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7. Das Einladungs-Billet.

Geschah es auf Veranstaltung seines oben genannten Freundes, oder hatte der still-heitere gutmüthige Pfarrer doch vor den Augen jener neckenden Mädchen Gnade gefunden; war es, daß seine Erscheinung unter ihnen die weibliche Neugierde rege gemacht hatte, oder daß sie sich berufen glaubten, durch ihre Vermittlung gut zu machen, was ein ungünstiger Zufall ihm verdorben hatte; genug, er erhielt eine höfliche Einladung, Nachmittags an einer Landparthie Theil zu nehmen.

Dem größten Theile der dortigen Bewohner fremd, unter Frauenzimmern besonders schüchtern, wagte es Gottfried kaum, dieser an sich willkommenen Einladung Folge zu leisten. Doch ging er hin und fand ein ganzes fröhliches Völklein junger Mädchen und Herren, die bereits in der lebendigsten Lustigkeit waren, als er, einer der letzten, etwas zaghaft eintrat. Aber wie der Bach ein einzelnes Blatt, das Vom Baume fällt, herumwirbelt und mit sich reißt, so ergriff die allgemeine Freude selbst unsern Pastor. Er ward in Kurzem bei dem fröhlichen Zirkel einheimisch und faßte minder blöde die Hände seiner Nachbarinnen links und rechts, wenn irgend ein kunstloser Ringeltanz zum Spiel gehörte. Von allen den hübschen Mädchen aber, in deren Kreis jenes Billet ihn gezaubert hatte, zog nur Eins ihn an, das zwar keineswegs das hübscheste war, über dessen Gesicht jedoch eine unverkennbare Gutmütigkeit ausgegossen lag und deren bescheidenes blaues Auge, unschuldig und freundlich wie es war, jedes unverdorbene Herz ansprechen mußte. Keine Hand faßte er lieber, als die ihrige, und doch zitterte die seine auch nirgend so, wie in dieser. Es war ihm ordentlich willkommen, daß die Spiele aufhörten, die bunte Menge in kleinere Gesellschaften sich auflöste, und er also, gleich Andern, in Feld und Wald herumstreifend, mit sich selbst und seinem unruhig gewordenen Herzen Zweisprache halten konnte.

Aber mitten in seinen Selbstgesprächen nahte ihm eben jene Huldgestalt mit freundlichem Gesicht und fing an ihm zu danken, daß er zu ihrem verlorenen Loose ihr wieder verholfen habe. Wie stutzte Pastor Krause! Sie war also die gesuchte Lise C. Sie hatte er nun doch gefunden! Wie froh und freundlich versicherte er jetzt, ein recht gutes Loos in der Lotterie gefunden zu haben, inmaßen dasselbe ihm den Anblick ihres holden Angesichts verschaffe! Wie freute er sich, als, im Verfolg eines kurzen Spazierganges, seine Vermuthung sich bestätigte, daß das holdselige Mädchen die Tochter des vor etwas mehr als einem Jahre verstorbenen Pfarrers C. in D. sei und keine andern Verwandten habe, als eben die Schwester des verstorbenen Vaters, bei der sie nun lebe! – Gern wäre er noch lange mit der Holden im trauten Gespräche geblieben. Aber man sammelte sich um den Tisch. Leben und Fröhlichkeit ging die Reihe herum, man neckte und ließ sich necken; und erst der einbrechende Abend trieb das lustige Völklein singend nach der Stadt zurück, ohne daß Freund Gottfried nur ein vertrauliches Wort mit dem Mädchen gewechselt hätte, von dem es ihm bedünken wollte, gerade sie würde ihm seine Felsen in Flühdorf weniger steil, seine Gletscher weniger wild und seine Winter weniger lang erscheinen lassen.

Eben wollte er an ihrer Hausthüre betrübt Abschied nehmen, als ihre Gefährtin ihr Etwas in's Ohr flüsterte, worauf sie erschrocken sich entschuldigte, daß sie nach seinen allfälligen Auslagen sich nicht erkundigt habe. Aber – so klug war mein Pastor denn doch, daß der Vorwand ihm zu Gebote stand, es lasse sich ja auf finsterer Straße nicht wohl Geld zählen; er werde also morgen seine Ansprache geltend machen, wenn sie nur gütigst ihm anzeigen wolle, an welcher Thüre er klopfen müsse, um nicht wieder die Tante – – – in ihrer Andacht zu stören! – Er erhielt genügenden Bescheid, entfernte sich dankend, und strich im schwachen Viertellichte des wachsenden Mondes noch eine Weile in den Umgebungen der romantisch gelegenen Stadt herum.


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