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VIII. Über kommunistische und religiöse Moral

Aus der Rede, gehalten am 2. Oktober 1920 auf dem 3. Allrussischen Kongreß des Kommunistischen Jugendverbandes Rußlands (Lenin, Sämtl. Werke, Bd. XXV, S. 483 f.). Von dieser höchst bedeutsamen Rede ist auch eine billige Einzelausgabe im Verlag der Jugendinternationale erschienen.

(1920)

… Dabei muß ich vor allem auf die Frage der kommunistischen Moral eingehen.

Ihr müßt euch zu Kommunisten erziehen. Die Aufgabe des Jugendverbandes besteht darin, seine praktische Tätigkeit so zu gestalten, daß die Jugend durch ihr Studium, ihre organisatorische Arbeit, ihren Zusammenschluß und ihren Kampf sich selbst und alle diejenigen erziehe, die in ihr den Führer sehen, daß sie Kommunisten erziehe. Die ganze Erziehung, Bildung und Unterweisung der heutigen Jugend muß eine Erziehung zur kommunistischen Moral sein.

Aber gibt es denn eine kommunistische Moral? Gibt es denn eine kommunistische Sittlichkeit? Natürlich! Oft stellt man sich die Sache so vor, als ob wir keine eigene Moral hätten. Und sehr oft erhebt die Bourgeoisie gegen uns die Anklage, daß wir Kommunisten jede Moral verneinen.

Das ist eine Methode der Verwirrung der Begriffe, der Irreführung der Arbeiter und Bauern.

In welchem Sinne verneinen wir die Moral, die Sittlichkeit?

In dem Sinne, in dem sie von der Bourgeoisie gepredigt wird, die diese Sittlichkeit aus den Geboten Gottes ableitet. Hier sagen wir natürlich, daß wir nicht an Gott glauben, denn wir wissen sehr gut, daß die Geistlichkeit, die Gutsbesitzer und die Bourgeoisie im Namen Gottes redeten, um ihre Ausbeuterinteressen zu schützen. Oder anstatt diese Moral aus den sittlichen Geboten, aus den Geboten Gottes abzuleiten, leiteten sie sie von idealistischen und halbidealistischen Phrasen ab, die stets auf etwas hinausliefen, das den Geboten Gottes verdammt ähnlich sah.

Wir verneinen jede Sittlichkeit, die aus übernatürlichen, klassenlosen Begriffen abgeleitet wird. Wir erklären das für einen Betrug, für einen Schwindel, für eine Verdummung der Arbeiter und Bauern im Interesse der Gutsbesitzer und Kapitalisten.

Wir erklären, daß unsere Sittlichkeit vollkommen den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet ist In diesem Sinne betonte Lenin z. B. in seiner Schrift »Der ›Radikalismus‹ die Kinderkrankheit des Kommunismus«, verfaßt 1920 (siehe »Elementarbücher des Kommunismus«, Bd. 9, 3. Aufl., 1930, S. 42): »Man muß zu all und jedem Opfer entschlossen sein und sogar – wenn es sein muß – zu allen möglichen Listen, Kniffen, illegalen Methoden, zur Verschweigung, Verheimlichung der Wahrheit bereit sein, um nur in die Gewerkschaften einzudringen, in ihnen zu bleiben und dort um jeden Preis kommunistische Arbeit zu leisten«.. Unsere Sittlichkeit leiten wir aus den Interessen des proletarischen Klassenkampfes ab In einem Gespräch mit Clara Zetkin (ebenfalls aus dem Herbst 1920) wandte sich Lenin gegen die einseitige und unwissenschaftliche Behandlung der Sexualmoral, »kurz gegen die Theorien jener spezifischen Literatur, die auf den Mistbeeten der bürgerlichen Gesellschaft üppig emporwächst«. »Dieser vermummte Respekt vor der bürgerlichen Moral ist mir ebenso zuwider wie das Herumwühlen im Sexuellen. Es mag sich noch so wild und revolutionär gebärden, es ist doch zuletzt ganz bürgerlich.« (Clara Zetkin, »Erinnerungen an Lenin«, S. 57.).

Die alte Gesellschaft beruhte auf der Unterdrückung aller Arbeiter und Bauern durch die Gutsbesitzer und Kapitalisten. Wir mußten diese Gesellschaft zerstören, mußten sie beseitigen. Dazu bedarf es aber der Organisation. Der liebe Gott ist nicht imstande, eine solche Organisation zu schaffen.

Eine solche Organisation konnten nur die Fabriken und Werke, konnte nur das geschulte, aus langem Schlaf erweckte Proletariat schaffen. Erst mit der Entstehung dieser Klasse begann die Massenbewegung, die zu dem führte, was wir jetzt sehen: zum Sieg der proletarischen Revolution in einem der schwächsten Länder, das sich seit drei Jahren gegen den Ansturm der Bourgeoisie der ganzen Welt behauptet. Wir sehen das Anwachsen der proletarischen Revolution in der ganzen Welt. Und wir können jetzt auf Grund der Erfahrung sagen, daß nur das Proletariat imstande war, eine einheitliche Bewegung, eine Kraft zu schaffen, hinter der die zersplitterte, zerstreute Bauernschaft steht, eine Kraft, die jedem Ansturm der Ausbeuter standgehalten hat. Nur diese Klasse kann den werktätigen Massen helfen, sich zu organisieren, sich zusammenzuschließen, die kommunistische Gesellschaft auf immer zu sichern und ihren Aufbau zu vollenden.

Deshalb sagen wir: für uns gibt es keine Sittlichkeit außerhalb der menschlichen Gesellschaft. Das ist Betrug. Für uns ist die Sittlichkeit den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet …

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