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Siebentes Kapitel.

Frei geworden durch die Mittheilung gegen den Freund, hatte Friedrich beschlossen, gleich am nächsten Morgen Auguste in seine Absicht einzuweihen, obschon ihm davor bangte.

Sie saß am Frühstückstische, als er nach einem Gange durch den Garten bei ihr eintrat.

»Hast Du gesehen,« rief sie ihm entgegen, »daß die Mairöschen heraus sind? Ich ging früh nach den Radiesbeeten, und fand den Garten wie verzaubert seit gestern. Alles ist voll Rosen!«

Sie sah heiter aus, hatte Rosen in einem Glase Wasser auf den Tisch gestellt und selbst einige Rosen an die Brust gesteckt.

»Ja!« sagte Friedrich, »auch mir ist die Schönheit unseres Gartens selten so entgegengetreten. Er ist in den drei Jahren ein ganz anderer geworden. Man arbeitet wirklich einen Theil seines Herzens hinein in solch kleinen Besitz. Es hat mich gerührt, als mir heute das Stückchen Erde in so blühendem Dank entgegen schimmerte!«

Er versank in Schweigen, während Auguste den Kaffee einschenkte. Als sie ihn über verschiedene häusliche Angelegenheiten unterhielt, antwortete er ihr sichtlich zerstreut, so daß sie endlich fragte: »Woran denkst Du, Friedrich? Du hörst mir nicht zu!«

»Ich dachte daran, ob es Dir sehr hart ankommen würde, diesen Garten in andere Hände übergehen zu sehen?«

»Ob es mir hart ankommen würde?« wiederholte sie. »So hart, daß ich Himmel und Erde in Bewegung setzen würde, es zu verhindern. Glücklicher Weise kann davon aber nicht die Rede sein.«

»Und wenn es doch wäre, Auguste? wenn Verhältnisse –«

Sie ließ ihn nicht enden. »Wenn Du daran dächtest,« rief sie, »von hier fort zu gehen, so würde ich Dich für den größten Thoren erklären; es sei denn, daß Du irgend eine Superintendentur, oder sonst eine sehr bedeutende Stellung in der Stadt erhieltest, bei der man neben besserem Gehalte eine Position hätte. Aber sonst – sonst wäre es ein Wahnsinn von hier fort zu gehen!«

Sie war bei diesen Worten aufgestanden, da das Frühstück beendet war, und gewohnt, daß Friedrich sie dann verließ, hatte sie sich an dem Nähtisch in der Fensterbrüstung niedergelassen, auf den die schwebenden Ranken des Jelängerjeliebers ihre spielenden Schatten niederwarfen. Ihr Mann sah gedankenvoll zu ihr hinüber. Niemals hatte sie ihre Vorliebe für diesen Aufenthalt so entschieden ausgesprochen, selten überhaupt hatte er sie so zufrieden gesehen, als heute, da die sanfte Schönheit des Frühlingsmorgens ihr Herz bewegte, und grade heute sollte er ihr sagen, daß er den Ort verlassen wolle. Es that ihm weh, doch hatte er keine Wahl. Er mußte ihre weiche Stimmung benutzen, und mit einem milden Tone, in dem sein ganzes Bedauern erklang, sagte er: »Ich wollte, wir hätten diese drei Jahre in so ungetrübtem Glück verlebt, daß ich Dir leichten Herzens zumuthen dürfte, mir ein Opfer zu bringen!«

»Was heißt das?« fragte sie erschreckt, indem sie die Arbeit aus den Händen legte.

»Ich bin gezwungen, die Pfarre zu verlassen!«

»Zu verlassen? die Pfarre zu verlassen? Um Gottes Willen, was ist geschehen?« rief sie, »Du hast Dich mit Erich überworfen?«

Sie war aufgestanden und zu ihrem Manne herangetreten. Er reichte ihr die Hand und nöthigte sie, sich zu ihm niederzusetzen.

»Nein!« rief sie, »nur keine Procedur, keine Feierlichkeit! Sag' mir kurz heraus, was ist geschehen? Ich bin es nicht gewohnt, so vorsichtig behandelt zu werden, mein Leben hat mich den Schicksalsschlägen stehen gelehrt. Was ist geschehen, Friedrich?«

Er hätte gewünscht, ihr ruhig die Beweggründe seines Handelns auseinander zu setzen, aber von ihrer Ungeduld gedrängt, und gereizt durch die Bitterkeit ihres Tones, sagte er: »Ich finde es mit meinen Ueberzeugungen nicht länger mehr vereinbar, ein Pfarramt zu verwalten!«

Auguste stand wie versteinert da. Sie that ihm leid, er trat zu ihr, umfaßte sie und sagte: »Laß Dich nicht niederwerfen von der Mittheilung, höre mich an! Ich habe so oft versucht, Dir klar zu machen, was sich in mir entwickelt hat, Du hast es abgewiesen, und doch war es das einzige Mittel uns zu verständigen. Ich muß den Schritt thun, ich muß in mir selber Eins werden. Erleichtere mir das. Wir haben einander gelobt, uns zu tragen und zu stützen; steh mir jetzt muthig bei, und auch für unseren innern Frieden wird der Entschluß, den ich gefaßt habe, förderlich sein. Steh mir jetzt muthig bei, Auguste! Du hast die Kraft dazu!«

»Die Kraft?« rief sie, »ja! ich habe Kraft, ich habe sie beweisen müssen all mein Lebenlang, aber was mir jetzt zugemuthet wird, so plötzlich zugemuthet wird, das ist zu stark!«

»Ist es meine Schuld,« fragte er, »daß Du mich stets zurückgewiesen, wenn ich Dir auseinandersetzen wollte, was mich an meinem Amte drückte, weil es mit meinen Ueberzeugungen nicht zu vereinen war? Ist es meine Schuld, wenn Du Dich von Sidoniens Strenggläubigkeit hast fortziehen lassen, wohin ich Dir nicht folgen konnte?«

Sie antwortete ihm nicht, aber plötzlich in lautes Weinen ausbrechend, rief sie: »Gott im Himmel! bin ich denn verdammt mit meinem reinen, treuen Herzen immer an Männer zu gerathen, denen Nichts heilig ist, nicht ihre Ehre, nicht ihr Amt, nicht ihr Glaube und nicht mein Glück? – Liegt denn der Fluch auf mir, daß ich nie und nirgends Frieden, nie und nirgends eine sichere, feste Heimath finden soll?«

Trotz der Ungerechtigkeit in ihren Worten, erschütterten ihn ihre Klagen, ihre Vorwürfe. Er konnte in diesem Augenblicke nicht an ihr eigenes Verschulden denken. Alles, was sie ihm als Braut von den Schmerzen ihrer Vergangenheit erzählt, die Zuversicht, mit der er gehofft, ihr ein sanftes Leben zu bereiten, das Zutrauen, der gute Wille, mit denen er sie in sein Haus geführt, das Alles stand deutlich vor seinem Erinnern. Es that ihm weh, daß sie nicht glücklich war mit ihm, weher noch, daß er sie neuem Schmerz entgegenführen sollte. Er empfand sich als ihren Beschützer, als verantwortlich für sie, für ihre Zukunft. Er tadelte sich, daß er nur daran habe denken können, sich jemals von ihr zu trennen, und doch hatte er auch sich und seiner Ueberzeugung zu genügen.

»Auguste!« sagte er weich und bittend, »laß uns nach Verständigung trachten, der Friede wird uns kommen, und Deine Heimath soll an meinem Herzen sein.«

»Glaubst Du,« rief sie, indem sie sich von ihm losmachte, »glaubst Du, ich könnte Frieden finden bei Dir, an Deinem Herzen, seit ich weiß, daß alles Gute daraus entschwunden, daß Dir Nichts heilig ist? – Meinst Du, ich wüßte es nicht lange, daß Du nicht an Gott glaubst? daß Du keinen Unterschied mehr machst zwischen Gut und Böse? daß alle Deine Begriffe sich verwirrt haben? – Wie hätte ich mich denn so an Sidonie hängen können, hätte ich nicht eines Haltes, einer Stütze gegen Deinen Atheismus bedurft, hätte ich mich nicht an sie klammern müssen, damit ich wenigstens mich nicht fortreißen lasse, und Gut gut, und Böse böse nenne. Was bleibt mir Deinem schwankenden Charakter gegenüber, als die Zuversicht auf Gott? Bei Dir ist kein Friede mehr für mich! keine Ruhe und keine Heimath!«

Friedrich schauerte zusammen vor der schmerzlichen Wahrheit ihres Tones, vor der Entschiedenheit, mit der sie ihr Getrenntsein aussprach.

»Nimm das zurück, Auguste!« bat er.

»Ich kann es nicht! Es ist die Wahrheit! Ich habe den Frieden, die Ruhe nicht bei Dir gefunden. Es ist gut, daß Gott uns keine Kinder gab. Ich würde verzweifeln, müßte ich sie zu Gottesleugnern erziehen sehen. Du kannst mir Nichts mehr geben, laß mir wenigstens den Glauben an Ihn, der Pflichterfüllung segnet und ein Leidensloos im Jenseits zu vergelten weiß. Es ist das Letzte, was mir bleibt!« Sie weinte still. Beide verstummten.

Friedrich hatte sie nie so weich gesehen. Sie war seinem Herzen näher als jemals. Aber während er nach einem Ausweg spähte, während er sich fragte, was er zu ihrem Troste, zu ihrem Frieden thun könne, rief sie plötzlich: »Und was soll aus uns werden? Wovon werden wir leben?«

»Wir wollen nach Italien gehen, sobald ich meine Entlassung erhalten haben werde, dort –«

Sie ließ ihn, wie gewöhnlich, nicht zu Ende sprechen. »Davon kann man nicht leben, vom Reisen wird man nicht satt!« sagte sie spöttisch.

»Du sollst Nichts entbehren!« antwortete er, und zum ersten Male an diesem Morgen klangen seine Worte noch kälter, als die ihren.

»Ein Wanderleben also!« rief sie aus. »Mußtest Du mich dazu den glücklichen Verhältnissen in meines Onkels Hause entreißen, um mich einem Wanderleben, um mich einem Dasein hinzugeben, dem jede Sicherheit gebricht? Ich bin es nicht gewohnt, am Morgen nicht zu wissen, wo mein Haupt am Abend ruhen wird! Ich bin es nicht gewohnt, wie ein Tagelöhner, wie ein Handwerker aus der Hand in den Mund zu leben. – Ich begehre nicht Rang, nicht Reichthum mehr, das liegt hinter mir; ich habe entbehren gelernt, aber eine ruhige bürgerliche Existenz, die habe ich zu fordern, die hast Du mir gelobt, die bist Du mir auch schuldig!«

Kein Mann erträgt es, in solchen Augenblicken mit Strenge an seine bürgerlichen Verpflichtungen erinnert zu werden, am wenigsten derjenige, welcher ihre Erfüllung selbst als eine Ehrensache ansieht. Auch trafen die Worte seiner Frau ihn wie Dolchstöße, gegen die er sich nicht zu schützen vermochte, und sich trotz seines Leidens zur Ruhe zwingend, sagte er: »Auch Du, Auguste, hast mir Treue gelobt für die Tage der Prüfung. Ich stehe zwischen meiner Ueberzeugung und meinem bürgerlichen Amte – ich muß wählen – die Prüfung ist da. Wo aber ist Deine gelobte Treue?«

»Ich gelobte sie dem Christen! Bist Du ein Christ?« rief sie und brach abermals in schmerzliche Thränen aus.

Nie hatte Friedrich von der Doppelnatur seiner Frau schwerer gelitten, als in dieser Stunde, da er sie nicht anzuklagen, nicht zu billigen, nicht zu hassen, nicht zu lieben vermochte. Ein tiefes Mitleid mit ihr und mit sich selbst, bewegte ihn. Er war gefaßt gewesen, Augustens Vorwürfe zu hören, sie um ihre äußere Zukunft in Sorgen zu sehen. Daß ihr Herz so tief getroffen werden würde von seinem religiösen Bekenntniß, hatte er, trotz Erich's Voraussage, nicht erwartet, weil er sie darauf vorbereiteter geglaubt. Er fand sich rathlos vor ihren Thränen, vor der krampfhaften Angst, die sie verwirrte. Ihre Aufregung war keinem seiner Gründe zugänglich, alle seine Vorstellungen, seine Bitten scheiterten an ihr. Er wußte bald nicht mehr, was er ihr zum Troste sagen sollte. Er wollte sie und sich nur über den nächsten Augenblick hinwegheben, denn in solchen Krisen denkt man der Zukunft nicht, man ist allein auf den Moment gestellt.

Auguste selbst aber bot ihm den gesuchten Ausweg. »Und Deine Mutter!« rief sie aus, »an Deine alte, kranke Mutter denke, da Du doch an Dein Weib nicht dachtest! Es wird ihr Tod sein, Dich ohne Amt, ohne Haus und Brod zu sehen – und obenein so gottverlassen!«

»Komm mit zur Mutter!« sagte Friedrich schnell.

»Mit diesen Augen voller Thränen soll ich durch das Dorf gehen? Das kann ich nicht.«

»So komm mir nach!« bat er, und verließ das Zimmer, um nur fortzukommen.

Die Meisterin hatte seit Friedrich's erstem Aufenthalte auf dem Schlosse das Dorf nicht wieder verlassen. Man hatte sie bei Frau Anna eingerichtet, und da diese als Wärterin Weidewut's wieder in das Schloß gezogen war, wie man es ihr verheißen, bewohnte die Meisterin allein das kleine Haus, in das sich Friedrich flüchtete.

Wohl eine halbe Stunde verweilte er bei der Mutter, seine Frau zu erwarten, aber umsonst.

Auguste fühlte sich nicht gestimmt, der Meisterin zu begegnen. Beladen von der eigenen Noth, bangte ihr vor dem Kummer der alten Frau. Sie wollte allein sein, sich auszuweinen. Mit einem Gefühl, gemischt aus Schmerz und aus Behagen an dem Schmerze, setzte sie sich vor ihrem Nähtisch nieder, die Arme gekreuzt, das Haupt gesenkt. Es that ihr wohl, daß sie so unglücklich war, wie sie sich oft genannt, es that ihr wohl, daß Alles sie verließ, daß Nichts ihr blieb, als jene Zuversicht zu Gott, die sie seit lange ihr einzig Gut geheißen. Jetzt hatte sie ein volles Recht, die Menschen und ihre Schwäche und Wandelbarkeit zu verachten, ein volles Recht, zu Gott zu flehen, daß er sie nicht verlasse. Sie betete und weinte inbrünstig. Es war ihr Ernst mit ihrem Gottvertrauen, erwachsen aus der Verzweiflung an den Menschen.

Mit Selbstprüfung ging sie die Jahre ihrer Ehe im Gedächtniß durch, und fand sich schuldlos gegen ihren Gatten. Sie war ihm ein treues Weib, eine sorgliche Haushälterin gewesen, sie hatte seine Mutter geehrt und gepflegt, seiner Stellung entsprochen durch Hülfeleistung und Werkthätigkeit gegen Jedermann. Sie konnte bestehen vor der Welt und vor sich selber. Er, er allein hatte ihr Unglück zu verantworten. Warum forderte er von ihr Theilnahme für seine ideelle Richtung? Hatte er sie doch gewählt, weil sie den leeren Träumereien abhold, allein dem Praktischen sich zugewendet hatte! War er es doch, der nur in der Wirklichkeit zu leben begehrte, der behauptet, in dem Schaffen hier im engen Kreise die höchste Befriedigung, die letzte Erfüllung gefunden zu haben. Was wollte er denn jetzt? Warum wollte er dies Haus, dies Dorf verlassen?

Sie blickte im Zimmer umher, Alles heimelte sie an. Die schönen Meubels, welche der Onkel ihr als einen Theil ihrer reichen Ausstattung gegeben und die sie mit Sorgfalt geschont, glänzten wie neu, und waren ihr durch den Gebrauch noch werther geworden, als an dem Tage, da sie sie erhalten hatte. Die Vorhänge und der Teppich, die sie selbst gestickt, die Blumen, die sie gezogen, der Garten, den sie gepflanzt, waren ihr in's Herz gewachsen. Sie konnte sich nicht satt sehen an dem Besitz, und als wolle sie ihn in seinem ganzen Umfange genießen, stand sie auf, die Thüre der Nebenstube zu öffnen, um durch die Putzzimmer und das Fremdenstübchen hinaus zu blicken auf den Hof und auf die alten Lindenbäume in demselben.

Die kaum getrockneten Thränen traten ihr wieder in die Augen, als die frische Morgenluft kühl und doch mild durch die Zimmer strich, als die leuchtenden Sonnenstäubchen, zwischen den Thüren schwebend, all ihr Hab und Gut vergoldeten.

»Was ist mir Italien?« rief sie aus, »was sind mir seine todte Pracht und seine große Vergangenheit? Hier bin ich heimisch, hier will ich bleiben. Und Friedrich selbst, was will er dort? Was hofft er dort Tröstliches zu finden, das er hier nicht hätte? Was kann er mir dort bieten? Muß ich denn heimathlos werden, muß ich auch noch Mangel und Nahrungssorge kennen lernen, nun denn! so will ich sie doch lieber hier, lieber in der Nähe von Menschen erdulden, die mich nicht verlassen werden! Nur nicht im fremden Lande, unter fremden Leuten, deren Sprache man nicht einmal kennt, von Ort zu Ort wandern, unter dem Drucke täglicher Noth und Sorge!«

Ihre Thränen erstickten sie fast, sie schluchzte laut. Mit der zügellosen Phantasie der Unbildung, die vor jedem unerwarteten Ereigniß stutzig wird und sich empört, hatte sie sich die ihr bevorstehende Veränderung ihrer äußeren Verhältnisse in so übertriebener Weise ausgemalt, daß sie sich bereits landflüchtig und am Bettelstabe wähnte, weil ihr Mann seine bisherige amtliche Stellung mit einer freien Thätigkeit vertauschen wollte. Im Grunde konnte sie auch kaum anders empfinden. War sie doch selbst von Kindheit an zu dieser Denk- und Anschauungsweise angeleitet, deren Folgen sich jetzt offenbarten. So lange man die Frauen in dem Glauben erzieht, daß sie als Mädchen von den Eltern, als Gattinnen von dem Manne ein fertiges behagliches Dasein zu fordern haben, weil ihnen der Verkehr mit der Außenwelt und der Erwerb eigentlich nicht zustehen, so lange man sie in dem Wahne erhält, daß die höchste Aufgabe des Weibes in der Ehe das Sparen dessen sei, was der Mann erworben hat, so lange werden alle nicht reichen Männer, alle Männer, deren Einnahmen nicht fest gesichert sind, gerechte Bedenklichkeiten gegen die Ehe hegen, und in allen kritischen Fällen keine Stütze an ihren Frauen haben. Mit der oberflächigen Bildung, mit dem Dilettantismus in den Künsten, mit denen in Deutschland die Jugend der Frauen ausgefüllt wird, gewöhnt man sie an eine unnütze, unfruchtbare Beschäftigung, die in der Ehe meist mit einer eben so unfruchtbaren Haushaltsarbeit vertauscht wird. Es kommt aber nicht darauf an, daß der Mensch Etwas thue, sondern daß er das Vernünftige, das Nützliche thue. Und die Untüchtigkeit der Frauen, die sich mit Angst an das Amt, an die feste Einnahme des Mannes klammern, die den Mann selbst dadurch mehr oder weniger zum Sklaven seines Amtes, zum Sklaven der Regierung machen, hat mehr Antheil an der Unfreiheit unserer politischen Verhältnisse, als es bei oberflächiger Betrachtung scheinen mag.

Auguste konnte ihren Kummer, ihre Sorge nicht allein bewältigen, sie sehnte sich, ihn auszusprechen, sich Rath zu holen von der Freundin, und statt ihrem Manne zu seiner Mutter nachzufolgen, nahm sie Hut und Tuch und eilte auf das Schloß.


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