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Antonie

Antonie schüttete Eiswasser in das Glas und setzte ihren Strauß von Parmaveilchen hinein.

»Nun habe ich genug von eurem spanischen Weine,« sagte sie.

Und sich über den Armleuchter neigend, zündete sie sich lächelnd eine Papelitos an. Bei dieser Bewegung fiel der Schein der Kerzen auf ihr herrlich glänzendes, kohlschwarzes Haar.

Wir hatten die ganze Nacht über Jerez getrunken. Durch das weitgeöffnete Fenster blickte man auf den Garten der Villa und wir vernahmen das Flüstern des Windes in dem Laub der Bäume.

Unsere Lippen dufteten nach Sandelholz und vielleicht auch nach dem süßen Munde Antoniens, hatte das schöne Geschöpf uns doch abwechselnd gestattet, die roten Rosen ihrer Küsse zu pflücken, und zwar mit einer Anmut und Liebenswürdigkeit, die keine Eifersucht aufkommen ließ.

Sie betrachtete sich lächelnd in den großen, an den Wänden des Zimmers hängenden Spiegeln und wandte sich dann uns zu mit der sieghaften Miene einer Kleopatra, um in unseren Augen wieder ihr Bild zu finden.

Auf ihrer jungen Brust schimmerte an schwarzem Samtbande ein goldenes Medaillon, das mit ihren eigenen, in Edelsteinen dargestellten Initialen geschmückt war.

»Ist es eine schmerzliche Erinnerung? – Du liebst ihn nicht mehr?«

Und da wir sie bedrängten:

»Schaut her!...« sagte sie.

Mit einem Drucke ihres feinen Nagels öffnete sie den Verschluß des geheimnisvollen Schmuckstückes, das Medaillon sprang auf. Auf einer glänzend schwarzen Haarlocke lag künstlerisch arrangiert eine anspruchslose, kleine Blume, ein dunkles Stiefmütterchen.

»Antonie! Danach zu urteilen, muß dein Liebhaber ein noch sehr junger, wilder Junge sein, den du durch deine Bosheiten gefesselt hast?«

»Ein Lebemann würde dir doch sicher niemals ein so naives Pfand seiner Zärtlichkeit geben?«

»Es ist nicht recht, so etwas an einem so fröhlichen Abende, wie dem heutigen, zu zeigen. –«

Antonie brach in ein fröhliches, silberhelles Gelächter aus, das so laut und übermütig war, daß sie genötigt war, ein Schlückchen Wasser aus ihrem Veilchenglase zu trinken, um sich zu beruhigen.

»Gehören denn nicht Haare in ein Medaillon?«

»Zweifellos, ganz zweifellos.«

»Ach, meine lieben Freunde, nachdem ich all meine Erinnerungen auf das sorgfältigste geprüft, habe ich eine meiner eigenen Locken gewählt – und ich trage sie... weil ich mir selbst treu bin.«


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