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Aus dem südlichen Walde

Das Volk erzählt: Als unser Herrgott mit dem Sacke auf dem Buckel auf seiner Wanderschaft durch die Hohenfurther Gegend kam, weinte er bitterlich. Da müsste aber unser Herrgott auf seiner Wanderung den Böhmerwald schlecht kennen gelernt haben, denn es gibt im Böhmerwald noch viel, viel armseligere Gegenden als das schöne Land um Hohenfurth herum.

Die Leute von Friedau bei Friedberg gelten als die »Hirschauer« der unteren Gegenden.

Die Friedberger heißen mit dem Spitznamen »Louchweara« oder »Gneaßln«, was so viel wie buchene Leute bedeuten soll. Wegen der vielen Prozesse, die früher in Friedberg geführt wurden, wird der Ort auch »Streithausen« genannt.

Das Gebiet der Friedberger Pfarre wird oft als »Lämmerei« bezeichnet.

Die Heinrichsöder nennt der Volksspott »Lämmerschädeln«, »Tammerln«, Schafe, – wenn ein Heinrichsöder nach Unterwuldau kommt, wird er hier angeblökt! – oder »Krügleinscheißer«; ihr Dorf heißt »Schergendörfl«, Scherg bedeutet hier wohl Zigeuner.

Wadetstift wird altväterisch-scherzhaft benannt, »in der moosigen Stift«, weil der Ort am Rande eines ausgedehnten Moores liegt.

Die Leute von Platten nennt der Volksspott die »Nassen«.

Die Reichenauer an der alten oberösterreichischen Grenze, die in früheren Zeiten ein eigenes »Gericht« bildeten, heißen heute spöttisch die »G'richtler«, und die Nachbarn deuten den Namen, weil in der Gegend viel gerauft, gestochen und prozessiert wurde.

Von den armen Webern der Gegend berichtet der Spottreim:

»Oa Widl Gorn,
zwoa Widl Gorn
spinnt ma mei Wei;
oan Loab Brot,
zwen Loab Brot
friss s' ma dabei!«

Von den Multerbergern, deren Wiesengründe recht schlecht sind und talab gehen, wird gesungen:

»Wann d' Multerberger ausgaingant,
so haingan s' tolo,
do rainnen s' ihn' d' Hener
in Scherhüwln o.«

Oder man verspottet sie:

»Ös Multerberger Howagleim,
ös kinnts in enka Hoamat bleib'n.«

Die Leute von Reiterschlag, wo die Waldbeeren gut gedeihen, sind die »Hoalbealzeiga«, die Heidelbertaschen.

Con den Leuten von Kapellen singt ein Schnaderhüpfel:

»In Kopalln am Kiachta
wird predingt von Fried'n,
und gaingant d' Leut' aussa,
so wird gleih brav g'stri'n.«

Wenn man in Kapellen fragt: »Der wievielte ist heute?« so kann man leicht Prügel bekommen und zwar deshalb: Zum Vorsteher von Kapellen kam einmal ein Bauer und verlangte einen Viehpass. Der Vorsteher stellte den Pass aus und fragte zuletzt: »Den wievielten haben wir heute?« Der Bauer gab zur Antwort: »Genau weiß ich 's nicht, aber gestern ist, glaub' ich, der einunddreißigste Feber gewesen.« »Dann ist heute der zweiunddreißigste«, sagte der Vorsteher und schrieb es also in den Viehpass. Die Geschichte wurde bald bekannt und die Leute von Kapellen werden gerne mit dem zweiunddreißigsten Feber gehänselt.

Die Heuraffler heißen scherzhaft »Maulreißer« oder die »Windmacher«; wenn wo ein Heuraffler auftaucht, so sagt man:

»Stehts um, jetzt geht da Wind,
a Heuraffler kimmt.«

Die Gerbetschläger spottet man »Joupp'mflicker«.

Die Schmiedschläger, die viel Flachs bauen, sind die »Werzagln« und die Gegend um Schmiedschlag herum heißt die »Werei«; die Abfälle beim Rüffeln des Flachses nennt man »Werch« und daraus wird Sackleinwand gesponnen.

Die Bürger von Hohenfurth beißen scherzhaft »Strohbettler«, weil einst die Häusler bei den Bauern um Stroh zu betteln pflegten; im Städtchen selber gibt es eine Bratl- und eine Erdäpfelseiten.

Die von Kaltenbrunn sind die »Rebeller«, weil sie sich wiederholt gegen ihre Herrschaft aufgelehnt hatten.

Von Ober- und Unterhaid geht der folgende Spruch:

»Haid oben, Haid unten:
koon Höflichen g'funden,
Haid unten, Haid oben
dort find't ma die Groben!«

Die Unterhaider heißen auch die »Galgenvögel«.

Die Rosenthaler sind wiederum »Prahler« und wir wollen nun das Sprüchlein kennen lernen, das allen »Prahlern« des Böhmerwaldes aufgemützt wird:

»D' Rois'ntoler san Prohler,
geb'n d' Läus für an Toler
und d' Flöh um an Guld'n,
und hat douh vuller Schuld'n.«

Auch »Kroupfate« werden die Rosenthaler zubenannt; von den Rosenthalern wird auch erzählt, sie hätten ihren Simonimarkt um eine rote Hose den Kaplitzern überlassen.

Das nahe gelegene Dorf Liebesdorf wird scherzhaft (wegen der Diebereien einer einzigen Familie) »Diebsdorf« genannt.

Die Rosenberger werden ihrer Armut halber »Bettelleute« gehänselt und man sagt von ihnen: »Am Morgen im Rathaus, am Nachmittag bei den Bauern (als Bettler!).«

Die Leute von Malsching haben den Hut auf der Seite aufgesetzt; unter ihnen waren früher viel Vieh- und Rosshändler, und von denen her ist viel hoffärtiges Blut zusammen gekommen.

Von Buggaus, wo gescheite Vögel sein sollen, heißt es:

»In Buggaus, da ist es ganz aus,
da treiben neun Bauern ein Schaf aus.«

Die Meinetschläger werden als »Messerwetzer« und »Hödelschneider« verspottet; sie sollen einem Burschen aus der Nachbarschaft, der ihren Mädchen arg nachstellte, auf sonderbare Art die Lust und Möglichkeit zu seinem Treiben unterbunden haben. In den Wirtshäusern zu Meinetschlag ist es nicht ratsam, das Messer zu wetzen.

Die Bauern von Brettern sollen einmal den Pfarrer von Meinetschlag gefragt haben, ob sie am Ostersonntage auf den Feldern arbeiten dürften; und der Pfarrer hat darauf von der Kanzel herab verkündet: »Den Brettern ist das Arbeiten erlaubt!« Die Meinetschläger sagen nun noch heute: »Wenn die Bretter arbeiten, brauchen wir nichts mehr arbeiten.«

Das Dorf Pudageln muss in den unteren Gegenden herhalten, wenn man einen müßigen Frager abfertigen will: »Pudageln!«

Die Bürger des Städtleins Kaplitz führen den Spitznamen »Hochschualer«. Wahrscheinlich geht der Name auf die alte »Landschule zu Kaplitz« zurück, in der unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia zuerst die neue Lehrweise ausgeübt wurde, die der damalige Pfarrer Ferdinand Kindermann entworfen hatte. Viele Schullehrer und Geistliche waren damals nach Kaplitz gekommen, um sich unter der unmittelbaren Leitung Kindermanns mit der neuen Lehrart vertraut zu machen, die nach und nach in ganz Altösterreich eingeführt wurde.

Merkwürdigerweise ist der Spottname auch in Niederösterreich bekannt; in einem älteren Wörterbuche steht zu lesen: »Auf der Hohen Schule in Gablitz studiert haben, ist nur spottweis zu verstehen, weil Gablitz als eine kleine Ortschaft bei Purkerdorf in Niederösterreich keine Hohe Schule besitzt; dies heißt so viel als nicht studiert haben, ein Dummkopf zu sein. Auch die an Fuhrwerken, besonders an Bierwägen gravitätisch einher schreitenden Ochsengespanne heißen scherzweise »Gablitzer Studenten.« Der Übername mag von unserem Kaplitz vielleicht auf den kleinen niederösterreichischen Ort übertragen worden sein und dabei seinen Sinn verloren haben; möglicherweise ist die Übereinstimmung auch zufällig. Von Leuten, die nicht viel Bildung haben, sagt man sonst im Walde, sie seien »in die Baumschule gegangen«.

Auch als »Ladlschupfer« werden die Kaplitzer gerne verspottet, weil viele Kaufleute im Orte sind und die Kaplitzer für den Kaufmannsstand eine gewisse Vorliebe haben. Sprichwörtlich ist auch in den unteren Gegenden der »Kaplitzer Wind«; die Kaplitzer bleiben nicht gerne daheim in ihrem Städtlein; wenn irgendwo in der Nachbarschaft ein Fest ist, da finden sie sich bestimmt ein und machen großes Aufsehen.

Die Deutsch-Beneschauer werden »Stewlhacker« gestichelt, da sie als sparsame Leute in großen Mengen Reisig aus den Wäldern heim bringen und teils zu Streu für das Vieh verhacken, teils als Brennholz verwenden.

Von Heilbrunn wird erzählt: Wenn ein Mädchen nach Heilbrunn hinauf heiratet, so braucht es nur einen Buckelkorb und einen Sack als Aussteuer, weil zu Heilbrunn nur Bettelleute seien!

Wenn man die Leute aus dem nahen Wallfahrtsorte Brünnl im Sommer, wo viel Wallfahrervolk und Sommerfrischler zu ihnen kommen und das Geschäft gut geht, fragt: »Von wo habts denn her?« sagen sie recht hoffärtig und laut: »Von Brünnl!« Fragt man sie aber im Winter, wo niemand zu ihnen kommt und sie sich kümmerlich mit dem Knöpfelmachen das tägliche Brot verdienen müssen, so antworten sie fein trübselig und weinerlich: »Von Brüünnl!«

 


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