehmutter und gärtnerst, daß es eine Freude ist; wo hast du das alles her, Mädchen?«

Sie steckte sich rot an und sagte: »Reiten mußte ich zu Hause lernen, weil ich Vater bei seinen Krankenbesuchen begleitete, und das Schießen hat mir der alte Amtmann, Gott hab ihn selig! beigebracht, denn der sagte: ein Frauenzimmer hat das noch nötiger als ein Mannsmensch, dieweil es mehr zu verlieren hat als bloß das nackigte Leben. Und das andere, das kommt wohl, weil Vater Doktor werden wollte, aber aus sich heraus später einen anderen Ruf bekam, und weil der Lehrer, den wir hatten, besser Hosen flicken konnte, als die Kinder lehren, und da nahm sich Vater ihrer an und ich mußte ihm dabei an die Hand gehen. Und von meiner Mutter habe ich dann das andere gelernt, besonders das Umgehen mit dem Vieh und mit den Blumen, denn darauf verstand sie sich vorzüglich.«

Das mußte wohl so gewesen sein, denn sonst hätte es um den neuen Hof nicht so glatt ausgesehen. Thedel hatte einen schönen Zaun um den Garten gemacht, und da es sich gerade so paßte, kam die Pforte zwischen zwei großmächtige Hülsenbüsche zu stehen, die von Johanna so zurechtgeschnitten wurden, daß sie ganz gleich aussahen, unten breit und oben spitz, und vor die kleine Tür setzte Thedel zwei spitze Machangeln. Von allen Blumen und Büschen, die in den wüsten Gärten von Ödringen wachsen, schleppte der Knecht so viel heran als nötig war, und wenn er mit dem Bauern über Land mußte, sah er nach, wo schöne Blumen in den Gärten waren oder in Töpfen gezogen wurden, und davon ließ er sich Ableger geben, so daß er bald allgemein nicht mehr anders hieß als der Blumenthedel.

Es war aber auch eine Pracht, wie in dem Garten alles gedieh; zwar für die Schneeglöckchen, die Maiblumen und Osterblumen und die Kaiserkronen und Pfingstrosen und Tulpen war es in dem Jahre schon zu spät, aber die Schlüsselblumen hatten schön geblüht und im Juni hingen alle Zaunecken voll von wilden Rosen. Am ganzen Hause kletterten die Efeuranken hoch, der Hollerbusch beim Backhause war über und über weiß und die Goldlackbüsche waren in der Sonne anzusehen wie kupferne Kannen. Wenn dann Johanna an den Büschen sich mit dem Messer zu schaffen machte und die Sonne schien ihr auf das Haar und die bloßen Arme, von denen die weißen Ärmel weit zurückgingen, und der rote Rock wippte, wenn sie sich bückte, um ein Unkraut auszureißen, dann sagte der alte Ul: »Ein Staatsfrauensmensch ist es«, und stieß Harm in die Rippen und blinkte ihm zu: »wenn ich halb so alt wäre, dennso wußte ich, was ich zu tun hätte. Oder soll sie dir ein anderer wegschnappen? Denn daß sie dir in die Augen sticht, das habe ich all lange spitz, und eine bessere Frau kriegst du so bald nicht wieder.«

Der Ansicht war der Bauer auch, und mehr als einmal hatte er sich einen Stoß gegeben, um dahin zu kommen, wohin er wollte; aber immer war es ihm, als wenn ein Graben zwischen ihnen war. Denn was war er? Nicht daß er sich minder vorkam, weil sie mehr gelernt hatte, aber er traute sich nicht an sie heran, und das um so weniger, je mehr er mit ihr zusammen war. Früher war er mit Leib und Seele dabei gewesen, wenn es galt, der Haide die Flöhe aus dem Pelze zu klopfen; wenn er jetzt aber im Moore lauerte oder im Busche lag, dachte er immer an ein Gesicht, um das das Haar so rot war wie die Abendsonne auf den Fuhrenstämmen, und an zwei runde Arme, die aus weißen Ärmeln herauskamen. Denn mit Freuden sah er, daß Johanna Fleisch und Farbe bekommen hatte; das Leibchen saß ihr prall und der rote Rock hing ihr nicht mehr so lose um die Lenden.

Am Johannistage war Ulenvater mit Thedel nach Obbershagen gefahren, wo sein Vetter einen Hof hatte. Harm und Johanna waren allein, denn Mieken war auf einige Tage zu Hause, weil Krackenmutter nicht ganz munter war. Es war den ganzen Tag glühheiß gewesen und gegen Abend kühlte es sich keineswegs ab, so daß der Bauer, der mit Johanna im Garten auf der Bank saß, meinte: »Wir werden wohl ein Wetter kriegen«, denn über dem Halloberge standen dicke Wettertürme. Es wetterleuchtete dann auch immer mehr, und Wulf sah, daß jedesmal, wenn die Wolke auseinanderriß, das Mädchen mit der Hand nach dem Mieder faßte.

»Hast du Bange?« fragte er. Sie schüttelte den Kopf: »Nein, es steckt mir bloß so in den Gliedern; ich bin ganz alle.« Sie sah auch blasser als sonst aus und hatte wieder einen Blick in den Augen wie damals, als Grieptoo sie aufgespürt hatte. Harm kam es in den Sinn, wie er sie damals im Arme gehalten und wie ein Kind gefüttert hatte, und wie nachher, als sie vor ihm auf dem Schecken saß, ihr Haar so gerochen hatte, daß ihm ganz sonderbar wurde. Er sah ihre Hände an, die auf ihrer Schürze lagen. Sie waren braun geworden und die Arme gleichfalls, aber fein und vornehm waren sie deshalb doch geblieben, obzwar sie vor keiner Arbeit zurückgingen. »Sie ist und bleibt ein feines Fräulein«, dachte er und seufzte so tief auf, daß sie ihn anlachte.

»Das hört sich ja ganz gefährlich an!« meinte sie; »hast du was auf dem Herzen, was dich drückt?« Wie sie ihn so lustig von der Seite ansah, da dachte er: »Jetzt oder nie!« Aber es blieb beim Denken, denn er wußte nicht: »Geht das wohl, daß du sie einfach um den Leib fassen tust, oder ist es wohl anständiger, daß du ihr sagst, wie dir zumute ist?«

Da kam ein Kind angelaufen, das sich einen Splitter eingerissen hatte, und nun hatte er es wieder verpaßt. Er aß abends wenig, wußte meist nicht, wo er mit seinen Augen bleiben sollte, kam sich überhaupt ganz unglücklich in seiner Haut vor und war froh, als es Zeit zum Schlafen war, denn das Wetter war zurückgegangen.

Er konnte lange Zeit nicht einschlafen. Er ärgerte sich über sich selber, wußte aber keinen Weg, der ihn zum Busche herausbrachte. Zudem hatte er Angst, er könnte es mit dem Mädchen verderben, und so lief er mit seinen Gedanken immer in die Runde. Zuletzt mußte er doch wohl eingeschlafen sein, denn mit einem Male sah er einen blauen Schein und hörte einen harten Schlag; das Wetter war wieder zurückgekommen.

Die Pferde schlugen gegen die Wand, die Kühe rissen an den Ketten. Er stand auf, hing sich den Mantel um und ging auf die Deele. Da lief er Johanna in die Möte, die ebenfalls im Mantel aus der Dötize kam. Der Blitz zeigte ihm, daß sie kreideweiß war. »Ist dir schlecht?« fragte er. Sie schüttelte den Kopf. »Es ist bloß das Wetter; im Bett war es mir zu stickig.« Aber als der nächste Blitz und hinterher ein gewaltiger Donnerschlag da war, schrie sie auf, faßte sich nach der Brust und fiel gegen die Wand. Er sprang schnell zu, faßte sie um und führte sie in die große Dönze, ließ sie sich auf die Ofenbank setzen und rückte an sie heran.

Blitz und Donner kamen auf einen Schlag. Das Mädchen wollte sich zusammennehmen, aber ihr Mund behielt den Schrei nicht, und da nahm er sie in die Arme, legte ihren Kopf an seine Brust und deckte ihr seinen Mantelkragen über das Gesicht; so hielt er sie, ihr ab und zu, wenn es wieder blitzte und krachte, die Schultern klopfend und ihr zuredend wie einem jungen

Pferde, das vor einem Machangel scheuen will. Sie lag ganz still und zitterte keinmal mehr, und bloß, wenn das Wetter es gar zu gut meinte, fühlte er, daß ihre Hände flogen.

Nach einer kleinen halben Stunde hörte das Blitzen und Donnern auf. Es goß wie mit Mollen und es wurde kühl in der Dönze. Er nahm ihr den Mantel von dem Gesicht und da merkte er, wie sie ihn fest in den Arm nahm, und er fühlte, daß zwischen ihnen kein Wall und kein Graben mehr war, daß sie zusammengehörten in Freud und Leid, und er nahm sich, was ihm zukam.

Das war eine schlimme Nacht!« rief Ulenvater, als er am anderen Mittag in die große Dönze trat. Er war das letzte Ende zu Fuß gegangen, denn Thedel wollte noch etwas Tannhecke zum Streuen holen, und weil der Alte einen leisen Schritt hatte, so konnte Johanna nicht so schnell von Harms Schoß herunter, wie sie wohl wollte. So stand sie da, hatte die Augen auf dem Estrich und Backen wie Pfingstrosen so rot, strich an ihrer Schürze herum und platzte schließlich heraus: »Bloß anfangs.« Dann schlug sie aber die Hände vor das Gesicht und lachte und auch Harm lachte und Ul erst recht, denn er merkte bald, wo es eingeschlagen hatte.

Er sah von einem zum anderen und schließlich sagte er: »Na, dennso wünsche ich euch alles Gute, meine Kinder! denn das seid ihr mir beide geworden.« Aber dann schlug er auf den Tisch: »Das ist mir ja ein dröges Löft! Nicht einmal ein Glas Wein und ein Stück Kuchen kriegt man vorgesetzt? I, das ist doch sonst keine Weise hierzulande!«

Die junge Frau lief, was sie konnte, und bald stand eine irdene Flasche mit Wein auf dem Tisch, über den sie ein reines Tuch gelegt hatte, und ein bunter Teller mit Kuchen und ein noch bunterer Krug mit einem noch viel bunteren Blumenstrauß, und drei hohe Gläser von der feinsten Art, aus denen die spanischen Offiziere von der. Kaiserlichen eigentlich trinken wollten, kamen auf den Tisch, und der Wein, der auch für andere Leute bestimmt gewesen war, schmeckte denen, die ihn tranken, darum doch nicht schlechter, wenn auch Johanna bloß ein halbes Glas trank und dann schon sagte, daß die Dönze mit ihr in die Runde ginge.

»Harm«, sagte der Alte, als Johanna aufwusch, »eins will ich dir aber sagen: der erste Pastor, den ich auftreibe, muß her und die Sache richtig machen. Es sind jetzt wilde Zeiten und der Teufel kann sein Spiel haben. Deine Frau steht ganz allein da; gibt es ein Unglück, dann kann sie am weißen Stocke über Land gehen, denn es wird manche da sein, die ihr den Platz hier nicht gönnt und ihr allerhand anhängen wird. Es sind jetzt die Zeiten nicht, daß wir eine regelrechte Hochzeit abhalten, denn der Himmel bezieht sich immer mehr. Der Tilly, der papistische Hund, jagt die Dänemärkschen hin und her, und die Pestilenz ist auch wieder da. Laßt euch einsegnen und damit holla! Die Hauptsache ist die, daß du dich des Nachts nun nicht mehr so zu graulen brauchst!«

So wurde es denn auch gemacht, und es war auch gut, daß der Bauer sich mit der Trauung beeilt hatte, dennso konnte er mit mehr Ruhe an Preehobstel zurückdenken, wenn er wieder den Wolf auf der Haide spielen mußte.

Das war jetzt nicht ganz selten der Fall. Tilly und die Dänen zogen sich um die festen Plätze wie die Hunde um die Knochen, und wo man hinhörte, gab es Not und Tod und Menschenschinderei. Wo die Kriegsvölker geerntet hatten, da zogen die Marodebrüder mit der Hungerharke hinterher und man vernahm alle Tage gräßliche Geschichten von totgequälten und hingemetzelten Frauen, denn was den Unmenschen in die Hände fiel, ob ein siecher Greis oder ein Brustkind, es mußte des Todes sein.

Die Wehrwölfe hatten darum alle Hände voll zu tun. Es waren jetzt ihrer hundertelf Nachtboten geworden, wozu noch an die zweihundert Tagboten kamen. So ging die Arbeit flott vonstatten, und manche Bäume an den Straßen trugen Früchte, die selbst der happigste Junge liebendgern hängen ließ. Dabei sahen sich aber die Wehrwölfe ihre Leute genau an und behandelten jedermann, wie es seine Stellung mit sich brachte; was eine Feldbinde am Arm hatte, bekam die Kugel und kam unter die Erde, das andere Pack aber wurde mit der Wiede geehrt und die Krähen und Wölfe mußten das Weitere besorgen.

Es war ein grauer Märzentag, da hatte der Wulfsbauer auf dem Amte zu tun. Irgendeine Spürnase hatte es herausgebracht, daß die Ödringer jetzt Peerhobstler hießen und noch nicht so verhungert waren, als daß man ihnen nicht die Schatzung zumuten könnte. Das stand ihnen aber gar nicht an und Harm Wulf als Vorsteher wollte ihnen das vom Halse schaffen. Als er den Herren vom Amte sagte: »Solange ihr uns nicht schützt, wird von uns nicht geschatzt«, wurde er ein ausverschämter Kerl geheißen; aber er hielt die Nase hoch und sagte: »Ich will doch mal sehen, ob unser Herr Herzog Christian nicht eine andere Meinung von der Sache hat; ansonsten stecken wir lieber unsere Häuser an und leben vom Betteln und Stehlen, bis man uns ein Amt gibt, damit wir auch Leute schinden können, die sich in Bruch und Busch bergen müssen.«

Als er aus der Tür ging, stand Thedel da; er war ganz weiß um die Nase, hatte Augen wie ein Buschkater im Dunkeln und sagte: »Der Säugling und das Heilige Kreuz sitzen halb besoffen im Kruge und Viekenludolf macht sie noch besoffener.« Der Bauer riß die Augen auf: »Wahr und gewiß?« Der Knecht nickte: »Ich stand hinter dem rotbärtigen Hund und hatte schon die Hand am hetz; aber da dachte ich noch zum Glücke daran, daß das nicht in deinem Sinne ist. Heute kommen sie uns nicht mehr aus dem Sack, Bauer, wie seinerzeit in Ahlden. Ich bin schon in Heeßel gewesen und in Schillerslage, und von da ist an alle gerechten Leute Meldung gemacht; dennso sollen sie diesmal wohl daran glauben müssen!«

Indem Wulf mit Thedel nach dem Kruge ging, bedünkte es ihn, als wenn ihm gar nicht so froh zu Sinne war, wie es eigentlich sein mußte. Er dachte mehr an Peerhobstel und an seine Frau, als an die Galgenklöppel, aber darum ging er zuerst doch schnell, bis er sich selber »Prr!« zurief und so langweilig die Straße hinaufging, als hätte er so viel Zeit wie ein Knecht, der den Stall ausmisten soll. Er fragte auch noch die Krügerin, die vor der Türe stand, nach ihren Kindern, aber mit eins konnte er nicht mehr zuhören, denn er hatte eine Stimme gehört, eine Mannsstimme, aber so hell, als ob ein Hengstfohlen loslegt, eine Stimme, die er noch keinmal gehört hatte und dis er doch kannte; denn wenn er allein im Busche lauerte oder über die Halde ritt, hatte er sie oft vernommen. Er dachte an den Nachmittag auf dem Hingstberge und daran, wie er mit Henneckenklaus durch das Torfmoos geritten war und Brandluft in die Nase bekommen hatte, und an all das andere. Seine Rose stand vor ihm, Hermke an der Schürze und auf dem Arme die kleine Maria, und er biß die Zähne aufeinander, daß es krachte, so daß die Krügerin sich ordentlich verjagte.

Aber dann ging er in die Bauernstube, ohne hinzusehen, wer dasaß, stellte sich an die Tonbank und ließ sich Bier einschenken, hörte, was der Krüger ihm vorschnackte, mit einem Ohre an, stellte dann seinen Krug auf den Tisch, der neben der Türe stand, holte sein Brot und seinen Speck aus der Tasche, zog sein Messer und aß so langsam und bedachtsam wie allezeit, bis Viekenludolf aufsah, seine rechte Hand auf den Tisch legte, erst den Daumen, dann den Zeigefinger und dann den Mittelfinger aus der Faust springen ließ, gleich als wollte er die Zeche nachrechnen, und dann das Heilige Kreuz anschrie: »Noch so ein Stück, du altes Saufloch! dann gebe ich noch einen aus; denn lachen tu ich vor mein Leben gern.«

Der Peerhobstler sah sich jetzt die Leute genauer an, und ihm war auf einen Augenblicks als wenn sie die Hälse schon lang und die Zunge vor dem Munde hatten; denn bei ihnen saß noch Wulf genannt Schütte aus Wennebostel, Harms Halbbruder, der da in einen Hof geheiratet hatte, Münstermanns Dettmer und Grönhagenkrischan; am Ofen stand Duwenhinrich und Flebbendiedrich, und Aschenkurt spielte mit der Katze, die unter der Bank saß und nach seinen Fingern hakte; und da saßen die beiden Unholde, hielten die Augen mit Mühe offen und freuten sich wie die Schneekönige, wenn ihre Zotenreden und Greuelsgeschichten die Männer zum Lachen brachten.

»Bist du all schon in Schillerslage gewesen, Säugling?« fragte Viekenludolf; »da ist eine lustige Wirtschaft. Der Wirt hat dir da ein Mädchen, da werden die alten Kerle noch nach verrückt, sage ich dir. Aber das Mädchen ist als wie eine Nessel. Ich möchte den sehen, der der den Kranz abnimmt. Unter uns ist keiner, der das kann.«

Harm lachte im Halse, denn erstens hatte der Wirt bloß eine alte Magd, und das war ein liederliches Stück, und die sah noch dazu so aus als wie eine tote Katze, die acht Tage im Regen gelegen hat. Der Säugling aber schlug sich auf seine klapprige Brust: »Wenn einer, dann bin ich es, denn ich habe ein ausverschämtes Glück bei die Menscher!« Sein Lumpenbruder stimmte ihm bei: »Ja, das hat er; alles was recht ist, das ist ein Aast uff der Fiedel; das heißt«, fuhr er fort, und er sah dabei halb frech, halb bange aus, »wenn es nicht anders geht, dann macht er nicht viel Faxen und dreht ihnen den Schluck ab.«

Der Säugling, der gerade einen großen Krug Honigbier durch seinen langen Hals hatte rutschen lassen, lachte wie eine Kuckuckin: »Verdammig, das tu ich! Wozu sind denn die Menscher da? Und überhaupt und so, was ein forscher Kerl ist, der Kurasche hat, der wird nicht erst acht Tage herumpiepen wie ein Lüning. So 'n bißchen Zureden das hilft schon«, sagte er und klappte seine Hand auf und zu, wie ein Stoßhabicht die Krallen.

Unter der Tür stand Thedel und sah ihm in den Nacken. Dem Wulfsbauern lief es kalt über den Rücken, als er den Blick sah, den sein Knecht nach dem Halunken hinschmiß; ihm war, als prahlte da kein lebendiger Mann mehr, sondern ein toter Leichnam. Und nun fing der Kerl noch an zu singen, und er lachte dabei, als er quiekte: »O Galgen, du hohes Haus, du siehst so gräsig aus, so gräsig aus; ich seh dich gar nicht an, denn ich weiß, ich komme dran, ja, ich komme dran.«

Der Bauer ging in den Hof, denn Viekenludolf hatte mit der Zunge geklappt. »Bald ist der Haber reif zum Schneiden«, sagte der Rammlinger; »er läßt den Kopp schon hängen.« Er sah nach dem Himmel. »Es klärt sich auf; noch eine Lage Met und sie laufen hinter uns her wie die Hennen hinter dem Hahn.« Er klopfte seine Pfeife aus: »Morgen früh um sieben Uhr sind wir auf der Haide ober dem zweiten Dorfe.« Er stopfte die Pfeife und ließ sich von Harm ein Krümel Feuer geben. »Schweres Stück Arbeit, solche Sauflöcher um den Verstand zu bringen, kann ich dir sagen!«

Der Wulfsbauer machte seine Zeche glatt und ging gegenüber zum Juden, wo er so lange auf eine Brustnadel handelte, bis Flebbendiedrich und der Wennebosteler Wulf und Duwenhinrich fortritten, und dann ritten Viekenludolf und Aschenkurt fort und hatten die beiden Männer zwischen sich, die nicht merkten, daß hinter einem jeden von ihnen sein leibhaftiger Tod aufgesessen war, denn sie juchten und bölkten das Lied vom Butzemann, der im Deutschen Reiche umgeht.

Als sie schon um die Ecke waren, hörte der Peerhobstlersie noch kriejöhlen: »Der Kaiser schlägt die Trumm mit Händen und mit Füßen«, und daß die Kinder ihnen nachschrien: »Duhnedier, Duhnedier!«

Dann brach erden Handel ab, bezahlte, was der Jude angeschlagen hatte, wofür dieser ein Mal über das andere Mal den Rücken krumm machte, und da kam der Knecht auch schon mit dem Schecken aus der Einfahrt.

Der Bauer stieg steif in den Sattel und ritt, als wenn er zum ersten Male einen Pferderücken zwischen den Beinen hatte, aber so wie er das Torgeld los war, setzte er sich in Trab und war bald hinter den Reitern. Im Schillersläger Kruge verhielt er sich ganz ruhig, aber als er auf seiner Strohschütte lag, konnte er nicht viel schlafen, denn er hatte alle seine Gedanken da, wo seine Frau war.

So war er schon bei fünfe in den Stiefeln. Thedel saß vor der Türe des Stalles, in dem die beiden Halsabschneider schliefen. Er grieflachte: »Der eine ist schon eine Weile munter und vernüchtert hat er sich auch, und wenn er nicht einen alten Scheuerlappen im Maule hätte, würde er eine schöne Schande machen, dieweil ich ihm die Ärmel vor den Händen zugebunden habe, und vom Estrich kann er auch nicht, weil da ein Ring auf der Kellerklappe ist und da ist ein Strick an, und den hat er um den Leib.« Er spuckte seinen Priem aus: »Der andere hat gestern noch so viel Honigbier gesoffen, daß er überhaupt nichts von sich weiß, und ich glaube, vor heute abend ist er nicht so weit, daß wir uns mit ihm befassen können.«

Der Wulfsbauer ließ sich Suppe und Brot geben, rauchte zwei Pfeifen aus und schickte bei sechse Thedel voran. Um halbig sieben kamen etliche Bauern angeritten, klappten mit den Peitschen, bis der Wirt herauskam, taten so, als sähen sie den Peerhobstler nicht, tranken ihr Warmbier im Sattel und ritten weiter. Dann knarrte ein Wagen, der Knecht knallte dreimal schnell hintereinander und viermal in Abständen und pfiff: »Zieh Schimmel, zieh, im Dreck bis an die Knie.« Aus dem Hause rief Viekenludolf : »Jochen, kannst mich ein Ende mitnehmen; ich habe kleine Füße von eurem Bier gekriegt!« Da stand auch Harm auf: »Mir geht es nicht anders; nimm mich auch mit; auf eine Handvoll Tabak soll es mir nicht ankommen.« Er setzte sich auf das Schütt und sah vor sich hin in das Wagenstroh, das ab und zu hin und her flog, und aus dem mitunter ein Ton kam, als wenn ein Schwein darunter lag.

Noch saß der Nebel in der Haide. »Das wird ein schöner Tag«, sagte der Knecht; »die Wettmarer Musiker blasen«, denn man hörte die Kraniche vom Moore her lauthals prahlen. Eine Anbauerfrau sah den Wagen kommen, nickte und sagte: »Na, denn sieh man zu, Jochen, daß du deine Schweine gut los wirst!« Ein Rauk rief aus dem Nebel; das Wagenstroh ging hin und her. »Hast den schwarzen Bruder gehört?« fragte der Rammfinger den Knecht; »die Raben kriegen es heute gut!« Aus dem Stroh kam ein Grunzen. Ein Reiter trabte vorbei, noch einer und hinterher ein dritter. »Nach 'm Schweinemarkt?« riefen sie dem Knecht zu. Der nickte und griente.

Alle hundertundelf Wehrwölfe und meist ebenso viele Boten standen um den Haidberg. Als der Wagen angefahren kam, ging ein Gemurmel reihum. Der Nebel teilte sich und fing zu tanzen an, und da wurden zwei Fuhrenbäume sichtbar, denen die Kronen abgehauen waren und die oben ein Querholz hatten, das sie zusammenhielt; daran hing links ein toter Hund und rechts ein verrecktes Schwein, und dazwischen waren zwei Stricke, die bis auf den Erdboden reichten. Um beide Bäume war ein Kranz von Steinen gemacht, der vorne offen war, und in jedem Stamm war die Wolfsangel aufrecht eingehauen, so daß sie offenbar zu sehen war.

Der Knecht nickte den Männern zu, schrie »Prrr!«, band die Zügel an, stieg ab, spuckte aus, ging langsam hinter den Wagen, zog das Schütt fort, winkte zwei Männern zu und dann zog er einen Sack unter dem Stroh weg, der sich bewegte, und die Männer halfen ihm, ihn auf den Boden zu legen, und bei dem anderen auch. Der Wulfsbauer und Viekenludolf waren abgestiegen und dahin gegangen, wo Meine Drewes stand; er hatte zwei abgeschälte Weidenstöcke in der Hand. Er winkte und es war so still, wie in einer leeren Kirche.

Alle die zweihundert Männer sahen dorthin, wo die Knechte die Säcke aufbanden, die beiden Männer herauszogen und ihnen die Fußkoppeln abbanden, sie auf die Beine stellten und bis vor den Oberobmann brachten, nachdem sie ihnen die Lappen aus dem Munde genommen hatten. Kein einer ließ einen Laut hören, sogar Niehusthedel nicht, der mit dem Wulfsbauern voran stand und ein Gesicht machte wie ein Untier. Vierhundert Augen sahen kalt auf die beiden Erzhalunken, die dastanden und vor Todesangst und Katzenjammer wie Espenlaub beberten, aber keinen Ton herausbrachten.

Der Oberobmann sah ihnen in die Gesichter und fing an: »Als Obmann der Wehrwölfe habe ich euch entboten zu einem offenen und gerechten Ding auf roher Haide und gemeinem Lande, weil wir das Recht sprechen wollen ober diese beiden Männer. Wer hat wider sie etwas vorzubringen?«

Der Wulfsbauer stellte sich vornehm: »Ich verklage sie auf den Feuertod meiner Ehefrau Rose gebürtigen Ul aus Ödringen und derer und meiner unmündigen Kinder Hermke und Maria Wulf, und wegen Brandstiftung, Raub und Diebstahl an totem und lebendigem Gut.«

Er ging zurück und Thedel stellte sich an seinen Platz und rief: »Ich verklage sie auf den Feuertod meiner Schwester Albeid Niehus aus dringen, eines Waisenkindes, noch nicht fünfzehn Maien alt!«

Erging zurück und machte Viekenludolf Platz, und der schrie: »Ich verklage sie im Namen von ehrbaren Jungfrauen, Witfrauen, Schwangeren und Wöchnerinnen, unschuldigen Mädchen und unmündigen Kindern, Kranken und Schwachen, an denen sie sich vergriffen haben. Ich schreie Hallo über sie und abermals Hallo und zum dritten Male Hallo und Hallo und Hallo und Hallo, und will es mit sieben Eiden beschwören, daß sie siebenmal und siebzig den Tod verdient haben nach dem, was sie mir gestern mit ihren eigenen Mäulern im Kruge zu Burgdorf in ihrer dummen Besoffenheit verzählt haben.«

Der Obmann sah sich um. »Ist einer da, der noch etwas vorzubringen hat gegen diese Männer oder der für sie ein Wort einlegen will? Hier darf ein jeder frei reden, ohne daß es ihm nachgetragen wird.«

Es wurde ganz still in der Runde. Die Sonne kam heraus und beschien die zweihundert Gesichter der Männer; sie waren alle wie aus Stein. Eine Krähe flog vorbei und quarrte, und in den krausen Fuhren lockten lustig die Meisen.

Die dreimal elf Unterobmänner sonderten sich ab und murmelten durcheinander; dann ging einer von ihnen zu dem Oberobmann hin und sagte ihm etwas.

»Dennso haben wir befunden«, sprach der Richter, »daß sie beide um ihre Hälse eine Wiede haben sollen und aufgehängt werden sollen sieben Schuh höher, denn ein gemeiner Schandkerl, und zwischen den Äsern von einem verreckten Köter und einer gefallenen Sau bis sie tot sind, und es soll sich keiner getrauen und sie abnehmen und bestatten, wenn es ihn nicht gelüstet, an ihre Stelle zu kommen!«

Er brach den einen Stock und warf ihn hinter sich und den anderen und gab die Wieden hin, und da fiel der Säugling auf die Knie und schrie: »Erbarmen«, denn weiter kam er nicht, weil er die Wiede schon über dem Adamsapfel hatte, und das Heilige Kreuz hatte knapp gewimmert: »Noch einen Augenblick, mir ist so schlecht!« da stand er schon mit der weidenen Krause um die Strosse zwischen den dreimal elf Männern unter der Feldglocke; ehe die Krähe dreimal geschrien hatte, schwenkte der Wind sie hin und her, und dazu das Brett, das ihnen zwischen die Hände gebunden war und auf dem zu lesen stand: »Wir Sind di Wölwe i Hundert und Elwe. Dis sind 2 Hunde und 2 Schweine. Sie Sind ganz Obereine.«

Der Steinkreis wurde geschlossen. Die Männer gingen weg. Der Wulfsbauer hatte das Kinn auf der Brust. Thedel sah noch einmal zurück und Viekenludolf sagte, indem er nach dem Galgen hinwies: »Kiek, Thedel, deine Hochzeitsglocken läuten!« Aber Thedel antwortete nicht und ging hinter Wulf her.

Als sie beide durch die Fuhren ritten, sagte der Bauer: »So, und nun wollen wir da nicht mehr dran denken, Thedel! Wannehr willst du freien? Am liebsten wohl gleich heute? Na, von mir aus kann es losgehen; bringe man alles in die Reihe! Oder hast du das all?« Er sah sich um und lachte, denn der Knecht hatte die Sonne im Nacken und deswegen waren seine Ohren so rot anzusehen, wie an dem Morgen in der Jeverser Haide, als Grieptoo das Mädchen fand.

»Und jetzt, Galopp, Buntscheck!« rief Harm seinem Pferde zu, und sie flitzten dahin, daß die Plaggen nur so flogen und die Tüten hinter ihnen herschimpften. Der Bauer dachte an seine Johanna und der Knecht an seine Hille, und eine Stunde später standen die Pferde vor den Krippen.

Am anderen Tage hatte der Bauer blanke Augen und sein Knecht erst recht. Sie fuhren nach der Wüste, denn sie wollten da junge Obstbäume, und was da noch zu gebrauchen war für den Garten, ausgraben. Als Wulf sich über Mittag hinter einem Busche die Augen wärmte, stöberte Thedel in dem Schutt herum. Er fand allerlei Geschirr, das noch gut zu gebrauchen war, desgleichen Äxte und anderes Gerät, und als er die schwarzen Balken fortzog, auf denen schon allerlei Moos wuchs, schlug er mit der Hacke auf Eisen. Er hatte den Kesselhaken des Wulfshofes gefunden, ein Prachtstück, wie es weit und breit kein zweites gab, auf dem oben am Kopfe die Wolfsangel, die Hausmarke der Wulfsbauern, eingehauen war; darunter aber stand zu lesen: Ao 1111 Do.

»Das ist mehr wert, als wenn du hundert Taler in Gold gefunden hast, Thedel«,sagte der Bauer, »und dafür will ich dir ein Haus hinstellen mit allem, was dazu gehört. Denn ich will dir etwas sagen: Knecht bist du jetzt lange genug bei mir gewesen. Wenn du mir in der Folge in der hillen Zeit mit deiner Frau helfen willst gegen den üblichen Lohn, so bin ich das sehr zufrieden. Ich habe mir das aber nämlich lange überdacht: geradeso, wie ich nicht der Lehnsmann des Edelherrn sein will, sollst du auch nicht mein Hausmann sein. Du bist mir mehr als ein getreuer Knecht gewesen diese schlimmen Jahre über, und es ist nicht mehr als recht, daß du jetzt dein eigener Herr wirst, vorausgesetzt, daß du vor deiner Hille die Hosen zu wahren weißt.«

Thedel brummte etwas vor sich hin, als wenn ihm der Bauer das Bett vor den Hof gestellt hätte, aber als er ausgespannt hatte, konnte er gar nicht schnell genug nach seinem Mädchen kommen, und als er zurückkam, da flötete er wie unklug. Dann setzte er sich hin und scheuerte mit Wasser und Asche den alten Kesselhaken ab und hatte nicht eher Ruhe, als bis er da hing, wo er hingehörte.

Dann aber griff er die Arbeit an, wie der Fuchs den Hasen, und obzwar der Bauer nicht wußte, wo der Knecht die Zeit zum Essen und Schlafen hernahm, so wurde Thedel mit jeder Woche runder im Gesichte und der Bart wuchs ihm zusehends. Seine Hille ging aber auch nicht schlecht auseinander, so daß der Bauer sagte: »Mädchen, wenn du so bei bleibst, dennso brauchst du das doppelte Zeug für den Rock und wirst deinem Thedel eine teuere Frau.« Hille aber lachte und grub darauf los, als wenn der Boden die reine Butter war.

Wie ihr und Thedel, so ging es aber meist allen Leuten auf dem Peerhobsberge. Sogar die Kinder halfen beim Roden und Umgraben, und was früher für eine Schandnot angesehen war, wenn nämlich ein Frauensmensch sich in den Pflug spannte, jetzt galt das als ein Vergnügen. Es gab keine Bauern und keine Knechte und keine Bäuerin und keine Mägde in Peerhobstel, es war eine Gemeindefleißiger Leute, von denen jeder für sich und alle für das Gesamt schanzten, so daß es auf den Dörfern um das Bruch hieß: »Einig wie die Peerhobstler!« Ödland war genug da, Holz und Weide wuchs allen zu, und wem es an Saatkorn mangelte oder an Geräten, dem wurde ausgeholfen, ehe er darum gebeten hatte.

Der neue Boden trug nicht so schlecht, als man gedacht hatte, zumal der Sand, denn eine Mergelbank stand nicht allzu weit an, der Schmorboden in der Ellernriede war fett wie eine Hochzeitssuppe, und wo das Moor gebrannt und mit Sand gemengt wurde, lohnte es die Mühe schon. Wenn es auch an Unkraut nicht gebrach, es stand doch alles besser, als man gehofft hatte, und als die Hauptarbeit getan war, sagte der Wolfsbauer zu den Dreiunddreißig: »Und jetzt wollen wir unserem Bruder Thedel sein Unterkriech bauen! denn ich glaube, es wird Zeit.«

Dieweil viele Hände mithalfen, stand das Haus bald da, und Thedel wußte nicht, was er sagen sollte, als Bettzeug und Geschirr und was sonst dazu gehörte, wenn der Mensch zu selbstzweien hausen geht, ganz von selber ankam, denn die Hundertelfe machten sich ein Vergnügen daraus, ihm zu helfen, wo sie konnten, ohne daß sie hinterher ankamen und ihr Teil wieder abaßen.

Es war überhaupt kaum einer von den geschworenen Wehrwölfen bei der Hochzeit. Am Abend vorher war nämlich wieder einmal der bunte Stock von Dorf zu Dorf gegangen und zwar mit einem roten Bande darum, und so mußten sämtliche Hundertelfe und alle Tag‑ und Nachtboten am Platze sein, weil zwei Haufen von Marodebrüdern bestätigt waren. Der eine davon verschwand im Meitzer Busche, und die Raben und Füchse wußten allein die Stelle anzugeben, wo das Gesindel unter den Tannen lag, der andere aber kam bei Thönse unter die Räder, und es blieb nichts davon übrig, als der Anführer, und der hing da, wo der Dietweg sich zwillte, so lange an einer Birke, bis es ihm da zu langweilig wurde.

Drei Tage darauf machte Viekenludolf einen Hauptstreich. Er gab mit zweien von den Dreiunddreißig einigen Pappenheimern, die auf den Dörfern Pferde zum Kriegspreise gekauft hatten, das Ehrengeleit. Im Burgwedeler Holze machten die Reiter Halt, tränkten die Pferde und dann sich selber, aber nicht mit Wasser, und so lange, bis sie die Halde für ein Federbett ansahen. Da schlich sich Viekenludolf hin, dümpte die Wache, bis sie an kein Luftholm mehr dachte, und schnitt schnell allen Pferden die Fußfesseln durch. Mittlerweile war Konrad, sein Knecht, nach dem Dorfe geritten und hatte sich eine rossige Stute und ein Dutzend Leute geholt, die gerade weiter nichts zu tun hatten. Dann ritt Viekenludolf mit der Stute über dem Winde an dem Lagerplatz vorbei und zockelte die ganzen Pferde hinter sich her, und die jungen Leute aus Burgwedel sorgten dafür, daß die Reiter sich keine Blasen liefen. So behielt mancher Bauer sein Pferd im Stall und brauchte nicht mit der letzten Kuh zu pflügen.

Denn die Not war stellenweise schon groß. Dänen und Kaiserliche zogen durch die Haide, und wo sie gewesen waren, wurden die Suppen länger. Am besten hatten es noch die Leute auf dem Peerhobsberge, denn zu ihnen fand das Kriegsvolk nicht hin und das übrige Ungeziefer ließ sich im Bruche nicht blicken.

So konnten die Bruchbauern ihren Hafer in Ruhe bergen und brauchten sich nicht immer dabei umzusehen. Es fehlte die Erntekrone nicht und auch das Erntefeuer war da und es schlug hellwege auf, als nach altem Brauch die Opfergarbe hineingeworfen wurde. Dann zogen die Knechte und Mädchen ab; Mertenshinrich schwenkte eine lange Fuhrenstange, die ganz bunt abgeschält war, und daran war oben der Kopf von einem Hahn und darum die Ährenhalme aus der letzten Feldecke und bunte Bänder, die der Wind bewegte, und lustig war es anzuhören, als das junge Volk sang:

Wode, Wode, Wode,
wi halt dinen Peere Fode;
in düssem Jahr Dissel un Dorn,
anner Jahr beeter Korn!


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