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Rund um den Chumberg

Die Gegend um den Chumberg ist eine Waldgegend, in der arme Leute hausen. Gegen das »Böhm« zu und in manchen Tälern sitzen aber reiche Bauern. Das ganze Gebiet ist recht verlassen und von aller Welt abgeschnitten, viel mehr als die Waldgegend an der oberen Moldau. Auf der Seite gegen das Moldautal geht die Waldgegend in das reiche Unterland über.

Die Bauern von Chrobold bei Prachatitz sind die »Hengst'n« oder die »Groben«, weil sie mit Vorliebe fremden Leuten öfter in alten und neuen Zeiten unflätigen Schabernack antaten. Seit einiger Zeit werden sie auch »Buttenscheißer« geneckt, weil sie einem durchziehenden Sägenfeiler einen argen Streich gespielt hatten. »Der Mann von Chrobold nimmt alles« lautet ein Sprichwort der Gegend, und die Leute wollen damit sagen, dass die Chrobolder Bauern nicht gerade wählerisch sind.

Die Bauern von Frauental sind als »Bogola« bekannt und die Gegend heißt im Volksspotte die »Bogei«; die Bedeutung des weit verbreiteten Spottnamens ist dem Volke unklar. Des Reimes halber wird auch gesagt: »Die Frauentaler sind Prahler.« An ihrem Kirchtage, dem Philippisonntag, sollen die Bauern von Frauental einen Bettelmann schlachten, da sie um die Zeit sonst noch nichts zu essen haben. Die Gegend, die ganz abseits und vergessen hart an der Grenze liegt, heißt scherzhaft auch die »Göltsgottlucka«.

Die Leute vom nahen Pleschen gelten als die Hirschauer, und die Kunde von ihnen reicht weit. Sie dulden keine Dinge in ihrem Orte, auf denen ein Hirsch abgebildet ist; man kann sie ärgern, wenn man ihnen etwa ein Schnupftabakfläschlein mit einem Hirschen darauf hinhält. Von dem Orte werden die meisten der im Böhmerwald umlaufenden Hirschauerstücklein erzählt.

In den Nachbardörfern gibt es ein Trutzliedlein auf die Pleschener, das auch auf eine Menge anderer Dörfer gesungen wird:

»I da Pleschen wanns läut'n,
da schwingt sih da Turm,
und wia lainger dass läut'n,
wia dümmer waint d' Buam.«

Die Schläger Schulkinder werden von den Kindern der Nachbardörfer also ausgespottet:

»Schläger, Schläger, schlag' mih nit,
Kraut und Knödel mag ih nit.«

Die Bauern von Klenowitz heißen die »Prnatschata«; der Sinn des Wortes ist dunkel, vielleicht wollen die Nachbarn durch ein tschechisch klingendes Wort andeuten, dass in Klenowitz alle Haus- und Flurnamen tschechisch sind.

Von den Krzischowitzern heißt es, dass sie in ihrem Orte keine Spatzen haben.

Die Groß-Zmietscher sind die »groben Zmietscher« und die Klein-Zmietscher die »seltsamen Zmietscher«. Die Klein-Zmietscher, die Frühaufsteher sind, zieht man auf, wenn man erzählt, dass einmal ein Bauer früh in der Finsternis statt des Rechens den Weißwedel erwischt hätte und damit aufs Feld gegangen sei.

Sie sollen auch also sparsam sein, dass sie am Sonntag, wenn sie aus der Kirche heimkommen, nicht wie anderswo die Bauern ins Wirtshaus gehen, sondern sich ins »Holz« begeben und Geißelstecken schneiden.

Die Bauern von Dobrusch, die bis spät in die Nacht hinein arbeiten, bringt man in die Hitze, wenn man sie »Nachtkrowler«, Nachtkrabbeler, nennt.

Die Bauern des Dörfleins Kugelwaid, dessen Häuser um eine alte Klosterruine herum, zum Teil sogar in die Ruine hinein gebaut sind, werden von den Nachbarn die »Klosterherren« genannt.

Die Oxbrunner sind die »Zegerscheißer«; der »Zeger« oder eigentlich Zecker ist ein sackähnlicher, aus Bast, Stroh, Binsen und dergleichen geflochtener Korb. Die Siebitzer sind die »Brunnscheißer«, und es werden auch Geschichten über die Entstehung der beiden Spitznamen erzählt.

Die sieben größten Bauern von Przislop werden die »sieben Kurfürsten« oder auch die »sieben Saubären« tituliert.

Die Leute aus der Tischer Gegend werden gerne mit ihrer Mundart gehänselt; es erscheint da der laut »l« nach Selbstlauten als »i«; geht ein »i« bereits voraus, so schmelzen beide zu einem langen »i« zusammen; es überwiegen also unter den Selbstlauten des Dialektes die »i« und das kommt den Nachbarn lächerlich vor. Kommen Tischer Burschen in einen Nachbarort auf eine Tanzunterhaltung, so fordern die einheimischen Burschen die Spielleute immer in der Sprache der Tischer zum Spielen auf und hänseln so die Tischer Burschen: »Spileut, spits af, kousts, wos da wi, hobts jo koan Win nit!« Spielleute, spielet auf, es koste, was es wolle, ihr habt ja keinen Willen.

Die Einwohner von Neuberg und Markus und vielleicht auch von einigen Dörfern, die an den Hängen des Chumberges wohnen, heißen »Chumschlegel« oder auch »Chumschädel«. Wenn einer arm ist, so sagt man in der Tischer Gegend: »Dem geht es so gut wie den Markaser Inleuten, die haben nicht einmal das Futter von den Bauern und müssen für ihre Geißen Laubet brocken gehen.« Wenn die Bauernleute in den Nachbardörfern Karten spielen und es kommt ein »G'lumpat«, schlechte Karten, so sagt man: »Jetzt kommen schon wieder die Markaser!«

Die Leute des Dörfleins Markus werden auch »Heuschrecken« zubenannt, da sie mit Vorliebe das folgende Heuschreckenlied singen:

»Oder Heuschreck hin, oder Heuschreck her,
holladio, holladio,
koa olter Heuschreck hupft nimmer mehr,
holladio, dirittitri,
oder wos a echter Heuschreck is,
holladio, holladio,
der hupft in Summer af da Wies',
holladio, dirittitri,
oder wann nauh wieder da Summer kam,
holladio, holladio,
dass der Heuschreck hupfa kannt,
holladio, dirittitri.«

Die Christiansberger hören es nicht gerne, wenn man zu ihnen »Waldesel« sagt. In Christiansberg sollen alle Leute auf einer Seite vom Tabakbeißen geschwollen sein. Die benachbarten Andreasberger erzählen von den Christiansbergern, dass sie das Kraut ein wenig besser schmalzen täten als in Andreasberg.

Am meisten verspottet und verlästert wird im Walde das Bergdörflein Andreasberg, dessen Häuser weit herum am Hange des Chumberges verstreut sind. Es heißt daher im Volksmunde: »Andreasberg ist größer als die Pragerstadt.« Zunächst einmal werden die Andreasberger von den Unterländern »Waldhirschen« betitelt. Dann werden die Andreasberger als »Kuller« ausgespottet; die ersten Ansiedler dieser Berggegend sind nämlich Köhler gewesen, wie man auch noch an den Namen der Gegend merken kann. »Kuller« nennt man in der Volkssprache aber auch Rösser, die im Kopfe nicht recht sind, und so kamen die Leute von Andreasberg in den Ruf, dumme Leute zu sein; es sind aber recht helle und witzige Köpfe unter ihnen. Da gibt es zu Andreasberg je nach der Lage der Häuser »Sunnkuller« und »Winterkuller«. Die besseren Leute um die Kirche herum sind das »Kirhag'sindl«. Oft hört man auch von den »ungesalzenen Andreasbergern« reden, man sagt ihnen nämlich nach, dass sie bei einem gewissen Körperteil nicht gesalzen sind.

Die Andreasberger raufen gerne. Man braucht im Wirtshause nur zu sagen: »Einen Wecken her!« und mit dem Messer schnappen, da ärgern sie sich sehr, und die Rauferei geht gleich los. Nach dem Kirchtag zu Mariaheimsuchung sollen immer ganze »Kreuzscharen« zum Bezirksgericht nach Kalsching hinunter ziehen. Ein Richter in Kalsching soll öfter den Ausspruch haben: »Das Bezirksgericht gehört nach Andreasberg und nicht nach Kalsching.«

Ein Ortsteil von Andreasberg, das Neudörfel, heißt die »Schnurstadt«, weil die Häuser in einer Reihe, »nach der Schnur«, gebaut sind; die Leute haben den Namen auch umgedeutet als »Schnauzdörfel« und erzählen, dass den Ort Leute eingebaut haben, die Schnurrbärte trugen. Das Neudörfel heißt auch die »Schinderstadt«, weil dort vor einiger Zeit zwei Burschen umgebracht wurden. Die Leute von Graben sind die »Gromazagln«.

Wie auf die Mädchen anderer Orte singt man auch auf die von Andreasberg:

»D' Andreasberger Mainscha
hant hoih affi g'moln,
und hiazt is ihn dö schaina
i d' Mistloucka g'folln.«

An ihrem Kirchtage sollen die Leute von Andreasberg »neunerlei G'füllat und ein Beerenkoch« als Festessen verspeisen, behaupten die Nachbarn.

Die Leute von Pragerstift werden als die »Broitlin«, die Kröten, gehänselt und mit ihrer großen »Broitlin« aufgezogen, die sie an einer Kette in einem Wassertümpel angehängt haben sollen.

Die Bauern von Kriebaum werden »Nasenstülzer« geneckt. Ein eifersüchtiger Bursche soll da seinem Mädchen, die es heimlich noch mit einem anderen hielt, die Nase abgebissen haben. Von den Kriebaumern wird auch die Geschichte vom Bettelmannschlachten zur Kirchtagzeit erählt.

Die Haidler sind bekannt als »Strotter«, das sind Leute, die sich bei der Arbeit gern übereilen. Die Richterhofer nennt das Volk »Wichser«, da sie flinke Leute und Draufgänger sind. Die Spitznamen der beiden letzten Ortschaften scheinen aber auch einen bestimmten Nebensinn noch zu haben.

Die Bürger des Städtleins Kalsching sind als »Goaßbohrer« im ganzen Böhmerwalde bekannt und ausgeschrien.

Der Volksmund erzählt, dass in ihrer Kirche an einer Stelle ein Bohrer, nach anderen eine Geiß in Stein eingemeißelt zu sehen sei. Den Spitznamen scheint der Ort einem Grabsteine zu verdanken, der in einem Wappen einen stehenden Ziegenbock zeigte; es ist wohl das Grabmal des Edlen Johann von Bor auf Ruben, der um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts lebte. Vor etlichen Jahren stand dieser Grabstein noch an der Außenseite der Kirchenmauer.

Das Volk hat sich den Spottnamen durch etliche närrische »Goaßbohrerstücklein« erklärt; es sind Geschichten von der Art, die die Wissenschaft »ätiologische Sagen« nennt und die einen dunklen Namen durch erfundene, meist an den Haaren herbeigezogene Begebenheiten deuten. Einige dieser »Goaßbohrerstücklein« seien mitgeteilt:

Eine alte Ziege soll zu Kalsching einmal zwei Geißlein geworfen haben, einem davon fehlte an einem Körperteile etwas, und da soll der Besitzer des Geißleins mit einem Bohrer schnell nachgeholfen haben.

Oder: Zwei Männer aus Kalsching stahlen einmal in einem Nachbardorfe eine Ziege. Ehe sie die Ziege aus dem Stalle hinausschleppten, machten sie ihr erst den Garaus mit einem großen Bohrer, der gerade zur Stelle war, damit die Geiß keinen Lärm mache und sie verrate.

Eine andere Geschichte: Einmal ging ein Hochwasser über Kalsching dahin, und die Häuslein wankten und schwankten im Wasser. Einem Kalschinger drohte die Wasserflut den Geißstall, der an seinem Gehöfte angebaut war, mitzureißen; da bangte der Mann um seine Geiß, holte schleunig einen mächtigen Bohrer und hub an, vom Innern seines Hauses aus den Geißstall fest zu bohren. Im Eifer aber soll er die Geiß im Stalle mit angebohrt haben, dass ihr der Bohrer in der Wamme stecken blieb.

Auch ein »Geißbohrerlied«, das früher im Umlauf war, erzählt von der Entstehung des Spottnamens:

»Im Böhmerwald da liegt a Markt,
gar brave Leut' san drin,
doch glaubts drum nit, dass ih s' nur lob',
weil ih gebor'n durt bin.

Die durtin Leut' san weitbekannt,
von jed'n werd'n s' ah g'liabt;
doch oans is, wia ih enk gleih sog',
wos sie gar stark betrüabt.

Wou s' hingehn mög'n in jede Stadt,
wird'n s' Goaßbohrer nur g'nennt;
ih hob dö G'schicht selbst oft dafohr'n,
wia ih nauh wor Student.

Dos hot mih dann recht g'woltig 'gift,
hot stark mih 'brocht in Zorn;
hot olls nix g'nutzt, Goaßbohrer bleibt,
wer z' Kolsching wird gebor'n.

Drum hob ih in die Büacher g'schaut
und selbst ah nohspekliert,
von wo denn nur in oller Welt
der Teuxlsnam' herrührt.

A olte Chronik, ganz verstaubt,
af Pergament is g'schrib'n,
dö sogt uns ganz kurz und klor,
wos d' Kolschinger hob'n trieb'n.

A Schulerbua hot akrat g'wisst,
dass d' Gams zwoa Hörndl trogt,
dos hot a ah recht boanfest glaubt,
weil 's hot da Lehrer g'sogt.

Und wia a oanmol geht in Wold,
do siahgt a durt a Goaß,
do rennt a g'schwind af Kolsching zua,
dass ihm es word'n schier hoaß.

A Gams, a Gams, zwoa Hörndl hot s',
geht's g'schwind und schauts enk s' an,
doch tummelts enk, sonst rennt dos Viah
uns wiederum davon.

Do is holt g'rennt, wos Füaß' hot g'hobt,
dass d' Gams nur kinnt'n sehg'n,
denn dass a Gams af Kalsching kam,
is nia zuvor nauh g'schehg'n.

A Zimmermann is a durt g'west,
der hot a Pump'nröhrn bohrt,
der is g'schwind mit san Bohrer g'rennt,
wia a dö G'schicht dafohrt.

Wou is dos Viah? So hot a g'schrian,
dos kimmt uns nimmer aus,
ih spiaß 's g'schwind auf mein Bohrer af,
trog's dann von Haus zu Haus.

Mit oller G'wolt sticht er in d' Goaß
dass s' g'schrian und g'megatzt hot
und olle Leut hab'n 's Maul afg'mocht,
weg'n saner Höld'ntot.

Zwain Schneider hob'n dö Goaß dann trog'n
af Kolsching ganz beglückt,
vor Freud', weil so a guater Fang
sih unverhofft hot g'schickt.

A Fremder hot dö G'schicht dafohr'n
dass d' Gans nur wor a Goaß,
der hot san Bauch vo Loch'n g'hol'n
weg'n so an schönen G'spoaß.

Er hot dö G'schicht in d' Zeitung geb'n,
dass d' ganze Welt ah woaß;
und Goaßbohrer werd'n mia hiazt g'nennt,
weil mir hob'n anbohrt d' Goaß.«

Nach einer Mitteilung unseres Geschichtsforschers Valentin Schmidt aus dem Jahre 1925 ist dieses Lied eine Dichtung des Hohenfurther Zisterziensers und geborenen Kalschingers P. Nepomuk Neubauer, geboren 1858, gestorben am 28. Juni 1920 in Hohenfurth.

Die Kalschinger werden endlich auch noch mit einem älteren und recht unsauberen Namen gehänselt; doch soll nur so viel davon verraten werden, dass man zu Kalsching nicht mit den Zeigefingern gegeneinander fahren darf, und dass die Welser im uralten Oberösterreich einen ähnlichen Spottnamen tragen.


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