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Aus dem Oberland

Die Bürger der Stadt Schüttenhofen, die heute tschechisch ist, müssen sich »Pistolenscheißer« spotten lassen. Obwohl sie in früheren Zeiten arme Teufel waren, lebten sie doch auf großem Fuße und brachten etliche Dörfer in der Umgebung der Stadt in Besitz; die Bauern sagten deshalb, die Schüttenhofer müssten einen Pistolenscheißer haben. Die Pistolen waren alte Goldmünzen, und der Spitzname bedeutet also so viel wie Dukatenscheißer. Von einer anderen Deutung, die das Volk dem Namen gibt, werden wir noch hören.

Von Petrowitz wird folgende Geschichte erzählt: Wenn die Petrowitzer Kirchweih haben und die Leute aus der Nachbarschaft zeitig in der Frühe ihre Bekannten und Verwandten in Petrowitz aufsuchen, sagen die Petrowitzer immer: »Uje, kommt ihr zeitig daher, haben noch nicht einmal gekocht, müsset schon später kommen!« Kommen dann die Leute ein anderes Mal später auf Besuch, so heißt es allemal: »Ja, könnt ihr denn nicht früher kommen, wie es der Brauch ist, jetzt haben wir schon alles aufgegessen.

Die Albrechtsrieder ärgert man, wenn man von Totenschädeln redet. Einmal hatten Burschen aus der Nachbarschaft einer Dorfschönen in Albrechtsried in der Nacht einen Totenschädel ins Kammerfenster gesetzt, der aus einer großen Rübe geschnitzt war, mit rotem Papier an den Mund und die Augenlöcher und einem brennenden Lichtlein dahinter. Das Mädchen schlug Lärm, und das ganze Dorf lief zusammen, selbst der Pfarrer wurde aufgeweckt und zu dem Totenschädel geholt; seit der Begebenheit ist es nicht ratsam, in Albrechtsried von Totenschädeln zu reden.

Die Leute von Langendorf hören es nicht gerne, wenn man im Wirtshause »Kutteln«, die Gedärme samt Wanst und Magen, verlangt; sie werden nämlich als »Kuttelschlucker« ausgespottet. Ihr Kirchenfest feiern sie zeitig im Frühjahr, und vor Zeiten einmal haben sie, so wird ihnen nachgesgt, ihren Kirchweihgästen nichts als »Kutteln« vorgesetzt. Andere wiederum erzählen, die Langendörfler hätten einmal ein Ross in der Wottawa aufgefangen und die »Kutteln« gegessen.

Von dem Holzhauer- und Flößerdörflein Neu-Langendorf, im Volke »Bojahäusln« genannt, wird ein Rätsel aufgegeben: »Wo werden die Gänse nur auf einer Seite gebraten?« Die Antwort lautet: »Auf den Bojahäuseln, weil auf der anderen Seite keine Häuser sind.« Die Häuser der jüngsten Holzhauersiedlungen des Böhmerwaldes stehen nämlich bloß an einer Straßenseite in einer langen Reihe.

Die Leute von Plattorn heißen die »Gimpel«. Von ihnen, die ganz abgeschlossen von der übrigen Welt leben, werden viele Stücke, die denen der Hirschauer ähnlich sind, erzählt; da soll einer geglaubt haben, die Hasen legten Eier, und auch Haseneier im Walde lange gesucht haben. Als der erste Grieß ins Dörflein kam, versuchten sie ihn anzubauen, damit sie ihn den Schüttenhofern nicht abkaufen müssten. Als rechte Vogelliebhaber hätten sie gern einmal einen Gimpel gehabt. Der alte Frühauf-Schuster von Langendorf gab ihnen für Geld einen Gimpel; als sich aber der vermeintliche Gimpel in seinem Vogelhäuslein badete, ward ein Spatz daraus, denn der Schuster hatte einen Spatzen mit dem Pinsel bunt angestrichen und ihnen gegeben. »Han, bist denn du auch ein Plattorner?« fragt man in der Gegend einen, der sich recht ungeschickt stellt.

Aus dem einsamen und hochgelegenen Kumpatitz ging in früheren Zeiten alt und jung mit Rosenkränzen in die Kirche; nach ihrer Meinung war ein Gebetbuch nicht schicklich. Darum heißen die Kumpatitzer weit und breit »Rosenkränz«.

Von den Oppelitzern geht die Rede, dass sie singen wie die Krummschnäbel aus der Stubenbacher Gegend.

Die Einwohner von Rindlau werden als »Hornkäfer« verspottet. In Bergreichenstein hörten sie einmal von der »spanischen Fliege« reden, die auch bei ihnen oben vorkommen sollte; ein Zirkusmusikant aus dem nahen Nezditz hätte etliche solche Tierlein aus Spanien mitgebracht, und sie wären ihm ausgekommen. Der Apotheker in der Stadt kaufe sie um teueres Geld zusammen. Die Rindlauer machten sich nun auf die Suche und brachten große Mengen Hirschhornkäfer dem Berger Apotheker, der einen Rindlauer nach dem andern mitsamt den Hornkäfern aus dem Laden hinauswarf.

Die Leute von Nezditz und Schimanau hat sich der Teufel ausgenommen, heißt es im Volksmunde. »Du bist auch nicht weit von Nezditz her!« bedeutet so viel wie, zwischen Mein und Dein nicht recht unterscheiden können.

Die Bürger der alten Bergstadt Bergreichenstein, gemeinhin »Berg« genannt, heißen wegen ihrer Vorliege für das Kraut, das bei ihnen gut gedeiht, und mit dem sie auch weit herum handelten, »Krautberger« oder »Krauterer«. An ihrem Kirchtage sollen sie nur Kraut essen, da sie sich kein Fleisch kaufen könnten. Vom »Berg« kamen früher die kleinen Bettelleute mit den Butten in die untere Waldgegend, die man »Berger Rückei« nannte; fragte man in früheren Jahren einen Bettelmann, woher er käme, do war die Antwort: »Vom Berg!«

Die Glashüttenleute von Klostermühl werden »Hüttenkatzen« gehänselt.

Die Einwohner des Bergstädtleins Unterreichenstein, unterhalb Bergreichenstein gelegen, sind die »Kröpf«, und von ihnen sind etliche Spottgeschichtlein im Umlauf.

Zu ihren Kröpfen sollen sie also gekommen sein: Einmal kochten die »Berger« Knödel im Freien, stießen aber den Kessel um und die Knödel kugelten den Berg hinunter nach Unterreichenstein. Die Unterreichensteiner fingen nun einen Knödel nach dem andern auf und verschlangen sie mit Gier. Von den vielen Knödeln, die sie damals aßen, sollen die Unterreichensteiner die Kröpfe bekommen haben. Andere Leute behaupten wiederum, dass sie Gold in den Kröpfen haben. Vor Zeiten wurde nämlich in der Gegend viel Gold gewaschen und gegraben.

Wenn man die Unterreichensteiner ärgert, so soll man nachher schleunig auf einen Berg hinauf rennen, da kämen sie einem weger ihrer Kröpfe nicht nach. Ihren Mist trugen die Unterreichensteiner früher auf einen kleinen Felsen, »'s Glawal« genannt, hinauf, was ihnen arge Mühe machte; davon singt ein altes Spottreimlein:

»Ös kropfat'n Intareichastoana,
wie scheban enk d' Boana a,
wia scheban enk d' Kröpf,
wonns as üwas Glawal affischleppfts.«

Der dies Büchlein geschrieben hat, ist vor Jahren einmal von Bergreichenstein nach Unterreichenstein gegangen, und ein geistlicher Herr vom »Berg« (der auch ein rechter Schalk gewesen, heute ist er schon unter der Erde) hat ihn ein Stück begleitet. Als wir an einem Baum mit einem großen Auswuchse vorüber gingen, zeigte der geistliche Herr auf den Baum und sagte: »Das ist der Wegzeiger nach Unterreichenstein!« Kaum waren wir etliche Schritte weiter gegangen, da hörten wir irgendwo einen Schuss krachen; der geistliche Herr redete zu dem Verfasser: »Jetzt ist einem Unterreichensteiner der Kropf aufgesprungen!«

Und nun noch eine Geschichte, wie die Unterreichensteiner zu ihrem Schutzpatrone, dem heiligen Bartholomäus, gekommen sein sollen; das geschah also: Als sie die Kirche gebaut hatten, gingen die Männer, die etwas mitzureden hatten, in die Kirche hinein und rieten hin und her, was sie sich für einen Heiligen erwählen sollten. Indes lugte eine vorwitzige Geiß in die Kirche hinein und meckerte: mäh, mäh, mäh! Das verfielen die Männer auf den heiligen Bartholomäus und erwählten sich ihn zu ihrem Schutzheiligen.

In letzter Zeit, seit die Kröpfe im Aussterben sind, hört man die Unterreichensteiner öfter »Lachsenstecher« hänseln. In der Wottawa, in der Gegend »Ouh« genannt, laichen ab und zu Lachse, und es wurden in der letzten Zeit auch einige da und dort gefangen. Vor einiger Zeit soll einmal ein Unterreichensteiner mit einer Heugabel eine ganze Woche lang auf einen Lachs gepasst haben, um ihn zu erstechen. Davon der Spottname »Lachsstecher«.

Die Einwohner von Hartmanitz heißen »Nebelstecher«, weil sie oft Nebelstangen bei den Dächern herausstecken, um den Nebel zu vertreiben. Einmal sollen Federnjuden nach Hartmanitz gekommen sein, die hielten den Nebel für Federn, stiegen auf die Dächer und wollten mit den Nebelstangen die vermeintlichen Federn zu Boden treiben und glaubten, ein gutes Geschäft zu machen, wird in der Gegend erzählt. Mit der Nebelstange werden die Hartmanitzer im ganzen Böhmerwalde geärgert.

Der Flecken Ober-Teschau heißt im Volksmunde »Scharschleiferg'moan«, die Scherenschleifergemeinde; hier sind Scherschleifer daheim, die in der halben Welt herumziehen.

Nach Körnsalz geht man um ein Schmalz, sagt ein altes Reimspiel, auch um »an Dudalin«, Eidotter; nach Unterreichenstein um eine »Ailer'nwoika« eine Eidechsentunke. Und zu Sankt Günther in Gutwasser gehen die Mädchen um einen Mann.

Die Einwohner von Glaserwald stichelt man »Kreuzelbecker« und von der Entstehung dieses Spitznamens erzählt eine Sage also: Auf dem Hanischberge in der Nähe des Ortes stand ein Kreuz, unter dem in einer Truhe ein Schatz vergraben war. Dieser Schatz konnte nach der Überlieferung nur dann gehoben werden, wenn man das Kreuz mit einer neuen, ungefeilten und ungeschliffenen Hacke »abbeckte«. Die zwölf Glaserwalder Bauern machten sich nun einmal daran, dem Teufel den Schatz zu entreißen. Lange arbeiteten sie mit einer neuen Hacke, bis sie das Kreuz umgeschlagen hatten und den Schatz hoben. Mit der Truhe machten sie sich dann schleunig auf den Weg, da sie den Teufel fürchteten. Die ersten zwei trugen den Schatz, dann ging einer hinter dem andern, der letzte hatte das Kreuz auf dem Buckel. Doch der Teufel kam den Bauern in den Weg und fragte: »Wer hat mir meinen Schatz genommen?« Jeder Bauer antwortete: »Ich nicht, der hinter mir.« Nun hätte der letzte auch so antworten sollen, dann wäre die Macht des Teufels gebrochen gewesen, der aber redete: »Ich allein soll den Schatz genommen haben? Wir sind doch alle zwölf beisammen gewesen!« so hatte der Letzte alle schuldig erklärt, der Teufel bekam dadurch wiederum die Macht über den Schatz und verschwand mit der Truhe. Die Glaserwalder zwölf Bauern hatten also das Nachsehen und heißen seit dieser Zeit die »Kreuzelbecker«.

Die Bauern von Stadeln sind bekannt als die »Wolfsjäger«. Einmal hatte ein Mann einen Wolfshund mit in den Ort gebracht, der in den Wiesen herumlief. Die Stadler Bauern hielten das Tier für einen Wolf, rückten mit ihren Büchsen aus und erschossen den Hund. Durch dieses Stücklein kamen sie zu ihrem Spottnamen »Wolfsjäger«. Auch als »Reichersdorfer« werden die Stadler Bauern häufig geneckt.

Die Leute von Rothsaifen, die etwas auf ihren Ort und auf Fortschritt halten, bekamen von den Nachbarn den Ehrennamen »Klein-Budweiser«, auf den sie nicht wenig stolz sind. Es heißt im Volksmunde auch, nach Rothsaifen geht man um einen Anstand.

Die Ziegenrucker bauen oben auf ihrer Höhe meist Hafer; Korn gedeiht nicht recht. Im Herbste fahren sie die Säcke mit Hafer in die Mühle, damit ihnen der Müller den Hafer zu »Glutsch«, Schrot für das Vieh, vermahle. Die Bauern aus den Nachbardörfern fahren nur Kornsäcke in die Mühlen, den Hafer schroten sie sich selber daheim, da stehen überall an den Bächlein Haferschroten, »Howanstampfer« genannt. Von den Nachbarn werden nun die ärmeren Ziegenrucker »Hafersäcke« geneckt.

Die Bauern von der Waid sind als die »Goaßweidara« bekannt.

Die Leute von Rehberg heißen nach ihrem Viehschlage, dem kleinen und genügsamen Gebirgsvieh, »Steinbeißer« genannt, spöttisch »Werschala«, während die Waldbauern in den umliegenden Dörfern längst schon reinrassiges Simmentaler und Pinzgauer Vieh oder Kreuzungen hatten, fingen die Rehberger erst in der letzten Zeit langsam damit an.

Die Einwohner von Stubenbach hören es nicht gerne, wenn man sie »Krumpschnawln«, Kreuzschnäbel, nennt; in den schier endlosen Wäldern um Stubenbach gibt es nämlich Kreuzschnäbel in Mengen. Ihr Kirchenfest zu Prokopi wird spöttisch die »Krumpschnowlkiawa« genannt.

Die Leute von Großhaid nennt der Volksspott »Hoidara Geier«, weil sie recht zerraufte Leute sind.

Von der Gegend um den Rachel und Antigl heißt es, dass hier die Welt mit Brettern vernagelt ist. Die Innergefilder und auch die Chinitz-Tettauer kann man in die Hitze bringen, wenn man sie »Bloubhödlate« heißt. In früheren Zeiten kam in die Gegend kein Sauschneider, Kastrierer; die Waldbauern da besorgten das Geschäft selber, nahmen zwei Stück »Bohwid«, Hölzer zum Brotbacken, und zerdrückten mit diesen den Stierlein, um Ochsen zu kriegen, die »Hödln«. Diese wurden ganz blau, »bloub« sagen die Bauern, und schrumpften zusammen. Diese Art des Verschneidens war früher allgemein üblich und wird heute noch geübt bei Bauern, denen der Sauschneider zu teuer ist. Den Waldleuten in den Gefilden wird noch manches nachgeredet, was mit dieser Sache zusammenhängt.

Als Kinder haben wir die Innergefilder Weiber also verspottet: »So sitzen die Gefilder Weiber auf der Ofenbank, wenn sie kein Schmalz haben!« und dabei auf die Ofenbank gesetzt, die Füße etwas in die Höhe gehoben und die Hände vorm Knie ineinander geschlungen.


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