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Pferd und Kuh, Magd und Knecht

1

Wer war sie, daß sie zu Glück und Erhöhung vor allen andern Hausiererinnen auserwählt war?

Allerdings, eines war sicher: sie war sehr gewandt im Geldverdienen und dabei überaus sparsam; nie gab sie einen Heller unnötig aus, und schlau und verschlagen war sie auch; sie konnte die Leute dazu bringen, nicht allein das zu kaufen, was sie brauchten, sondern auch das, was sie nicht brauchten. Aber trotzdem meinte sie nicht, sie habe es verdient, über alle ihre früheren Kameradinnen erhöht zu werden.

Ja, wer war sie, daß ein hochgestellter Mann die Augen auf sie geworfen hatte?

Jeden Morgen, wenn sie erwachte, sagte sie zu sich selbst: »'s ist 'n Wunder, jawoll. Ja, 'n Wunder, 'n genauso groß' Wunder wie die in der Bibel, und 's müßt' in der Kirch' verkündigt werden.«

Zugleich faltete sie die Hände und bildete sich ein, sie sitze in der Kirche. Sie sah die Leute rings um sich her, und ein Pfarrer stand auf der Kanzel. Es war ganz wie in einem gewöhnlichen Gottesdienst, nur daß der Pfarrer einen ungewöhnlichen Text gewählt hatte. Er redete von nichts als von den armen Dalmädchen, die im Lande umherwanderten und Handel trieben und die so vielen Gefahren und Beschwerlichkeiten ausgesetzt seien. Wie jemand, der genau Bescheid weiß, berichtete er, wie schlimm sie in schlechten Räumen untergebracht seien, wie gering der Verdienst sei und wie oft sie sich nicht einen Bissen Essen gönnten, nur um den armseligen Erwerb, den sie nach Hause bringen wollten, nicht noch zu schmälern. Aber jetzt sei der Pfarrer froh, seinen geliebten Zuhörern mitteilen zu können, daß Gott in seiner Gnade sich einer dieser müden Wanderinnen angenommen habe. Sie brauche nun nicht mehr in Wind und Wetter auf den Landstraßen herumzuziehen; sie werde einen Pfarrer heiraten und auf einem Pfarrhof wohnen, wo es Pferd und Kuh, Magd und Knecht gebe.

Als die Predigt so weit gediehen war, wurde es hell und licht in der Kirche. Alle freuten sich darüber, daß so ein armes Mädchen zu Ehren und Wohlstand kommen sollte. Die, die in der Nähe von Anna Svärd saßen, nickten ihr lächelnd zu.

Anna Svärd bekam rote Wangen vor Verlegenheit; aber es wurde noch schlimmer, denn jetzt wendete sich der Pfarrer auch noch direkt zu ihr hin und redete sie mit ein paar Worten an: »Wer bist denn du, Anna Svärd, daß du vor allen anderen Hausiererinnen von Dalarne ausgewählt worden bist und so hoch hinaufgestellt wirst? Es ist nicht dein eigenes Verdienst, lauter Gnade und Barmherzigkeit ist es. Bedenk es wohl und vergiß die andern nicht, die sich weiter abschinden müssen, um das nötige Geld zu Kleidern und Kost 'rauszuschlagen.«

Ja, dieser Pfarrer predigte überaus schön. Anna Svärd wäre am liebsten den ganzen Tag im Bett liegengeblieben, um ihm zuzuhören. Aber als er das von den anderen Mädchen in Dalarne sagte, traten ihr die Tränen in die Augen – sie warf die Decke zurück, falls sie wirklich unter einer Decke lag und nicht nur unter einem alten Sack oder einem verbrauchten Stück von einem alten Bodenläufer, und sprang aus dem Bett. »Dummkopf!« rief sie. »Willst woll greinen und hast dir doch alles selbst z'sammeng'reimt!«

Das einzige, was sie tun konnte, um den früheren Kolleginnen zu helfen, war, daß sie sich jetzt gleich, mitten im September, auf den Heimweg machte und von den Herbstmärkten, die jetzt da und dort stattfanden, wegblieb. Das war eine Entsagung, aber sie wollte die Jahrmärkte jetzt den alten Nebenbuhlerinnen überlassen. Sie wollte denen nicht im Wege stehen, die sich niemals mit einem wirklichen Herrn verheiraten würden. Dabei dachte sie an die Ris-Karin, die wie sie selbst aus Medstuby war, und an die Annstu-Lisa sowie an viele andere, die mit diesen beiden froh sein würden, wenn sie nicht mit ihnen auf dem Jahrmarkt stand und ihnen die Kunden wegschnappte.

Wenn sie nun heimkam, ja, dann würde vielleicht kein Mensch begreifen, warum sie so verrückt gewesen war und die Jahrmärkte nicht besucht hatte. Und sie selbst würde auch nicht sagen können, woher das kam. Aber sie fühlte sich gezwungen, etwas für den lieben Gott zu tun, nachdem sie selbst so viel von ihm bekommen hatte. Dagegen lag kein Hindernis vor, daß sie sich, ehe sie Karlstadt verließ, einen neuen Vorrat von Waren anschaffte. Und ebensowenig verbot ihr irgend etwas, in jedes Haus, an dem sie vorbeikam, hineinzugehen, um von ihren Waren loszuschlagen. Wenn aber dann der Handel abgeschlossen war, sie sich auch schon den Ranzen auf den Rücken geschnallt hatte und nun mit der Hand auf der Türklinke zum Gehen bereitstand, konnte sie es nicht lassen, den Kopf nach der Stube zu drehen und von dem Wunder, das ihr widerfahren war, Zeugnis abzulegen.

»Seid jetzt halt alle mit'nander recht schön bedankt«, sagte sie. »Ich komm' jetzt nimmer, ich heirat' bald.« Wenn ihr dann die Bewohner des Hauses eiligst ein paar Worte der Anteilnahme sagten und fragten, wer denn der Mann sei, den sie bekomme, fuhr sie mit großer Feierlichkeit fort:

»'s ist 'n Wunder, jawoll, und 's müßt' in der Kirch' verkündigt werd'n. Wer ist denn d' Anna Svärd, daß ihr so 'n Glück passiert? Denkt euch, ich heirat' 'nen Pfarrer und krieg 'nen Pfarrhof mit Pferd und Kuh, Magd und Knecht.«

Sie war überzeugt, daß die Leute über sie spotteten, wenn sie gegangen war; aber daraus machte sie sich nichts. Sie mußte sich dankbar erzeigen, sonst konnte das Glück wieder von ihr genommen werden.

Einmal kam sie auf einen Hof, wo sie die Hausfrau nicht dazu bewegen konnte, etwas zu kaufen, obgleich diese eine reiche Witwe war und ihr Geld selbst verwaltete. Da fiel ihr ein, zu sagen, an diesem Tage dürfe die liebe Frau sich nicht weigern, etwas zu kaufen, denn dies sei das letztemal, daß sie mit diesem Anliegen komme. Dann schwieg sie und sah geheimnisvoll aus. Die geizige Hausfrau wurde neugierig und konnte es nicht lassen, zu fragen, warum Anna ihre Handelschaft aufgeben wolle.

Und da erzählte das schöne Dalmädchen, es sei ein großes Wunder. Ja, ein ebenso großes Wunder wie irgendeines, von dem in der Bibel zu lesen stand. Eine andere Aufklärung gab sie indes nicht, und so mußte die Hausmutter noch weitere Fragen stellen.

Anna Svärd aber kniff die Lippen zusammen und war so ganz und gar die alte Anna Svärd, daß die geizige Hausfrau sich sowohl mit einem seidenen Tuch als auch mit einem Haarkamm versehen mußte, ehe sie erfuhr, daß Gott die arme Hausiererin in ihrer Niedrigkeit angesehen habe, daß sie einen Pfarrer heiraten werde und in einem Pfarrhof wohnen würde, wo es Pferd und Kuh, Magd und Knecht gebe.

Als Anna Svärd von diesem Hofe weiterwanderte, dachte sie, dies sei ein guter Kniff gewesen und sie werde ihn noch öfter anwenden. Sie tat es dann aber doch nicht, denn sie fürchtete, es könnte ihr Unglück bringen. Man soll das Heilige nicht mißbrauchen.

Statt dessen geschah es gelegentlich, daß sie den kleinen Mädchen in den Häusern ein Bröschchen mit einem Stein aus farbigem Glas ganz ohne Bezahlung als ein Geschenk zusteckte. Noch niemals war es ihr eingefallen, etwas zu verschenken. Es war ein kleines Gegengeschenk für den lieben Gott.

Ja, wer war sie, daß das Glück von allen Seiten her auf sie zuströmte? Warum nur waren die Leute in den Häusern so eifrig im Einkaufen? Kam es daher, weil sie von den Jahrmärkten weggeblieben war und diese ihren alten Kameradinnen überlassen hatte? Während ihrer ganzen Wanderung das Klarelftal entlang war es ebenso. Heißa! Sobald sie ihren Ranzen öffnete, kam groß und klein dahergelaufen, als meinten sie, Anna Svärd habe ihnen Sonne und Sterne zu bieten. Ehe sie ihren halben Weg zurückgelegt hatte, war zu ihrer Verwunderung ihr Warenvorrat fast erschöpft.

Eines Tages, als sie nur noch ein Dutzend Hornkämme und ein paar Banddocken im Vorrat hatte und sich darüber ärgerte, daß sie von Karlstadt her nicht doppelt so viele Waren hatte tragen können, traf sie mit der alten Ris-Karin zusammen. Das alte Weib kam aus dem Norden. Ihr Sack war stoppevoll, und mürrisch und unfreundlich war sie selbst, weil sie schon ein paar Tage nichts mehr verkauft hatte.

Da kaufte Anna Svärd der Ris-Karin alle die Waren ab, die diese daherschleppte, und die Neuigkeit, daß sie einen Pfarrer heiraten werde, gab sie der Alten als Dreingabe.

Anna Svärd dachte nun, den Heidehügel, wo sie ihren Handel abgeschlossen hatten, werde sie nie vergessen. Das war wirklich das lustigste, was sie auf der ganzen Heimreise erlebt hatte. Die Ris-Karin war ebenso purpurrot geworden wie die blühende Heide, und zum Schluß hatte sie noch eine Träne herausgepreßt. Als Anna Svärd Karin weinen sah, fiel ihr ein, wie sie selbst ohne alles eigene Zutun vor allen anderen Hausiererinnen erhöht worden war, und da bezahlte sie etwas mehr für die Waren, als sie ausgemacht hatten.

Wenn Anna Svärd bisweilen auf einem hohen Hügel stand, stellte sie sich mit dem Rücken gegen einen Zaun, damit sie eine Stütze für den Ranzen hatte, und folgte mit den Augen den Zugvögeln auf ihrem Flug nach dem Süden. Wenn sich niemand in der Nähe befand, der sie auslachen konnte, rief sie den Vögeln zu, sie sollten den Bewußten grüßen, und sie wünschte, auch Flügel zu haben, damit sie zu ihm fliegen könnte. Ja, wer war sie, daß sie vor vielen anderen erwählt, daß ihr Herz aufgetan worden war und sie nun anfing, die uralte Sprache der Sehnsucht und der Liebe zu sprechen?

2

Anna Svärd war nun endlich so weit gekommen, daß sie ihren Heimatort Medstuby vor sich liegen sah. Da blieb sie stehen und sah vor allem nach, ob das Dorf noch wohlbehalten auf seinem alten Platze am Dalelf stehe, ob die Gehöfte noch ebenso dicht zusammengebaut und noch ebenso nieder und grau seien, ob die Kirche noch auf der kleinen Landzunge südlich vom Ort liege, genau wie sonst auch, und ob die Birkenhaine und die Tannengehölze nicht etwa während ihrer Abwesenheit von der Erde weggefegt worden seien, sondern noch ganz wie vorher dalägen.

Aber nachdem sie sich von dem allem überzeugt hatte, sah es aus, als gehe es ihr wie so vielen andern, die, gerade wenn sie dem Ziele nahe sind, sich so ermattet fühlen, daß sie kaum mehr weiterkommen. Sie mußte einen Pfahl aus einem Zaun herausbrechen und sich wie auf einen Stock darauf stützen; aber trotz dieser Hilfe konnte sie sich nur Schritt für Schritt auf dem Wege weiterschleppen. Der Rucksack drückte sie; sie mußte tief gebückt gehen, und der Atem wollte ihr versagen. Immer wieder mußte sie stehenbleiben, um sich zu verschnaufen.

So langsam es aber auch vorwärts ging, schließlich erreichte sie doch das Dorf. Sie hatte vielleicht gehofft, ihrer Mutter, der alten Berit, zu begegnen oder irgendeiner andern guten Bekannten, die ihr tragen helfen würde. Aber sie traf keinen Menschen unterwegs.

Der eine und der andere erblickte sie aber doch in ihrer Ermattung, und diese fragten sich sofort, wie es wohl der Mutter gehen werde, wenn nun, wie es den Anschein hatte, die Tochter so krank und elend heimkomme. Denn Mutter Svärd war eine arme Soldatenwitwe ohne Geldmittel und ohne ein eigenes Häuschen, und sie hätte ihre beiden Kinder niemals aufziehen können, wenn ihr Schwager Jobs-Erik, der ein vermögender Mann war, sie nicht in einer zwischen dem Stall und der Scheune eingeklemmten kleinen Kammer hätte wohnen lassen. Berit war sehr geschickt in allerlei Arbeiten sowie auch im Weben; sie war einer von jenen vielseitig gewandten Menschen, ohne die man in einem Dorfe nicht auskommen kann. Aber sie hatte auch Tag und Nacht im Geschirr sein müssen, um die zwei Kinder durchzubringen, und jetzt war sie nahezu aufgerieben. Sie hatte nun wohl auf Erleichterung gehofft, seit die Tochter mit dem Hausierhandel begonnen hatte. Wenn es jetzt nur nicht zu schlimm für sie stand! Es war kein gutes Zeichen, daß Anna zur Unzeit heimkam. Ja, die Armen, denen ging es doch immer schlecht!

Anna Svärd tastete sich durch Holzstöße, Balkenstapel und Arbeitsgeräte, die zwischen den vielen Gebäuden des Jobshofs aufgehäuft waren, hindurch und erreichte so die Stallkammer. Die Mutter war ausnahmsweise daheim. Sie saß mitten im Zimmer an ihrem Spinnrad. Man wird verstehen, wie sehr sie erschrak, als die Tür aufging und die Tochter tief gebückt und sich auf einen Zaunpfahl stützend hereinkam. Und Anna Svärd tat auch gar nichts, um zu verhindern, daß die Mutter nicht einen Todesschreck bekam. Sie sagte ganz leise guten Tag, wie wenn sie das Wort kaum herausbringen könnte; ja, sie seufzte und schnaufte und wendete das Gesicht weg, um der Alten nicht in die Augen sehen zu müssen.

Ach, was sollte die alte Berit denken? Sie war ja gewohnt, die Tochter so frisch ausschreiten zu sehen, wie wenn sie von keiner Last etwas wüßte. Jetzt ahnte sie das schlimmste, und hastig schob sie das Spinnrädchen zurück.

Noch immer seufzend und hart schnaufend, ging Anna Svärd zum Tisch unter dem Fenster hin und stellte ihren Ranzen darauf. Als sie die Riemen vom Rücken gelöst hatte, rieb sie sich mit der Hand das Kreuz. Sie versuchte sich aufzurichten, aber es ging durchaus nicht. Ebenso krumm und gebückt, wie sie in die Kammer hereingekommen war, trat sie an den Herd und setzte sich auf den Herdrand.

Ja, was sollte Mutter Svärd denken? Der Ranzen der Tochter war noch ebenso voll wie im letzten Frühjahr, als sich Anna auf die Wanderschaft begab. Hatte sie den ganzen Sommer hindurch gar nichts verkauft? War sie krank gewesen, hatte sie sich auf irgendeine Weise zugrunde gerichtet? Die alte Frau geriet in solche Angst, was sie wohl zu hören bekommen würde, daß sie nicht zu fragen wagte.

Aber Anna Svärd mußte der Ansicht gewesen sein, die Mutter könne die große Neuigkeit nicht auf die richtige Weise aufnehmen, wenn sie sich nicht noch erbärmlicher und unglücklicher vorkomme als jemals vorher; sie fragte darum mit kläglicher Stimme, ob nicht die Mutter, die wohl ausgeruht habe, ihr den Gefallen tun und den Ranzen aufschnallen wolle.

O doch, Mutter Svärd wollte sich so gefällig erweisen, als sie irgend konnte; aber ihre Hände zitterten, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie mit all den Knoten und Schnallen zurechtkam und in den Ranzen hineingreifen konnte. Aber als sie das tat, ach – obgleich die alte Berit schon mancherlei erlebt hatte, so mußte sie einsehen, daß es ihr diesmal fast vor den Augen schwindelte. Denn was sollte sie von all dem denken, was sie aus dem Ranzen herauszog? Sie sah weder etwas von Holzknöpfen noch von seidenen Tüchern, noch von Nadelbriefen. Das erste, was ihr in die Hand kam, war ein kleiner Schinken, und darunter lag eine große Tüte brauner Bohnen und eine ebenso große Tüte gelber Erbsen. Sie sah nichts von einer Banddocke, nichts von einem Nähring, nichts von einem Stück Kattun, nichts, nichts von dem, was eine Hausiererin in ihrem Kramsack haben sollte, sondern nur Reis und Hafergrütze, Kaffee und Zucker, Butter und Käse!

Die Haare wollten ihr zu Berge stehen. Sie kannte doch ihre Tochter; diese gehörte nicht zu denen, die mit Leckereien daherkommen. Anna mußte den Verstand verloren haben, oder was konnte denn sonst mit ihr los sein?

Mutter Svärd war schon im Begriff, zu ihrem Schwager hinüberzulaufen, damit er herausbringe, wie es sich verhielt. Aber glücklicherweise warf sie vorher noch einen Blick nach dem Herd, und da sah sie, daß die Tochter sie anlachte. Nun begriff sie; Anna hatte nur Spaß mit ihr getrieben, und sie dachte, eigentlich müßte sie die Tochter hinauswerfen. Aber auch das wollte sie nicht tun, ehe sie ordentlich Bescheid bekommen hatte, wie alles zusammenhing; denn daß Anna spielen und scherzen wollte, das war nicht weniger ungewöhnlich, als daß sie sich verschwenderisch zeigte.

»Für wen hast denn alles mit'nander ein'kauft?«

»Für dich, Mutter.«

Mutter Svärd hatte bis jetzt glauben wollen, die Waren seien für Nachbarinnen bestimmt, die ihre Tochter gebeten hätten, ihnen solche feinen Lebensmittel mitzubringen. Jetzt schwindelte ihr wieder beinahe.

»Närrin!« sagte sie. »Meinst, ich glaub', du werd'st dich meinetwegen z'tot schleppen?«

»Ach, Mutter, ich hab' aufm Heimweg alles verkauft, und da war's mir doch z'dumm, mit dem leeren Ranzen 'rumz'laufen. Ich hab' eben alles n'einstopfen müssen, was ich g'kriegt hab'.«

Aber die alte Berit, die gewohnt war, ihr Mehl mit gemahlenem Stroh und Rinde zu vermischen, und der es selten so gut ging, daß sie Milch zu ihrer Wassergrütze hatte, konnte sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben. Sie setzte sich neben ihre Tochter auf den Herdrand und nahm deren Hand in die ihrige.

»Jetzt sag mir aber, was dir g'schehen ist.«

Nun endlich mußte Anna die Mutter genügend vorbereitet gefunden haben. Und da hielt sie mit der großen Neuigkeit nicht länger hinter dem Berge.

»Ja, siehst, Mutter, 's ist 'n Wunder, 'n genauso groß' Wunder wie die in der Bibel und 's müßt' in der Kirch' verkündigt werd'n.«

3

Mutter und Tochter waren darüber einig, daß der erste, der die große Neuigkeit erfahren sollte, niemand anders als Jobs-Erik sein müsse.

Er war nicht allein ihr nächster Verwandter, sondern Anna Svärd hatte von jeher bei ihm einen Stein im Brett gehabt, und er hatte oftmals gesagt, wenn die Nichte sich nur einen Bräutigam anschaffe, dann wolle er ihr eine große Hochzeit ausrichten.

Früh am Nachmittag gingen die beiden zu ihm; sie fanden ihn am Herde sitzen, wo er eben die Asche des ärmlichen Bärenmooses, das er anstatt Tabak rauchte, aus seiner Pfeife herausklopfte. Um diese Zeit, wenn von den jungen Männern, die auf Arbeit südwärts gezogen waren, noch keiner wieder daheim war, konnte man in ganz Medstuby auch nicht ein Päckchen Tabak auftreiben.

Anna Svärd sah gleich, daß der Oheim schlechter Laune war, aber sie ließ sich dadurch weder abschrecken noch sich selbst die gute Laune verderben. Sie dachte nur, wenn er erst die große Neuigkeit zu hören bekomme, werde er schon wieder froh werden.

Jobs-Erik war groß und stattlich, mit dunklem Haar, regelmäßigen Zügen und tiefblauen Augen. Anna Svärd war ihm sehr ähnlich, sie hätte gut seine Tochter sein können. Die Ähnlichkeit lag aber nicht nur im Äußeren. Jobs-Erik war in seiner Jugend auch als Hausierer durchs Land gezogen. Er war gerade wie Anna schlau und verschlagen gewesen und hatte viel Geld verdient. Als seine eigenen Kinder erwachsen waren, hatte er sie denselben Weg einschlagen lassen wollen; aber keines von ihnen hatte Lust zu dem Geschäft gezeigt. Anna Svärd dagegen hatte sowohl die rechte Lust als auch die rechte Anlage dazu gehabt. Der Oheim prahlte bei jeder Gelegenheit mit ihr und lobte sie auf Kosten seiner eigenen Kinder.

Als sie aber diesmal bei ihm eintrat, war wahrhaftig nicht die Rede von Lob und Prahlerei.

»Bist du denn ganz verrückt?« rief ihr der Oheim entgegen. »Hast du alle die großen Herbstmessen im Stich gelassen?«

Anna aber, die ein so großes Wunder hatte erleben dürfen und vor allen andern armen Hausiererinnen zu Glück und Erhöhung ausgewählt worden war, ja sogar von allen den andern Dalmädchen, die gleichzeitig mit ihr in Medstuby aufgewachsen waren, meinte, es gehe nicht an, daß sie mit der Nachricht von ihrer Verlobung so einfach herausrückte, wie wenn man gesegnete Mahlzeit sagt. Nein, sie hielt es für nötig, auch den Oheim erst etwas vorzubereiten, damit die Neuigkeit so aufgenommen würde, wie sie es verdiente.

Deshalb sagte sie noch nichts von ihrem Erlebnis, sondern antwortete nur, sie sei vom Wandern überaus müde geworden und habe sich nur nach Hause gesehnt.

»Man darf nie müd werd'n«, sagte Jobs-Erik, und dann fing er an zu erzählen, was er einst ausgehalten und wieviel er verdient habe.

Anna Svärd hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen; als er dann endlich schwieg, versuchte sie ihn auf das, was kommen mußte, ein wenig vorzubereiten. Sie zog ein Päckchen Tabak aus ihrer Tasche und bat ihn, damit vorliebzunehmen.

Aber nun verhielt es sich so, daß Jobs-Erik Anna Svärd eine kleine Summe vorgestreckt hatte, als sie vor drei Jahren mit dem Hausierhandel anfing. Bis jetzt war sie jeden Herbst zu dem Oheim gekommen, hatte ihm erzählt, wie groß ihr Verdienst gewesen war, und ihm auch einen Teil des entlehnten Geldes zurückbezahlt. Jetzt aber kam sie nicht mit Geld, sondern mit einem Päckchen Tabak. Gewiß war das hochwillkommen, aber Jobs-Erik sah trotzdem, als er den Tabak in Empfang nahm, ganz sauer drein.

Anna Svärd kannte indes den Oheim ebensogut wie sich selbst, als sie ihm den Tabak übergab. Sie hatte dem Oheim noch nie ein Geschenk gemacht. Er dachte, vielleicht sei der Handel schlecht gegangen, und wenn sie nun mit einem Geschenk kam, habe sie wohl kein Geld zum Bezahlen.

Er schob das Päckchen zwischen den Fingern hin und her, ohne auch nur danke zu sagen.

»Wollt' dir gern auch mal was schenk'n, weil du mir damals zum Anfang g'holfen hast«, sagte Anna; und mit einem neuen Versuch zu der feierlichen Mitteilung fuhr sie fort: »Ich wer's Geschäft aufgeb'n müssen.«

Noch immer wog der Oheim das Päckchen in der Hand. Es sah aus, als beabsichtige er, es ihr ins Gesicht zu schleudern. Wollte sie mit dem Geschäft aufhören? Er begriff gar nichts; aber daß sie kein Geld für ihn hatte und er auch künftig keines von ihr bekommen würde, das begriff er.

»Denn siehst, ich werd' heiraten«, fuhr Anna Svärd fort. »Und d' Mutter und ich haben g'meint, du müßt'st z'erst erfahr'n.«.

Jobs-Erik legte das Päckchen aus der Hand. Jetzt war es ganz aus mit seiner Hoffnung, jemals die Schuld bereinigt zu bekommen. Aber nicht genug damit, sondern er sollte vielleicht auch gezwungen werden, der Nichte die Hochzeit auszurichten. Er räusperte sich, wie wenn er etwas sagen wollte, hielt sich aber zurück. Der alten Mutter Svärd tat der Schwager geradezu leid. Alles Böse der Welt schien mit einem Male über ihn hergefallen zu sein. Sie wollte ihn wissen lassen, wie das mit der Heirat zusammenhing, und sagte:

»Niemals hätt' ich glaubt, als du sie mit dem Kramsack auf'm Rücken fortg'schickt hast, daß sie so 'nem großen Glück entgegengeht. Sie soll 'nen Pfarrer drunten im Wärmland heirat'n, kriegt 'nen Pfarrhof, wo's Pferd und Küh, Knecht' und Mägd' gibt.«

»Ja«, sagte Anna Svärd, indem sie schamhaft die Augen niederschlug, »'s ist grad, als ob ich armer Tropf 'nem größeren Glück entgegenging als sogar der Jobs-Erik.«

Aber der Alte schien von dieser Nachricht nicht so übermäßig ergriffen zu sein. Er schaute von der Mutter auf die Tochter, und sein Mund verzog sich zu einem verächtlichen Lächeln. »Ach so, 'nen Pfarrer!« sagte er. »Nix weiter? Als die Nichte so großartig 'reinkam und mir Tabak g'schenkt hat, hab' ich g'meint, sie müßt zum wenigsten mit 'nem Prinzen verlobt sein.«

»Bester Schwager!« sagte Berit. »Wirst doch woll nit denk'n, sie treib' ihr'n Spaß mit dir?«

»Nee, ich glaub' nit, daß sie ihr'n Spaß mit mir treibt«, sagte er. »Aber d' Leut drunt'n im Land sind grausig lustig und g'spaßig, das weiß jeder, der dort Handel trieben hat. Und ich verwunder' mich auch gar nit drüber, daß das junge Ding sich beschwindeln läßt. Aber du und ich, Berit, wir dürf'n den Verstand nit verlier'n. Geh in d' Küch und laß dir 'nen guten Imbiß für d' Anna herrichten, und dann schick sie gleich morgen fort. In zwei Monat, aber kein Tag früher, darf sie z'rück sein.«

Mutter und Tochter standen ganz erschreckt auf und gingen nach der Tür. Aber da blieb Anna Svärd stehen und sagte zögernd: »'s Geld, was ich dir noch schuldig bin, hab ich heut mitbracht. Aber vielleicht willst's nit vorm Dezember in Empfang nehm'n?«

Da warf ihr der Oheim einen Blick zu, der ihr durch Mark und Bein ging.

»Pfui«, sagte er. »Ist 's so weit mit dir kommen, daß du 'n Jobs-Erik für'n Narren hältst? Geh nicht hin und heirat', Kind! Halt fest am Handel! Du könnt'st dabei so reich werden, daß du ganz Medstuby kaufen könnt'st!«

4

Als Mutter und Tochter von Jobs-Erik in ihre Kammer zurückgekehrt waren, wollte Anna, sie sollten jetzt zu der Mutter Ingeborg im Rishof gehen, sie sollte die nächste sein, die von dem großen Wunder Bescheid erhielt. Aber davon wollte die alte Berit nichts hören.

Allerdings lag der Rishof dicht beim Jobshof, und allerdings hatte die nachbarliche Freundschaft niemals öffentlich einen Bruch erlitten, so daß die Leute etwas davon wußten; aber sie war doch immerhin nicht so gut, wie sie hätte sein sollen.

Mutter Ingeborg war Witwe, und obgleich sie den besten Hof in Medstuby zu eigen hatte, ging es ihr doch recht sorgenvoll, weil kein Mann auf dem Hofe war und sie für alle Außenarbeit gedingte Leute haben mußte. Ihr einziges Streben und Trachten ging dahin, den Hof so lange zu halten, bis ihre Söhne erwachsen wären, denn dann würden ja alle Schwierigkeiten von selbst verschwinden. Und wer ihr zu diesem Ziele verhalf, das war in allererster Linie ihre Schwester Karin. Der ganze Ort wußte, daß sie das Geld für die Löhne und Steuern ins Haus schaffte. Aber die Ris-Karin hatte kein so großes Glück mehr beim Handel gehabt, seit Anna Svärd mit dem Ranzen auf dem Rücken umherzog. Und es war den Leuten vom Rishof wohl anzumerken gewesen, daß sie gegen die Leute des Jobshofs feindselig gesinnt waren, vor allem gegen Anna und ihre Mutter.

Als nun Mutter Svärd mit diesen Bedenken herausrückte, sagte indes die Tochter, es sei nun an der Zeit, dieser Feindschaft ein Ende zu machen, und gerade deshalb wolle sie hinüber zu Ris-Ingeborg. Die Mutter könne ja zu Hause bleiben, wenn sie keine Lust dazu habe, aber sie selbst werde jedenfalls hingehen.

Nun ja, sie setzte ihren Willen durch, und Mutter Svärd ging mit. Sie dachte, sie könne am Ende doch von Nutzen sein.

Anna Svärd war ganz bestürzt, als sie auf dem Rishof in die große Stube hineinkam. Sie war in den letzten Jahren nicht mehr auf dem Hofe gewesen, und so hatte sie vergessen, wie schön es da war. Jede Fläche an der Wand, die nicht von den Schränken oder der hohen Standuhr verdeckt wurde, war mit biblischen Malereien geschmückt. Mitten auf der Leinwand sah sie Joseph, der in einer vierspännigen Kutsche mit Kutscher und Diener seinem Vater Jakob entgegengefahren kam, und über dem breiten Fenster zeigte sich eine kleine Jungfrau Maria, die sich vor dem in goldstrotzender Uniform und einem Dreispitz auf dem Kopfe dicht vor ihr stehenden Engel des Herrn verneigte. Anna Svärd nahm sowohl das erste wie das andere Bild für eine gute Vorbedeutung. Es war ihr lieb, wenn sie an solche Menschen erinnert wurde, denen durch Gottes Wundermacht aus ihrer Niedrigkeit herausgeholfen worden war.

Mutter Ingeborg auf dem Rishof war eine schöne und friedliebende Frau. Sie gehörte zu denen, die es verstehen, alles schön um sich herum zu gestalten. Fast immer war sie mit einer zierlichen Handarbeit beschäftigt. Jetzt eben saß sie am Tisch und hatte einen Fausthandschuh, den sie mit kleinen Blättern benähte, über die Hand gezogen.

Es lag vielleicht etwas Zurückhaltung in ihrem Benehmen, aber von dem abgesehen, empfing sie die alte Berit und deren Tochter ganz wie sonst. Sie ging ihnen entgegen, gab ihnen die Hand und forderte sie auf, sich auf der Bank unter dem Fenster niederzulassen. Dann setzte sie sich wieder an den Tisch und nahm ihre Arbeit von neuem auf.

Zuerst herrschte eine Weile vollkommenes Schweigen, und Anna dachte, nun überlegte Ingeborg wohl, ob die beiden Gäste erwarteten, zum Kaffee eingeladen zu werden. Aber das kam ihr gewiß gar nicht gelegen. Sollte sie die zum Kaffee einladen, die ihrer Schwester den Verdienst wegnahmen?

Nachdem eine passende Zeit verstrichen war, begann Anna das Gespräch, indem sie erzählte, sie sei auf dem Heimwege mit Karin zusammengetroffen, und so habe sie gemeint, sie wolle im Rishof hereinschauen, um Grüße von Karin zu bestellen und zu berichten, daß diese frisch und gesund sei.

»'s mir sehr recht, daß sie g'sund ist«, sagte Ingeborg, »'s Wichtigst' von allem ist G'sundheit.«

»Ja, die ist für alle notwendig«, beeilte sich Mutter Svärd zu bekräftigen; »ganz besonders für den, der auf der Landstraß' 'rumstreifen muß.«

»Da hast du recht, Berit«, stimmte Ingeborg zu.

Danach trat eine Pause in dem Gespräch ein, und Anna dachte, nun frage sich Ingeborg wieder, ob sie den beiden Gästen Kaffee anbieten müsse. Aber dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie war ja nur mit einem Gruß von der Schwester gekommen. Zum Kaffeeanbieten gehört mehr.

Darauf sagte Anna Svärd, sie wäre nicht so mitten am Nachmittag gekommen und hätte Ingeborg in der Arbeit gestört, wenn sie nicht noch etwas anderes als nur einen Gruß zu bringen hätte. Als sie sich trafen, sei Karin von Norden her gekommen mit ihrem Ranzen noch ganz voller Waren, während sie, Anna, von Süden her schon alle ihre Waren verkauft gehabt habe. Deshalb habe sie Karin ihren ganzen Vorrat abgekauft, und als sie sich trennten, sei Karin eiligst nach Karlstadt aufgebrochen, um sich neuen Vorrat zu kaufen, ehe sie sich nach den Jahrmärkten begab.

Die beiden Schwestern, Karin und Ingeborg, hatten das gemeinsam, daß sie blaurot im Gesicht wurden, wenn sie erregt waren. Und jetzt hörte Ingeborg zu mit einem Gesicht so rot wie ein blühender Heidehügel. Sonst aber merkte man ihr nicht an, ob sie von der Nachricht besonders ergriffen war. Nur mit ein paar Worten sagte sie, es sei ja gut, daß Karin Anna getroffen und ihre Waren an sie habe verkaufen können,

»'n größeres Glück war's aber doch woll für Anna, daß sie sich auf 'm Heimweg wieder Vorrat kaufen konnt'«, warf Mutter Svärd ein.

Es fiel nicht leicht, das Gespräch in Gang zu erhalten. Wieder trat Schweigen ein, und Anna Svärd dachte in ihrem Herzen, nun überlegte Ingeborg, ob sie den Gästen nicht doch Kaffee anbieten müßte. Aber sie hatte keine rechte Lust dazu. Das Mädchen vom Jobshof war ja doch nur gekommen, um damit zu prahlen, daß sie der Alten vom Rishof hatte aushelfen können. Nein, sie konnte sich nicht entschließen, dieses Mädchens wegen den Kaffeekessel aufzusetzen.

Doch nun erklärte Anna, daß sie nicht nur deswegen auf den Rishof herübergekommen sei. Denn seht, bei dem Kaufe hatte sie etwas dazubekommen, das nicht ihr gehörte. Die beiden Händlerinnen hatten nicht so genau nachgesehen, sondern einfach alles, was in Karins Ranzen war, herausgenommen und es in Annas hineingesteckt. Aber am nächsten Tag, als Anna ihre Waren in einem Bauernhaus ausbreitete, siehe, da steckte ein Fünftalerschein in einem seidenen Tüchlein.

Zugleich griff Anna in die Tasche und zog den Fünftalerschein heraus. Sie strich ihn glatt und legte ihn auf den Tisch vor Ingeborg hin. Da wurde die Frau vom Rishof noch röter im Gesicht als vorher.

»Aber 's ist doch fast nit möglich, daß d' Schwester so nachlässig mit 'm Geld umgeht?« sagte sie. »Sie läßt doch gar nie 'nen Fünftalerschein offen im Ranzen lieg'n. Es g'hört ihr vielleicht gar nit.«

»Ja, 's wäre möglich«, erwiderte Anna. »Der Fünftalerschein hat vielleicht schon vorher in dem seid'nen Tuch g'legen. Ich glaub' fast auch, daß sie gar nix davon gewußt hat.«

Jetzt endlich legte Ingeborg ihre Arbeit weg. Sie schaute Anna verwundert an.

»Aber wenn du meinst, Karin wiss' nix von dem Schein, dann hätt'st ihn ja b'halten können. Du hatt'st ja alles kauft, was in dem Ranzen war'.«

»Mir aber g'hört er jedenfalls nit«, versetzte Anna Svärd. »Und ich möcht' dich bitten, ihn aufz'heben, bis d' Karin heimkommt.«

Darauf erwiderte Ingeborg nichts, und Anna Svärd dachte, nun frage sie sich abermals, ob sie nicht doch gezwungen sei, den Gästen Kaffee anzubieten, sowenig sie auch die beiden leiden könne.

Kaum hatte Anna diesen Gedanken zu Ende gedacht, als Ingeborg sich auch schon entschlossen hatte.

»Ich möcht' euch gern mit Kaffee aufwart'n«, sagte sie. »Aber zu meiner Schand' muß ich g'stehn, daß ich gar kein' echten Kaffee im Haus hab'; 's wird nur so 'ne Malz-Zichorienbrüh' werd'n.«

Damit stand sie auf und ging in die Küche. Der Kaffee kam dann auch nach einiger Zeit herein, und es wurden eine und auch zwei Tassen getrunken, aber Ingeborg war und blieb fortgesetzt zurückhaltend. Sie bewirtete die Gäste zwar mit dem Besten, was sie hatte, aber sie tat es widerwillig, das bemerkten die beiden wohl.

Erst als alles vorüber war, machte Anna ihrer Mutter ein kleines Zeichen, und nun begann die Alte sofort.

»Anna ist 'n bißchen genierlich, es selbst zu sag'n«, fing sie an. »Aber 's ist was Wunderbares g'schehen. Sie soll drunten im Wärmland 'nen Pfarrer heiraten.«

»Was sagst!« rief Ingeborg. »Soll sie heiraten? Dann wird sie woll nit …«

Sie stockte, weil sie sehr zartfühlend war. Sie wollte nicht merken lassen, daß sie gleich daran dachte, welchen Vorteil das für sie selbst haben könnte.

Aber Mutter Svärd antwortete auf die nur halb ausgesprochene Äußerung. »Ne«, sagte sie, »d' Anna wird nimmer mit'n Kramsack 'rumziehen. Sie kriegt 'nen Pfarrhof und Pferd und Kuh, Magd und Knecht.«

Ingeborg lächelte mit dem ganzen Gesicht. Das war eine herrliche Nachricht.

Sie stand auf und verneigte sich. »Ja, aber um's Himmels willen, warum hast's denn nit gleich g'sagt? Traktier ich 'ne künftig' Pfarrfrau mit Malzkaffee! Bleibt doch da, ich will gleich untersuch'n, ob ich nit doch irgendwo noch 'ne Tüte richtig'n Kaffee liegen hab'. Setzt euch, setzt euch, bitte, bitte!«


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