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XVI.
Haag

 

Der Weg von Amsterdam ist, wenn auch nicht schön, doch an vielen Stellen sehr anmuthig und führt in nicht sehr langer Zeit durch bedeutende Städte. Wie in Belgien, so drängen sich auch in Holland die großen Ortschaften von großem Verkehr dicht aneinander. In einigen Stunden gelangt man nach Haarlem, das durch seine Zwiebeln, seine Orgel und Laurenz Coster berühmt geworden ist. Aber die Zwiebeln sind im Preis gesunken und bilden nicht mehr den großen Handelszweig, der zu so enormen Geschäften und Spekulationen Anlaß gegeben; die Kirche, in welcher die Orgel einst erklang, ist verbaut und verschrumpft, wie alle andern in Holland, und Coster war doch nicht im Stande, Gutenberg zu verdrängen und das Fest des Letztern, das so triumphirend gefeiert wurde, hat jede Konkurrenz aus dem Felde geschlagen. Die Orgel wird wöchentlich zweimal zum Vergnügen der Einwohner gespielt und versammelt dann immer ein kleines Publikum, das dem gewaltigen Umfange und schönen Klange des Wunderinstruments mit immer neuer Bewunderung zuhört. Dem Coster haben sie Statuen gesetzt vor der Kirche und vor der Stadt, deren eine die Inschrift tragen soll, man könne eben so wenig an Gott zweifeln, als daß Laurentius die Buchdruckerkunst erfunden habe, so daß freilich nur ein Gottesleugner sich dagegen erheben kann. Auf dem Stadthause wird dasselbe überdies versiegelt und verbrieft bewiesen, und, außer einem Portrait Costers, dessen erste Arbeiten und Werkzeuge vorgezeigt. Die Schriften mit unbeweglichen Lettern datiren allerdings vor der Erfindung Gutenbergs, aber nicht die mit beweglichen Lettern.

Haarlem hat außer seinen Tulpen, die so schnell verblühen, aber noch einen Flor von andern Blumen, welche die Umgebung der Stadt sehr verschönern. Man fährt lang, ehe man aus diesem duftenden Kranze herauskommt und die Strecke zwischen Haarlem und Leyden ist nur klein. Diese alte Universitätsstadt hat des Interessanten mehr, als Haarlem; was jedoch in der neuesten Zeit vorzüglich die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, war jetzt gerade nicht sichtbar, das Japanische Museum des Herrn von Siebold nämlich, das eben in ein nettes Lokal geschafft werden sollte und darum nicht gezeigt wurde. Das Haager Kabinet entschädigt jedoch dafür. Leyden hat außerdem das größte naturwissenschaftliche Museum in Holland, das aber, besonders im Fache der Vögel, weit unter dem Berliner zu stehen scheint. Die Kirche ist einfach und hat eine Reihe moderner Denkmäler verstorbener Professoren der hiesigen Universität. Von ihnen wendet sich der Blick des Fremden bald ab, um auf das Grab Boerhaves zu fallen, das eine große Urne trägt, aus der kleine Köpfe heraustreten, die ihn und mehre Mitglieder seiner Familie darstellen. Für den Künstler wird das Rathhaus das meiste Interesse haben, welches das Meisterstück von Lucas von Leyden besitzt, das jüngste Gericht darstellend, während die Seitentafeln die Hölle mit den Verdammten und den Himmel mit den Seligen vorstellen, ein Bild von nicht zu vielen Figuren, das bei seinem matten Kolorit und der schlechten Beleuchtung nur spärlich heraustritt, aber für die Geschichte der Malerei von dem höchsten Interesse bleibt. Außerdem enthält das Gebäude noch mehre nicht unwichtige Portraits und ein großes Bild von van Brée, den Schwur van Werf's, die Stadt nicht zu übergeben. Je weiter man sich von Leyden entfernt, je mehr merkt man, daß man sich einer Residenz nähert. Die Villen drängen sich immer dichter, bis man in den Busch einfährt, diesen schönen grünen Mantel, den Haag so malerisch um seine nackten Glieder geworfen hat.

Die Holländer nennen den Haag ihr größtes Dorf, aber es ist auch ihre schönste Stadt. Sie hat beinahe so viele große Plätze, als Straßen, und alle sind mit schönen Bäumen bepflanzt. Der Anblick des Busches, der dicht vor den Häusern beginnt, thut wohl nach den ewigen kahlen Flächen, die man bisher durcheilt hat, denn überall anders scheint es, als ob man alle Wälder ausgerottet hätte, um sie an die Kanäle in den Städten zu versetzen. Der Haager Busch erinnert mit seinen prächtigen Bäumen an den Buchenhain von Bamberg, nur daß die Promenaden besser gehalten, das Grün frischer, das Laub üppiger ist.

Es war früher Morgen, als ich denselben betrat, die Luft war so rein, die Bäume spiegelten sich so hell in dem Wasser, es war so duftig und heimlich in den dichten Schatten, daß mir so wohl ward, wie noch nie in diesem langweilig gestreckten Lande. Mitten im Walde liegt ein kleines Schloß, das die Prinzessin Amalia von Solms ihrem Gemahl, dem Fürsten Heinrich Friedrich von Nassau zu Ehren, der 1647 gestorben ist, hat errichten lassen. Die Zimmer enthalten wenig Bemerkenswerthes: Tapeten von Reispapier mit Chinesischer Malerei, eingefaßt von Lackarbeit, die aus Japan gekommen ist, andere mit Vögeln etc., die in Seide gestickt und ein Geschenk des Kaisers von Japan sind. Ein kleiner Saal ist mit Familienportraits behangen, von den Eltern des jetzigen Königs aufwärts bis zu den ersten Nassauern, die zum großen Theil als Kunstwerke nicht von Belang sind. Einige Bilder von van der Werft machen eine Ausnahme. Der Glanz dieses Schlosses besteht jedoch in einem großen achteckigen Saal mit hoher gewölbter Kuppel, die mit dem Medaillon der Prinzessin Amalia als Wittwe geschmückt ist. Eine Hauptwand nimmt in einer Breite von dreißig Fuß und in einer Höhe von sechs und zwanzig Fuß ein Bild von Jordaens ein, das den Einzug Friedrich Heinrichs in Herzogenbusch vorstellt.

Die Idee ist allegorisch. Der Triumphwagen wird von vier Rossen gezogen, darüber schweben Engel, der Ruhm zur Seite wehrt den Tod ab, die Feinde werden von den Hufen der Pferde zertreten, eine gewaltige Komposition voll Figuren. So wie dieses Bild, so ist der ganze Saal bestimmt, den Prinzen zu verherrlichen und zwar überall in Allegorien, während die Pfeiler mit Wappen und Trophäen etc. verziert sind. Hier schmieden Cyklopen von Rubens Waffen für den Helden, den Honthorst dort noch in der Wiege von prächtigen, nackten Frauengestalten bewachen läßt.

Vortrefflich ist ein alter Chronos von Rubens, wie er mit seiner Sense Alles vor sich wegmäht, während Engel ihn vergebens bei den Haaren zurückhalten. Der ganze Saal schwimmt durch diese Bilder in Glanz, so kräftig und brillant sind die Farben gehalten, ein Tempel, wie er keinem Sterblichen schöner errichtet worden.

Der Haag ist nicht reich an schönen Gebäuden; weder das Palais der Generalstaaten, noch das des Königs macht sich durch architektonische Schönheit bemerklich. Am unwürdigsten, man kann nicht mehr sagen am einfachsten, wohnt der Prinz von Oranien. Es ist ein Gebäude, das ein reicher Privatmann verschmähen würde und das grell gegen das herrliche Palais absticht, das der liebenswürdige Prinz einst in Brüssel besessen hat.



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