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Die akademischen Jahre waren vollendet. Gottfried wurde Candidat, und als Vikar angestellt. Fröhlich und fleißig genoß er die schönste Zeit seines Lebens. Etwas Musik und etwas Naturgeschichte dienten ihm zur angenehmen Erholung nach seinen ernsten Berufsstudien, und machten ihm das stille ruhige Landleben doppelt angenehm. Sein Vater und seine Mutter besuchten ihn oft, und hatten ihre herzliche Freude an dem predigenden Sohne. Wenn dann ersterer mit breiter Wohlredenheit versicherte, daß er in seinem Leben nie geglaubt hätte, an seinem kleinen Gottfriedchen so viel Ehre zu erleben, so weinte die letztere süße Thränen der innigsten Freude am Halse des geliebten Sohnes, und schied immer mit den zärtlichen Worten von ihm: » Mein theurer Gottfried, Gottes Friede sei mit dir!«
Im folgenden Winter aber begrub der junge Mann den Vater, und im Frühjahr darauf die Mutter. Das äußerst geringe Vermögen ward von den Schulden fast aufgezehrt, und Gottfried stand sehr vereinzelt und trostlos in der Welt. Allein er getröstete sich des Segens, den die sterbende Mutter über ihn ausgesprochen, und erwartete ruhig, was die Zukunft in ihrem Schooße verborgen halte.
Jetzt ward eine hoch im Gebirge gelegene Pfarre durch den Tod erledigt. Die Entlegenheit und Abgeschiedenheit des Ortes, der beschwerliche Zugang, die alte hölzerne Pfrundhütte, das rauhe Klima und mehr dergleichen Betrachtungen verscheuchten alle Bewerber. Nach Herkommen denn sollte der jüngste Kandidat von Rechtswegen dorthin gesandt werden. Aus mancherlei Gründen aber wurde beliebt, daß diesmal das Loos zwischen den zwei Jüngsten entscheiden solle. Die ominösen Papierstreifen wurden also beschrieben, zusammengerollt, – gezogen, – und Gottfried Krause war erwählter Pfarrer nach Flühdorf.
Man denke sich einen jungen Mann in der lebendigsten und freudigsten Periode seines Lebens, der so in ein vaterländisches Kamtschatka verwiesen wird, und der ohne alles Vermögen, ohne Hülfe nun eine eigene Haushaltung anfangen soll! und man wird unserm Freunde sein Erschrecken nicht verargen, als das große Schreiben mit dem Staatssiegel ihm seine Erwählung kund that. Wenn er dießmal über sein liebes Papier zürnte, und an der wohlthätigen Einwirkung desselben auf sein Schicksal zu zweifeln anfing, so wollen wir das dem ersten Schreck zuschreiben, und mit ihm darüber nicht rechten. – Denn bald fand sich bei ruhiger Prüfung auch eine erfreuliche Ansicht seines Schicksals. Von Kind auf an eine beschränkte Lage gewöhnt, hatte er sich leicht den Spruch des weisen Römers angeeignet: »Daß nicht derjenige arm sei, der wenig hat, sondern nur der, welcher immer mehr begehrt«. Non qui parum habet, sed qui plus cupit, pauper est. Seneca So war ihm seine fast einsame Gegend schon recht, weil sie ihm alle mögliche Muße zur Fortsetzung seiner Studien versprach. Seine alte hölzerne Wohnung war ihm lieb, sobald sie schirmte und wärmte; und eben ihre Armseligkeit gestattete in seiner Einrichtung eine so große Einfachheit, wie sie mit seinen Finanzen im beßten Verhältnisse stand. Durch diese und ähnliche Betrachtungen beruhigt, söhnte er sich bald mit dem lieben Papier wiederum aus, das durch jenen verhängnißvollen Streifen ihn nach dieser Felsenkluft bannte; und, Von Herzen getrost, sprach er der Mutter frommen Wahlspruch nach: Was Gott thut, das ist wohlgethan. In festem Vertrauen traf er seine Anstalten zur Abreise, und zog wohlgemuth einer für ihn ganz neuen Welt entgegen.