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2. Der Wechsel

Freilich ward Gottfried nicht selten dadurch zum Spotte seiner Mitschüler. Er trieb seine Achtung für weißes Papier soweit, daß er sogar aus dem Kehricht manchen kleinen Streifen rettete. Er wußte dann mit gutmüthigem Witze recht schön alle möglichen Vorzüge des Papiers zu erzählen. Er rechnete vom gelehrten Folianten bis zum erotischen Musenalmanach, und vom Rescripte der hohen Obrigkeit bis zum Liebesbrief und Küchenzettel alle die zahlreichen Dienste vor, die das liebe Papier der Welt schon geleistet habe, noch wirklich leiste, und auch ferner leisten werde; und besänftigte, als er einmal Student war, die neckenden Kobolde dadurch, daß er sie alle mit künstlich gedrehten Fidibus versorgte. Doch blieb ihm der Spitzname, »Papyrius« Etwa: der Papyrer durch's ganze akademische Leben.

Aber der Genius des Erfinders jenes geliebten Materials schwebte wohlwollend um Gottfried; und er sollte erfahren, daß Achtsamkeit für Kleinigkeiten sehr leicht zum Großen führen kann. Im Hingeh'n über die Gasse sah er einmal einen schmalen Streifen beschriebenen Papiers eben auf einem Kehrichthäufchen neben dem Bache liegen. Geschickt ließ er seinen Spazierstock hinfallen, und hob mit diesem auch das Papier auf. Freudig erschrocken las er darauf einen beträchtlichen Wechsel. Nun, damit kann ich Jemanden einen recht großen Gefallen thun, dachte er vergnügt, eilte auf der Stelle nach dem Gewölbe des darin genannten Kaufmanns, und übergab seinen Fund. Beschalt der Herr, wie billig, seine nachlässigen Diener, die ein solches Papier so liederlich verloren hatten, so belobte er dafür den treuherzigen Studenten; und zwar eben sowohl um der sichtlichen Freude willen, mit der er das Gefundene wiedergab, als um der Rückgabe selbst willen; und Gottfried erzählte fröhlich seinen Freunden, wie wohlgerathen abermal seine Achtung für das Papier gewesen sei.

Aber der Kaufherr erkundigte sich unter der Hand bei den akademischen Lehrern nach dem ehrlichen Studenten. Diese gaben demselben allgemein das Zeugniß des stillen Fleißes und der bescheidenen Geschicklichkeit; und so erhielt Gottfried die Stelle eines Informators in dem Hause jenes reichen, angesehenen Mannes gerade im rechten Augenblicke. Sein bisheriger Gönner, der Herr Gevatter Rathsherr, war nämlich mit Tode abgegangen, jede daherige Unterstützung blieb also zurück, und Gottfried, wie eingezogen er auch lebte, würde doch schmerzlich und kümmerlich seine akademische Laufbahn vollendet haben. Jetzt aber war er geborgen. Er lernte in diesem Hause die französische Sprache und manches Andere, was kein Professor docirt, was aber doch für das Leben höchst ersprießlich ist.


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