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Elftes Kapitel.
Zwei Besucher auf Schloß Boncourt.

Hart an der Fahrstraße, die von Nancy nach Boncourt führt, lag, halb versteckt von hohen Tannen, ein einsames Plätzchen. Dort hatte heute St. Pierre seiner Tochter Lebewohl gesagt, als er zur Stadt fuhr. Das Mädchen war zurückgeblieben, sie hatte sich auf die Moosbank gesetzt und schaute gedankenvoll dem Spiele der herbstlichen Blätter zu.

Da scholl Wagenrollen und schneller Hufschlag an ihr Ohr. Sie horchte auf; von unerklärlicher Unruhe ergriffen, trieb es sie nach dem Eingange der Laube. Dort blieb sie stehen, umrahmt von den dunklen Tannen, und schaute gespannten Blickes auf das nahende Gefährt. Der Mann in der dunklen Priesterkleidung, der darinnen saß, beugte sich heraus, als er das Mädchen sah, und befahl dem Kutscher zu halten.

Während er die wenigen Schritte, die ihn noch von ihr trennten, zu Fuß zurücklegte, hatte er völlig Zeit, ihre Erscheinung in sich aufzunehmen. Ja, das konnte niemand anderes sein, als Giovanna, die Braut seines Bruders. Das war das lockige, blonde Haar, das waren die dunklen Augen, die Horaces Herz gefangen hielten.

Grüßend trat er ihr entgegen. »Irre ich mich nicht,« wandte er sich an sie, »so finde ich in Euch die Tochter St. Pierres, unseres treuen Verwalters von Boncourt, den mein Vater, der Marquis St. Herbert, ganz besonders schätzt und ehrt.«

Heißes Erröten flog über Giovannas Antlitz, als sie seine Frage bejahte. »Darf ich Euch einen herzlichen Willkommen auf Eurem Schlosse bieten,« fügte sie schüchtern hinzu und schaute ihn mit bittenden Augen an. »Mein Vater ist nicht daheim, Ihr müßt zuerst mit meinem Gruße fürlieb nehmen.« Er dankte ihr freundlich, doch nicht ohne eine gewisse Förmlichkeit; als er aber den gespannten Ausdruck ihrer Züge gewahrte, sprach er wärmer als bisher. »Ich komme als Abgesandter meines Bruders, Euch seinen Gruß zu bringen.«

Des Mädchens Augen leuchteten hell auf. »Ich bitte Euch, sagt mir, blieb Euer Bruder unverletzt in den furchtbaren Oktobertagen?« drängte sie.

Gilbert bemerkte das Zittern ihrer Stimme; freundlich geleitete er sie in die Laube zurück und setzte sich dort an ihre Seite. »Es ist eine lange Geschichte, die ich Euch mitzuteilen habe, denn ich will offen mit Euch reden und bitte auch Euch um Euer volles Vertrauen, wie ich das meines Bruders besitze. Habt ihr Zeit, mich anzuhören, und wollt Ihr mir vertrauen?«

Sie nickte stumm, und er berichtete ihr auf das genaueste von den letzten verhängnisvollen Tagen im Versailler Schlosse. Auf Giovannas ausdrucksvollem Gesichte wechselten Freude und Schmerz. »Mein Gottesstreiter, mein tapferer Held,« flüsterte sie dazwischen, als sie von dem Kampfe vor der Thür der Königin hörte, und die dunklen, von Thränen gefüllten Augen glänzten warm und selig.

Als aber Gilbert von dem Schlage sprach, der Horace niedergeworfen hatte, da faßte sie krampfhaft seinen Arm. »Sagt es mir, er lebt, er ist wohl auf?« stieß sie ängstlich hervor.

Der junge Priester sah die Seelenangst des Mädchens und beruhigte sie liebevoll, dann erzählte er ihr von den letzten Scenen im Schloßhofe, die er aus François' Munde erfahren hatte.

Gespannt, mit glühenden Wangen hörte ihm Giovanna bis zuletzt zu. »Er hat seinem Könige die Treue gehalten,« rief sie begeistert, »er glich Eurem edlen Ahnen, der Eure Devise errang, und dieser ritterliche Held hat mich armes Mädchen erwählt, die ihm nichts geben kann als sich selbst, nichts für ihn thun darf, als für ihn beten und ihn lieben, unbeschreiblich lieben! Meine Liebe ist nicht so selbstisch, daß sie sich zwischen seine Treue für den bekümmerten König drängen wollte. Ich verstehe jetzt genügend von der Welt, um zu begreifen, daß ich noch nicht an seiner Seite die schweren Stunden mit ihm teilen darf. Wir wollen beide die Wege der Pflicht gehen, er dort, ich hier; mit dem Liebesglück im Herzen werden wir stille warten können bis zu dem seligen Tage, wo wir einander endlich völlig und ungeteilt besitzen können.«

Gilbert begriff jetzt, daß es nicht nur die märchenhafte Waldfee war, die Horace bezaubert hatte, sondern vor allem das edle Herz eines reinen Mädchens.

»Ihr habt mich einen vollen Blick in Eure Seele thun lassen,« sprach er gerührt, »und ich begrüße nun mit doppelter Freude die Braut meines Bruders, meine teure Schwester.«

»Ihr werdet diese Schwester lieben um Horaces willen,« bat sie, »Ihr werdet sie schützen und ihr helfen.«

»Das will ich, so wahr mir Gott helfe,« beteuerte Gilbert. »Aber täuscht Euch nicht, Giovanna, der Weg, der vor Euch liegt, ist dornenvoll, und große Hindernisse treten Euch entgegen. Ist Eure Liebe auch stark genug, um schwere Opfer zu bringen?«

»Mit des Herren Hülfe werde ich stark sein,« lautete die Antwort. »Horaces Liebe wird kein Opfer von mir fordern, das meine Pflicht verbietet.«

»Wir wollen mit einander überlegen, wie wir zum Ziele gelangen,« meinte Gilbert sinnend, »doch jetzt möchte ich mir zuerst Eure freundliche Begleitung nach dem Schlosse erbitten.«

Von Giovanna geleitet, kehrte er in das Schloß seiner Väter ein, in dem sie ihm eine beredte Führerin wurde.

Doch die sonnige Fröhlichkeit, welche aus des Mädchens Zügen leuchtete, während sie harmlos mit ihm plauderte, sollte bald getrübt werden. Wenige Stunden später, als sie mit Gilbert vor dem Schlosse saß, war ihr Antlitz bleich und die fest geschlossenen Lippen sprachen von einem inneren Kampf. Der junge Geistliche war sich seines Vorsatzes wohl bewußt geblieben, er hatte versucht, mit aller Macht der Überredungsgabe das Mädchen für seinen Glauben zu gewinnen, aber er fühlte, daß er auch nicht um einen Schritt weiter gekommen sei. Giovanna stand fest und unerschütterlich, die Lehre, in der sie erzogen, war für sie zur heiligen Überzeugung geworden, sie kannte keine ängstlichen Zweifel, und mit klarem Geiste hatte sie ihr Heiligtum zu schützen gewußt, als Gilbert es anzugreifen versuchte. Je länger das Gespräch dauerte, das alle Seelenkräfte des Mädchens anregte, desto mehr wurde Gilbert sich bewußt, daß diese Tochter St. Pierres ein seltener Schatz sei, um den er ringen wollte für Horace wie für seine Kirche mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln.

Er wandte jetzt das Gespräch auf Giovannas Mutter. »Die fromme Entschlafene,« meinte er, »wird unter den Heiligen des Himmels für ihr Kind beten, und vielleicht wird sie auch bitten, daß dieses Kind in den Schoß der Kirche ihre Zuflucht suche, der sie angehörte.«

»Meine Mutter hat, so lange sie lebte, nie diesen Wunsch geäußert,« antwortete das Mädchen ruhig. »Aus ihrem Munde habe ich zuerst gelernt, daß es einen Gott giebt, reich über alle, dessen Liebe sich der Menschheit erbarmte, und unvergeßlich bleibt mir das Bekenntnis der teuren Lippen in der Todesstunde. Als die Augen sich schon für das Jenseits zu öffnen schienen und die zitternden Hände das Crucifix empor hielten, da war ihr letztes jubelndes Wort: ›Aus Gnaden nimmt mich der Herr auf!‹ Nie habe ich die Eltern über Glaubenssätze streiten hören; wo sie verschieden dachten, da ließ ein jeder den anderen ungehindert seinen Weg gehen. Sie waren dennoch eins im Grunde ihres Glaubens, in ihrer Liebe zum Herrn, und gemeinsames Gebet einte ihre treuen Herzen.«

Das Mädchen schwieg, und auch Gilbert schaute eine Weile gedankenvoll vor sich nieder, dann begann er von neuem. »Laßt mich offen sein: das größte Hindernis, daß sich Eurer Verbindung mit Horace entgegenstellt, ist Euer Glaube. Gestattet mir, Euch in den erhabenen Lehrsätzen unserer Kirche näher zu unterweisen, Ihr werdet sie schätzen lernen und Euch, dann vielleicht zu einem Übertritt verstehen.«

»Übertritt,« unterbrach ihn Giovanna heftig, »ich sollte meinen Glauben verlassen, sollte meinen Gott verleugnen?«

»Nicht verleugnen sollt Ihr den Herrn,« besänftigte der Priester, »Ihr könnt ihm besser noch in unserer Kirche dienen. Ihr sagtet mir vorhin, daß Eure Liebe bereit sei zu jedem Opfer für Horace. Bedenkt nun, daß von Eurer Entscheidung sein ganzes Lebensglück abhängt, denn durch Euren Übertritt reißt Ihr die größte Schranke nieder, die Euch trennt.«

Das Mädchen richtete sich stolz auf. »Euer Bruder hätte nie von mir verlangt, daß ich meiner Pflicht vergäße.«

»Ich darf es Euch nicht verhehlen, dies Hindernis ist riesengroß und droht Euer ganzes Glück zu zerstören, gebt nach,« drängte der Priester.

»Nimmermehr,« stieß Giovanna leidenschaftlich hervor. »Dieser Glaube, der mich stärkt und tröstet, mich führt und schützt, ich gebe ihn nicht hin, für keinen Preis der Erde! Ich meinte, die Braut Eures Bruders sollte höher in Eurer Achtung stehen, Ihr dürftet nicht von ihr annehmen, daß sie um irdischen Glückes willen ihren Glauben verließe. Wißt, auch in meinem Herzen steht das Losungswort Eurer Ahnen, und allem voran das Gelübde Fidèle à Dieu! (Treu meinem Gott).«

»Denkt an Horace, um seinetwillen nehmt mir nicht alle Hoffnung,« mahnte Gilbert in höchster Erregung.

»So helfe mir Gott, ich kann nicht anders,« stöhnte das Mädchen. »Wie könnte ich Horace die Treue halten, wenn ich sie zuerst dem Herrn gebrochen hätte!« Heiße Thränen rannen über ihre Wangen, einen Augenblick kämpfte sie heftig gegen die stolze Entrüstung, die sich ihrer bemächtigte, dann wandte sie sich wieder zu Gilbert. Sanft und wehmütig klang der zitternde Ton ihrer Stimme, als sie leise klagte: »Vor wenig Stunden gelobtet Ihr, Gottes heiliger Diener, der schwachen Schwester Rat und Stütze zu sein, und nun wollt Ihr mich verführen, um irdischen Besitzes willen meines Herzens Überzeugung zu verleugnen! Mir brachte mein Glaube Freude und Friede, ich gebe ihn nicht hin und sollte ich auf alles Lebensglück verzichten.«

In Gilberts Brust arbeitete es heftig. Dieses zarte Geschöpf mit ihrem klaren Glauben stand unbeirrt vor ihm; kein Einwand, keine Lockung hatte sie berührt, in kindlicher Einfalt hatte sie ihn, den Priester, zurückgewiesen und ihm die Waffen, die er gegen sie gebrauchte, aus der Hand gerungen. Was sollte er nun thun?

»Vergebt mir, Schwester, wenn ich Euch wehe that,« bat er gepreßt, »bei Gott, meine Absicht war rein. Laßt uns jetzt scheiden; im ernsten Gebete wollen wir beide vor dem Herrn liegen und ihn anflehen, uns den rechten Weg zu zeigen.«

Er reichte Giovanna die Hand. Still legte sie die ihre hinein. »Ich kann nie anders sprechen, als ich heute gethan habe,« sagte sie und blickte ihn mit sanften, traurigen Augen an.

Der junge Priester wandte sich zur Kapelle, sein Herz klopfte stürmisch, tausend Gedanken durchwogten seinen Kopf. Der alte Kampf kehrte zurück, seine Seele rang nach Wahrheit und Klarheit. Ein einziger, fast wilder Schrei des Gebets drang über seine Lippen, als er sich vor dem Crucifix auf den Stufen des Altars niederwarf und flehte: »Herr, laß es licht um mich werden!«

Bebend schlug er die Bibel auf, die auf dem Altare lag, und seine Blicke fielen auf das Wort: »Es wird ein Hirt und eine Herde werden.« Er starrte darauf hin, bis die Buchstaben wie eine flammende Schrift vor seinen Augen leuchteten. Schwer sank sein Kopf auf den Rand des Altars. »Herr,« stöhnte er, »willst du mir sagen, daß ich meine Hände lassen soll von dieser Seele? – – Ja, du selbst, Herr, willst es sein, der du deine treuen Bekenner sammelst unter allen Nationen und die Schäflein auch aus dem anderen Stalle der einen großen Herde zuführen wirst, die dein Hirtenstab vereint.«

Lange noch lag der ernste Mann auf den Knieen, bis endlich ein stiller Friede in sein Herz zog. Er hatte durchgerungen und sah seinen Weg. Wo so starker Glaube im Herzen wurzelte wie bei Giovanna, da durfte er nicht daran rühren. Der Herr hatte es ja verheißen: »Einst kommt der Tag, da ein Hirt und eine Herde sein wird.«

*

Als Gilbert Giovanna verlassen hatte, wandelte das Mädchen langsam nach dem Platze zurück, wo sie am Morgen gesessen. Es wollte ihr scheinen, als ob sich über die sonnige Landschaft vor ihr ein grauer Schleier gebreitet hätte.

Da schreckte sie ein nahender Schritt aus ihren Gedanken. Mit leisem Schrei fuhr sie zusammen, denn an ihrer Seite stand Guiseppe.

»Es scheint, daß ich immer das Unglück habe, meine Schwester durch meine Ankunft zu erschrecken,« spottete er. »Freilich, heute ist dein Schreck gerechtfertigt, du konntest den Verbannten nicht hier erwarten.«

Entsetzt hörte ihn Giovanna und betrachtete mitleidig seine eingefallenen Züge. »Ich weiß von nichts,« suchte sie ihn zu besänftigen, »komm, setze dich zu mir und erzähle mir alles.«

Aber er blieb ihr gegenüber mit verschränkten Armen stehen, düster vor sich hinstarrend. »Also du weißt nichts,« wiederholte er, »wohlan, so sollst du alles hören. Als ich zögerte, heim zu kommen, erhielt ich im Juli einen drohenden Brief des Vaters mit Vorwürfen. Ich hatte bereits das Billet gelöst, um hierher zu reisen, nun konnte ich es nicht, denn ein freier Mann wahrt seinen eigenen Willen und läßt sich nicht gehorsam lenken nach willkürlichen Wünschen anderer. Freiwillig wollte ich später kommen; da erhielt ich nach vier Wochen einen anderen Brief. Nur zwei Worte waren es, Giovanna, aber sie genügten, um mich heimatlos zu machen. »Ich habe keinen Sohn mehr,« schrieb der Verwalter von Schloß Boncourt, »meine Schwelle überschreitet ein Vaterlandsverräter nicht mehr.« Grell lachte er auf. »Einen Vaterlandsverräter nennt man mich,« fuhr er fort, »und wir, das Volk, sind es, die das Vaterland lieben, die es befreien wollen von den Bedrückungen der Reichen.«

Giovanna schauderte. »Armer Bruder,« murmelte sie, »laß mich versuchen, dich mit dem Vater zu versöhnen.«

Guiseppe sah sie nicht an, zerstreut schlug er mit seinem Stocke nach den tief hängenden Zweigen der Bäume, daß das Laub raschelnd herabfiel. »Seit jenem Briefe habe ich kein Geld mehr erhalten,« begann er zögernd, »es ist hart, wenn man sich von guten Freunden Geld erbetteln muß. Mein Gehalt als Sekretär ist gering. Willst du versuchen, mir die Zulage wieder zu verschaffen? Thue, was in deinen Kräften steht, Mädchen, und laß mich wissen, was du ausgerichtet hast. Deine Briefe schicke zur Witwe Breton im Faubourg St. Germain, dort halte ich mich auf.«

»Ich will es versuchen, aber ich beschwöre dich, fliehe Paris, ehe sie dich zum Verbrechen fortreißen.«

»Thörichtes Kind,« zürnte Guiseppe, »was du im Unverstande Aufruhr und Verbrechen nennst, ist nur ein mächtiges Aufatmen des unterdrückten Volkes. Seitdem wir die Bastille gestürmt haben und der König unsere Kokarde angesteckt hat, seitdem ist die Macht in unserer Hand.«

»Du warst mit bei der Erstürmung der Bastille?« unterbrach ihn Giovanna ängstlich.

»Ich werde doch nicht zurückbleiben an dem Tage, da das Volk triumphiert.«

»Und in Versailles – warst du auch dort?« flüsterte die Schwester tonlos.

Guiseppe erschrak vor der fahlen Blässe, die sich über das Antlitz des Mädchens breitete, er wollte sie beruhigen.

»Wohl habe ich das Schloß mit erstürmt,« sprach er, »doch kein Mord lastet auf meiner Seele. Nur einmal hob ich die Waffe gegen einen stolzen Garde du Corps, weil mir sein Gesicht verhaßt war. Ich hatte es hier gesehen, und die Leute fabelten davon, daß er meine Schwester schön fände. Doch der vornehme Marquis wich zurück, er fürchtete die Pike des Volkes; nur ein leichter Riß streifte ihn und ließ das adelstolze Blut fließen.«

Giovanna war dabei zu Mut wie in einer Erstarrung. Mit fast übermenschlicher Anstrengung drängte sie endlich ihre Gefühle zurück. »Wisse,« sprach sie, und ihre Stimme klang geisterhaft hohl, »daß ein ritterlicher Edelmann niemals vor der Waffe eines Rebellen zurückweicht. Der Marquis Saint Herbert hat todesmutig gegen Eure wilden Horden gekämpft, bis einer der Euren ihn bewußtlos niederstreckte. Wenn das Schwert des treuen Königskämpen dich nicht traf, so war es, weil« ... sie stockte, ihre Kräfte drohten sie zu verlassen – »weil er die Schwester kennt,« fügte sie endlich kaum hörbar hinzu.

Zorn und Angst malten sich in Guiseppes Antlitz, er faßte nach der Hand des Mädchens, das bei seiner Berührung zusammen schauerte.

»Sage mir,« forschte er, »war dir der Marquis mehr als ein freundlicher Bekannter, der deine Schönheit bewunderte?«

»Das ist mein Geheimnis,« antwortete sie stolz, dann fuhr sie langsam und schweratmend fort: »Ich versprach dir beizustehen und für deine Zulage zu sorgen. Ich will es auch jetzt noch, doch erst sollst du mir schwören, deine Hand nicht mit dem Blute der Königstreuen zu beflecken, nicht mitzuhelfen, wenn eure verblendeten Banden die geheiligte Person des Königs antasten. Von dem ganzen Treiben dich zurückzuhalten, das vermag ich nicht, es wäre ein ebenso nutzloser Versuch wie die Warnungen unseres Vaters, doch dieses verlange ich, das mußt du mir schwören, wenn ich dir helfen soll.«

Sie blickte ihn fest an, die Augen schienen größer als sonst und flammten mächtiger, als er es je gesehen hatte, sie beherrschte den schwächeren Bruder völlig.

»Ich schwöre es dir, Giovanna,« gelobte er, vor ihrem Anblick erbebend.

Das Mädchen trat dicht zu ihm, nur flüsternd kamen die Worte über ihre Lippen, und doch klangen sie unheimlich deutlich. »Der Herr vernahm deinen Schwur und unsere verklärte Mutter auch. – Hörst du das Rauschen des Windes über uns? – Es sind die Stimmen der Geister, die uns mahnend und schützend umgeben, auch sie hörten deine Worte. Wenn du den Schwur brichst, dann werden aus den friedvollen Engeln unheimliche Furien, die verklagend bei Tag und Nacht dein Herz heimsuchen, dich fried- und freudlos umherjagen und dich vor Gottes Thron anklagen.«

Überwältigt von ihren Worten, wiederholte Giuseppe halb betäubt: »Ich will den Schwur halten, so wahr mir Gott helfe.«

Sie neigte langsam das Haupt. »So werde ich meines Versprechens gedenken.«

Auf der Fahrstraße dicht an ihrer Seite rollte ein Wagen, Guiseppe sah das graue Haupt seines Vaters. »Jenem Manne dort darf ich nicht unter die Augen treten,« murmelte er, »ich könnte es nicht ertragen, daß die Lippen, die mich einst mit zärtlichen Namen gerufen haben, mir jetzt fluchten.«

Er wandte sich zum Gehen, Giovanna hielt ihn nicht zurück, sie blickte ihm nach, aber sie rührte sich nicht; Geist und Körper schienen wie gefesselt.


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