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4. Das Buchzeichen

Und er fand sich – obwohl aller Anfang schwer ist – bald in seine Lage. Freilich von allen sogenannten Freuden des Lebens, und von allem dem, was die Geselligkeit dem Menschen Freundliches bietet, war er nun einmal geschieden. Eine alte harthörige Magd, eine Katze und ein Paar Stubenvögel machten, die summende Schaar von Fliegen abgerechnet, die ganze Bevölkerung des Pfarrhauses aus. Seine Bauern waren, wie das an solchen entlegenen Orten meist der Fall ist, ein grundehrlicher, aber höchst ungebildeter Menschenschlag. Sein nächster Amtsbruder wohnte drei und eine halbe Stunde weit entfernt. Aber seine Studien gaben ihm hinlänglich Beschäftigung, seine Felsen waren erhaben und reich an mancherlei merkwürdigen Erzeugnissen der Natur, sein genügsames Herz war zufrieden.

Nur Eins kam dem ehrlichen Manne wohl hier und da bedenklich vor, wenn er seine jetzige Lage beherzigte. Wer wird, dacht' er oft, in unsern luxuriösen verwöhnten Zeiten zu mir in meine Einsamkeit ziehn? welches Mädchen wird mein Weib werden mögen? Es will ja heut zu Tage alles gebildet heißen, und es müßte schlimm sein, wenn nicht jedes Kammerkätzchen von Schiller und Göthe, oder wenigstens von La Motte Fouqué's Geister- und Ritter-Romanen zu erzählen wüßte. Und alle diese hochgebildeten Damen werden kaum so weit herab sich lassen, ihre holden Aeuglein gnädig auf ein armes Pastörchen zu werfen, das kein Geld hat, keine Verse macht, die eine Hälfte des Jahres eingeschneit und die andere Hälfte sonst von der gebildeten Welt abgeschnitten ist. – Gleichwohl glaubte er steif und fest, daß es dem Menschen überhaupt, und einem – jungen Pfarrer besonders, gar nicht gut sei, allein zu sein.

In dieser nicht ungegründeten Besorgniß, ob er wohl eine passende Gehülfin finden werde, bestärkte ihn ein Zettel, der als Zeichen in einem seiner Bücher lag, und beim Auspacken und Aufstellen ihm in die Hände fiel. Der fatale Papier-Streifen enthielt wörtlich folgendes:

» Ma chére!«

»Hier sende ich dir mit Dank dein Dessin zurück – qui est trés-joli. – Apropos! Was sagst du dazu, daß Herr Krause Pfarrer nach Flühdorf worden ist! Der Arme dauert mich! Eine rechte Frau kriegt er nun gewiß nicht. Wer möchte dorthin in die Flühe sich mit ihm vergraben? Einmal du nicht, und ich auch nicht. Aber – n`en dites rien!« ec.

Offenbar war das die Handschrift eines Frauenzimmers. Er erinnerte sich, das Buch einem Freunde geliehen zu haben. Die Schwester desselben hatte es wahrscheinlich gelesen, und – freilich über den Inhalt jenes Papier-Streifens geschwiegen, aber doch denselben als Zeichen im Buche liegen lassen. – Das war nun freilich dem Pfarrherrn keine gute Vorbedeutung. Um so weniger, da er gerade auf jene Schwester des Freundes, jedoch nur von Ferne und ganz in der Stille, seine Gedanken gerichtet, und ihr so viel Entsagung zugetraut hatte, daß sie auch durch eine weniger angenehme Gegend sich nicht von einem freundlichen »Ja!« würde abhalten lassen, wenn einst die Frage an sie erginge: »willst du mit diesem Manne ziehen?« – Er hielt den fatalen Zettel lange in der Hand! Er wiederholte die Worte: »einmal du nicht!« mehrere Male mit bedenklichem Kopfschütteln und verschloß den Streifen endlich in sein Pult. Aber wie er sich auch zermarterte, demselben eine ersprießliche Seite abzusehen, immer fand er nichts weiter in ihm, als einen negativen Wegweiser, der ihm sagte, wo er sich nicht zu melden habe; und dem er also doch seinen Dank nicht versagen konnte, daß er ihm einen Korb und in diesem eine schreckliche Demüthigung erspare. Und so war es auch. Denn nicht über lang wußte er, daß jenes Mädchen einen bemittelten Kaufmann geheirathet habe, mit dem sie schon lange im Stillen verlobt gewesen war. »Segn' euch Gott!« rief der Pastor fröhlich, als er das im Briefe seines Freundes gelesen hatte; »und segne Gott jenen Papierstreifen, der mir eine tüchtige lange Nase erspart hat!«


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