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Die Legende vom Vogelnest

Hatto, der Eremit, stand in der Einöde und betete zu Gott. Es stürmte, und sein langer Bart und das zottige Haar umflatterten ihn, wie die vom Winde bewegten Grasbüschel auf den Zinnen einer alten Ruine. Doch strich er weder das Haar aus den Augen, noch steckte er den Bart in den Gürtel, denn er hatte die Arme zum Gebet erhoben. Seit Sonnenaufgang hatte er die knochigen, behaarten Arme ebenso unermüdlich gen Himmel gestreckt, wie ein Baum seine Zweige dahin richtet, und er gedachte bis zum Abend in dieser Stellung zu verharren. Er hatte um ein großes Ding zu bitten.

Er war ein Mann, der viel von der Bosheit dieser Welt erfahren. Er war selbst ein Verfolger und Peiniger gewesen, und Qual und Verfolgung war ihm von anderen mehr zuteil geworden, als sein Herz zu tragen vermocht. So zog er denn auf die große Heide hinaus, grub sich eine Höhle in das Flußufer und wurde ein heiliger Mann, dessen Gebete vor Gottes Throne Erhörung fanden.

Hatto, der Eremit, stand dort am Flußufer vor seiner Höhle und bat die große Bitte seines Lebens. Er bat Gott, das Jüngste Gericht über diese böse Welt hereinbrechen zu lassen. Er rief die posaunenblasenden Engel an, das Ende der Sündenherrschaft zu verkündigen. Er rief die Wogen des Blutmeeres, die Ungerechten zu ertränken. Er rief die Pest, damit sie die Kirchhöfe mit Haufen von Leichen fülle.

Um ihn herum war öde Heide. Doch eine kleine Strecke weiter am Ufer hinauf stand eine alte Weide, deren kurzer Stamm oben zu einem großen kopfähnlichen Knorren anschwoll, auf dem neue, frischgrüne Zweige wuchsen. Jeden Herbst wurden ihr diese frischen Jahresschüsse von den Bewohnern der an Brennholz so armen Ebene geraubt. Jeden Frühling brachte der Baum neue, biegsame Schüsse hervor, die man bei stürmischem Wetter um ihn wehen und fliegen sah, so wie Haar und Bart Hatto, den Eremiten, umflatterten.

Das Bachstelzenpaar, das sein Nest oben auf dem Weidenstamme zwischen den aufsprießenden Zweigen zu bauen pflegte, hatte gerade heute mit dem Baue beginnen wollen. Doch zwischen den gewaltsam peitschenden Zweigen fanden die Vögel keine Ruhe. Sie kamen mit Binsen, überjährigem Riedgras und Wurzelfasern herbeigeflogen, mußten aber unverrichteter Sache wieder umkehren. Da bemerkten sie den alten Hatto, der Gott anflehte, den Sturm siebenfach stärker werden zu lassen, auf daß das Nest der kleinen Vögel fortgeweht und der Horst des Adlers zerstört werde.

Natürlich kann kein jetzt Lebender sich eine richtige Vorstellung davon machen, wie bemoost und vertrocknet, knochig, schwarz und menschenunähnlich solch ein alter Heidemann aussehen konnte. Die Haut saß so straff über Stirn und Wangen, daß der Kopf fast einem Totenschädel glich, und nur ein schwaches Leuchten tief in den Augenhöhlen zeigte an, daß noch Leben in ihm war. Die vertrockneten Muskeln verliehen dem Körper keine Rundung, die erhobenen, nackten Arme bestanden nur aus dünnen, mit runzliger, harter, rindeähnlicher Haut überzogenen Knochenröhren. Er trug eine alte, enganschließende, schwarze Kutte. Die Sonne hatte ihn gebräunt, der Schmutz ihn geschwärzt. Nur Haar und Bart waren hell, denn Regen und Sonnenschein hatten sie bearbeitet, bis sie die graugrüne Farbe auf der Unterseite der Weidenblätter bekommen hatten.

Die umherkreisenden Vögel, die einen Bauplatz suchten, hielten Hatto, den Eremiten, ebenfalls für eine alte, durch Axt und Säge in ihrem Himmelanstreben gehemmte Weide. Sie umkreisten ihn wiederholt, entfernten sich und kamen wieder, merkten sich den Weg zu ihm, berechneten seine Lage im Verhältnis zu Raubvögeln und Stürmen, fanden ihn recht ungeeignet und entschieden sich doch für ihn, weil er so nahe bei ihrem Speicher und ihrer Vorratskammer, dem Riedgrase und dem Flusse, stand. Einer von ihnen schoß pfeilschnell nieder und legte ihm seine Wurzelfaser in die ausgestreckte Hand.

Der Sturm hielt gerade inne, so daß die Fasern ihm nicht sofort aus der Hand flogen, doch der Eremit machte in seinem Gebete keine Pause.

»Komme bald, o Herr, und vernichte diese Welt des Verderbens, damit die Menschen sich nicht noch mehr mit Sünde belasten können! Erlöse die Ungeborenen vom Leben! Für die Lebenden gibt es keine Erlösung.«

Der Sturm nahm wieder zu und wehte die kleine Wurzelfaser aus der großen, knochigen Hand des Eremiten. Doch die Vögel kamen wieder und versuchten ihm die Grundpfeiler des neuen Heims zwischen den Fingern einzukeilen.

Plötzlich legte sich da ein grober, schmutziger Daumen über die Halme und hielt sie fest, und vier Finger wölbten sich über die Handfläche und bildeten eine geschützte Nische zum Bauen. Der Eremit aber vollendete sein Gebet.

»Herr, wo sind die Feuerwolken, die Sodom verheerten? Wann öffnest du die Schleusen des Himmels, die die Arche auf Ararats Gipfel erhoben? Ist das Maß deiner Geduld nicht voll und die Schale deiner Gnade nicht leer? Herr, wann kommst du aus deinem sich öffnenden Himmel?«

Und da zeigten sich Hatto, dem Eremiten, Fiebergesichte vom Jüngsten Tage. Die Erde bebte, der Himmel brannte. Unter dem glühenden Firmamente sah er schwarze Wolken von fliehenden Vögeln, brüllend und schreiend wälzte sich ein Strom fliehender Tiere über das Feld.

Doch während seine Seele mit diesen Feuergesichten beschäftigt war, begannen seine Augen dem Fluge der kleinen Vögel zu folgen, die blitzschnell hin- und herflogen und mit einem »Piep« der Befriedigung einen neuen Halm in das Nest fügten.

Der Alte dachte nicht daran, sich zu bewegen. Er hatte das Gelübde getan, den ganzen Tag mit erhobenen Händen stillstehend zu beten, um dadurch den Herrn zur Erhörung zu zwingen. Je müder sein Leib wurde, desto lebhafter erfüllten die Gesichte sein Hirn. Er hörte die Mauern der Stadt einstürzen und die Wohnungen der Menschen zusammenbrechen. Schreiende, erschreckte Volkshaufen stürmten an ihm vorüber, und hinter ihnen her jagten die Engel der Rache und der Vernichtung, hohe Gestalten mit, strengem, schönem Antlitz, in silberner Rüstung, auf schwarzen Rossen, die aus weißen Blitzen geflochtenen Geißeln schwingend.

Die kleinen Bachstelzen mauerten und zimmerten den ganzen Tag fleißig, und die Arbeit machte große Fortschritte. Auf der bültigen Heide mit ihrem steifen Riedgrase und an dem Flusse mit seinen Binsen und seinem Schilfe war kein Mangel an Baumaterial. Sie hatten weder zur Mittagsruhe noch zum Vespern Zeit. Glühend vor Eifer und Interesse flogen sie hin und her, und noch vor Abend waren sie beim Dachfirste angelangt.

Doch noch ehe es Abend wurde, richtete der Eremit seine Augen immer mehr auf sie. Er folgte ihnen im Fluge, er schalt sie, sobald sie ungeschickt waren, er ärgerte sich, wenn der Wind ihnen Schaden tat, und am allerwenigsten duldete er, daß sie sich ausruhten.

Die Sonne sank, und die Vögel suchten ihre alte Ruhestätte im Schilfe auf.

Wer abends über die Heide wandert, lege sich so nieder, daß sich sein Gesicht in gleicher Höhe mit den Hübeln befindet, dann wird er eine eigentümliche Erscheinung sich gegen den hellen Westen abheben sehen. Eulen mit großen, runden Flügeln jagen über das Feld hin, ohne daß der Aufrechtstehende sie sieht. Geschmeidige Kreuzottern schlängeln sich schnell dahin und erheben den schmalen Kopf auf dem schwanengleich gebogenen Halse. Große Kröten kriechen träge umher, Hasen und Wühlmäuse fliehen vor den Raubtieren, und der Fuchs springt nach einer Fledermaus, die über dem Flusse Mücken jagt. Jede Erdscholle scheint Leben bekommen zu haben. Unterdessen schlafen die kleinen Vögel auf schwankenden Binsen, geschützt vor jeder Gefahr, auf diesem Ruheplatze, dem sich kein Feind nahen kann, ohne daß das Wasser plätschert oder das Schilf raschelt und sie weckt.

Als der Morgen kam, glaubten die Bachstelzen erst, die Ereignisse des vorherigen Tages müßten ein schöner Traum gewesen sein.

Sie hatten ihre Landmerkzeichen und flogen direkt nach ihrem Neste. Es war fort. Sie flogen suchend über die Heide und stiegen in die Luft empor, um zu spähen. Weder von Baum noch Nest eine Spur. Schließlich setzten sie sich auf ein paar Steine am Ufer und dachten nach. Sie wippten mit dem langen Schwanze und drehten das Köpfchen. Wo mochten Baum und Nest nur geblieben sein?

Doch kaum hatte die Sonne sich eine Handbreit über den Waldgürtel am anderen Ufer erhoben, als ihr Baum gewandert kam und sich wieder an denselben Platz, den er tags zuvor eingenommen, stellte. Er war noch geradeso schwarz und knorrig und trug ihr Nest auf der Spitze eines, wie es schien, trockenen, aufrechtstehenden Zweiges.

Da begannen die Bachstelzen wieder zu bauen, ohne über die vielen Wunder der Natur weiter nachzugrübeln.

Hatto, der Eremit, der die kleinen Kinder von seiner Höhle fortjagte und ihnen sagte, es wäre besser gewesen, wenn sie nie das Licht des Tages erblickt, der in den Schlamm hineinlief, um den frohen, jungen Leuten, die in bewimpelten Booten den Fluß hinaufruderten, Flüche und Verwünschungen nachzurufen, Hatto, vor dessen bösem Blicke die Hirten auf der Heide ihre Herden bewachten, war nicht um der kleinen Vögel willen an seinen Platz am Ufer zurückgekehrt. Er wußte aber, daß nicht nur jeder Buchstabe der heiligen Bücher seine verborgene, mystische Bedeutung hat, sondern alles und jedes, was Gott in der Natur geschehen läßt. Er hatte nun begriffen, was es bedeutete, daß die Bachstelzen in seiner Hand bauten. Gott wollte, er solle mit erhobenen Händen betend stehen bleiben, bis die Vögel ihre Jungen groß gezogen, und könne er dies, so werde er erhört werden. –

Doch an diesem Tage sah er weniger Erscheinungen. Statt dessen folgten seine Blicke den Vögeln immer eifriger.

Er sah das Nest schnell fertig werden. Die kleinen Baumeister flogen rund herum und besichtigten es. Sie holten kleines Flechtenmoos von der wirklichen Weide und klebten es statt der Farbe oder des Abputzes außen fest. Sie holten das feinste Baumwollenkraut, und das Weibchen nahm Dunen von seiner eigenen Brust und stopfte das Nest damit aus, und so war das Haus eingerichtet und möbliert.

Die Bauern, die fürchteten, daß die Gebete des Heidemannes bei Gott verderblichen Einfluß haben könnten, pflegten ihm Milch und Brot zu bringen, um seinen Zorn zu besänftigen.

Sie kamen auch jetzt und fanden ihn regungslos, mit dem Vogelneste in der Hand, stehend.

»Sieh, wie der fromme Mann das kleine Getier liebt!« sagten sie und fürchteten ihn nicht mehr, sondern setzten ihm den Milcheimer an die Lippen und steckten ihm das Brot in den Mund.

Als er gegessen und getrunken, trieb er die Leute mit bösen Worten fort, doch sie lächelten nur über seine Verwünschungen.

Sein Leib war schon lange seinem Willen untertänig. Durch Hunger und Schläge, tagelanges Knien und wochenlanges Wachen hatte er ihn gehorchen gelehrt.

Jetzt hielten die stahlharten Muskeln seinen Arm Tage und Wochen hindurch ausgestreckt, und als das Bachstelzenweibchen auf den Eiern saß und das Nest nicht mehr verließ, suchte er seine Höhle nicht einmal nachts mehr auf. Er lernte im Sitzen mit erhobenen Armen schlafen. Unter den Freunden der Wüste gibt es wohl manche, die noch Größeres getan.

Er gewöhnte sich an die beiden kleinen, unruhigen Vogelaugen, die über den Nestrand auf ihn niederschauten. Er gab auf Hagel und Regen acht und schützte das Nest, so gut er konnte.

Eines Tages verläßt das Weibchen seinen Wachtposten. Beide Bachstelzen sitzen auf dem Nestrande, wippen mit dem Schwanze, halten Rat und sehen seelenvergnügt aus, obgleich das ganze Nest voll von ängstlichem Piepen zu sein scheint. Nach einer Weile gehen sie auf die allerwildeste Mückenjagd.

Eine Mücke nach der andern wird gefangen und für das, was oben in seiner Hand piept, nach Hause getragen.

Und wenn das Futter kommt, piept es just am allerlautesten. Das Piepen stört den frommen Mann in seinen Gebeten.

Und leise, leise senkt sich sein Arm in den Gelenken, die beinahe die Fähigkeit sich zu rühren verloren haben, und seine kleinen, glühenden Augen starren in das Nest.

Etwas so Hilfloses, Häßliches und Erbärmliches hatte er noch nie gesehen: kleine, nackte Leiber mit einigen wenigen Dunen, keine Augen, keine Flugkraft, eigentlich nur sechs große, aufgesperrte Schnäbel.

Der Anblick berührte ihn eigentümlich, aber er mochte sie so leiden, wie sie waren.

Ihre Eltern hatte er nie von dem großen Untergange ausgenommen gewünscht, doch wenn er von nun an Gott anflehte, die Welt durch Vernichtung zu erlösen, machte er stillschweigend einen Vorbehalt zugunsten dieser sechs Hilflosen.

Als die Bauernweiber ihm nun Essen brachten, dankte er ihnen nicht durch böse Wünsche. Er freute sich, daß sie ihn nicht verhungern ließen, denn die Kleinen da oben bedurften ja seiner.

Bald streckten sich sechs runde Köpfe den ganzen Tag über den Rand des Nestes.

Immer öfter ließ der alte Hatto den Arm bis zu den Augen sinken. Er sah die Federn aus der roten Haut hervorkommen, die Augen sich öffnen und die Körperformen sich runden.

Glückliche Erben der Schönheit, die die Natur den Bewohnern der Luft geschenkt, entwickelten sich bald in ihrer Anmut.

Und während dieser Zeit kamen die Gebete um das große Verderben immer zögernder über die Lippen des Alten. Er glaubte Gottes Versprechen zu haben, daß es kommen solle, sobald die Jungen fliegen konnten. Jetzt suchte er sozusagen eine Ausflucht vor Gott, dem Vater. Denn diese sechs Kleinen, die er beschützt und behütet, konnte er nicht opfern.

Vorher war es etwas anderes gewesen, da hatte er nichts gehabt, was ihm gehörte. Die Liebe zu den Kleinen und Hilflosen – die jedes kleine Kind die großen, gefährlichen Menschen seiner Aufgabe gemäß lehrt – war über ihn gekommen und machte ihn unschlüssig.

Er wollte bisweilen das Nest in den Fluß schleudern, denn er meinte, diejenigen, die ohne Kummer und Sünde sterben, seien glücklich.

Sollte er die Kleinen nicht vor Raubtieren und Kälte, Hunger und den mannigfaltigen Heimsuchungen des Lebens bewahren?

Doch als er so dachte, kam der Sperber auf das Nest herabgesaust, um die Jungen zu rauben.

Da ergriff Hatto den Frechen mit der Linken, schwang ihn im Kreise über seinem Kopf und schleuderte ihn mit der ganzen Kraft des Zornes weit in den Fluß hinaus.

Der Tag kam, da die Kleinen flugfertig waren. Die eine Bachstelze mühte sich drinnen im Neste ab, die Jungen bis an den Rand zu drängen, während die andere ihnen zeigte, wie leicht das Fliegen ist, wenn man es nur zu versuchen wagt. Und da die Jungen trotzdem bei ihrer Furcht beharrten, flogen die beiden Alten umher und zeigten ihnen ihre allerschönsten Flugkünste. Mit den Flügeln zuckend flogen sie in verschiedenartigen Bogen, stiegen gerade empor wie die Lerche und hielten sich mit heftig bebenden Schwingen in der Luft stille.

Doch da die Jungen noch immer eigensinnig sind, kann Hatto, der Eremit, es nicht lassen, auch ein Wörtchen mitzusprechen. Er gibt ihnen mit dem Finger einen vorsichtigen Puff, und damit ist die Sache entschieden. Hinaus fahren sie, die Luft peitschend und unsicher flatternd wie Fledermäuse, sinken, erheben sich wieder, begreifen, worin die Kunst liegt, und benutzen sie, das Nest so bald wie möglich wieder zu erreichen. Die Eltern kommen stolz und jubelnd zurück, und der alte Hatto lächelt.

Er hat ja in der Sache den Ausschlag gegeben.

Er grübelt nun ernstlich darüber nach, ob es bei Gott nicht einen Ausweg geben könnte.

Vielleicht, wenn man es genau bedachte, hielt Gott der Vater die Erde wie ein Vogelnest in seiner Rechten, und vielleicht liebte er auch alles, was darauf lebt und webt, alle die hilflosen Erdenkinder. Vielleicht taten sie, die er auszurotten gelobt, ihm leid, wie die jungen Vögel dem Heidemanne.

Allerdings waren die Vögel des Eremiten viel besser als die Menschen Unseres Herrn, aber er konnte es doch begreifen, daß Gott ein Herz für sie hatte.

Am nächsten Tage stand das Vogelnest leer, und die Bitterkeit des Alleinseins überkam den Eremiten. Langsam ließ er den Arm sinken, und es war ihm, als hielte die ganze Natur den Atem an, um auf das Dröhnen der Posaune des Jüngsten Gerichts zu lauschen. Im selben Augenblicke aber kamen alle Bachstelzen wieder und setzten sich ihm auf den Kopf und die Schultern, denn sie waren gar nicht bange vor ihm. Da fuhr ein Lichtstrahl durch das umnebelte Hirn des alten Hatto. Er hatte ja täglich den Arm sinken lassen, um die Jungen zu betrachten.

Und während die sechs Kleinen ihn spielend umflatterten, nickte er einem, den er nicht sah, befriedigt zu.

»Du hast es nicht nötig,« sagte er, »du bist nicht dazu verpflichtet. Ich habe mein Wort nicht gehalten, du bist also auch nicht an deines gebunden.«

Und es schien ihm, als hörten die Berge auf zu beben und als legte sich der Fluß zu süßer Ruhe in seinem Bette nieder.


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