Hermann Löns
Der Wehrwolf
Hermann Löns

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4. Die Weimaraner

Es war von da ab sehr still auf dem Wulfshofe. Die Bäuerin kam langsam wieder zu Kräften, aber sie wurde lange nicht mehr die lustige Frau von ehedem; sie blieb blaß und in sich gekehrt und verjagte sich bei jeder Kleinigkeit. Der Bauer war auch anders geworden; die Wut und der Ingrimm fraßen ihm das Herz ab. Er hatte es verlernt, bei der Arbeit zu flöten, und wenn er lachte, so war das, als ob die Herbstsonne einen Augenblick durch die Wolken kam.

Es war auch keine Zeit zum Flöten und Lachen. Die Steuern nahmen immer mehr zu, Bettelvolk aller Art zog im Lande umher, Westfalen, Friedländer, Lipper, die bis dahin in Ruhe und Frieden gelebt hatten, aber jetzt mit dem weißen Stocke gehen mußten, weil ihnen die Mansfelder oder die Braunschweiger alles genommen und ihnen noch dazu das Dach über dem Kopfe angesteckt hatten.

Schrecklich war es, was die Leute zu erzählen hatten, mehr als ein Mensch aushalten kann, ohne verrückt zu werden. Harm traf mitten in der Haide eine Frau an, die sang und betete und lobte Gott für seine Güte. Er hatte das nicht mit ansehen können und sie mit auf den Hof genommen, wo sie halbwege wieder zu sich kam. Sie hatte auf einem guten Hofe gesessen; ihr Mann war zu Tode gequält, ihre drei Töchter und der kleine Junge auch; da war sie übergeschnappt und in die Welt hineingelaufen.

Sie aß wie ein Wolf und erzählte dazwischen; es war gräßlich anzusehen, wie sie dabei trockene Augen behielt, in einem fort lachte und wieder betete und Gott zum Lobe sang. Der Bauer war froh, als sie ging, obzwar sie ihn von Herzen dauerte, aber die Bäuerin war ganz krank von dem geworden, was die fremde Frau erzählte, und dreimal fuhr sie in der Nacht in die Höhe und schrie und beruhigte sich erst wieder, als Harm ihre Hand nahm und ihr zusprach. Am anderen Tage war sie so elend, daß sie nicht aus dem Bette konnte, und jedesmal, wenn eine Tür zuschlug, verjagte sie sich.

Seit der Zeit verbot der Bauer es seinen Leuten, von dem zu reden, was in der Welt vorging; soweit es sich machen ließ, blieb er auf dem Hofe und ließ die Feldarbeit den Knechten. So sauer es ihn auch ankam, er zwang sich zum Lachen und Flöten, denn er merkte, daß das der Frau gut tat, und bei kleinem wurde es mit ihr besser. Wenn sie dann abends den Jungen zu Bett brachte und der redete Korn und Kaff durcheinander und quiekte und lachte, dann konnte sie auch wieder mitlachen; aber es war doch nicht mehr das Lachen, das sie früher hatte und bei dem es dem Bauern immer ganz heiß unter dem Brusttuche wurde. Ihr Vater, der sieh jetzt viel auf dem Wulfshofe blicken ließ, gab sich alle Mühe, sie mit seinen Dummheiten aufzumuntern, aber es war und blieb doch man ein halbes Werk.

Da das Auspressen und Plündern und das Quälen und Martern kein Ende nahm, hatten die Bauern rund tun das Bruch miteinander abgemacht, sich gegenseitig Bescheid zu geben, damit das Vieh und die Frauensleute geborgen werden konnten. Alle paar Wochen mußte einer der Knechte losjagen, wenn von irgendwo schlimme Post kam, oder die Ödringer trieben Hals über Kopf ihr Vieh in den Burgwall mitten im Bruche und ließen ihre Frauen und Mägde so lange in den Plaggenhütten, bis die Luft wieder sauber war. Seinen besten Knecht hatte der Wulfsbauer dabei eingebüßt. Er war zum nächsten Dorfe geritten, um anzusagen, daß ein Haufen weimarscher Kriegsknechte auf dem Wege war; am anderen Tage war der Schimmel wieder da, aber mit Blut auf dem Rücken und einem Streifschuß am Halse; Katz aber kam nicht wieder.

Bis dahin hatte der Wulfshof unter dem Krieg weniger ausgestanden als die anderen Höfe in Ödringen, weil er zu sehr abseits lag. Auch Landstreicher fanden sich deshalb selten hin. Da kam an einem Herbstmorgen, als es über Nacht zum ersten Male gefroren hatte, ein Zigeunerweib angebettelt, das ein halbnacktes Kind an der Brust hatte. Ulenvater wollte den Hund auf sie loslassen, aber seine Tochter und der Bauer wehrten es ihm. »Vater«, sagte die Bäuerin, »sie hat ein Kind an der Brust und sieht halb verhungert aus!« Der Alte brummte, als sie der Frau warme Milch, Brot und getragene Kleider gab, und der Altvater Wulf, der nicht mehr viel sagte, seitdem er sich auf die Leibzucht begeben hatte, meinte: »Wenn dich das man nicht gereuen wird, Mädchen!«

Am Nachmittage kamen dreißig Weimaraner unter einem Offizier auf den Hof. Mitten über die Haide, wo kaum ein Weg war, kamen sie, und der Altvater sagte: »Da haben wir es schon!« Sie verhielten sich ziemlich anständig, weil es ihnen an Wurst und Brot nicht fehlte und der Offizier darauf sah, daß sie nüchtern blieben, weil sie noch einen großen Marsch vorhatten. Aber ob der Bauer sich noch so sehr sträubte, er mußte zwei Gespanne herleihen, und weil der Knecht von einem Pferd geschlagen war und ein steifes Knie hatte, mußte Harm selber mit, so schwer ihn das auch ankam.

Anfangs hieß es, seine Pferde würden bloß bis Burgdorf gebraucht; aber als man auf der hohen Haide war, kam ein Zigeuner angelaufen, sprach mit dem Führer und der Zug schwenkte nach Wettmar ab, wo zwei Wagen mit Hafer standen, die Wulf weiterbringen sollte.

Es war schon meist Abend, als sie in Bissendorf ankamen. Da ging es wild her; alles lag voll von weimarschen Truppen und es war ein Gebrüll und Getue, daß Wulf ganz dumm zumute wurde. Der Wirt und die Wirtin sahen aus, als wenn sie aus dem Grabe geholt waren; der Magd hing das Haar lose um den Kopf, und Brusttuch und Hemd waren ihr kurz und klein gerissen, und die Kinder saßen auf einem Haufen hinter dem Backhause und streichelten den Hund, den einer ton den Kerlen totgeschlagen hatte. Bei ihnen saß der Knet, hielt sich die Seite und spuckte Blut, denn er hatte einen Kolbenstoß in die Rippen bekommen, weil er sich für die Magd aufgeschmissen hatte.

Wulf wartete und wartete, denn der Offizier hatte ihm gesagt: »Seine Pferde kriegt er wieder.« Es war meist Mitternacht, da gab Wulf für einen Soldaten einen Krug Bier aus, damit der Mann den Offizier an sein Wort erinnern sollte. Gerade wollte er seinen Geldbeutel wieder einstecken, da wurde ihm der aus der Hand gerissen und ehe er sich versah, lag er vor der Türe. Er griff nach seinem Messer, nahm sich aber zusammen und wartete, bis der Offizier schlafen gehen wollte, und als ein langer Mann, den die anderen Herr Oberst anredeten, ihm in den Weg kam, nahm er seinen Hut ab und fragte, ob er jetzt nicht seine Pferde bekommen könnte.

»Maul halten!« schnauzte der Offizier; »was gehen mich seine Pferde an, dummes Bauernvieh!« Wulf würgte es im Halse, aber er hielt sich zurück: »Herr Oberst, der Herr Offizier hat es mir fest und heilig versprochen, daß ich meine Gespanne wieder haben soll«, sagte er, und er wunderte sich selbst darüber, daß er das so ruhig sagen konnte. Der Offizier bekam einen roten Kopf: »Ist er verrückt, dreckiger Lümmel?« schrie er ihn an; »ist er verrückt? Stellt sich der Kerl mir in den Weg! Weg da!« Und als der Bauer nicht sofort Platz machte, schlug er ihn mit den langen gelben Stulphandschuhen, die er in der Hand trug, in das Gesicht, daß es knallte, und ging an ihm vorbei.

Wulf blieb wie ein Stock an der Wand stehen. Er hörte es kaum, daß ein Troßknecht ihm sagte: »Krieg ist Krieg und hin ist hin! Tröste dich, wie ich es getan habe, ich hatte auch einmal Haus und Hof und jetzt bin ich froh, wenn ich Brot und Bier habe.«

Er ging in den Grasgarten und setzte sich auf einen schrägen Baum. Es war eine sternklare kalte Nacht, aber der Bauer merkte die Kälte nicht. Er aß sein Brot und seine Wurst so ruhig wie immer, trank seinen Schnaps und überlegte, was zu machen war. So saß er da, bis es an zu schummern fing und es im Hause wieder laut wurde. Die Magd, die Wasser aus dem Hofe holte, rief ihn an, weil er eine Schüssel Suppe essen sollte, und das tat er auch.

Der Troßknecht kann auch in das Haus und Harm brachte aus ihm heraus, wo es hingehen sollte und auch, daß der Mann, der ihn geschlagen hatte, ein leibhaftiger Satan und Menschenschinder war. »Der kann dabeistehen und sich hegen, wenn sie ein Mädchen zu Tode quälen«, erzählte der Knecht und gab einige Stücke zum besten, daß es dem anderen kalt und heiß durcheinander über den Rücken lief.

Als er weg war, machte der Wulfsbauer sein dümmstes Gesicht und ging bald hier, bald dahin, gleich als wüßte er nicht, wo er vor Langerweile bleiben sollte. Auf einem Fensterbört lag ein Pulverhorn und ein Kugelbeutel; als niemand hinsah, warf er beides über den Zaun unter den Hollerbusch. Dann sah er sich so lange um, bis er eine Büchse fand, und die besorgte er auch beiseite. Zuletzt traf er den jungen Offizier, der bei ihm auf dem Hofe gewesen war; er bat ihn, ihm die Pferde wieder zu verschaff en. Der junge Mensch, der den Abend zuviel getrunken und sein ganzes Geld verspielt hatte, zuckte die Achseln und ging an ihm vorüber, ohne ein Wort zu sagen. Als Harm ihm nachging und ihm sagte: »Ihr habt es mir doch versprochen!« schrie er: »Hast du noch nicht genug? Scher dich zum Teufel!«

Wenn nicht, denn nicht!« sagte der Bauer vor sich hin, ließ sich noch einen Teller Brotsuppe und ein Stück Trockenbrot schenken, denn der Wirt sagte: »Dein Geld haben die Schweine ja doch bei mir versoffen!« Als die Luft rein war, steckte er das Pulverhorn und den Kugelbeutel ein, nahm die Büchse unter seinen Mantel, sah sich um, ob ihn auch niemand gewahr wurde, und dann drückte er sich von einem Baum zum andern, bis er weit genug vom Kruge war und in die Haide kam.

Er war ganz ruhig; er wußte, wie er sich bezahlt machen wollte. Ganz langsam ging er, sich immer in Deckung haltend, im großen Bogen dem Bruche zu und nach der Straße hin, und da suchte er sich eine Stelle, wo lauter Torfstiche waren, so daß kein Reiter dort durchkonnte. Da wartete er, bis es Zeit für ihn wurde.

Hinten in der Haide fiel ein Schuß; im Moore war ein Birkhahn am Prahlen; ein Fuchs kam quer über die Straße, kriegte Wind von dem Bauern und machte kehrt; Krammetsvögel fielen zu Felde; Mäuse piepten in den Ellernbüschen; eine Elster flog über ihn weg.

Dann blies im Dorfe ein Horn, einmal, zweimal und ein drittes Mal. »Jetzt, jetzt!« dachte Harm. Es dauerte nicht lange und er hörte das Gepolter der Wagen, das Klappen der Peitschen, ein Pferd wieherte, eine Stute; ein Hengst antwortete und dann alle anderen. Der Trompeter blies ein lustiges Stück, die Reiter sangen; schön hörte sich das an. Wulf kannte das Lied; er pfiff vor sich hin, lachte und dachte: »Gleich, gleich!«

Sie kamen; ein, zwei, drei Reiter, dann ein ganzer Haufen, dann wieder einer, der Trompeter, dann der Fähnrich, ein dicker Mann mit lustigem Gesicht, der junge Offizier, neben ihm noch einer; sie erzählten sich etwas, lachten laut und zielten mit der Hand nach einem Raben, der über die Straße flog und sofort abschwenkte. Dann kam ein Frauenzimmer angeritten, an jeder Seite einen Reitknecht. Das war die Person, die der Oberst bei sich hatte, ein ausnehmend schönes Mädchen. Es drehte sich um und rief etwas hinter sich.

Und dann kam der Oberst. Er sah aus, als wenn er wenig getrunken und gut geschlafen hatte; er klopfte mit seiner rechten Hand, die in dem gelben Stulphandschuh steckte, seinem Apfelschimmel den Hals.

Wulf sah ihn sich genau an, denn er wollte das Gesicht für immer im Gedächtnis behalten. Dann nahm er den Mann auf das Korn, gerade in dem Augenblicke, als der Oberst ihm das volle Gesicht zudrehte. Erst zielte er auf die Brust, aber dann ging er tiefer und so wie es knallte, sah er durch das Feuer, daß der Mann beide Arme über sich warf und nach der Seite klappte, und gleich darauf hörte er ihn schreien: »O Jesus!« und hinterher quietschte das Frauenzimmer auf.

Aber da war der Bauer schon ein Ende weiter. Er hatte es sich vorher genau überlegt, wie er es machen wußte, damit ihn keiner zu sehen bekam. Als das Schreien und Rufen losging und ein Dutzend Schüsse in den Ellernbusch gefeuert wurden, in dem er gelauert hatte, da hatte er schon den Abstich und ein tiefes Flatt hinter sich; von einem Birkenbusche nach dem anderen kriechend kam er zu dem Anberg, von dem aus er nach der Straße hinsehen konnte.

Er mußte lachen, wie sie da hin und her ritten und durcheinanderjagten, gerade als wenn sie das zum Vergnügen taten! Und jetzt lachte er hellwege auf, denn drei Reiter, nein vier, die in das Moor hineinjagten, waren auf einmal weg und das Wasser spritzte auf.

»Dafür ist es eigentlich heute morgen zu frisch«, sagte er vor sich hin und schüttelte den Kopf, als noch drei Reiter in das Bruch ritten. Zwei sanken gleich ein und kehrten um; der eine aber, der einen Schecken ritt, kam beinahe bis zur Haide, aber da brach das Pferd ein, der Reiter schlug in den Morast, daß es nur so quatschte, und das Pferd trabte ledig weiter.

Wulf sprang auf und kroch gebückt von einem Machangelbusch zum anderen, bis er weit genug war. Er sah noch, daß mehrere Reiter abstiegen und zu Fuß in das Bruch gingen; dann aber lief er, was er konnte, bis er da war, wo der Schecke stand, hin und her trat und nicht recht wußte, was er machen sollte, um aus dem Morast herauszukommen. Als er den Bauern sah, prustete er freundlich, und in aller Gemächlichkeit konnte Wulf ihn packen und an einem Busche anbinden.

Er blieb so lange hinter einem Machangel liegen, bis der Zug sich wieder aufmachte. Ungefähr konnte er zählen, wie viele Pferde es waren. Der Apfelschimmel ging ledig und das Frauenzimmer war auch nicht mehr beritten, denn der verrückte rote Hut, den sie aufhatte, war jetzt auf dem einen Wagen zu sehen.

Der Bauer nickte; er wußte, daß er seine Sache gut gemacht hatte. Er lauerte so lange, bis der Zug im Walde verschwunden war und dann noch eine Viertelstunde.

Dann ging er vorsichtig dahin, wo er die Büchse versteckt hatte, lud sie auf das neue und kroch dahin, wo der Reiter so schwer gestürzt war. Er fand ihn gleich. Der Mann hatte den Kopf unter der Brust und rührte sich nicht mehr; er hatte sich das Genick abgestürzt.

Es war kein gemeiner Reiter, sondern ein Wachtmeister. Wulf nahm ihm den Gürtel ab, schnitt die Jacke auf, und dann lachte er vor sich hin: elf Dukaten hatte der Kerl in der Rückenbahn eingenäht und sieben auf der Brust, und in der Tasche hatte er drei Taler und noch mehrere Schillinge. Zudem hatte er ein sehr schönes Dolchmesser außer dem Säbel am Gürtel. Das Messer nahm Harm an sich, den Säbel ließ er liegen, aber die beiden langen Pistolen, die er in der Satteltasche des Pferdes fand, behielt er.

Als er in dem Holster noch weißes Brot, eine Flasche Schnaps, ein gebratenes Huhn und Salz fand, war er vollends zufrieden. Er setzte sich neben das Pferd, frühstückte in aller Ruhe, gab dem Schecken das Brot, das er aus Bissendorf mitgenommen hatte, schlug sich die Pfeife an, rauchte sie langsam zu Ende und ritt dann in schlankem Trabe nach Hause.

Schon von weitem wurde er gewahr, daß seine Frau nach ihm aussah. Sie lachte und weinte durcheinander, als sie ihn sah: »O Gott, Harm«, rief sie, »kein Auge habe ich zugetan die ganze Nacht! Gott sei Lob und Dank, daß du wieder da bist! Was hab ich mich gebangt! Aber wo hast du den Schecken her? Und wo sind unsere Pferde?«

Ihr Mann lachte lustig auf: »Ja, Mädchen, die habe ich ihnen lassen müssen; aber ich habe sie gut bezahlt gekriegt. Sieh mal!« Er hielt ihr das Geld hin. »Aber jetzt bin ich hungrig wie ein Wolf; solchen Hunger habe ich lange nicht gehabt. Gestern bin ich vor Arger nicht zu meinem Rechte gekommen. Was macht denn der Junge? Und hat sich sonst nichts Besonderes begeben?«

Er war so aufgekratzt und hatte so blanke Augen, daß seine Frau sich über ihn wundern mußte, und die Angst, die sie den Tag vorher und die Nacht gehabt hatte, schlug bei ihr in lauter Freude um. So wurde es ein Tag, wie er auf dem Hofe lange nicht mehr gewesen war, so viel Lachen und Flöten gab es. Harm trug seinen Jungen Huckepack, ließ ihn auf den Knien reiten und sang ihm dazu das Lied vor, das der Trompeter den Morgen geblasen hatte.

Ein Reiter kam auf den Hof; es war Drewes. »Hast du das Neueste schon gehört?« fragte er Wulf leise und grieflachte dabei wie ein Scharfrichter. »Heute morgen ist der weimarsche Oberst, oder was er sonst ist, hinter Bissendorf bei der alten Wolfskuhle aus dem Busche totgeschossen. Das heißt, ganz tot ist er nicht gleich gewesen; sie haben ihn noch bis Hope gefahren und da ist ihm die Puste ausgegangen. Ich habe die Geschichte in Mellendorf gehört. Und ein Wachtmeister und ein Reiter sind noch dazu im Bruche ersoffen, als sie hinter dem Scharfschützen hersuchten. Die Döllmer! hätten da wegbleiben sollen!«

Er sah den Wulfsbauern von der Seite an: »Deine Pferde bist du losgeworden, habe ich gehört. Der Knecht sagt, du hast sie gut bezahlt gekriegt. Das ist ja das reine Wunder! Mir haben sie zwei vor dem Pfluge weggenommen und noch nicht einmal ein Gottsvergelts dafür gegeben. Schönes Wetter heute! Ich glaube aber, daß es über Nacht umschlägt. Na adjüs auch!«

Er tat so, als ob er gehen wolle, drehte sich aber noch einmal um: »Na, ekelst du dich jetzt noch vor mir, daß ich mir damals den Krückstock blutig gerissen habe? Sei man ruhig, brauchst nichts zu sagen, und ich will auch nichts gesagt haben! Geschäft ist Geschäft. Wir sind keine Leute, die sich etwas schenken lassen, aber umsonst geben wir auch nichts her. Und daß du es weißt: übermorgen wollen wir darüber sprechen, wie es jetzt hier werden soll. Einer für alle und alle für einen muß es heißen, sonst gehen wir allesamt vor die Hunde. In Wettmar haben die Schandkerle zwei Bauerntöchter mit Gewalt verunehrt, in Berghof haben sie einen Häusling so mit Schlägen zugedeckt, daß der Mann daran gestorben ist. Deshalb wollen wir auf dem Hingstberge zusammenkommen, übermorgen um Uhre neune, von jedem Dorfe um das Bruch herum einer oder zwei. Für Lidringen mußt du kommen, denn der Burvogt hat seinen bösen Husten.

So, was ich noch sagen wollte! Die Schwefelbande, die gestern in Bissendorf lag, kommt hier nicht wieder her. Sie sind froh, wenn sie erst hier weg sind, denn der papistische General, Till oder so ähnlich heißt er, ist ihnen auf der Naht. Wollen hoffen, daß er hier nicht vorbeikommt. Addern und Schnaken sind zweierlei, aber Gift haben sie alle beide.«

Er sah ihn von der Seite an: »Also brauchst du keine Bange zu haben, daß sie das Geschäft reut, und daß du das Geld wieder hergeben mußt, und den Schecken, den du zugekriegt hast. Aber das Pferd sieht zu dummerhaftig aus; ich würde es ein bißchen auffärben, sonst lachen dich die Leute aus, wenn du damit pflügst, und sagen: der Wulfsbauer pflügt jetzt mit seiner schwarzbunten Kuh! Na, denn also bis übermorgen!«

Damit ging er. Harm tat, wie Drewes ihm geraten hatte, und am Abend war der Schecke ein Rappe. Er war kaum mit der Arbeit fertig, da war der Engenser wieder da. »Mensch«, sagte er, »du mußt mithelfen. Eben kommt von Wiekenberg Botschaft, daß an die dreißig Kerle durch das Bruch ziehen. In Wekenberg haben sie einen Hof angesteckt und die Leute lahm und krumm geschlagen. So fünfzig bis sechzig Leute kriegen wir zusammen. Auf, auf zum fröhlichen Jagen!«

Der Wulfsbauer machte ein verdrießliches Gesicht; er hatte geglaubt, sich so recht ausschlafen zu können, und nun konnte er wieder die Nacht um die Ohren schlagen und wie ein Wolf im Busche liegen. Und dann seine Frau, so lustig war sie seit langer Zeit nicht gewesen. Ihre Augen lachten man so, wenn sie ihn ansah, und Backen hatte sie wie damals, ehe ihr das Unglück zustieß. Außerdem, wer weiß, wohin die Leute, von denen Drewes redete, zogen? Und schließlich: sie hatten ihm ja nichts getan! Das mit dem Obersten, das war etwas anderes; der hatte ihn in das Gesicht geschlagen! Aber aus dem Hinterhalte Leute über den Haufen schießen, mit denen er gar nichts vorgehabt hatte, das war ihm nicht nach der Mütze.

Weißt du was, Drewes?« sagte er, »ich kann den Kopp nicht halten; ich habe die ganze Nacht draußen aufgesessen und den Tag über in Moor und Haide zugebracht. Und meine Frau, du weißt, ja, wie die ist! Zum ersten Male seit damals ist sie wieder wie vordem; heute kann ich nicht von ihr fort. Ich habe genug Sorge um sie gehabt das ganze Jahr. Und ob ich nun mit dabei bin oder nicht, davon wird der Brei auch nicht dicker, zumal ich kein Pferd habe, auf das ich mich verlassen kann. Laß mich dabei lieber weg, heute wenigstens!«

Der Engenser sah ihn von der Seite an. »Ist wahr, du siehst aus, als wenn dir der Kopp nach dem Bette hängt. Na, wir werden auch so mit ihnen fertig werden. Vielleicht, daß du morgen früh nachkommst, denn wir wollen gleich los, damit wir sie vor Tau und Tag in die Mache kriegen. Aber das nächstemal rechnen wir auf dich. Bedenke, wenn du uns nicht hilfst, meinst du, daß ein anderer für dich die Finger rühren wird? Du hast doch schon genug ausgestanden, als daß du noch erst warten willst, bis dir wieder einer was tut, ehe du zuschlägst. Tote Füchse beißen nicht mehr! Aber wie du willst. Und denn adjüs auch!«

Harm wurde ordentlich das Herz leicht, als Drewes fort war, und als er in das Haus ging, pfiff er das Lied vor sich hin, das die Reiter den Morgen gesungen hatten:

Nichts Schönres kann mich erfreuen,
als wenn der Sommer angeht;
da blühen die Rosen im Garten,
ju ja im Garten;
Trompeter, die blasen ins Feld.


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