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Aus dem Arber- und Osserland

Diesseits der Schwarzkoppe im nördlichsten Teile der Neumarker Senke, wo das tschechische Sprachgebiet sich keilförmig bis an die Landesgrenze heran schiebt, beginnt der eigentliche Böhmerwald; der Menschenschlag ist von da an altbayerischen Stammes. Jenseits der Schwarzkoppe im Sudetengau sitzen die Egerländer im weiteren Sinne, die dem oberpfälzischen Sprachstamme angehören. Wohl reicht die oberpfälzische Mundart in vielen Erscheinungen noch weit herunter und geht allmählich in das Donaubayerische über.

Südlich der Schwarzkoppe wird das Wörtchen »ihr« noch gut altbayerisch »ös, dös« ausgesprochen; in den Dörfern nördlich des Berges heißt es schon auf oberpfälzische Art »diaz«. Deswegen werden die angrenzenden Egerländer als »Diazler« verspottet; Josef Rank meint in seinem Buche »Aus dem Böhmerwalde«, die nördlichen Nachbarn wären zu dem Spitznamen »ihres auffallend singenden Dialektes gekommen.

Scherzhaft wird die Gegend nördlich der Schwarzkoppe auch als »Heigatzergegend« bezeichnet; dort wird nämlich der oberpfälzische Zwielaut »ei«, der in der Ossergegend schon in vielen Wörtern auftritt, allgemein gesprochen für die alten Laute ie, üe, langes e und oe, sodass in die Mundart eine Menge dumpfer Zwielaute »ei« hineingekommen und das Volk deshalb von einer »Heigatzergegend« spricht.

Die Deutschen der Grenzorte sprechen im Neumarkter Passgebiete die Mundart des bayerischen Regentales mit den merkwürdigen Zusammenziehungen etlicher Zwielaute zu einfachen Selbstlauten; daher werden die Leute in den Grenzdörfern von ihren Nachbarn mit dem Sprüchlein gehänselt: »Baa, gaih asse, in Has draßt is d' Sa draßt, frisst, frisst 's Krat as, jog s' asse«, Bauer gehe hinaus, im Haus draußen ist die Sau draußen, frisst das Kraut aus, jage sie hinaus.

Der Flecken Deutsch-Kubitzen heißt im Volksspott »Kodersack«, wohl Wergsack; wenn die Leute von Kubitzen paschen gehen, sagt man zu ihnen: »Kemmts mit'n Kodersack!«

In Kohlstätten soll es nicht ratsam sein, Kraut zu essen, weil daselbst ein Weib den Mann durch vergiftetes Kraut aus der Welt schaffen wollte.

Der Ort Maxberg wird scherzhaft »Schnapsberg« geheißen, hier sollen die Bauern gerne trinken.

Da sind die Leute von Neumark, die gern als Bürger gelten möchten, aber trotzdem mit Schubkarren fahren; daher nennt sie der Volksspott »Schubkarrenbürger«.

In der nördlichen Ecke der Ossergegend liegt der Ort Hirschau, wo sehr brave und fromme Leute daheim sind. Die Leute von Hirschau sind unschuldig in einen sonderbaren Ruf gekommen. Es laufen im Böhmerwalde hundert Stichelschwänke unter dem Namen »Hirschauerstücklein« um; im oberen Walde mützt man nun alle diese Stücklein dem Orte Hirschau auf. Es sind die altbekannten Wanderschwänke auf Flecklein, denen allerhand kleinlicher Winkelkram, verschmitzte Tölpelhaftigkeit und kindliche Naivität mit Recht oder Unrecht nachgesagt wird. Diese uralten Geschichten sind allen Völkern bekannt. In deutschen Landen werden sie etlichen Dutzend Orten angedichtet; Schilda ist am meisten verschrien, da ein alter Schwankschreiber im Jahre 1587 die Geschichten gesammelt und als »Schildbürgerbuch« den Deutschen schlechthin geschenkt hat, das zu unseren köstlichsten Volksbüchern gehört. Der Bayernstamm hat auch etliche solche Orte, Weilheim und Finsingen sind die bekanntesten. Das Schilda der bayerischen Oberpfalz ist der Ort Hirschau bei Amberg im Oberpfälzischen. Da nun unser Ort denselben Namen trägt und auch noch halb zum oberpfälzischen Sprachgebiet gehört, wurden in der Gegend die altbekannten Schwänklein unserem Hirschau nachgesagt und einige neue sind mit der Zeit hinzugekommen.

Nach der bekannten Geschichte von dem Stiere, den die Hirschauer mit einem Stricke auf ein Dach hinauf gezogen haben, damit er etliche Büschlein Gras fresse, die auf dem Dache wuchsen, und der dabei verreckte, wird die Hirschauer Kirchweih weit und breit als »Bummlkiahwa« oder »Bummelwurscht« bezeichnet; die Oberpfälzer nennen den Zuchtstier nämlich »Bumml«.

Die Hirschauer werden von den herumziehenden Leuten gerne gefrotzelt und »Hirschauerstücklein« von ihnen verlangt. Es gehen nun in der Ossergegend mancherlei Geschichten um, was alles die erbosten Hirschauer solchen Leuten angetan haben; eine sei mitgeteilt: Es ging ein Geselle gegen Hirschau und dachte bei sich, er werde die Hirschauer einmal tüchtig aufziehen. Ein Mühlrad, an dem der Geselle vorbeikam, klapperte langsam: »Juckt dih da Bugl, juckt dih da Bugl?« Unser Geselle wollte also in Hirschau ein Stücklein sehen, die verschmitzten Hirschauer verdroschen ihn tüchtig und bewarfen ihn, da es unterdes geregnet hatte, mit Straßenkot, sodass der Geselle fein verspottet eilends abziehen musste. Als der Geselle an dem Mühlrade wiederum vorbeikam, klapperte es schnell und spöttisch: »Hot dih da Bugl g'juckt, hot dih da Bugl g'juckt?«

Weiter unten im Böhmerwald wissen die Leute nicht, dass es einen Flecken Hirschau in unserer Heimat gibt. Als der Verfasser dieses Spottbüchleins als junger Student allenthalben im Walde die »Hirschauerstücklein« gesammelt und herausgegeben hat, wusste er es selber nicht und die Leute hätten es auch kaum erfahren, wenn nicht drei »Hirschauer« öffentlich einen scherzhaften Steckbrief gegen ihn erlassen hätten. Die Kunde von einem Hirschau ist aber im ganzen Böhmerwalde verbreitet; meist stellt man sich unter den Hirschauern ein Völklein vor, das irgendwo gehaust habe, aber schon ausgestorben sei; in manchen Gegenden wiederum werden gewisse Orte genannt, deren Einwohner die Hirschauer sein sollen, und die alten Geschichten werden nun allesamt von diesen Flecken erzählt. Wir werden auf unserer lustigen Wanderung durch den Böhmerwald etliche solche Örtlichkeiten noch kennen lernen. Überall aber heißt man im Walde einen Menschen, der ein dummes Stücklein ausgeführt hat, einen »Hirschauer«.

Vom benachbarten Silberberg, hoch oben am Hange des Gewinzi gelegen, wird im Volke geredet, dass es die Kühe und die Weiber dort schlecht haben; auch ein Sprichwort geht in der Gegend um: »Besser im Dorf unten ein Inmann als am Silberberg oben ein Bauer.«

Den Donauern ruft man spöttisch zu:

»Donauer Bär'n,
lasst senk scher'n«

Vom Flecken Plöß an der alten Grenze heißt es wegen der schlechten holprigen und schmutzigen Wege:

»Da Herrgott i da Pleiß,
dass sih koana dasteißt.«

Von Glashütten bei Neuern, wo Maurer und ein paar Bauern wohnen, geht das Sprüchlein, das freilich auch etlichen anderen Orten noch nachgesagt wird:

»In Glashütt'n wann s' läut'n,
so läuten s' vor Not,
und wann a Bettlmanndl durchs Dorf geht,
so nehmen s' ihm 's Brot.«

Die Bürger des Städtleins Neuern, kurz »Neidara« im Volksmunde geheißen, werden von den Bauern der Nachbarschaft »Hungerleider« betitelt; eigentlich wird das Wort allen Kleinbürgern des Böhmerwaldes von den Bauern unter die Nase gerieben.

Die Leuten vom nahen Millik werden zur Zeit der Haferernte mit den Worten gestichelt: »Jetzt wird der Hafer zeitig, jetzt kriegt der Hut einen Ruck von hinten.«

Die Deschenitzer sind als »Zwoarer« bekannt, da sie einmal falsches Geld, und zwar »Zweier«, in großen Mengen gemacht haben sollen.

Die nahen Depoldowitzer werden von den Deschentitzern aus »Dörferer Knöpf« ausgespottet. In der Depoldowitzer Kirche steht über dem Eingange in einer Nische ein Standbild des heiligen Isidor, des Kirchenheiligen von Depoldowitz. Der Heilige ist angetan mit einem Mantel, dem die oberen Knöpfe fehlen; unten ist der Mantel zugeknöpft, und der Heilige scheint die Hand schützend über den einzigen Knopf zu halten. Die fehlenden Knöpfe des heiligen Isidor von Depoldowitz sollen sich in Deschenitz befinden. Wenn sich nun ein Depoldowitzer in Deschenitz einfindet, so passt er allemal gut auf seine Knöpfe auf, damit es ihm nicht wie dem Heiligen ergehe. Es sollen schon viele Depoldowitzer zu Deschenitz Knöpfe gelassen haben. Da die Depoldowitzer also um ihre Knöpfe besorgt sind, werden sie von den Deschenitzern scherzhaft »Dörferer Knöpf« betitelt.

Die Leute von Grün werden als »Schinder« oder »Schafdiebe« ausgespottet. Wenn die Grüner oder auch die Eisensteiner Bettelleute bei einem Bauern betteln, da geben sie keine Ruhe, bis sie etwas erhalten; man sagt daher von ihnen, dass sie »onsetz'n toan wie d' Spanlsteißer«. Ehe das Petroleum aufkam, war ja das Spänestoßen im Böhmerwald gang und gäbe.

Die Bauern von Hammern wurden früher »Waldstiere« oder »Waldwastln« ganannt, da sie reich und begütert sind und der Schlag gegenüber den Bauern in den Vorbergen derber ist; der Bauer wird ja oft auch mit »Wastl«, der Kurzform von Sebastian betitelt.

Die Bauern von Eisenstraß kann man ärgern, wenn man ihnen »Maulaffen« sagt; sie sind ein langsamer und schwerer Schlag, und wenn sie, selten genug, irgendwo hinkommen, gaffen sie alles, wie man sagt, mit offenen Mäulern an.

Von den Leuten von Haidl am Ahornberge berichtet der Volksspott, dass die einen bestimmten Körperteil spitz haben; ein neidiger Bauer muss sich in der Gegend die Redensart gefallen lassen: »Du bist grod so wei a spitzorschata Hoidler.«

Das Wörtchen »etwas« lautet in der untern Gegend des Böhmerwaldes nur »wos«; von Wallern etwa an heißt es »eps« und weiter oben dann »eppas«. Von den Gefildern angefangen wird in der Mundart für »irgendeiner« schon »eppan« gesagt und das Wörtchen gegen das Osserland zu immer häufiger angewendet; »eppa«, gleichbedeutend mit »vielleicht«, kommt im ganzen Böhmerwald vor. Die Leute aus der Ossergegend werden nun von ihren südlichen Nachbarn wegen des häufigen Gebrauches dieser Wörtchen gerne mit dem Satze gehänselt: »Hot da eppa appan eppas ton?« hat dir vielleicht jemand etwas getan?


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