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Adrian.
Geschichte eines Malers

 

In der St. Walpurgisstraße der alten Stadt Oudenarde befand sich sonst ein kleines Haus, aus dem, so todt das Quartier sonst war, fast ununterbrochen von Morgen bis Abends lustiger Gesang erschallte. Oft freilich wechselte dieser auch mit anderem, noch tobenderem Lärm ab, und es klang dann wie verwirrtes Geschrei, Ausbruch von Wuth und Zorn, und schmerzliche Klagen, und nicht selten sah man dann Leute heraustragen, die offenbar in einem Handgemenge arge Wunden davon getragen, zum großen Entsetzen und Aergerniß der friedlichen Nachbarn. Aber sie konnten eben nichts dagegen thun, denn das verrufene Haus, zum Vol Kruik, zum vollen Kruge genannt, war der Sammelplatz und Lieblingsaufenthalt der Spanischen Truppen, welche in der festen Stadt als Garnison lagen und die Hand der Spanier lag schwer auf den armen Bewohnern. Die Zeit, wo Alexander Fernese das abtrünnige Oudenarde von der Plünderung lossprach, weil Margarethe, die Herzogin von Parma und Tochter Karls V., in ihren Mauern das Licht der Welt erblickte, war längst vorüber, wohl aber war noch, obgleich auch schon seit dieser Zeit geraume Zeit verflossen, das Andenken an die Revolte der Holländer im Jahre 1572 im Gedächtniß, wo sich einige Rebellen in Besitz Oudenarde's gesetzt hatten, und der Grand Bailli erschlagen und vier der Hauptpfarrer geknebelt in der Schelde ertränkt wurden. Die Spanier konnten der Stadt es noch immer nicht vergessen, daß sie sich damals so leidend benommen und benahmen sich seither stets mit dem Uebermuthe roher Ueberwinder. Darum wagte es auch niemand, sich gegen ihr Treiben zu beschweren, und nur in der Stille betete man zum Himmel um baldige Erlösung. Es war daher ein trauriges Leben in der guten Stadt, und die gesetzten Bürger hielten sich so viel als möglich in ihren Häusern und vermieden gern den Besuch der Estaminets, weil sie es nicht liebten, mit den Soldaten zusammen zu kommen und ihren rohen Scherzen und Spöttereien zur Zielscheibe zu dienen. Am meisten aber war eben der volle Krug verrufen, weil dort das gute Bier und der reine Wein, auf den sich der Wirth, Mynheer Zake, etwas zu gut that, die meisten Kunden von der Soldateska anzog. Auch gab es nur wenige, meist junge Leute von zweifelhaftem Karakter, die es wagten, sich in diesem Hause von Zeit zu Zeit sehen zu lassen, und nur Einer machte eine Ausnahme, denn er fehlte fast keinen Abend, ja er verbrachte manchen ganzen Tag auf den hölzernen Bänken dieses Estaminets, daß er fast wie zur Wirthschaft gehörig schien. War es die Gesellschaft, war es das gute Getränk, das ihn anzog, war schwer zu sagen, gewiß ist, daß er sich mit den Spaniern ganz gut vertrug, denn sie fingen nicht nur keine Händel mit ihm an, sondern hielten ihn sogar hoch wegen seiner Ausgelassenheit, die oft noch die ihrige übertraf, wegen seiner Bereitwilligkeit, einen Scherz aufzunehmen und zu erwiedern, und weil er überhaupt ein guter lustiger Kumpen war, der nichts von dem zurückhaltenden Wesen der steifen Bürger an sich hatte. Der tolle Adrian, wie sie ihn nannten, stand eben so hoch in ihrer Gunst, als er in der seiner Mitbürger gesunken war, die ihm schon auswichen oder mitleidig die Achseln über ihn zuckten. Und doch lag in seinem ganzen Gesichte eher ein edler, anziehender Ausdruck, der ihm Aller Herzen hätte gewinnen sollen. Er war noch jung, von hohem, nicht zu kräftigem Wuchse, seine Züge waren fein und dies hohe Stirn schien mehr als gewöhnlichen Geist zu verrathen, wenn aus den dunklen Augen ein Feuer blitzte, das von innerer Begeisterung zeugte, und von einer bessern, als sie der Wein hervorzubringen pflegt. Nur daß solche Momente nicht häufig waren, daß das Auge meist von Ausschweifungen trübe war, daß das Gesicht, die ganze Haltung des Körpers bereits die traurigen Spuren eines ausgelassenen Lebens trugen.

Es war schon spät Abends, denn von dem St. Walburgisthurme hatte es eben acht Uhr geschlagen, die Stunde, wo die meisten Gäste sich aus dem vollen Kruge verliefen, nur Adrian saß noch an einem der schweren Tische von Eichenholz, auf dem eine Menge leere Krüge und Gläser standen, als Zeugen von der reichen Einnahme, die Herr Zake diesen Abend wieder gemacht. Adrian hatte den Kopf in die Hand gestützt, aber er schien ihm weniger von Burgunder, als von trüben Gedanken niedergedrückt. Der Schall der Uhr und der Klang des Glockenspiels, das sich zugleich mit dieser in Bewegung setzte, weckte ihn aus seinen Träumereien. Er schlug die halbgeschlossenen Augen auf und sah noch einen verspäteten Gast eintreten, der auf ihn zukam und ihm die Hand zum Gruß reichte. Es war ein Spanischer Soldat und, wie es schien, kein Gemeiner.

»Was habt Ihr?« fragte der Fremde, »Ihr laßt ja die Flügel hängen, seht so jammervoll aus, wie unser dicker Wirth, wenn ihm im Tumult ein Paar Flaschen zerschlagen werden. Seyd Ihr krank?«

Adrian lächelte trübe.

»Oder fehlt es am Beßten? Sind die letzten Gulden ausgeflogen?«

»Ich bin verstimmt, Sennor Mendez, und ich weiß selbst nicht, wie es mich angeflogen hat. Aber es sieht mir Alles heut so grau vor den Augen aus, es ärgert mich Alles, es ist mir so leer, so unbehaglich zu Muth, als ob das Leben keine Freude mehr für mich hätte.«

»Schnak! Der Beutel ist leer, aber Zake borgt.«

»Ich weiß, daß ich immer genug verdienen kann, aber ist es recht, daß ich mein Verdienst hier gleich wieder verthue, während zu Hause – «

»Adrian, Adrian, wie kommt Ihr zur Melancholie! Ihr verdient ja nicht, um zu trinken, sondern Ihr trinkt, um zu verdienen. Schlagt Euch die Grillen aus dem Kopfe! Wo wollt Ihr denn die Begeisterung zu Euren prächtigen Arbeiten hernehmen, wenn Ihr dem Spundloch, aus dem sie fließt, den Rücken kehrt. Lustig, Freund, heut war Soldtag und Ihr müßt mir Bescheid thun. Heda! Wirth, ein halb Duzend Flaschen und vom besten!«

Nach einigen Minuten kam Mynheer Zake, unter jedem Arme drei Flaschen, die so dunkel aussahen, daß man die Farbe des darin enthaltenen Weins nicht errathen konnte, und pflanzte sie mit ein Paar hohen Kelchgläsern vor seine beiden Gäste hin, räumte den Tisch von allen unnöthigen Gerätschaften und verließ wieder die Schenkstube.

Sennor Mendez mußte Adrian die ersten Gläser fast aufzwingen, aber als diese einmal getrunken waren, richtete sich dieser wieder hoch auf, ein frisches Leben schien in ihn zu kommen, die Wangen rötheten sich, immer lauter wurde seine Rede, immer lebendiger das Gespräch und eine Flasche nach der andern wurde leer.

 

* * *

 

Der Abend, an welchem die beiden Zecher sich zusammen gefunden, war bitterkalt, obgleich der Schnee in dicken Flocken herabfiel. Es schlug Mitternacht von den Thürmen der vielen Kirchen und die Straßen waren leer, bis auf einige Nachtwächter, welche dem Wetter trotzten und mit zitternder Stimme kaum hörbar durch die schneidende Luft riefen: »Ihr Christen, die ihr schlafet, denkt in euren Gebeten der armen Seelen im Fegfeuer.« Es war eine finstere Nacht, nur in einem alten Gebäude unfern der Stelle, wo die Schelde sich in zwei Arme theilt, einer Römischen Ruine, die stellenweise wieder zur Noth wohnbar gemacht worden, schimmerte noch ein schwaches Licht durch die halbzerbrochenen Fensterladen des Erdgeschosses. Dort wachten noch zwei Frauen, die eine mit einem Spinnrade, die andere mit einem Spitzenklöppel beschäftigt. Aber sie schienen es nicht mit gleicher Ruhe aufzunehmen, die Beiden, daß sie noch zu später Stunde der Ruhe entbehren mußten.

»Ob er wohl kömmt, der Taugenichts, der liederliche Bursche!« sagte die Eine mit einer von Alter und Verdruß gebrochenen Stimme. »Er bleibt wieder die ganze Nacht aus!«

»Haltet es ihm zu gute, liebe Muhme,« antwortete die Andere sanft, »es ist ja heut drei Könige.«

»Schöner Grund! Ist nicht morgen Markttag und hatte er mir nicht versprochen, das angefangene Bild dort fertig zu machen, damit ich es verkaufen könnte? Wovon sollen wir nun die ganze Woche leben und uns wärmen?«

»Seyd ruhig, Muhme. Ich arbeite die ganze Nacht an meiner Spitze und kann sie bis morgen früh fertig haben. Ihr wißt, daß die Frau Bürgermeisterin mir fünf Gulden dafür versprochen hat.«

»Ist das auch erlaubt, daß wir uns abarbeiten, während der Trunkenbold mit seinen Kameraden die Nächte durchschwärmt! Nur ein schlechter Mensch kann so gegen seine arme alte Mutter und gegen Dich, mein gutes, sanftes Gretchen, handeln. Er braucht ja nur zu wollen, und wir wären so glücklich, wie die Prinzessinnen. Sein letztes Bild mit den hübschen Vögeln drauf habe ich für zwanzig Gulden verkauft und doch hatte er nur Einen Tag daran gemalt. Aber seitdem hat er auch einen ganzen Monat lang nichts zu Stande gebracht. Vor acht Tagen hat er das schöne Bouquet dort angefangen, aber der Himmel weiß, wann es fertig wird. Es ist eine Schande. Was fing ich an, wenn ich Dich nicht hätte? Betteln müßte ich gehen auf meine alten Tage.«

Die Frau fing bitterlich an zu weinen.

»Verliert doch den Muth nicht, Muhme. Er ist noch so jung, und wenn er nicht getrunken hat, so gut und sanft. Und er liebt uns so sehr. Aber höre ich recht! Da kömmt er. Er ist es.«

Man hörte eine Stimme auf der Straße, die immer näher kam und ein Trinklied sang. Es war Adrian, der von dem Estaminet zurückkam. Er stieß die Thüre mit einem Fußtritte auf. »Da bin ich,« sagte er, indem er etwas schwankend in die kleine Stube trat.

Die beiden Frauen fuhren erschrocken über diesen etwas gewaltsamen Einbruch auf, setzten sich aber wieder, als sie den jungen Mann erkannten.

»Bist Du wirklich da?« sagte die Alte scheltend. »Es ist Zeit, denke ich. Und in welchem Zustande der liederliche Bube wieder ist!«

»Was ist denn? Es ist ja kaum zehn Uhr.«

»Mitternacht ist vorüber, Du Rabenkind. Und während Du Dich herumtreibst, Gott weiß wo, zwingst Du Deine arme alte Mutter und Deine viel zu gute Muhme, sich todt zu arbeiten, damit es morgen nicht an Brod und an Feuer fehlt. Und wo ist das Bild, das Du versprochen hattest, für morgen, den Markttag, fertig zu machen? Kaum angefangen hast Du es.«

»Seid ruhig, es soll fertig seyn.«

»So, und wann denn? Ich habe kein Geld, keinen Vorrath, nichts mehr. Von was sollen wir denn leben bis zum nächsten Markttag?«

»Ich habe Euch ja gesagt, Mutter, das Bild soll morgen früh fertig seyn.«

»Er ist betrunken,« murmelte die Alte, »der Junge weiß nicht, was er spricht.«

»Betrunken! Kann seyn. Aber ich weiß doch noch, was ich sage. Ist frisches Wasser da? Gut. Geht jetzt, Mutter, schüttet Oel auf die Lampe und legt Euch schlafen.«

Die Alte wollte noch widerreden, aber er schlug mit der Hand auf den Tisch und schrie: »Still! Geht zu Bett.«

Margarethe besänftigte die Mutter des jungen Mannes, zog sie mit sich fort in ein anstoßendes Zimmer und half ihr, sich zur Ruhe zu begeben.

Adrian hatte sich auf einen Stuhl geworfen, den Kopf auf den Tisch gelehnt und schien bald in Schlaf zu versinken. Es schlug ein Uhr und der Lärm des Glockenspiels weckte ihn aus seinem Schlummer auf. Er sprang auf, trank ein Paar Gläser Wasser schnell hintereinander und tauchte den Kopf in ein Becken mit kaltem Wasser. Darauf griff er zu Pinsel und Palette, setzte sich vor die Staffelei und fing an zu arbeiten. Im Anfang schien die Hand unsicher auf der Leinwand umher zu irren, endlich aber siegte das Genie über die Betäubung der Trunkenheit und bald hatte der Geist seine ganze Unabhängigkeit erlangt. Die prächtigsten Blumen, Hyazinthen, Jasmin, Tuberosen, wuchsen wie durch einen Zauber unter seiner Hand hervor, und er hauchte eben ein zartes, aber unscheinbares Blümchen zwischen prächtigen Nelken hin, als eine sanfte Stimme hinter ihm ausrief: »Ach! wie schön!«

Der Maler drehte sich um und sah Gretchen, die sich auf seinen Stuhl lehnte und deren Augen vor Freude glänzten.

»Was thust Du hier, Gretchen?«

»Ich bin aufgestanden, um zu sehen, ob Du nicht krank wärest, und wie ich Dich arbeiten sah, habe ich mich leise herangeschlichen. Ich sehe Dir schon eine Stunde zu.«

»Armes Kind! Was Du frierst.«

Er zog sie an sich heran, ließ sie auf seinem Schooße sitzen, drückte sie an seine Brust und suchte sie so zu erwärmen. »Siehst Du auch, wie ich an Dich gedacht habe? Mitten in dem Bouquet dies Gretchen im Grünen und die andern Blumen gegen Dich hingeneigt, als ob sie nur Dir den Hof machten.«

»Ach ja, Du denkst wohl einmal an mich, ich aber denke immer an Dich.«

»Mein Gretchen!«

»Wir sehen Dich so wenig und wenn Du wolltest, könnten wir doch so glücklich seyn.«

Sie sah ihn dabei mit einem so sehnsüchtigen Blick an.

»Bald, Gretchen, bald. Habe nur noch etwas Geduld mit mir. Du weißt, Gretchen, ich liebe Dich, aber ich bin Deiner nicht werth. Laß mich noch ein, zwei Jahre austoben. Ich fühle es, ich kann mich noch nicht bezwingen. Und wenn ich Dein Mann seyn soll, muß ich ruhiger seyn, darf ich Dir ja keinen Kummer machen. Nicht wahr, Gretchen? Warum habe ich auch so eine harte Schule machen müssen! Meine Kinder-, meine Jünglingsjahre habe ich dem harten, bösen Meister Hals opfern müssen, und wenn ich nicht endlich ihm entflohen wäre, wer weiß, was ich noch angefangen hätte. Ich habe etwas bei ihm gelernt, ich weiß es. Aber er hat mir meine Jugend zerstört mit seiner grausamen, unwürdigen Behandlung.«

Adrian setzte Gretchen hart auf die Erde und ging in heftiger Bewegung im Zimmer auf und ab.

»Wie hat er mich behandelt!« rief er, zwischen jedem Absatze innehaltend, und die Ader auf der Stirne schwoll ihm von Zorn bei der bloßen Erinnerung an. »Arbeiten mußte ich Tag und Nacht, ohne einen Dank, ohne ein freundliches, anerkennendes Wort. Keine Belehrung, Schläge, wenn ich etwas schlecht machte und ein finster Gesicht, wenn es gelungen war. Nicht satt zu essen, herum gestoßen, wie ein Hund, ohne einen freundlichen Blick, der mein trübes Leben erheitert hätte; ohne Freund, mich zu trösten, abgesperrt von allem Umgang. Und doch brauchte er mich, doch verkaufte er meine Sachen, an die er kaum die Hand gelegt, als seine eigene Arbeit und stahl mir Ruhm, Ehre, Alles. Und nicht Einen frohen Moment dafür. Und nun auf Einmal frei, ganz frei, aller Ketten ledig, die Welt vor mir mit allen ihren Freuden, die Sonne, den Himmel, die Menschen, Alles mein, überall Genuß. Und ich sollte den Becher, den ich zum erstenmale an den Mund setze, wieder fortwerfen?«

Er hielt wieder inne. Gretchen ließ den Kopf sinken.

»Geh, geh, Gretchen. Ich weiß es, die plötzliche Freiheit hat mich schwindlich gemacht. Ich übertreibe, ich mißbrauche sie. Aber was kann ich für mein Blut! Laß es sich abkühlen. Es wird bald geschehen seyn. Nur noch eine kurze Zeit, Gretchen. Glaube mir, ich liebe Dich, und ich fühle, was Du mir für ein Schatz bist. Wir werden noch glücklich seyn, bald, recht bald. Bis dahin sey gut, sey nachsichtig und tröste die Mutter.«

»Du zerstörst Dich, Adrian. Die Gewohnheit wird Dich festhalten an Dein jetziges Leben, und wann Du Dich losreißen willst, wird es zu spät seyn.«

»Es schlägt drei Uhr. Weine nicht. Geh zu Bett, Kind, sonst wird mein Bild nicht mehr fertig.«

Er küßte sie auf die Stirn und führte sie bis zur Thüre.

Es fing eben an zu tagen, als der Maler dem Bilde den letzten Pinselstrich gab. Er trat an das Bett seiner Mutter, um sie bei ihrem Erwachen zu überraschen. Sie schlug die Augen auf und ihr erster Blick fiel auf das Gemälde, das der Sohn ihr vorhielt.

»Hab ich Wort gehalten, Mütterchen?« sagte er. »Aber ich leide nicht, daß Du es unter fünf und zwanzig Gulden verkaufst.«

»Das ist viel Geld, mein Sohn, aber die Blumen sind prächtig. Gieb mir einen Kuß, Adrian, Du bist ein ganzer Maler. Wenn Du nur vernünftig werden wolltest. Wie glücklich könntest Du uns Alle machen, mich und Gretchen, die Dich so lieb haben.«

»Wird schon kommen, Mutter. Aber jetzt muß ich etwas in die frische Luft. Der Kopf ist mir so schwer.«

»Gretchen! Gretchen!« rief die Alte, als Adrian fort war, »komm doch her.« Da niemand kam, stand sie endlich auf, nahm das Bild, von dem sie die Augen kaum abwenden konnte, und ging nach dem Zimmer ihrer Nichte, die sie noch in tiefem Schlafe fand. »Faules Mädchen!« sagte sie und zog sie beim Arme. »Steh doch auf, sieh nur, was Adrian gemacht hat.«

»Ja ja, ich weiß schon,« antwortete Gretchen, sich noch schlaftrunken die Augen reibend.

»Wie, träumst Du noch! Wie kannst Du wissen, was er gemacht hat, während wir schliefen.«

Gretchen wurde roth und antwortete nicht, denn sie wagte es nicht, der Muhme zu gestehen, daß sie in der Nacht aufgestanden war, um zu Adrian zu gehen.

»Es ist Zeit, daß ich auf den Markt gehe,« setzte die Alte freudig hinzu. »Hüte mir das Haus gut.«

Sie nahm ihren Korb unter den einen, das Bild unter andern Arm und eilte fort. Währenddeß stand das junge Mädchen auf, kleidete sich an und setzte sich wieder an ihre Spitzen, wo ihre Hände in einer fleißigen Bewegung blieben, während die Gedanken nicht minder beschäftigt waren, aber mit ganz andern Gegenständen. Wie oft blickte sie nach der Thür! Aber das Blut, das ihr dann in das Gesicht schoß, strömte eben so schnell wieder zum Herzen zurück und sie seufzte still vor sich hin: »Er kommt nicht!«

 

* * *

 

Adrian's Kopf brannte vor Fieberhitze. Der Wein, der Mangel an Nachtruhe, die angestrengte Arbeit hatten sein Blut so in Wallung gebracht, daß er fast noch wie trunken taumelte, als er die ärmliche Wohnung seiner Mutter verließ. Aber die kühle Morgenluft that ihm gut und erfrischte ihn bald. Er eilte, aus den engen Gassen der Stadt zu kommen und lief den Kirselaerberg hinauf, bis die Kräfte den ermüdeten Fuß in Stich ließen. Langsam wendete er wieder nach der Stadt um, deren Wälle er erst nach einiger Zeit erreichte. Als er durch das dunkle befestigte Thor schritt, traf er auf den Wachtmeister Mendez, seinen alten Bekannten, der ihn fragte, ob er nicht mit ihm der Einweihung des neuen Stadthauses beiwohnen wollte.

»Mich friert,« antwortete der Maler sich schüttelnd, »ich habe noch nichts gefrühstückt und bin müde.«

»Wer heißt Euch so früh hinauslaufen?« sagte der Soldat. »Ist Euch der Wein schlecht bekommen? Aber wir haben noch ein Stündchen Zeit. Wir können so lange nach dem Kruge gehen.«

Adrian folgte dem Voraneilenden fast maschinenmäßig. Vor dem Stadthause war schon Alles in voller Bewegung. Der Platz war mit Menschen angefüllt, welche bei der angekündigten Feier eines guten Platzes gewiß seyn wollten. Nur noch weniges Gebälk verdeckte das schöne Gebäude und sollte zur bestimmten Zeit fallen und den Anblick auf das Ganze frei geben. Der zierliche Thurm ragte hoch darüber hinaus mit seinem großen Knopfe, auf dem ein steinerner Gewappneter stand, der herabzublicken und zu erwarten schien, daß man ihm die Fahne mit dem städtischen Wappen in die Faust stecke.

Adrian blieb einige Augenblicke stehen und betrachtete das stolze Gebäude mit seinen zierlichen Bogen, seinen vielen Seitenthürmchen und der reichen Stuckatur.

»Ein schmuckes Werk!«, meinte er, das Ganze mit einem flüchtigem Blick musternd.

»Bah!« antwortete Mendez, die Achseln zuckend, »gut genug für das Nest, zu gut für das Volk, das sich darin berathen wird und doch thun muß, was wir befehlen. Sie hätten das Geld besser anlegen können.«

»Euch und die Eurigen zu traktiren?« sagte Adrian lachend, indem er mit seinem Gefährten den Platz verließ. »Ich denke, Ihr kostet uns schon genug.«

Die Beiden bogen ab in eine Seitengasse und kamen bald nach Walburgis.

Der Krug war noch leer. Mynheer Zake brachte Wein und Brod, das jene sich gut schmecken ließen.

»Eure Partie Lanzknecht!« schlug der Wachtmeister vor.

»Ich habe kein Geld,« erwiederte Adrian.

»Thut nichts, ich gebe Euch Kredit. Die Silberflotte wird ja wohl wieder bei Euch einlaufen.«

»Meinetwegen,« warf der Maler leichtfertig hin. »Ich bin heut zu Allem aufgelegt. Mein Bild ist fertig. Mutter und Bäschen sind wieder versorgt und versöhnt, und ich darf mir schon etwas erlauben. Ich bin zufrieden mit meiner Schilderei und überzeugt, sie wird einen guten Käufer finden.«

»Ihr seyd ja Eurer Sache gewaltig sicher,« spottete Mendez, das Gesicht zum ironischen Lächeln verziehend, »und entfaltet ja ganz absonderlich moralische Gesinnungen. Wenn Euch die Freude Eurer Mutter und Eures schönen Bäschen so am Herzen liegt, warum macht Ihr ihnen denn so wenig? Warum bleibt Ihr denn nicht lieber zu Hause wie ein guter Sohn und Liebhaber, statt Euch hier Tag und Nacht umher zu treiben!«

»Kümmert Euch um Eure Angelegenheiten,« brauste der junge Mann auf, dem der Wein so früh Morgens schnell zu Kopfe gestiegen war. »Die Zeit wird kommen, wo ich dies wilde Leben von mir abstreifen werde, wie der Schmetterling die schmutzige Puppe, und dann werde ich nur ihnen und der Kunst leben. Denn ich fühle es, und Euer schiefer Mund wird mir den Glauben nicht zum Wanken bringen, ich bin ein Maler, ich bin ein Künstler, dies Bewußtseyn ist mein Leben, das Treiben hier nur der Schaum, der aufsprützt, weil ich noch das freie Wasser ungewohnt bin, in dem ich mich jetzt bewege, die Ruhe in der Freiheit noch nicht gelernt habe.«

»Der König für mich,« unterbrach ihn der Spanier gähnend, indem er die Karten umschlug, »der Bube für Euch. Haltet Ihr?« Adrian nickte.

Der Spanier zog weiter ab. Die Karten fielen. Endlich erschien der Bube. »Verloren!« rief der Wachtmeister. »Ich halte weiter.«

Er schlug auf's Neue um und verlor wieder. Er faßte die Karten fester und man merkte es dem Tone seiner Stimme an, indem er die abgezogenen Karten eine nach der andern nannte, daß das Unglück ihn aufbrachte. Aber je heftiger er wurde, je mehr schien Fortuna ihn verhöhnen zu wollen, denn Karte für Karte schlug für Adrian aus. Die Taille war beendigt.

»Wollen wir nicht jetzt zum Stadthaus gehen?« fragte der Maler ruhig.

»Ohne mir Revanche zu geben?« rief der Spanier heftig. »Nichts da. Rathhaus! Hier sitzt Euer Bürgermeister und Euer Schöppe und der ganze Rath,« er schlug dabei an seinen langen Stoßdegen, »vor dem Ihr Respekt haben müßt. Aber freilich,« setzte er höhnisch hinzu, »wenn der aufgedeckt wird, so lauft ihr lieber davon, statt ihn anzusehen, Ihr Bürgervolk.«

»Mich interessirt es jetzt aber,« entgegnete Adrian gelassen, »das Gebäude zu sehen, wie es zum erstenmal sich seiner Bretterkleidung entwindet und die hölzerne Hülle abwirft. Es ist sein erster jungfräulicher Glanz, und ich möchte ihn nicht verlustig gehen.«

»Glanz? Jungfräulich?« spottete der Wachtmeister, »ja so, Ihr stellt einen Maler vor. Ha! Ha!«

»Sennor Mendez!«

»Ihr sollt jetzt nicht gehen! Ich habe Euch zu trinken, zu essen gegeben, Euch die Ehre erwiesen, mit Euch zu spielen und Ihr müßt mir Revanche geben.«

Er packte dabei den schon aufgestandenen Maler bei der Brust und riß ihn wieder auf die Bank herab, wobei er Wams und Kragen des jungen Niederländers in völlige Zerrüttung brachte.

»Laßt die Hand los,« fuhr dieser auf, endlich selbst in Zorn gerathend, »oder bei Gott, es wird nicht gut.«

»Das Bürschchen wird hitzig. Ich sage aber, nicht raisonnirt und nicht gemuckst. Ich ziehe ab und Ihr haltet.«

»Jetzt will ich nicht,« rief Adrian immer hitziger werdend.

»Was bildet Ihr Euch ein?« schrie Mendez, wieder die Hand nach dem Gegenübersitzenden ausstreckend, dem das Blut jählings zu Kopfe stieg. »Sprecht Ihr so mit einem Wachtmeister Seiner Katholischen Majestät. Haltet Ihr Euch etwa schon für einen Rubens? Ein Pfuscher, ein elender Sudler seyd Ihr, der –«

Er brachte seine Rede nicht zu Ende. Adrian hatte sich ingrimmig mit einem Ruck von dem Spanier losgemacht, eine Flasche ergriffen und diese auf dem Kopfe des Schimpfenden zerschlagen, der betäubt fast von seinem Sitze herabgestürzt wäre.

Aber diese Bewußtlosigkeit dauerte nur einen Augenblick. Der Spanier sprang in voller Wuth auf, riß den Degen mit der Scheide von der Seite und holte zu einem Hiebe aus, der den Maler getödtet haben würde, hätte er nicht den Arm vorgehalten. Die Heftigkeit des Schlages wurde dadurch allerdings etwas verringert, trotzdem fiel das Eisen noch mit solcher Kraft auf den Kopf des Unglücklichen, daß er, aus tiefer Wunde blutend, ohnmächtig zu Boden stürzte.

Mendez wischte sich das Blut ab, das ihm selbst über die Stirn rann, nahm den Degen unter den Arm, rief den Wirth, dem er einige Gulden hinwarf, und entfernte sich mit langsamen Schritten.

Währenddeß hatte die schöne Margarethe sich ihren unschuldigen Träumereien überlassen und sich die Zukunft so rosig ausgemalt, daß sie oft mit einem seligen Lächeln die Arbeit in den Schooß sinken ließ, um sich ungestörter dem Genusse dieser Phantasiegebilde überlassen zu können.

Die Rückkehr der alten Tante unterbrach sie in dieser Beschäftigung. »Denk Dir,« sagte sie voller Freude, »ich habe das Bild für fünfzig Gulden verkauft! Fünfzig Gulden für die Arbeit von ein Paar Stunden. Noch ein solch Bild, und ich kann all unsere Schulden bezahlen, Dir ein schönes neues Kleid kaufen und allen unsern Bedarf für den Winter besorgen. Wenn er nur wollte, der böse, gute Junge!«

Margarethe seufzte.

In demselben Augenblick näherten sich mehre Männer dem Hause und setzten eine Bahre vor dessen Thüre ab. Adrian lag darauf, blutig, bewußtlos.

Mit einem lauten Schrei stürzten die Frauen hinaus, auf den Unglücklichen zu, den eben die Männer in das Haus trugen.

 

* * *

 

Adrian hatte mehre Wochen zwischen Tod und Leben geschwebt. Wenn auch die Wunden nicht gerade gefährlich waren, so hatte doch das dazu getretene Fieber einen ernsten Karakter angenommen, weil der Kranke selbst die Wirkung aller Medikamente durch die Aufregung vernichtete, in der er sich trotz aller Bitten seiner sorgsamen Pflegerinnen erhielt. So lange er bewußtlos war, hörte man ihn nur leise das Wort: »Sudler!« murmeln, aber auch später verschlimmerte er stets seinen Zustand, indem er immer wieder die beleidigenden Worte des Spaniers: »Sudler! Pfuscher!« wiederholte. Sie waren wie Nadeln, die ihm durch die Seele getrieben waren, und an denen diese sich in den bittersten Todesschmerzen wand und krümmte.

Aller Trost der beiden Frauen vermochte nicht, ihn zu beruhigen. »Was bin ich, was bleibt mir, wenn ich kein Maler bin?« fragte er immer auf's Neue.

Margarethe weinte und drückte die Hand an die Brust, die ihr oft zu zerspringen drohte.

»Du kein Maler?« eiferte die Mutter. »Du, der so schöne Blumen und Vögel macht, daß man sie mit Fingern greifen, an das Gesicht drücken könnte und das alles in ein Paar Augenblicken! Wenn das kein Maler ist, so weiß ich's nicht.«

»Weil Ihr's gut mit mir meint,« sagte Adrian lächelnd und die Hand der Mutter küssend, »aber das ist nicht genug. Ich muß mir einen Namen machen. Mein Ruf muß fest stehen, daß ihn nicht jeder Lump bekriteln, anfechten kann. Ich muß fort, fort aus diesem armseligen Neste, wo die Kunst nichts gilt, wo niemand ist, der sie versteht, sie würdigt. Ich muß hin, wo die Meister leben, ich muß von ihnen erkannt, beglaubigt seyn. Vor ihnen muß ich bestehen, eher wächst mir der Muth nicht und die Kraft zu leben. Dann werde ich erst ein Mann, dann können wir glücklich zusammen seyn.«

Es war ein trüber Abschied, als Adrian endlich hergestellt war und sich von den Seinigen trennte. Er hinterließ der Mutter ein Bild, das er, noch im Bette liegend, gemalt und nahm nur einige Gulden mit auf den Weg. Margarethe weinte bitterlich.

An einem schönen Frühlingsmorgen wenige Tage später, verließ der junge Maler Brüssel und schritt zum Laekener Thore hinaus. Die warme Luft, das Erwachen der Natur hatten auch ihn wunderbar gestärkt und allen Trübsinn wieder verscheucht. Er schwang lustig den derben Knotenstock um den Kopf und rief: »Hei! Was ist das schön! Das prächtige Grün, und das klare Wasser, und der dunkle Himmel und die vielen Blumen! Wer das Alles so malen, so auf die Leinwand wieder hinzaubern könnte!« Und dabei stand er immer still und konnte nicht vom Fleck, und jubelte immer auf's Neue in die duftige Natur hinein.

»Seyd Ihr gescheut?« sagte plötzlich jemand hinter ihm. Adrian fühlte zugleich eine schwere Hand auf seinen Schultern und drehte sich rasch um. »Seyd Ihr gescheut?« frug der Andere noch einmal. »Seit einer Viertel Stunde steht Ihr da und rührt Euch nicht vom Platze, wie ein Faß im Keller, und schlagt in die Luft hinein, als ob Ihr einen Strauß mit ihr auszufechten hättet!«

»Ach, das ist nur Freude,« antwortete Adrian erröthend. »Ich bin bloß so froh und leicht, daß ich mich selber in blaue Luft auflösen möchte.«

»Wo geht Ihr hin?«

»Nach Antwerpen.«

»Potz Blitz, desto besser, Kamerad. So können wir miteinander traben.«

»Meinetwegen,« antwortete Adrian nicht sehr erfreut über die Zuthulichkeit des Fremden, der ihn so in seinen künstlerischen Betrachtungen gestört hatte.

Der Weg nach Mecheln war schnell zurückgelegt.

»Halt!« rief der Fremde. »Hier ist das Wirthshaus meines guten Freundes, des Gevatter Ludwig, der den besten Wein in der Runde hat. Es ist gegen mein Gewissen, bei ihm vorüber zu gehen. Ich lade Euch ein, eine Flasche mit mir zu trinken.«

»Aber –«

»Aber wenn Ihr auch keinen Durst habet, trinkt nur, der Durst wird schon kommen.«

Der junge Maler hatte sich noch nie sehr lange bitten lassen, einer solchen Einladung Folge zu leisten und die beiden Reisenden saßen daher sehr bald vor ihrer Flasche.

»Nun, habe ich Euch angeführt?« fragte der Fremde, dessen dickes, rothes Gesicht von Behaglichkeit glänzte. »He! Wie gefällt Euch das Bouquet? Ist's nicht, als ob Euch feuriger Sammt die Kehle hinunter glitte?«

Zwei kleine, artige Jungen, etwas schmutzig, aber von frischer blühender Farbe, spielten mit einem gewaltigen Hunde. Der jüngste zog die Aufmerksamkeit Adrians auf sich; auf der Dogge reitend sah er die Fremden groß an und biß dabei herzhaft in ein großes Butterbrod, welches er von Zeit zu Zeit dem Thiere hinhielt, das sich bescheiden seinen Theil davon nahm.

Eine Schiefertafel und etwas Kreide lag in Adrians Nähe; er zog beides zu sich heran und warf mit schnellen Strichen das kleine Bild hin.

»Sieh, sieh,« rief der Fremde. »Ihr zeichnet auch! Zeigt einmal. Potz Blitz. Das ist gar nicht übel. Das ist sogar ganz prächtig.«

»Ei, versteht Ihr Euch denn darauf?«

»Das wäre noch schöner. Potz Blitz, Jerome Rombouts, der Bruder von Theodor Rombouts, dem Rivalen von Rubens, wird doch so viel verstehen.«

»Ihr seyd der Bruder von Rombouts?«

»Freilich bin ich das, aber darum doch nicht stolz. Den Stolz,« setzt er lachend hinzu, »konsumirt mein Bruder für die ganze Familie, daß den Andern gar nichts übrig bleibt.«

Diese Entdeckung schloß Adrian enger an seinen Reisegefährten an und ein Paar neue Flaschen knüpften das Band der kaum entstandenen Freundschaft noch fester.

»Ja, mein Schatz,« erzählte der Dicke wieder; »ich bin Jerome Rombouts, der jüngere Bruder Theodors, der, wie er selbst sagt, dem Rubens es in nichts nachgibt. Er hat erst vor etlichen Wochen sein großes Bild: »Abrahams Opfer,« vollendet, das jetzt im Stadthause zu Antwerpen ausgestellt ist. Rubens hat es gesehen und es laut bewundert.«

»Malt er nur historische Bilder?«

»Bewahre. Wenn er die große Leinwand müde ist, dann wirft er auch Trinker, Raucher, Charlatane nur so hin, daß man sich den Bauch halten muß, vor Lachen darüber.«

»Und malt Ihr auch?«

»Nein!« antwortete Jerome mit einem schweren, komischen Seufzer. »Ich hab's versucht, aber es ging nicht. Gott weiß, was für Mühe ich mir gegeben habe. Ob's vom Trinken kam, daß ich immer doppelt sah, ob meine schwachen Nerven daran Schuld sind – ich konnte nie eine richtige Linie herausbekommen. Wenn ich zum Pinsel griff, war's noch schlimmer, ich tauchte ihn immer so tief ein, daß mein Bruder sagte, ich hätte keinen breiten, sondern einen dicken Styl. Alle meine Figuren bestanden nur aus Bauch, an dem die übrigen Glieder nur so wie Tauenden herum baumelten. Sie sahen aus wie Tonnen, und der Kopf war das Spundholz. Weil das denn mein Beruf schien, so habe ich mich denn ausschließlich auf das Studium der Fässer gelegt, ihres Inhaltes nämlich, nur daß man dabei je mehr man einnimmt, desto mehr ausgibt. Mein Vermögen ging dabei zum Teufel und als ich auf dem Trocknen saß, ging ich zu meinem Bruder zurück und sagte ihm: Ich bin kahl, gib mir zu essen und zu trinken. Komm nur, antwortete er, wir wollen theilen. Wie gefällt Euch das? Ist das ein Bruder, wie? Aber nun erzählt mir auch, wer Ihr seyd? Doch Ihr könnt das unterwegs thun, denn es ist Zeit, daß wir uns aufmachen. So leert Euer Glas und marsch!«

Der Wein macht mittheilend. Adrian erzählte Jerome seine ganze Lebensgeschichte, ohne ihm etwas zu verschweigen. »Und nun,« schloß er, »gehe ich nach Antwerpen, um Rubens aufzusuchen, bei ihm zu arbeiten und mich zum wahren Maler auszubilden.«

»Bravo, junger Mann, in Euch steckt das wirkliche Zeug zum Künstler. Ihr habt mir vom ersten Augenblick an gefallen, aber jetzt seyd Ihr mein Freund und ich helfe Euch, wie ich kann. Kennt Ihr Rubens schon? Habt Ihr Empfehlungen an ihn?«

»Nein. Aber er ist ein edler, großmüthiger Mann. Er ist der Fürst der Maler und hilft gerne jedem, der sich ihm voll Vertrauen nähert.«

»Man kann doch nicht wissen. Er hat auch seine Launen, seit er ein großer Herr geworden ist. Wißt Ihr was? Soll ich Euch mit meinem Bruder bekannt machen? Er nimmt es mit Rubens auf. Ihr schlaft bei mir, eßt mit mir, trinkt – versteht sich von selbst – mit mir und ich wette, ehe ein Jahr vergeht, ist ganz Brabant Eures Lobes voll.«

Adrian fiel dem neuen Freunde gerührt um den Hals und dankte ihm für seine Güte.

»Euer Gretchen soll sich freuen!« sagte Jerome.

Das Glockenspiel von unserer lieben Frauenkirche klang durch die Luft. Sie standen vor den Wällen Antwerpens.

»Blitz,« sagte Jerome, sich die Stirne abtrocknend, »ist das doch ein Apriltag, als wäre es mitten im August. Die Kehle ist mir wie zugeschnürt und seufzt nach Schonung. In dem Zustande können wir nicht in die Stadt, denn wie soll ich mit trockenem Munde bei meinem Bruder die nöthigen Redensarten vorbringen? Laßt uns hier in das Wirthshaus einkehren; es ist dicht am Thore und der Wein dort ist nicht übel.«

Adrian nickte zustimmend und beide traten in das Estaminet zum weißen Pferde.

 

* * *

 

Die Wirthsstube war ziemlich voll. Die meisten Tische waren von Spanischen Soldaten besetzt, welche die Zeit mit Trinken und Spielen vertrieben. Doch hielt sich Alles ziemlich ruhig; bis plötzlich eine Bande halbbetrunkener Matrosen in das Zimmer stürzte, wie eine Schaar wilder Thiere in eine Hürde. Fluchend und schreiend drängten die Hintersten die Vordern vor, die, ihre Hüte schwenkend, nach Bier riefen. Einer derselben, der noch weniger fest, als die andern, auf den Beinen zu seyn schien, schwankte in diesem Drängen und stolperte über den Säbel eines der Spanischen Kürassiere. Er verlor das Gleichgewicht, das er ohnedies bisher nur mit Mühe erhalten hatte, taumelte, wollte sich an den Tisch der Soldaten festhalten, riß ihn aber sammt den Flaschen und Gläsern mit sich zu Boden.

Die Soldaten sprangen fluchend auf, die Matrosen lachten, der am Boden Liegende zerrte an dem Tische, der auf ihm lag, und vermehrte durch das Rasseln der eichenen Tafel auf den Glasscherben den höllischen Lärm.

»Gehen wir,« sagte der dicke Rombouts zu Adrian, »es thut nicht gut hier.«

»Warum denn? Die Flasche ist noch nicht leer.«

»Laßt sie stehen. Ich sage Euch, es ist besser, wir machen uns auf die Stümpfe, denn hier setzt es etwas ab.«

»Habt Ihr Angst? Ich muß sehen, wie das endet.«

»Juckt es Euch wieder im Kopf? Ich dachte, Ihr hättet genug an dem letzten Denkzettel. Glaubt mir, die Luft hier ist voll von Prügeln, und ehe fünf Minuten vergehen, werden sie herabregnen, wie mit Mulden gegossen. Aber wenn Ihr ein Narr seyn wollt, ich habe keine Lust dazu.«

Damit drängte sich Jerome bis an's Fenster und sprang mühsam hinaus in's Freie.

Währenddeß hatten sich die beiden feindlichen Parteien im Zimmer weidlich ausgeschimpft. Ein Streit zwischen den Soldaten und Matrosen war nichts Seltenes. Die ersteren waren gewohnt, Alles sich vor ihrem Uebermuthe beugen zu sehen, während die Seeleute mit der größten Verachtung auf Alles herabblickten, was zum Lande gehörte. Ein Soldat, der trotzig auf die Matrosen losgegangen war und sie stolz aufgefordert hatte, sich zu entfernen, war von einem geschickt angebrachten Faustschlage zu Boden geschlagen worden, daß er die Beine zum Himmel streckte. Seine Kameraden ergriffen auf der Stelle zu den Flaschen und Gläsern, die noch im Zimmer herumstanden, und warfen sie in das dichte Gedränge ihrer Gegner. Diese aber bildeten bei weitem die Mehrzahl und stürmten jetzt auf die Soldaten ein, die, um sie abzuwehren, endlich ihre langen Degen zogen. Der Kampf wurde hitzig, mehre Verwundete lagen schon in ihrem Blute auf der Erde, als die durch den Lärm herbeigezogene Wache dem Handgemenge ein Ende machte. Zum Glück war sie so zahlreich, daß kein Widerstand mehr räthlich schien. Die Soldaten steckten sogleich die Degen ein, und die Matrosen zogen sich in eine Ecke zurück, von wo sie nur noch drohende Blicke auf ihre Feinde schossen. Alle im Zimmer Anwesenden wurden verhaftet und auch Adrian mußte, trotz seines Widerstrebens und seiner lebhaftesten Einwendungen, in dieser Gesellschaft seinen Einzug in Antwerpen halten, wo er einstweilen auf die Wache gebracht wurde.

Adrian hatte sich dort ärgerlich auf eine Bank gesetzt, als der Polizeibeamte erschien, der sogleich das Verhör begann, die Soldaten in ihre Kaserne, einige Matrosen in's Gefängniß schickte und die Uebrigen frei gab.

»Und wer bist Du?« fragte er endlich Adrian, »Wo kommst Du her?«

»Von Oudenarde.«

»Deine Papiere?«

»Ich habe keine.«

»So bleibst Du hier bis auf weiteren Befehl. Wer jetzt ohne Papiere reist, kann nur ein Spion seyn. Und dann gnade Dir Gott!«

Adrian zuckte die Achseln. Er wollte sich vertheidigen, aber der Beamte hörte ihn nicht an und verließ die Wachtstube. Das offene, freundliche Gesicht Adrians stimmte jedoch die Soldaten in der Wachtstube zu seinen Gunsten und sie wurden bald die besten Freunde. Der Gefangene, über ihre Zuvorkommenheit erfreut, wollte etwas zum Besten geben, als er aber in die Tasche griff, fand er keinen Stüber. Der Polizeibeamte hatte alle Gefangene durchsuchen lassen und ihnen ihr Geld abgenommen, wie er sagte, um es vor Gericht zu deponiren.

»Der Teufel hole den Schelm!« rief Adrian. »Ich wollte etwas zu Trinken holen lassen und den Abend mit Euch lustig verbringen, und nun bin ich geplündert. Aber wartet, Freunde, mir fällt etwas ein. Frisch auf! Haben wir auch heut nichts zu trinken, wollen wir morgen doppelt aufgießen.«

Adrian griff hastig nach dem kleinen Tornister, den er getragen hatte, öffnete ihn, nahm einen schmalen, platten Rahmen heraus, nagelte ein Stück Leinwand darauf, holte einige Stifte aus der Tasche und warf den Umriß der Wachtstube und der darin befindlichen Personen hin. Die Soldaten hatten ihm Anfangs verwundert zugesehen, als sie sich aber endlich näherten und eine Figur nach der andern auf der Leinwand hervortreten sahen, und jeder sein eigen Ebenbild erkannte, nur auf eine groteske Weise karrikirt, entstand ein solches, mit jeder Minute zunehmendes Gelächter, daß das ganze Wachthaus davor erbebte.

Adrian blieb ganz ruhig bei diesem Lärm und arbeitete mit wahrhaft geflügelter Schnelligkeit.

Als die Umrisse fertig waren, griff er zur Palette, machte die Farben zurecht, und bald trat überall auf gehörige Weise Schatten und Licht hervor.

Der Jubel der Soldaten kannte jetzt keine Gränzen mehr. Sie sprangen herum, wie toll, lachten, schrien, sangen, faßten sich bei den Händen und tanzten um Adrian herum, bis sie erschöpft, in Schweiß gebadet, sich loslassen mußten und auf die Bänke niedersanken. Die dunkle Stube, die wie toll auf und ab rasenden Soldaten, in der Mitte der junge Maler, der allein ruhig und ernst da saß, es war ein Schauspiel, als ob höllische Gnomen ihren Sabbath feierten.

Es war spät Abends, als das Bild fertig wurde.

»Wer geht jetzt das Bild verkaufen?« fragte Adrian.

Alle waren dazu erbötig. Man looste darum. Der, den das Loos getroffen, eilte mit dem Bilde hastig nach der Stadt, stieß aber auf dem Meirplatze gegen ein Paar Männer, die um eine Ecke bogen. Das Bild entfiel seinen Händen. Einer der beiden Männer hob es auf, hielt es gegen eine Lampe, die vor einem nahe liegenden Kramladen hing, betrachtete es nur einen Augenblick und frug den Soldaten, wo er mit dem Bilde hin wolle.

»Es verkaufen.«

»Ich kauf es Dir ab. Wie viel verlangst Du?«

»Wahrhaftig, ich verstehe mich nicht darauf. Aber Ihr seht mir wie ein ehrlicher Mann aus, gebt mir, was Ihr wollt und was Ihr es werth haltet.«

»Was ich will! Seht nur, Meister Theodor, was für ein prächtig Bild. Ich dachte, nur Ihr allein wäret im Stande, dergleichen zu malen.«

»In der That, es ist allerliebst. Kühn und graziös zugleich. Ueberlaßt das Bild mir.«

»Wo hast Du das Bild her?« wurde der Soldat gefragt.

»Von einem armen Teufel, der heut wegen einer Schlägerei verhaftet worden und das Ding in ein Paar Stunden zusammen gepinselt hat.«

»Willst Du uns zu ihm führen?«

»Recht gerne.«

Adrian war nicht wenig erstaunt, als er den Soldaten mit zwei Fremden wiederkehren sah, deren Aussehen Männer von Rang verrieth. Der ältere, der kaum fünfzig Jahre zu zählen schien, hatte ein schönes, edles Gesicht und eine so majestätische Haltung, daß Adrian kaum antworten konnte, als er gefragt wurde, ob er das Bild gemacht habe und wie viel er dafür verlange.

»Gebt mir,« sagte er endlich, »daß ich die Nacht mit den braven Leuten hier vertrinken kann und ich bin hinreichend bezahlt.«

»Was sagt Ihr dazu, Meister Theodor? Ein Künstler, der seinen Werth nicht kennt, der sich geringer schätzt, als er ist.«

Der Fremde lächelte dazu etwas ironisch. Doch wurde er gleich wieder ernst und bat, daß man den Befehlshaber des Wachtpostens rufen möge.

»Ich bin Rubens,« sagte er, als derselbe zum Vorschein kam. »Ich leiste Bürgschaft für diesen jungen Mann und hier sind zwanzig Gulden, auf seine Gesundheit zu trinken und auf Eure, Meister Theodor,« setzte er lachend hinzu.

Bei dem Namen Rubens hatte sich alles tief verbeugt, Adrian war auf ihn zugestürzt und küßte ihm die Hand.

»Womit habe ich solche Großmuth verdient?« fragte Adrian, als er mit seinem Beschützer die Wache verließ.

»Durch Euer Talent. Euer Bild ist sechs hundert Gulden werth.«

»Sechs hundert Gulden!« rief Adrian bestürzt. »Aber Ihr wollt meiner spotten. Ihr dürft es, aber Ihr thut mir sehr weh.«

»Ich sage Euch, es ist das Geld werth, und Ihr könnt es zu jeder Zeit von uns in Empfang nehmen, denn wir beide behalten das Bild dafür. Mein junger Freund, Ihr könnt es weit bringen, wenn Ihr fleißig seyd.«

Adrian war wie aus den Wolken gefallen. Die Thränen traten ihm in die Augen, von Stolz und vor Freude war ihm das Herz geschwollen, daß er nicht sprechen konnte. »Also ich bin doch ein Maler,« flüsterte er endlich vor sich hin. »Ich bin kein Pfuscher, kein Sudler!«

Zitternd vor innerster Bewegung kam er bei Rubens an.

»Meister Theodor,« sagte dieser zu dem andern Herrn, »ich habe Euch einen Vorschlag zu machen. Ich habe dem jungen Mann sechs hundert Gulden versprochen und er soll sie haben. Um das Bild aber wollen wir loosen; wer es bekömmt, übernimmt dagegen die Verpflichtung, für die Ausbildung seines Verfassers zu sorgen und ihn bei sich aufzunehmen.«

»Zugestanden, obgleich das Geld doch eigentlich von dem Gewinner gezahlt werden muß.«

Rubens nahm drei Würfel, hielt sie dem Andern hin und sagte: »fangt an.«

Rubens verlor.

Es war ein harter Schlag für Adrian. Er hatte bei Rubens zu bleiben gehofft und mußte jetzt Abschied von ihm nehmen. Rubens sah eine Thräne in seinem Auge und tröstete ihn: »Ihr dürft mich so oft besuchen als ihr wollt.« Er hielt ihm die Hand hin. Adrian ergriff sie, drückte sie ehrfurchtsvoll an seine Lippen und flüsterte ihm leise zu: »Ehe zwei Tage vergehen, habt Ihr eine Kopie.«

Als Adrian mit Meister Theodor in dessen Haus trat, war er nicht wenig erstaunt, den dicken Jerome dort zu finden.

»Potz Blitz,« rief dieser, »Freund Adrian mit meinem Bruder Theodor zusammen.«

Das Erstaunen war jetzt auf Seite Adrians. War er auch nicht bei Rubens, so stand er doch unter dem Schutze des fast nicht minder ausgezeichneten Rombouts. Mit zwei solchen Gönnern hielt er sein Glück für gemacht. Der Kopf schwindelte ihm. Er fühlte sich erhoben.

 

* * *

 

Die Gesellschaft Jeromes, mit dem er das Zimmer theilte, führte ihn jedoch bald wieder auf das Irdische zurück. Er arbeitete fleißig, aber die alten Gewohnheiten tauchten langsam wieder auf und der Umgang mit Jerome, dessen Gesundheit jede Anstrengung leicht ertragen und der auch am Tage ungestört die bei Nacht in den Wirthshäusern erschöpften Kräfte durch Ruhe wieder ersetzen konnte, war vom schlimmsten Einflusse. Der Körper Adrians konnte diesem Treiben nicht lange widerstehen. Er hatte schon nach der ersten Woche seine Mutter und Margarethe gebeten, zu ihm nach Antwerpen zu kommen, da er schwerlich sich mehr entschließen werde, sich in Oudenarde zu vergraben. Aber die Abreise der beiden Frauen verzögerte sich länger, als sie geglaubt hatten, und als sie ankamen, fanden sie Adrian auf dem Krankenlager. Seine Gesundheit war zerrüttet, die Lunge zerstört, die Kräfte nahmen reißend schnell ab.

Margarethe und die Mutter pflegten ihn wieder und selbst Jerome vermochte nicht vor dem leidenden Schmerzensgesichte der Jungfrau, sich seinen gewöhnlichen Späßen zu überlassen.

»Ich will malen!« sagte Adrian eines Tages. »Ich fühle mich besser. Gebt Acht, meine Gesundheit kehrt noch einmal wieder. Weine nicht, Margarethe. Wärest Du nur immer bei mir gewesen.«

»Es wird Dich zu sehr anstrengen,« antwortete die Mutter.

»Nein, nein, gebt mir Alles auf das Bett,« sagte der Kranke, dessen Gesicht von einer stechenden Röthe überflogen war, die sich auf seinen Wangen wie ein schmaler Streifen festsetzte.

Die Mutter stand auf und holte ihm eines von den angefangenen Bildern her, die an der Wand standen, tanzende und spielende Bauern, Raucher, Betrunkene.

»Nichts von dem,« sagte Adrian hastig. »Ich will nichts mehr wissen von dem Zeuge. Trunkene zu malen, bin ich selbst zum Trunkenbolde geworden. Es muß anders werden. Ich will als reiner Mensch von diesem Bette aufstehen. Reicht mir die leere Leinwand dort.«

Man mußte ihm seinen Willen lassen. Er nahm die Kreide und entwarf mit zitternder Hand einen Christus am Kreuze; zu den Füßen desselben lag die weinende Magdalena, ein treues Abbild seiner geliebten Margarethe.

»Du strengst Dich zu sehr an,« flehte Gretchen.

»Nicht doch,« lächelte er und griff zu den Farben. Aber seine Brust hob sich immer höher bei der Arbeit, der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Plötzlich überfiel ihn ein krampfhafter Husten und das Blut strömte ihm zum Munde heraus. Er sank auf die Kissen zurück, das Bild entfiel seinen Händen, ein Blutfleck saß auf dem Wundenmahle an der Brust des Heilandes.

Margarethe schrie laut auf und warf sich über den Kranken. Die Mutter richtete ihm den Kopf auf, aber er fiel schwer zurück. Das Leben war entwichen.

 

* * *

 

Es war ein schwüler Tag gewesen. Der Himmel hatte sich schwarz umzogen und ein furchtbares Gewitter brach aus ihm hervor, als man den jungen Maler in seine Gruft herabsenkte. Alle Maler Antwerpens folgten dem Leichenzuge. Margarethe und ihre Tante beteten noch lange auf dem Grabe und verließen dann die Stadt. Beide zogen sich in das Beguinenstift zu Gent zurück. Das Christusbild hing in Gretchens Zelle. Täglich kniete sie vor demselben und betete zu Gott für das ewige Heil ihres Adrians. Aber sie ward bald von ihren Schmerzen erlöst.

In demselben Jahre, wie Adrian, starb auch Rombouts.

In der Jakobskirche zu Antwerpen aber las man lange auf einer schwarzen Marmortafel die Inschrift, die Rubens besorgt hatte:

Adriano Brauwer
Illustri Pictori
Urbs Antwerpiensis.

Jetzt ist sie verschwunden.



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