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Vorwort

Dieses merkwürdige Buch hat erlauchte Taufpaten: Wielandhat die Vorrede des Verfassers schon im Jahre 1793 in seinem Teutschen Merkur veröffentlicht. Schiller hat dem Buch, als es im Jahre 1800 vollendet und in die deutsche Sprache übertragen war, durch seine Empfehlung einen Verleger verschafft. Goethe hat sich zwar über »Das Paradies der Liebe« nicht schriftlich ausgesprochen, aber es ist gar nicht zu bezweifeln, daß er es mit einem freundlichen Auge angesehen hat; denn daß er von dem Verfasser James Lawrence eine sehr gute Meinung hatte, beweisen die Worte, die er im Jahre 1816 in den ›Tages- und Jahresheften‹ über ein anderes Werk des Verfassers ›Die Friedensgefangenen‹ schrieb.

Von den drei großen Geistern Weimars hat zweifellos Schiller am meisten für das Werk getan; doch darf ich nicht verschweigen, daß seine Empfehlung etwas gönnerhaft gehalten ist, und daß er selber, der übrigens nicht das ganze Buch gelesen, sondern nur darin herumgeblättert hatte, mehr die scherzhafte Seite, oder, wie er in einem Brief an Körner sich ausdrückt: ›das Possierliche‹ daran bemerkte.

Schiller schrieb am 28. November 1800 an seinen Berliner Verleger Unger, der ein ›Journal der Romane‹ in zierlichen Bändchen herausgab:

»Ein Engländer, der jetzt hier lebt, hat ein geistreiches Werk im Geschmack des Boccaz geschrieben, aus mehreren Novellen bestehend, die ineinandergeschoben und zu einem Zweck in einem angenehmen Ganzen vereinigt sind. Er will das Werk, welches drei bis vier Bändchen beträgt, deutsch übersetzen lassen, eh es in England herauskommt, und bietet es Ihnen an unter billigen Bedingungen. Der Artikel scheint mir keine schlimme Spekulation, nach dem einzelnen, was ich daraus gelesen.«

Wenn Schiller dieses Werk nur von der komischen Seite nahm, so mag das wohl hauptsächlich an der Persönlichkeit des Verfassers gelegen haben: James Lawrence gehörte einer vornehmen schottischen Familie an, die selbst zu dieser Zeit, als die Stuarts nicht die geringste Aussicht mehr auf die Wiedererlangung ihrer Kronen hatten, immer noch nicht ihren Frieden mit der im Besitz befindlichen hannoverschen Königsfamilie gemacht hatte, und sich infolgedessen in der Verbannung aufhalten mußte. So war der junge Lawrence nach Weimar gekommen und wurde dort in der vornehmen Welt, besonders von den Damen, sehr gut aufgenommen. Wobei es ihm sicherlich zustatten kam, daß er ohne allen Zweifel ein kenntnisreicher, geistvoller und sehr liebenswürdiger Kavalier war, und ihm jedenfalls nicht geschadet hat, daß er nach Schillers Ausdruck ›Malteserritter und dabei ein häßlicher Affe‹ war.

Warum hätte ihm dies auch schaden sollen? Schiller ist im Großen ein gewaltiger Psychologe, im Kleinen und Einzelnen aber darf man füglich bezweifeln, daß er ein guter Menschenkenner war. Wie hätte es den Ritter Lawrence mit Haß gegen die Einrichtung der Ehe – worin Schiller den Anlaß zur Entstehung des Buches erblickt – erfüllen, und wie ihm bei dem weiblichen Geschlecht schaden können, daß er Malteserritter war? Für einen Feind der Ehe war diese Ritterschaft sehr bequem, denn sie gebot nicht Keuschheit, sondern nur Ehelosigkeit; und um an Erfolgen von Maltesern oder anderen Ordensrittern beim weiblichen Geschlecht nicht zu zweifeln, braucht man nur Thümmels liebenswürdig-frivoles Gedicht ›Die Inokulation der Liebe‹ zu lesen. Und die Häßlichkeit des Gesichtes, wäre sie auch wirklich affenmäßig, wird sehr häufig durch andere körperliche Gaben aufgewogen, auf die von Damen mehr Wert gelegt wird. Wußte Schiller über die näheren Umstände in dieser Beziehung so genau Bescheid? Wohl kaum.

Das Buch des Ritters Lawrence ist allerdings recht scherzhaft; ich darf wohl sagen: Gott sei Dank. Denn wenn es nicht ergötzlich geschrieben wäre, so wäre es zu lang, um nicht langweilig zu wirken. Der Verfasser hat, wie Schiller ganz richtig an Körner schreibt, der Ehe den Krieg angekündigt und alles auf einen Haufen zusammengetragen, was sich dagegen sagen läßt. Und da kommen nun allerdings eine Menge höchst skandalöser Geschichten zusammen, was an und für sich gewiß kein Vorzug wäre, wohl aber zu einem solchen wird, da Lawrence in der Tat viele skandalöse Ehebruch- und Verführungsgeschichten, Liebesabenteuer und sogar bedenkliche Vorgänge in »guten« und »schlechten« Häusern mit einer heiteren Anmut oder mit einer sarkastischen Bosheit vorzutragen weiß, die auch manches Bedenkliche nicht nur entschuldigt, sondern dessen Darstellung als berechtigt erscheinen läßt. Das ganze Buch aber enthält sehr viel Ernstes, selbst da, wo es über das Ziel hinausschießt. Die Ehe gänzlich abzuschaffen wäre natürlich ein Unternehmen, das mit unserer gesellschaftlichen Ordnung, wie sie jetzt ist, unverträglich wäre. Darüber zu streiten, ist hier nicht der Ort. Daß aber die Ehe eine vollkommene Einrichtung sei, wird wohl selbst der nicht behaupten wollen, der von ihrer Notwendigkeit überzeugt ist.

Sagen wir: Die Ehe ist ein notwendiges Übel, und »Das Paradies der Liebe« von James Lawrence ist nicht nur ein ergötzliches, sondern auch ein sehr lehrreiches Buch.

Heinrich Conrad


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