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5. Das Lotterie-Billet

»Daß du mir meine Vögel zu füttern nicht vergissest! Und die Thüre zu meiner Studierstube laß ja nicht offen stehn, daß etwa die Katze hinein käme! Wer Geschäfte halber nach mir fragt, wird auf den Freitag bestellt, wo ich wieder zurück sein werde!« So gebot der junge Pfarrer noch unter der Hausthür seiner alten Magd, und zog dann fröhlich in frühester Morgendämmerung eines neblichten Herbsttages von Hause, um in der sechs Stunden entlegenen kleinen Stadt A.... einige Nothwendigkeiten einzukaufen, ehe der Winter mit seinen Schneewällen in seinen Felsen ihn einmauerte. Daß ihm besonders auf jene Zeit eine heitere Gesellin wünschenswerth schien, daß er also unterwegs auch an's Heirathen dachte, und daß die fatalen Worte jenes Zettels ihm unaufhörlich um die Ohren summten; das würden ihm wenigstens die hübschen Kinder in A.... hoffentlich nicht übel genommen haben, falls ein dienstbarer Geist die geheimen Gedanken des ehrlichen Pastors ihnen zu Ohren gebracht hätte. Denn wenn auch keine derselben Lust haben mochte, seine Einsamkeit mit ihm zu theilen, so mögen sie's alle doch wohl leiden, daß man ihrer in Liebe gedenkt, und jeder, auch der unerhörte Seufzer ist ihnen ein billiges Opfer, das ihrer Liebenswürdigkeit gebracht wird.

Doch Gottfried seufzte nicht einmal. Gewohnt, über die Zukunft sich keine unnützen Sorgen zu machen, hoffte er, daß auch dieser Knoten zu seinem Besten und wohl gar ohne sein besonderes Zuthun sich lösen werde. Hatte doch der Himmel auch seine alte Tante Suse gerade da zu sich genommen, als ihre, ihm zugefallenen Habseligkeiten den Antritt seiner Pfarre um Vieles ihm erleichterten, indem ihr Tod zugleich der nicht geringen Sorge ihn entlud, sie selbst, und in ihrer Person ein ewiges Klaglied mitzunehmen, welchem Niemand als Freund Hain die Finalnote zu setzen vermochte.

Aber so freundlich auch in A.... die ihm völlig unbekannten Leute ihn aufnahmen, so war doch ihre Art nicht geeignet, seinen eben angesponnenen Trostesfaden weiter fortzuspinnen. Vielmehr empfing man ihn, als den Pfarrer von Flühdorf, überall mit dem Ausrufe der Verwunderung. Man bedauerte mit wahrhaft unfreundlichem Mitleid fein unglückliches Schicksal, wie man es zu nennen beliebte, und er bedurfte seiner ganzen Gutmüthigkeit, um nicht ungeduldig zu werden über Leute, die gleichsam geflissentlich die Hefe im Becher ihm aufrührten, nur damit sie ihn bedauern könnten, daß er – trübes Wasser trinke. Am wenigsten behagte ihm, daß gerade das schöne Geschlecht sich kreuzte und segnete über den Gedanken, das Leben an einem solchen Orte zubringen zu müssen. Ehrlicher als schlau hielt er alle diese Aeußerungen für baaren Ernst, und sie tönten ihm um Nichts angenehmer, als das Unglück weissagende Geschrei einer Nachteule.

Der Tag war verschwunden. Es zog, mit seinem Steg auf der Schulter, der in Oehl getränkte Lichtmacher des Städtchens herum, die sparsamen Laternen, welche die engen Straßen erleuchten sollten, anzuzünden, und Gottfried suchte einen vor dem Thore wohnenden Freund auf, um einen langen, trüben Herbstabend am Kamin zu verplaudern.

Gelassen stopfte er seine Pfeife, sah vor seinen Füßen etwas Weißes schimmern, hob ein Stückchen Papier von der Erde, und wollte schon den brennenden Schwamm damit decken, als ihm das Ding so gar sauber, regulär zugeschnitten und sogar bedruckt schien. Hastig schritt er auf das Thor zu und entdeckte da im Schein der Straßenlaterne, daß er ein Lotterie-Billet gefunden, und zwar eines, das, sonderbar genug, eben mit dem Jahre seiner Geburt 1770 als Nummer bezeichnet war. Sorgfältig schob er den Fund in seine Brieftasche, und suchte gleich bei seiner Rückkehr den Ausrufer der Stadt auf, und schon am Morgen wußte das gesammte Publikum, daß Herr Pfarrer Krause ein Lotterie-Loos gefunden habe, welches einer Jungfer Elisabeth C... gehöre. »Elisabeth,« denkt er, »das ist mir gar lieb! Hieß doch meine, leider früh vollendete Schwester so! Hieß doch auch jenes Mädchen so, das ich, ohne das fatale Buchzeichen, wohl allen andern vorgezogen hätte! Wer weiß! Die dritte Elisabeth bringt Glück! Die Ehe ist ja ohnehin, sagt man, eine Lotterie. Laß sehn, welches Loos ich dießmal gezogen habe!«


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