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12. Der Neujahrwunsch.

Hatte der in A... neuerworbene Gönner, der Herr Rathsherr und Polizeidirektor, unsern jungen Pastor überhaupt um seiner einsamen, von aller Welt abgeschiedenen Lage willen bedauert, so war ihm das besonders aufgefallen, daß Alles, was etwa seit der Zeit seines Antritts zu Flühdorf im lieben Vaterlande begegnet war, ihm eben so fremd und neu vorkam, als wäre es in Ost- oder Westindien vorgefallen. Er schalt den Pastor um seiner unverzeihlichen Gleichgültigkeit willen aus, und gab sich erst dann zufrieden, als dieser ihm erklärte, wie alle seine Freunde in der Welt herum zerstreut, und von ihm geschieden seien, er aber keine Verwandten und Bekannten habe, die sich der Abgeschiedenheit eines armen Bergpfarrers annehmen möchten. – Da trieb der alte Herr seine Mütze rund um auf dem glänzenden Schädel und sprach: »So muß ich denn selbst noch in meinen alten Tagen ein Zeitungsschreiber werden! Sei es drum: ich will durch Kürze und Wahrheit allen Andern den Rang ablaufen.«

Und wirklich erhielt Krause von nun an fast jeden Samstag durch einen vom Wochenmarkte heimkehrenden Bauer einen Neuigkeitszettel, dessen bunter Inhalt und drollige Ausfertigung ihn meist herzlich belustigten. Zum billigen Dank für diese und andere Beweise des uneigennützigsten Wohlwollens hatte der Pfarrer aufs Neujahr seinem Gönner einen schönen Käse gesandt, und dafür eine Flasche Hypokras und etwas Zuckerbrod zurück erhalten nebst einem Zettel – Neujahrwunsch überschrieben. Aber welch' ein Inhalt! Man lese und denke sich das freudige Erstaunen des guten Pastors, als er folgende Knittelreime erblickte:

»Mein wohlehrwürdiger Herr Pastor,
Thut auf das rechte und linke Ohr!
Vernehmt, es hat dem Himmel gefallen,
Daß Tante Lise zu Tod ist gefallen!
Und ward begraben im kühlen Grund
Nach dreimal vier und zwanzig Stund.
Und also, mein lieber Herr Pfarrer Kraus,
Geb' Gott Euch eine liebe Frau ins Haus!
Ich biete Euch freundlich meine Hand.
Petrus der Gerber bin ich genannt.«

Und damit er ja nicht zweifle, daß der Herr Vormund von Allem bestens unterrichtet sei, so stand unten mit seiner Schrift: »Ein glückliches Neujahr wünscht Ihnen auch L. C.«

Der gute Pastor brachte seinen ersten Neujahrstag zwar noch völlig einsam, aber von Herzen fröhlich zu, die übrigen aber nicht mehr einsam und doch nicht minder fröhlich. Denn obgleich das verhängnißvolle Lotterieloos kaum die Einlage wieder gab, so hatte doch Er das beste gezogen, ein holdes Weib. Darum paradiren auch in seinem Wohnzimmer die zwölf Papierstreifen. zum Theil in originali, zum Theil in möglichst getreuen Kopien hinter Rahmen und Glase.


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